Innenminister Reul darf die Verantwortung nicht auf die Kommunen abschieben

Innenminister Reul darf die Verantwortung nicht auf die Kommunen abschieben

Zur heutigen Sondersitzung des Innenausschusses zur Flutkatastrophe in NRW erklärt Verena Schäffer, Vorsitzende und innenpolitische Sprecherin der GRÜNEN Landtagsfraktion NRW:

„Nordrhein-Westfalen wurde von diesem Unwetter hart getroffen. Unsere Anteilnahme gilt denjenigen, die geliebte Angehörige und Freunde verloren haben. Menschen wurden verletzt und an vielen Orten ist das gesamte Hab und Gut in den Fluten weggeschwemmt worden.

Die heutige Sondersitzung des Innenausschusses war wichtig, um die drängendsten Fragen zu klären. Allerdings bin ich darüber erschüttert, wie sehr sich der Innenminister bei dieser größten Naturkatastrophe für das Land Nordrhein-Westfalen aus der Verantwortung zieht. Er schiebt die gesamte Verantwortung auf die Kreise und kreisfreien Städte ab und zieht sich darauf zurück, dass diese formal zuständig seien. Dabei ist im Innenministerium offensichtlich unzureichend mit den Warnmeldungen des Deutschen Wetterdienstes umgegangen worden. Mir ist nicht verständlich, warum das Innenministerium als für den Katastrophenschutz zuständiges Ministerium angesichts der Unwetterwarnungen keinen Kontakt mit dem Umweltministerium in Fragen des Hochwasserschutzes, z.B. bezüglich der Talsperren, aufgenommen hat. Dass die Unwetterwarnungen an die Städte und Kreise nur weitergeleitet wurden ohne eine inhaltliche Bewertung durch das Land und eine Handlungsaufforderung an die kommunale Ebene vorzunehmen, halte ich für einen Fehler. Innenminister Reul konnte zudem nicht schlüssig erklären, warum das Innenministerium keinen Gebrauch einer Warnung durch das Land gemacht hat.

Die Sondersitzung hat weitere Fragen unter anderem zum Krisenstab der Landesregierung offen gelassen. Es ist wichtig, dass diese Fragen aufgearbeitet werden. Denn diese Katastrophe, bei der mit fast der Hälfte der Kreise und kreisfreien Städte das halbe Land betroffen ist, muss eine Zäsur für den Katastrophenschutz sein. Wir brauchen unter anderem mit Katastrophenschutzbedarfsplänen eine stärkere Vorsorge im Bereich des Katastrophenschutzes, um zukünftig auf verschiedene Katastrophenszenarien besser vorbereitet zu sein.“

Zum Antrag der GRÜNEN im Landtag auf eine Aktuelle Stunde zur Demonstration gegen das Versammlungsgesetz

“Diesen guten Ruf setzen Sie, Herr Reul, für Ihre Träumereien aufs Spiel”

Zum Antrag der GRÜNEN im Landtag auf eine Aktuelle Stunde zur Demonstration gegen das Versammlungsgesetz

Verena Schäffer (GRÜNE): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Der Grundsatzbeschluss des Bundesverfassungsgerichts von 1985, der sogenannte Brokdorf-Beschluss, nennt die Versammlungsfreiheit ein unentbehrliches Funktionselement eines demokratischen Gemeinwesens. Dieser Beschluss ist bis heute prägend für das Versammlungsrecht. Doch Innenminister Reul wollte noch vor einem Jahr den Brokdorf-Beschluss grundsätzlich auf den Prüfstand stellen.

Ministerpräsident Armin Laschet lobte hier vor zwei Wochen, dass die Polizei sogar ermögliche, dass Menschen für absurde Dinge ihr Demonstrationsrecht in Anspruch nehmen könnten – als wäre das nicht ihr Grundrecht. Der Staat hat nicht zu bewerten, für welche Anliegen Bürgerinnen und Bürger demonstrieren. Ja, manches ist für Demokratinnen und Demokraten schwer erträglich, aber unsere Demokratie hält das aus.

Die Äußerungen von Minister Reul und Ministerpräsident Armin Laschet zeigen vor allem eines: Diese Koalition hat keinerlei Wertschätzung für Versammlungen als einem unabdingbaren Element unserer Demokratie, sondern sie sieht in ihnen immer eine potenzielle Gefahr. Man schützt aber die Demokratie nicht, indem man Grundrechte unverhältnismäßig einschränkt, wie diese Landesregierung es aktuell plant.

(Beifall von den GRÜNEN)

Die Aufarbeitung des Polizeieinsatzes vom vergangenen Samstag ist nicht nur eine Aufklärung der Einzelfragen zum Einsatz. Machen wir uns da nichts vor! Wer es gerade im Innenausschuss erlebt hat, weiß, was ich meine. Es ist im Kern eine Auseinandersetzung über die Ausrichtung der Einsatztaktik unserer Polizei.

(Daniel Sieveke [CDU]: Unglaublich!)

In den 80er-Jahren hat sich in Nordrhein-Westfalen viel verändert. Die Polizeistrategie wurde grundlegend weiterentwickelt. Sogar noch vor dem Brokdorf-Beschluss wurde die NRW-Linie für den Einsatz der bürgernahen Polizei entwickelt, die auch heute noch Gültigkeit hat. Seitdem gelten Deeskalation, Verhältnismäßigkeit der Einsatzmittel, Kommunikation, Kooperation, Differenzierung zwischen friedlichen Versammlungsteilnehmern und -störern als wesentliche Teile der Einsatzstrategie. Für diese NRW-Linie genießt unsere Polizei zu Recht bundesweit einen sehr guten Ruf.

Diesen guten Ruf und vor allem diese erfolgreiche Einsatztaktik setzen Sie, Herr Reul, für Ihre Träumereien von einer robusten, einer repressiv ausgerichteten Polizei aufs Spiel. Ich finde das unverantwortlich.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Weil es hier um eine grundsätzliche Frage des Umgangs mit der Versammlung geht, muss auch die Rolle des Innenministeriums im Vorfeld der Demo am Samstag in den Blick genommen werden.

Ja, Herr Reul, Sie haben eben im Innenausschuss sehr heftig dementiert, dass es Vorgaben gegeben habe. So wie ich Ihre Polizeiabteilung in den letzten vier Jahren erlebt habe, bin ich mir aber sehr sicher, dass bereits im Vorfeld darauf hingewirkt wurde, dass bei dieser Versammlung hart durchgegriffen wird.

(Josef Hovenjürgen [CDU]: Das ist doch eine Unterstellung! Unglaublich!)

Dass Sie gerade im Innenausschuss derart gereizt auf die Frage reagiert haben, ob es eine klare Erwartungshaltung des Innenministeriums an das PP Düsseldorf gab,

(Nadja Lüders [SPD]: Macht er ja immer!)

spricht aus meiner Sicht sehr dafür, dass ich mit meiner Einschätzung richtig liege und es diese Einflussnahme gab.

(Josef Hovenjürgen [CDU]: Unglaublich!)

Das wäre übrigens aus meiner Sicht in Bezug auf die Einsatzstrategie eine klare Missachtung der NRW-Linie.

(Beifall von den GRÜNEN)

Ich will eines ganz klar sagen: Gewalt ist kein Mittel der politischen Auseinandersetzung und darf es niemals sein.

(Gregor Golland [CDU]: Wie im Hambacher Forst!)

Wenn es zu Gewalt und Straftaten kommt, dann müssen diese selbstverständlich von der Polizei verfolgt werden.

Deeskalation und Kommunikation aber sind wesentliche taktische Einsatzmittel, damit angespannte Situationen gar nicht erst eskalieren – dies im Übrigen auch zum Schutz unser eingesetzten Polizeibeamtinnen und ‑beamten.

Ich halte es rechtlich für mehr als fragwürdig, dass über 300 Menschen, darunter viele Minderjährige – 38, wie wir gerade gehört haben –, über Stunden in einem sogenannten polizeilichen Kessel eingeschlossen waren. Es ist gerade im Innenausschuss nicht wirklich dargelegt worden, was die rechtliche Begründung dafür ist. Hier werden wir weiter nachhaken.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)

Es ist ungeheuerlich, dass ein Journalist, der sich als Journalist zu erkennen gibt, bei einer Demonstration von Polizisten verletzt wird. Wir Grüne haben bei der Beratung des Gesetzentwurfs darauf hingewiesen, dass Art. 5 Grundgesetz, die Pressefreiheit, bei Versammlungen gewährleistet werden muss. Nehmen Sie also die Versammlung zum Anlass, für den Schutz der Pressefreiheit bei Demonstrationen zu sorgen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Nach den Erfahrungen am Samstag ist bei vielen Menschen das Vertrauen in unsere Polizei erschüttert.

(Zurufe von der CDU: Oh!)

Sie fragen sich, ob das der Anfang einer neuen harten Linie ist, um es ganz klar zu sagen.

(Zuruf von Gregor Golland [CDU])

Herr Reul und Herr Löttgen wollen in Bezug auf das Versammlungsgesetz den Ball flach halten.

(Daniel Sieveke [CDU]: Sie halten den Ball nicht mehr flach!)

Sie suggerieren, dass es sich bei dem Gesetzentwurf der Landesregierung allein um eine Überarbeitung des alten Bundesgesetzes handelt. Sie suggerieren, es sei nur eine Überarbeitung mit einer Anpassung an die aktuelle Rechtsprechung. Das ist schlichtweg falsch.

Es ist im Übrigen arrogant, Herr Reul, wenn Sie behaupten, dass diejenigen, die das Gesetz kritisieren, es nicht gelesen hätten. Ich habe es sehr intensiv gelesen. Der Gesetzentwurf geht weit über die Rechtsprechung hinaus. Er ist zum Teil sogar schärfer als das Bayerische Versammlungsgesetz. Es wird Versammlungen in Zukunft einschränken und damit ein wichtiges Grundrecht einschränken. Das halte ich schlichtweg für falsch.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)

Es ist einfach – Entschuldigung – heuchlerisch, dass die FDP-Landtagsfraktion hier im Landtag erst auf Druck aus Berlin die Freiheits- und Bürgerrechte wiederentdeckt.

(Beifall von den GRÜNEN)

Ihre Ministerinnen und Minister haben dem Gesetzentwurf im Kabinett zugestimmt. Sie haben der Verhinderung von Gegendemonstrationen, von vereinfachten Bild- und Tonaufnahmen, erschwerten Bedingungen zur Anmeldung einer Demonstration,

(Marc Lürbke [FDP]: Verhinderung von Gegendemonstrationen? Verhinderung?)

sogar dem Vergleich der heutigen Klimaschutzbewegung mit den Aufmärschen von SA und SS unter den Nationalsozialisten zugestimmt.

Ja, Herr Lürbke, § 7 des Gesetzentwurfs, Störung von Versammlungen, sieht genau das vor: die Verhinderung von Gegendemonstrationen. Bitte schauen Sie in das Gesetz. Das haben Sie offenbar noch immer nicht getan. Dort steht das genauso. Das ist auch mehrfach von Sachverständigen so vorgetragen worden.

(Beifall von den GRÜNEN)

Herr Lürbke, liebe Kolleginnen und Kollegen von der FDP, die Freiheitsrechte waren Ihnen im Polizeigesetz egal, sie waren Ihnen bis zum Tweet von Frau Strack-Zimmermann am Samstagabend egal, und deshalb nimmt Ihnen Ihre Haltung hier gerade niemand ab.

(Beifall von den GRÜNEN – Zurufe von Henning Höne [FDP]: und Marc Lürbke [FDP])

– Da scheine ich ja einen sehr wunden Punkt getroffen zu haben, Herr Höne und Herr Lürbke.

Der gesamte Duktus des Gesetzentwurfes …

(Marc Lürbke [FDP]: Nein, das ist alles Quatsch!)

– Nein, das ist kein Quatsch. Gucken Sie sich doch die Reden zum Polizeigesetz an, Ihre Äußerungen zum Versammlungsgesetz.

(Zurufe von Henning Höne [FDP] und Josefine Paul [GRÜNE])

Hier nimmt Ihnen schlichtweg niemand ab, dass Sie für Freiheitsrechte einstehen.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Der gesamte Duktus des Gesetzentwurfs ist geprägt von Repression, von der Verhinderung von Versammlungen.

(Zuruf von Henning Höne [FDP])

Deshalb muss der Gesetzentwurf aus meiner Sicht zurückgezogen werden.

(Josef Hovenjürgen [CDU]: Das ist ja maßlos, Frau Kollegin! Unglaublich!)

Ja, ich gebe Ihnen recht: Wir brauchen ein modernes Versammlungsrecht – das ist so –, aber eines, das Art. 8 des Grundgesetzes, die Versammlungsfreiheit, wirklich schützt und Versammlungen ermöglicht, anstatt sie zu behindern. – Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Der zweite Redebeitrag zu diesem Tagesordnungspunkt von

Verena Schäffer (GRÜNE): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Lieber Herr Golland, ich werde in der Tat leidenschaftlich, wenn es um die Grundrechte geht, und im Gegensatz zu Ihnen bedeutet mir der Schutz unserer Grundrechte sehr viel.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD – Zurufe von Bodo Löttgen [CDU] und Ralf Witzel [FDP])

Aber, Herr Golland, ich will hier auch noch einmal ganz deutlich sagen: Sie müssen sich schon mit meiner sachlichen Kritik auseinandersetzen,

(Josef Hovenjürgen [CDU]: Wenn sie denn sachlich wäre!)

und es ist, glaube ich, gerade sehr erkennbar geworden, dass Sie das nicht tun wollen.

Herr Reul, Sie sagten, Sie würden nicht wollen, dass die Debatte auf dem Rücken der Polizei ausgetragen werde. Diese Auffassung teile ich. Mir ist deshalb wichtig, Folgendes klarstellen – so hatte ich auch die Fragen in der Innenausschusssitzung angelegt, und ich meine, das wäre in meiner Rede deutlich geworden –: Es geht mir nicht darum, einzelne Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte in den Fokus zu nehmen und zu sagen, welcher Polizeibeamte wann und wo bei der Demo steht. Darum geht es nicht.

Natürlich gibt es bei dieser Demonstration, bei der ich weiß nicht wie viele Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte eingesetzt waren – wahrscheinlich waren es mehrere Hundert, aber vielleicht auch 1.000 oder sogar mehr –, …

(Bodo Löttgen [CDU]: Wenn Sie mal zugehört hätten! Die Zahl hat er doch genannt!)

– Es tut mir leid, Herr Löttgen, dass ich an dieser Stelle vielleicht einmal nicht zugehört habe. Wenn Sie die Zahl aber gerade wissen, ist das in Ordnung. Darum geht es aber gar nicht. Es geht nicht um die Zahl, sondern es geht darum, dass es bei einer Vielzahl von eingesetzten Beamtinnen und Beamten zu Fehlern kommen kann.

Mir geht es in der Debatte aber darum, und darauf waren auch meine Fragen im Innenausschuss ausgerichtet, welche Einsatzvorgaben gemacht wurden. Mit welcher rechtlichen Begründung wurden welche polizeilichen Maßnahmen eingeleitet? Außerdem geht es um die Bewertung, ob diese Einleitung von polizeilichen Maßnahmen verhältnismäßig war oder nicht. Dabei handelt es sich um juristische Fragen, und da geht es, wie gesagt, nicht um die einzelnen Beamtinnen und Beamten.

Im Übrigen ist es die Aufgabe des Parlaments, diese Fragen hier zu klären, Herr Reul. Sie müssen anerkennen – Entschuldigung –, dass das unsere Aufgabe als Abgeordnete ist und wir uns nicht darauf verlassen, dass der Minister als Teil der Exekutive aufklärt.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)

Es sind noch viele Fragen zu klären, und ich kann hier schon einmal ankündigen, dass wir das weiter anmelden werden.

Dann möchte ich gerne noch einmal zu Herrn Golland und zur NRW-Leitlinie kommen. Herr Golland, ich bin Ihnen sehr dankbar dafür, dass Sie in der letzten Legislaturperiode eine Kleine Anfrage zum Thema „Was ist die NRW-Linie?“ gestellt haben. Sie haben das nach vier Jahren Mitgliedschaft im Parlament und als Mitglied des Innenausschusses nicht gewusst. Ich finde, dass man das hätte wissen können, aber ich bin Ihnen dankbar, dass wir dafür nun diese Leitlinie vorliegen haben, die sich jeder aus dem Netz ziehen kann.

(Zuruf von Gregor Golland [CDU])

Ich möchte daraus gerne den letzten Absatz zitieren, weil Sie von einer „weichen Welle“ sprachen. Dieser Absatz lautet: Die nordrhein-westfälische Linie ist keine weiche Welle, keine bestimmte Linie, keine falsche Nachgiebigkeit, sondern angemessener, differenzierter Polizeieinsatz. Sie verwirklicht den Verfassungsgrundsatz der Verhältnismäßigkeit. – Das ist die NRW-Linie, und ich bin froh, dass diese Linie in Nordrhein-Westfalen nach wie vor Bestand hat.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD – Gregor Golland [CDU]: Das hat man bei der Silvesternacht gesehen!)

Ich möchte auch noch einmal darauf eingehen, dass Sie hier sagten –Herr Katzidis hat das ebenfalls anklingen lassen –, dass nicht genügend gegen Straftaten vorgegangen werde, und den Grundgedanken der NRW-Leitlinie zitieren. Die NRW-Leitlinie spricht zu Beginn von den zwei Grundgedanken – Zitat – „entschiedener und problembewusster Einsatz von konfliktmindernden und gewaltdämpfenden Maßnahmen“ und „konsequentes Einschreiten gegen Gewalt durch angemessen starke Kräfte“. Auch das ist ein Teil der NRW-Linie, und ich würde wirklich empfehlen, dass Sie sich das noch einmal zur Lektüre vornehmen.

Diese NRW-Linie beschreibt aus meiner Sicht sehr gut, dass Deeskalation bzw. ein angemessener verhältnismäßiger Polizeieinsatz gerade dazu führen, bei Demonstrationen Gewalt zu vermeiden und eine Eskalation zu verhindern. Genau darum muss es uns auch zum Schutz der eingesetzten Beamtinnen und Beamten gehen.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)

Herr Lürbke, ich komme zu Ihren Ausführungen. Jetzt so zu tun, als wäre es normal, dass Gesetze innerhalb einer Koalition grundlegend überarbeitet würden, wenn sie dem Parlament einmal vorlägen, ist schlichtweg weltfremd. Jeder, der schon einmal in einer Koalition war, weiß das auch. Selbst wenn es der Fall wäre, dass man ein Gesetz dann noch einmal grundsätzlich komplett umschreiben würde, würde ich mich fragen, warum ein Minister Stamp, ein Minister Pinkwart und eine Ministerin Gebauer diesem Gesetzentwurf zugestimmt haben.

(Bodo Löttgen [CDU]: Ja, der ist gut!)

Abgesehen davon, dass ich immer noch nicht weiß, was die FDP jetzt an diesem Gesetzentwurf konkret ändern will – Sie sind im Plenum maximal nebulös geblieben –, will ich auch noch einmal klar feststellen, dass eine Überarbeitung des Gesetzentwurfs alleine überhaupt nicht reicht. Der Duktus des Gesetzes und die Gesetzesbegründung mit den unsäglichen Vergleichen, indem zum Beispiel die Klimaschutzbewegung mit der SS und der SA gleichgesetzt wird, gehen einfach nicht. Das kriegen Sie auch nicht über eine Überarbeitung weg, denn die Begründung bleibt doch stehen.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Deshalb will ich noch einmal sagen: Wir brauchen ein modernes Versammlungsgesetz, das die Rechtsprechung berücksichtigt, aber es muss ein Versammlungsfreiheitsgesetz sein, das Art. 8 Grundgesetz schützt. – Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN, Regina Kopp-Herr [SPD] und Lisa-Kristin Kapteinat [SPD])

Fachgespräch zum geplanten Versammlungsgesetz der Landesregierung

Fachgespräch zum geplanten Versammlungsgesetz der Landesregierung

Mit: Prof. Dr. Clemens Arzt, Professor für Staats- und Verwaltungsrecht an der Hochschule für Wirtschaft und Recht, Berlin und Michèle Winkler, Komitee für Grundrechte und Demokratie, Köln

Am 8. Juni 2021 von 20.00 Uhr bis 21.30 Uhr

Hier geht es direkt zur Anmeldung

Liebe Freundinnen und Freunde,

liebe Interessierte,

die Landesregierung plant die Einführung eines eigenen Versammlungsgesetzes für Nordrhein-Westfalen und hat dafür einen Gesetzentwurf vorgelegt.

Wir möchten in einem Fachgespräch gerne mit Euch und Ihnen sowie unseren Gästen diskutieren, an welchen Stellen der Gesetzentwurf der Landesregierung aus unserer Sicht begrüßenswerte Aspekte regeln soll, wo es aber auch noch deutlichen Nachbesserungsbedarf gibt. Aus GRÜNER Sicht ist es klar, dass wir ein versammlungsfreundliches Gesetz fordern, das der Versammlungsfreiheit nach Artikel 8 Grundgesetz gerecht wird.

Dazu laden wir Euch und Sie zu einer Online-Veranstaltung ein:

Fachgespräch zum geplanten Versammlungsgesetz der Landesregierung

Dienstag, 8. Juni 2021 von 20.00 Uhr bis 21.30 Uhr

Unsere Gäste sind:

Prof. Dr. Clemens Arzt von der Hochschule für Wirtschaft und Recht in Berlin und

Michèle Winkler vom Grundrechtekomitee in Köln

Jetzt anmelden

Hintergrund

Das Grundrecht der Versammlungsfreiheit ist einer der wichtigsten Eckpfeiler unseres demokratischen Rechtsstaats. Versammlungen ermöglichen es Bürger*innen, ihrer Meinung zusammen mit anderen Ausdruck zu verleihen und so aktiv am politischen Meinungs- und Willensbildungsprozess teilzunehmen. Aufgabe des Versammlungsrechtes muss es daher sein, Versammlungen zu ermöglich und zu schützen.

Mit der Föderalismusreform 2006 ist die Gesetzgebungskompetenz für das Versammlungsrecht vom Bund zu den Ländern gewechselt. Das für NRW noch geltende Versammlungsgesetz des Bundes wird nicht mehr durch den Bundesgesetzgeber aktualisiert und an aktuelle Rechtsprechung angepasst.

Die SPD-Fraktion hat im November vergangenen Jahres einen Gesetzentwurf eingebracht, der sich sehr stark an dem schleswig-holsteinischen Versammlungsfreiheitsgesetz orientiert (LT-Drucksache 17/11673). Die Landesregierung folgte ihr im Januar 2021 mit einem eigenen Entwurf (LT-Drucksache 17/12423). Wir gehen davon aus, dass der Gesetzentwurf der Landesregierung soll nach dem Willen der Koalition noch vor der Sommerpause beschlossen werden soll.

Auch wenn eine Ablösung des veralteten Bundesversammlungsgesetzes grundsätzlich zu begrüßen ist, verpasst die Landesregierung mit ihrem Gesetzentwurf die Chance, ein modernes und versammlungsfreundliches Versammlungsrecht für NRW zu schaffen. Der Gesetzentwurf betrachtet Versammlungen pauschal als potentielle Gefahr für die öffentliche Sicherheit und baut unnötige Hürden für ihre Durchführung auf.

In einem Handout haben wir unseren Hauptkritikpunkte am Gesetzentwurf der Landeregierung zusammengefasst. Das Handout kann über diesen Link aufgerufen werden.

Ich freue mich auf Eure und Ihre Teilnahme und ein spannendes und informatives Gespräch!

Herzliche Grüße aus dem Landtag in Düsseldorf

Verena Schäffer MdL

Versammlungsrecht muss die Versammlungsfreiheit stärken

„Versammlungsrecht muss die Versammlungsfreiheit stärken“

Zu der gemeinsamen Anhörung von Innen- und Rechtsausschuss zum Versammlungsgesetz NRW

„Der Gesetzentwurf der Landesregierung für ein Versammlungsgesetz NRW steht nicht im Zeichen der Versammlungsfreiheit, sondern sieht in Versammlungen eine potenzielle Gefahr für die öffentliche Sicherheit. Er ist durchzogen von gefahrenabwehrrechtlichen Maßnahmen anstatt den Wert und den Schutz der Versammlungsfreiheit hervorzuheben.

Mit dem Gesetzentwurf werden Gegendemonstrationen als Ausdruck der Meinungsvielfalt und der kommunikativen Auseinandersetzungen in der Gesellschaft viel zu wenig geschützt, dabei genießen auch Gegendemonstrationen den Schutz der Versammlungsfreiheit nach Artikel 8 des Grundgesetzes. Die Befugnis der Polizei, Störungen von Versammlungen zu verbieten, ist in der Definition viel zu weit und zu unbestimmt.

Die Möglichkeit der Aufnahme von Bild- und Tonaufnahmen durch die Polizei bei Demonstrationen sollen demnächst schon bei einer sehr geringen Eingriffsschwelle möglich sein. Übersichtsaufnahmen sollen laut Gesetzentwurf bereits angefertigt werden dürfen, wenn die Demonstration groß und unübersichtlich ist. Das lässt allerdings außer Acht, dass Bild- und Tonaufnahmen eine abschreckende Wirkung auf mögliche Teilnehmerinnen und Teilnehmer von Demonstrationen haben. Deshalb sind strenge Regeln für solche Aufnahmen notwendig.

In der Begründung zieht die Landesregierung historisch mehr als fragwürdige Vergleiche. So werden die Aufmärsche der nationalsozialistischen SS und SA mit den heutigen Demonstrationsgeschehen verglichen, insbesondere die Klimabewegung wird dabei kriminalisiert. Solche historischen Vergleiche sind völlig unzulässig.

Insgesamt gibt es deutlichen Nachbesserungsbedarf an diesem Gesetzentwurf. Ziel muss ein Versammlungsrecht sein, dass Versammlungen ermöglicht und nicht erschwert, denn die Versammlungsfreiheit stellt ein elementarer Eckpfeiler unseres demokratischen Rechtsstaates dar.“

 

Anbei finden Sie zur Information unser Handout mit den wichtigsten Kritikpunkten der GRÜNEN Landtagsfraktion am Gesetzentwurf der Landesregierung.

Handout mit den wichtigsten Kritikpunkten der GRÜNEN Landtagsfraktion am Gesetzentwurf der Landesregierung.

Zum Antrag der SPD-Fraktion für einen Periodischen Sicherheitsbericht

“Wir richten aber sehr selten den Blick auf die Opfer”

Zum Antrag der SPD-Fraktion für einen Periodischen Sicherheitsbericht

Verena Schäffer (GRÜNE): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ja, Herr Lürbke, ich finde, das ist immer so ein Totschlagargument, wenn man sagt: Sie waren sieben Jahre an der Regierung, Sie hätten das machen können, warum haben Sie es nicht getan? Dann dürfen Sie es auch hier als Opposition nicht einbringen. – Mit dem Argument können wir Politik alle sein lassen. Ich finde, das ist ein Argument, das überhaupt nicht zieht.

(Zuruf von Marc Lürbke [FDP])

Ich finde es einfach schwierig, das wollte ich nur einmal zurückmelden.

(Beifall von Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE] und Matthi Bolte-Richter [GRÜNE])

Es ist völlig klar, dass bestimmte Vorhaben Zeit brauchen. Dem widerspricht doch auch niemand. Allerdings finde ich schon, dass man mal nachfragen kann – und das habe ich hier beim letzten Plenum auch getan, als wir über die Große Anfrage der SPD gesprochen haben –, was eigentlich aus der Vereinbarung im Koalitionsvertrag von CDU und FDP geworden ist, dass man die Polizeiliche Kriminalstatistik mit der Strafverfolgungsstatistik verbinden will. Das wollte man im Rahmen einer Machbarkeitsstudie prüfen. Ich habe davon immer noch nichts gehört. Vielleicht sind Sie da auch noch dran. Wenn ja, dann wäre es super. Aber diese Legislaturperiode hat eben auch nur noch 14 Monate, und da hoffe ich doch, dass Sie diese 14 Monate nutzen, um ein Stück weiterzukommen. Es wäre wirklich im Sinne der Sache.

Zum Antrag, finde ich, muss man eines sagen: Wir bekommen einmal im Jahr seitens des Innenministers die Polizeiliche Kriminalstatistik vorgestellt, und jeder interpretiert dann die Zahlen so für sich, wie er sie gerade politisch braucht. Klar ist aber eigentlich nur eins: dass die Aussagekraft dieser PKS ziemlich begrenzt ist. Das weiß auch jeder von uns hier. Herr Lürbke, worauf ich im Innenausschuss hingewiesen habe, das war die Stellungnahme der Gewerkschaft der Polizei, die gesagt hat, dass diese Polizeiliche Kriminalstatistik ja nicht ganz unerheblich ist. Sie ist nicht ganz unerheblich, weil sie zum Beispiel als Schlüssel für die BKV, die belastungsbezogene Kräfteverteilung, nach der wir die Polizeikräfte im Land aufteilen, dient. Dafür wird sie als Grundlage genommen. Nicht mehr und nicht weniger habe ich dazu gesagt.

Ich habe nicht gesagt, dass wir einen periodischen Sicherheitsbericht als neue Grundlage nehmen sollen. Ich wollte nur verdeutlichen – das hat die GdP in ihrer Stellungnahme richtig dargestellt –, dass man doch erst einmal zur Kenntnis nehmen muss, dass wir eine PKS haben, von der wir alle wissen, dass sie nur eine Eingangsstatistik ist. Wir wissen aber nicht, was mit den mutmaßlichen Tätern passiert, ob sie verurteilt werden.

Wir nehmen sie aber als Grundlage, um die Polizeikräfte im Land zu verteilen. Ihrem Hinweis, dass sie Schwächen hat, stimme ich zu. Ich habe dafür keine Lösung, aber das Problem zu erkennen, ist doch der erste Schritt.

Wenn wir wissen, dass die PKS keine verlässliche Grundlage ist, muss man sich Gedanken machen, wie wir zu einer wissenschaftlich fundierten Grundlage zur Beurteilung der Sicherheitslage kommen; in der Anhörung im Innenausschuss ist deutlich geworden, dass es genau darum gehen muss.

Ich finde, dass Innenpolitik nach wie vor sehr häufig aus einer Art Bauchgefühl heraus gemacht wird – und das bei einem Themenfeld, bei dem es um die Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger geht, bei dem es um Kriminalitätsbekämpfung geht. Ich finde das nicht richtig. Wir brauchen hier mehr Wissenschaft und mehr fundierte Antworten auf die Frage, wie sich Kriminalität entwickelt.

Im Innenausschuss wurde darauf hingewiesen, dass das so teuer wäre, dass man es nicht machen könne, weil es viel Geld koste. Sicherlich kostet so etwas Geld; das ist überhaupt keine Frage. Ich sage Ihnen aber: Das Innenministerium hat einen großen Etat, und das ist auch richtig so, denn es geht um die Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger.

Wenn wir einen so großen Etat haben, wenn wir damit Hunderte von Polizistinnen und Polizisten einstellen, wenn wir Technik, Ausrüstung und Ausstattung kaufen, die Ausbildung der Beamtinnen und Beamten finanzieren usw., ist es doch richtig, auch Geld für die Forschung in die Hand zu nehmen und zu prüfen, wie sich die Sicherheitslage bei uns im Land darstellt.

Ich denke, das ist ganz gut angelegtes Geld und würde sicherlich zur Versachlichung der Diskussion in der Innenpolitik insgesamt beitragen. Das wäre aus meiner Sicht wirklich sehr wünschenswert. Deshalb ist das aus meiner Sicht ein guter Antrag, dem wir gleich zustimmen werden.

Auf das Thema „Verlaufsstatistik von PKS und Justizstatistiken“ hatte ich gerade schon hingewiesen. Das wäre genauso wichtig wie Dunkelfeldstudien. Hier finde ich einen Aspekt aus dem Antrag sehr relevant, den ich betonen möchte: Wir legen in der Innenpolitik den Fokus vor allem auf die Täterinnen und Täter; meistens sind es Täter. Bei der PKS schauen wir, wer welche Straftaten in welchen Alterskohorten, in welchen Deliktsfeldern begangen hat usw.

Wir richten aber sehr selten den Blick auf die Opfer. Wir schauen sehr selten darauf, wer eigentlich von Kriminalität und von welcher Art von Kriminalität betroffen ist. Was macht Kriminalität mit den Menschen, die davon betroffen sind? Welche physischen und vor allem psychischen Folgen hat Kriminalität auf die Menschen? – Ich denke, auch darum muss es gehen.

Deshalb sind Dunkelfeldstudien so wichtig, die aufhellen, die der Frage nachgehen, wo es Kriminalität zum Beispiel in Form von Gewalt gegen Frauen und Mädchen oder gegen Kinder und Kindesmissbrauch gibt. Das ist für uns alle ein total wichtiges Thema; dazu gehört auch der Bereich der Kindesmisshandlungen.

Es wäre doch wichtig, das näher zu betrachten, um Antworten zu finden und zu überlegen, wie wir die Kriminalität bekämpfen, wie wir den Opfern helfen können. Darum muss es uns gehen. Deshalb möchte ich sehr dafür werben, auch wenn es nicht unser Antrag ist. Ich finde es ein bisschen schade, dass wir Grüne nicht schneller waren, sondern die SPD. Wir werden ihm dennoch zustimmen.

Es ist ein sehr guter Antrag, und ich hoffe sehr, dass sich die nächste Koalition in 14 Monaten – dann ist die nächste Landtagswahl – hier im Land darauf verständigt, genau einen solchen periodischen Sicherheitsbericht einzuführen, weil ich wirklich davon überzeugt bin, dass er uns wichtige Einblicke in die Sicherheitslage unseres Landes verschafft. – Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN und von Regina Kopp-Herr [SPD])

Zur Großen Anfrage der SPD-Fraktion zur Situation der Polizei

“Wir brauchen regelmäßige Dunkelfeldstudien, um abschätzen zu können, wie es um die Kriminalitätsentwicklung in Nordrhein-Westfalen bestellt ist”

Zur Großen Anfrage der SPD-Fraktion zur Situation der Polizei

Verena Schäffer (GRÜNE): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Golland, Sie haben eine Wahl gewonnen, gerade in der Innenpolitik, weil Sie unglaublich viel Stimmung gemacht haben, weil Sie Populismus verbreitet haben, weil Sie nicht an sachlichen Diskussionen und Auseinandersetzungen interessiert waren. Damit haben Sie die Wahl gewonnen. Ob das für die innere Sicherheit und unsere Debattenkultur in diesem Land gut war, das bezweifele ich, ehrlich gesagt.

Herr Lürbke ist offenbar schon im Wahlkampfmodus, vielleicht auch im internen Wahlkampfmodus. Keine Ahnung, was bei Ihnen gerade abgeht. Ich finde es wirklich unredlich und unsachlich, wie Sie hier argumentieren.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Ich finde es unglaublich, dass Sie sagen: Alles, was wir machen, ist super gut und toll; Rot-Grün hat ja überhaupt nichts hinbekommen. – Ganz ehrlich, Herr Lürbke, vier Jahre nach dem Regierungswechsel kann ich es nicht mehr hören.

(Beifall von Josefine Paul [GRÜNE] – Christian Dahm [SPD]: Selbstherrlich!)

Kommen Sie doch mal zurück zu einer sachlichen Fachpolitik, zu einer Sachebene. Dann kommen wir vielleicht weiter. Ich wollte mich bei diesem Tagesordnungspunkt eigentlich gar nicht aufregen, aber ich kann es einfach nicht mehr hören.

Zu Beginn der Rede möchte ich den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Innenministeriums für die Arbeit danken, die sie sich bei der Beantwortung der Großen Anfrage gemacht haben. Sie haben auf rund 400 Seiten unglaublich viele Daten zusammengetragen. Dafür ein ganz herzliches Dankeschön.

(Christian Dahm [SPD]: So macht man das!)

Ich danke aber auch der SPD-Fraktion für den Versuch, eine Art Bestandsaufnahme zum Thema „Kriminalitätsentwicklung in Nordrhein-Westfalen“ hinzubekommen. Die SPD hat sehr viele Bereiche abgefragt, die die Polizei als Organisation selbst betreffen, aber auch die Kriminalitätsbekämpfung.

Aus der Antwort der Landesregierung wird deutlich, wie groß das Aufgabenspektrum der Polizei in Nordrhein-Westfalen ist, wie viele Bereiche von Beschäftigten es in den einzelnen Dezernaten, in den Referaten, auf den jeweiligen Leitungsebenen der Dienststellen, in den Landesoberbehörden, im Innenministerium gibt. Es wird deutlich, was alles zum Thema „innere Sicherheit“, zum Thema „Polizei“ dazugehört.

Ich will heute gar nicht auf die vielen verschiedenen Aspekte eingehen, sondern vor allen Dingen auf eines hinweisen: Die Antwort der Landesregierung zum Thema „Kriminalitätsentwicklung“ macht sehr deutlich, dass wir einen periodischen Sicherheitsbericht brauchen, der sich nicht nur aus der Datenquelle der Polizeilichen Kriminalstatistik speist.

Wir haben schon häufig darüber diskutiert, und wir hatten dazu auch eine sehr gute Anhörung. Ist der Antrag schon abgelehnt worden? – Ich glaube, nicht. Ich meine, er ist noch im Verfahren und wird in einer der nächsten Innenausschusssitzungen aufgerufen. Dann gäbe es seitens CDU und FDP noch die Chance, dem zuzustimmen.

Das wäre sehr wichtig und notwendig. Denn die Daten der Polizeilichen Kriminalstatistik sind allein, ohne wissenschaftlich fundierte Einordnung, wenig brauchbar. Die PKS, die Polizeiliche Kriminalstatistik, ist – das ist hinlänglich bekannt – eine Eingangsstatistik. Das heißt, dort werden nur ermittelte Tatverdächtige aufgeführt, aber die Statistik sagt rein gar nichts darüber aus, ob eine Tat am Ende auch nachgewiesen wird, ob es zu einem Urteil kommt. Insofern hilft es leider auch nicht, nur die abgefragten Zahlen zu den Verurteilten in den verschiedenen Jahren danebenzulegen, weil Sie ja gar nicht wissen, ob sich die Taten und die Fälle aufeinander beziehen.

Ich habe mich gerade beim Innenministerium für die Beantwortung der Anfrage auf über 300 Seiten bedankt. Insofern tut es mir ein bisschen leid für die viele Arbeit, die Sie sich damit gemacht haben. Aber, wie gesagt, eigentlich brauchen wir andere Instrumente, um die Kriminalitätsentwicklung zu betrachten und zu beurteilen.

(Beifall von Josefine Paul [GRÜNE])

Das hat auch die Anhörung in Innenausschuss sehr deutlich gemacht. Wir brauchen einerseits eine Verlaufsstatistik aus PKS und aus den Justizstatistiken, um überhaupt beurteilen zu können, wie effektiv die Kriminalitätsbekämpfung ist. Wir brauchen andererseits auch mehr Dunkelfeldstudien. Wir Grüne haben immer wieder Dunkelfeldstudien für die einzelnen Kriminalitätsfelder gefordert.

Herr Reul, es wurde gerade von einer Kollegin darauf hingewiesen, dass der Beginn dieser Legislaturperiode schon fast vier Jahre her ist. Ganz zu Beginn dieser Legislaturperiode saß ich noch im Rechtsausschuss, und wir hatten damals nachgefragt, wann denn die Verlaufsstatistiken kommen würden, das Aufeinanderabstimmen von PKS und Justizstatistiken. Damals wurde uns aus dem Justizministerium gesagt, dass man das Projekt von Rot-Grün, eine Verlaufsstatistik einzuführen, fortführen möchte und angeblich das Innenministerium dabei federführend sei. Entweder ist seitdem nicht nichts passiert – das fände ich sehr bedauerlich –, oder es ist etwas passiert, aber bisher nicht präsentiert worden. Das wäre auch sehr schade.

Ich will noch mal dafür werben, dass wir da weiterkommen und vorangehen. Es ist immerhin gut, dass es jetzt schon eine erste Dunkelfeldstudie zum Thema „Sicherheit und Gewalt in Nordrhein-Westfalen“ gegeben hat, vorgestellt von Herrn Reul und Frau Scharrenbach. Aber wir müssen über solche punktuellen Studien hinausgehen. Wir brauchen regelmäßige Dunkelfeldstudien, um abschätzen zu können, wie es um die Kriminalitätsentwicklung in Nordrhein-Westfalen bestellt ist.

Das wäre für uns Innenpolitikerinnen und Innenpolitiker sehr wichtig, um bemessen zu können: Welche Instrumente brauchen wir? Wie viele Haushaltsmittel müssen wir bereitstellen? Denn es geht hier um die Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger. Das ist ein herausgehobenes Feld, für das wir einfach mehr brauchen, auch mehr Hintergrundwissen.

Ich will sehr dafür werben, dass wir unsere Sicherheitspolitik, unsere Innenpolitik auf ein verlässlicheres Fundament stellen als die reine Polizeiliche Kriminalstatistik oder das objektive Sicherheitsgefühl von Herrn Lürbke. Wir brauchen da einfach mehr. Dafür möchte ich gern werben. Lassen Sie uns das bitte gemeinsam angehen. – Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)