Meine Rede zum Einsatz von Elektroimpulswaffen („Tasern“) bei der Polizei

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Verena Schäffer (GRÜNE): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Angesichts dieses Antrages fragt man sich einmal mehr: Was ist bloß aus der ehemaligen Bürgerrechtspartei FDP geworden? – Dass die CDU die Taser fordert, ist, ehrlich gesagt, keine Überraschung. Herr Golland, ich würde mir auch mal wünschen, dass Sie uns nicht ideologische Scheuklappen vorwerfen, sondern dass auch Sie faktenbasiert und differenziert mit uns diskutieren. Ich finde, das kann man auch von Ihnen erwarten.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

In der Problembeschreibung sind wir ja gar nicht so weit auseinander, dass nämlich Polizeibeamtinnen und -beamte immer wieder in schwierige, in gefährliche Situationen geraten und dass es Fälle von gezielter Gewalt gegen Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte gibt, die natürlich nicht hinnehmbar sind. Ich glaube, in dieser Problembeschreibung sind wir uns einig.

Es ist unsere Pflicht als Landesparlament und auch die Pflicht der Landesregierung, unsere Polizei gut auszustatten. Genau das tut diese Landesregierung. Wir legen einen hohen Wert auf eine gute Qualifikation, auf Fortbildungen und natürlich auf die Ausstattung der Polizei. Den Polizistinnen und Polizisten im Streifendienst stehen deshalb zum Beispiel der Einsatzmehrzweckstock und auch die Dienstwaffe als entsprechende Mittel zur Verfügung.

Was ich aber nicht will, das ist eine martialische Aufrüstung von Polizei. Die NRW-Polizei steht, wie ich finde, zu Recht für eine deeskalierende Einsatztaktik und für ihre Bürgernähe. Ich will an genau diesem Leitbild festhalten, und ich will keine Polizei nach amerikanischem Vorbild.

Ich möchte aber auch – dazu ist hier noch gar nichts gesagt worden – das Thema „gesundheitliche Risiken“ zumindest einmal ansprechen. Denn die gesundheitlichen Folgen von Tasern sind nach wie vor sehr umstritten, auch in der Wissenschaft. Es gibt immer wieder Berichterstattungen darüber, dass es beim Einsatz von Tasern auch zu Todesfällen kommt. Das heißt, so risikofrei, wie das hier dargestellt wird, sind Taser dann eben doch nicht.

Sicher kann man auch eine Menge Studien finden, die zu dem Schluss kommen: So gefährlich sind sie eigentlich gar nicht. – Dann würde ich aber auch mal darum bitten, darauf zu achten, wer diese Studien eigentlich macht und von wem sie finanziert werden.

(Beifall von Hans-Willi Körfges [SPD] – Torsten Sommer [PIRATEN]: Taser?)

Wenn man sich mal die Berichterstattung dazu anschaut, in welchem Maße die Firma Taser Lobbyismus betreibt und Forschungsvorhaben finanziert, dann muss man das in der Debatte ebenfalls berücksichtigen. Ich bin selber in den letzten Monaten gleich zweimal von der Firma Taser angeschrieben worden, die natürlich auch gegenüber uns Landtagsabgeordneten Lobbyismus betreibt.

Ich finde das, ehrlich gesagt, ganz schön krass, nicht in dem Fall von Tasern, sondern in dem Fall von Body-Cams, also von Schulterkameras, die ja auch von der Firma Taser hergestellt werden. Die Firma Taser geht ganz schön krass vor, was das Thema „Lobbyismus“ angeht.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Das muss man in dieser ganzen Diskussion mit betrachten.

Zu den Themenbereichen „gesundheitliche Risiken“ und „Herzerkrankungen“ muss man noch sagen, dass auch die Firma Taser mittlerweile empfiehlt, nicht auf den Brustkorb zu zielen, sondern auf den Rücken, auf den Bauch oder auf die Oberschenkel, was ja ganz offensichtlich nahelegt, dass auch die Firma Taser Bedenken dabei hat, was mögliche Herzerkrankungen angeht.

Natürlich werden Experimente allein schon aus ethischen Gründen nur an gesunden Personen vorgenommen, und nicht an Personen, die unter Drogen- und Medikamenteneinfluss stehen, nicht an Schwangeren, nicht an Personen mit Herzerkrankungen. Natürlich gibt es diese Versuche nicht. Das ist ja auch gut so. Aber ich frage mich ernsthaft, wie ein Polizeibeamter im Einsatz ad hoc erkennen soll, ob er eine Schwangere oder eine Person mit einer Herzerkrankung vor sich hat. Da muss man einfach unter dem Strich sagen – das will ich hier für uns festhalten -, dass Taser keine risikofreien Waffen sind.

Ja, man kann zu Recht sagen: Auch Schusswaffen, Dienstwaffen sind nicht risikofrei. – Das ist ja völlig klar. Meine Sorge ist jedoch, dass, wenn wir Taser einführen, dann bei den vermeintlich ungefährlichen Tasern auch ein Stück weit die Hemmschwelle zum Einsatz sinkt. Das ist meine Befürchtung.

Unsere Einsatzkräfte bei der Polizei im Wach- und Wechseldienst sind außerdem auch im Umgang mit der Schusswaffe geschult. Das SEK ist selbstverständlich auch im Umgang mit den Tasern geschult. Aber der Wach- und Wechseldienst ist doch nicht geschult im Umgang mit Tasern. Man müsste erst umfangreiche Aus- und Fortbildungen durchführen. Außerdem müssten die Taser, die relativ teuer sind, angeschafft werden. Ich halte das für zu aufwendig, für zu teuer und für nicht gerechtfertigt.

Das sind die verschiedenen Gründe. Wir können gerne im Innenausschuss darüber diskutieren. Aber ich halte für mich und als Grüne fest, dass wir in Nordrhein-Westfalen eine Polizei haben wollen, die für Deeskalation steht und nicht für eine martialische Aufrüstung. Wir wollen Bürgernähe, und das soll auch in Zukunft so bleiben.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Meine Rede zur Aktuellen Stunde auf Antrag der CDU zu No-Go Areas

Verena Schäffer (GRÜNE): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Lürbke, Sie zeichnen hier ein Zerrbild über die innere Sicherheit in Nordrhein-Westfalen.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Dazu würde ich gerne einmal die Zahlen und Fakten sehen. Da fragt man sich wirklich ernsthaft, was aus der FDP geworden ist.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Aber um eines von vornherein klarzustellen: Es gibt in Nordrhein-Westfalen keine rechtsfreien Räume. Es gibt sie nicht in Duisburg, es gibt sie nicht in Essen, und es gibt sie auch nicht in Dortmund. Sie von der CDU stigmatisieren hier mit Ihren Vorwürfen, mit Ihrem Antrag einen ganzen Stadtteil in Dortmund. Das finde ich, ehrlich gesagt, ziemlich unsäglich, Herr Golland.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Das wird meines Erachtens auch denjenigen, die vor Ort aktiv sind, die vor Ort gute Arbeit leisten, in keiner Weise gerecht.

Es gibt Probleme in der Dortmunder Nordstadt. Das ist überhaupt keine Frage, und diese Probleme dürfen nicht verharmlost werden, sie müssen angesprochen werden. Sie sind aber so vielschichtig, dass sie aus meiner Sicht nicht allein durch die Polizei zu lösen sind.

Da würde mich auch einmal interessieren, was die Ordnungsdezernentin in Dortmund zu dieser Situation, die Sie hier beschreiben, sagt. Frau Diane Jägers hat ja immerhin Ihr Parteibuch; die Ordnungsdezernentin der Stadt Dortmund ist CDU-Mitglied. Was sagt die denn eigentlich dazu, dass sich angeblich unter ihr ein Stadtteil in Dortmund als No-Go-Area entwickelt? – Da würde mich interessieren, wie Ihre parteiinternen Diskussionen dazu laufen.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Sie beschreiben in Ihrem Antrag, worüber wir hier diskutieren, im Prinzip ja zwei Komplexe. Das ist einmal der konkrete Anlass, und zwar der Einsatz am vergangenen Samstag in der Dortmunder Nordstadt und die Einkreisung der Polizeibeamtinnen und -beamten. Das ist ja das, was wir schon häufiger erleben und was aus meiner Sicht eine gefährliche Entwicklung ist, dass Polizeieinsätze, aber auch Einsätze von Rettungskräften immer häufiger durch eigentlich Unbeteiligte gestört werden, dass es bei solchen Einsätzen Solidarisierungseffekte von solchen Personen gibt, die mit dem eigentlichen Einsatz nichts zu tun haben, die sich aber mit den Personen solidarisieren, gegen die sich die Maßnahmen richten.

Das ist eine gefährliche Entwicklung. Wir haben ja kürzlich erst einen Gesetzentwurf eingebracht und diskutiert, und zwar zum Einsatz von Bodycams.

(Gregor Golland [CDU]: Auf unseren Druck hin! Nach Silvester! – Lächerlich! Jetzt sind Sie Vorkämpfer für die Bodycams!)

Das ist für uns ein Instrument, von dem wir sagen: Das ist eine Möglichkeit, wie man diese Solidarisierungseffekte durchbrechen kann, wie man gegensteuern kann. Wir werden dieses Gesetz auch noch in diesem Jahr, im November, beschließen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Das andere, über das wir reden – und das ist vielleicht das Wichtigere bei dieser Debatte –, ist die Dortmunder Nordstadt und sind auch andere Stadtteile und Viertel in anderen Städten im Ruhrgebiet. Ich finde, da muss man einfach sagen, dass dies Orte sind, wo vielfältige Probleme aufeinandertreffen. Da spielen Herkunft und Armut eine Rolle, da spielen Problemimmobilien eine Rolle genauso wie Perspektivlosigkeit, Drogenhandel und vieles mehr. Das muss man sich doch anschauen.

Natürlich muss es eine hohe Präsenz seitens der Polizei geben. Es muss konsequente Ermittlungsarbeit geben, es muss konsequente Strafverfolgung geben. Aber diese sozialen und gesellschaftlichen Probleme, die sich dort zusammenballen, werden Sie doch nicht durch die Polizei alleine lösen können.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD – Vereinzelt Beifall von den PIRATEN)

Es ist doch naiv zu glauben, dass Polizei alleine die Lösung des Problems ist.

Ich will noch einmal auf den Begriff des rechtsfreien Raumes zurückkommen. Rechtsfreier Raum würde ja bedeuten, dass die Polizei nicht mehr in diese Viertel fährt, dass das Gesetz nicht gilt, dass der Rechtstaat kapituliert hat. Aber das Gegenteil ist doch in der Dortmunder Nordstadt der Fall. Die Polizei ist seit Jahren mit einem Präsenzkonzept der Bereitschaftspolizei vor Ort. Es gibt die Sicherheitskonferenzen. Es gibt die Zusammenarbeit der unterschiedlichen Akteure des Ordnungsamts, der sozialen Dienste und vieler anderer. Die Staatsanwaltschaft hat einen eigenen Schwerpunkt auf die Dortmunder Nordstadt gelegt und das vor Kurzem bei einem Rundgang mit dem Oberbürgermeister und dem Polizeipräsidenten auch gesagt.

Schauen wir uns einmal die Zahlen und Fakten – darauf sollten wir uns als Politiker doch berufen – für die Dortmunder Nordstadt an: Im ersten Halbjahr 2016 gingen die Straftaten in der Dortmunder Nordstadt zurück. Die Straßen- und Gewaltkriminalität ist um über 10 % gesunken. Die Gesamtzahl der Delikte ist um fast 8 % gesunken. Was heißt das denn, wenn man das einmal auf die einzelnen Delikte herunterbricht, auch für das Sicherheitsgefühl der Bürgerinnen und Bürger? Die Raubdelikte sind um 36 %, die Taschendiebstähle um 34 % und die Wohnungseinbrüche um 14 % zurückgegangen. Auch die schweren und gefährlichen Körperverletzungen sind um 14 % gesunken.

Meine Damen und Herren, wenn man sich diese Fakten anschaut, muss man wirklich sagen: Diese Zahlen sprechen eine andere Sprache. Aber diese Wahrheit wollen Sie offensichtlich nicht hören, und das ist das eigentlich Fatale an der Diskussion.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Das Schlimme und Fatale an Ihrer Politik ist, dass Sie mit Ihrem Reden über die angeblichen Schwächen des Rechtsstaates und über angebliche rechtsfreie Räume in Nordrhein-Westfalen die Falschen stärken. Der WDR veranstaltet heute ein Stadtgespräch zum Thema „Rechtsfreie Räume“; ich glaube, es findet in Essen statt. Ich habe bereits in den sozialen Netzwerken gesehen, dass die AfD sehr massiv genau zu diesem Stadtgespräch hin mobilisiert. Was Sie hier machen, diese Debatte, dieser Antrag – das ist doch Wasser auf die Mühlen genau dieser Rechtspopulisten.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD – Gregor Golland [CDU]: Das ist doch Ihr Wasser auf deren Mühlen! – Gegenruf von Dietmar Bell [SPD]: Anstifter! – Weitere Zurufe und Gegenrufe)

Sie schüren Ängste in der Bevölkerung. Ich sage ganz klar: Probleme benennen, Probleme angehen – ja. Aber populistisch Ängste schüren, das finde ich einfach unsäglich, und das finde ich, ehrlich gesagt, auch unverantwortlich.

(Lebhafter Beifall von den GRÜNEN – Beifall von der SPD)

Meine Rede zur Bekämpfung des islamistischen Terrors

Verena Schäffer (GRÜNE): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Die jüngsten Terroranschläge in Europa haben uns noch einmal sehr deutlich die menschenverachtende Ideologie des Salafismus vor Augen geführt. Ja, in diesem Jahr sind erstmals auch Anschläge in Deutschland verübt worden. Die schrecklichen Taten in Europa dürfen aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass sie nur einen Teil der Gewalttaten des IS und seiner Netzwerke darstellen. Es sind schon viele Menschen durch Anschläge des IS in Syrien, im Irak, in anderen Ländern getötet oder verletzt worden.

Ja, auch aus Nordrhein-Westfalen sind Menschen ausgereist. Deshalb ist der Terror nicht erst in diesem Jahr in Nordrhein-Westfalen angekommen, wie Sie es in Ihrem Antrag schreiben, sondern die Radikalisierung und die Gewalttaten vollziehen sich mitten in unserer Gesellschaft. Das müssen wir in den Blick unserer Beratungen nehmen. Deshalb ist auch die Ursachenforschung so wichtig.

(Beifall von den GRÜNEN)

Herr Prof. Neumann vom King‘s College in London war in der letzten Woche sowohl bei Ihnen in der Fraktion als auch bei einer großen Veranstaltung, die die grüne Fraktion am Freitag zu genau diesem Thema durchgeführt hat. Er führte zu den Ursachen für die Radikalisierung und den Zulauf zur Szene aus, dass sowohl persönliche Problemlagen als auch ideologische Komponenten eine Rolle spielen, Fragen nach Zugehörigkeit, Ausgrenzungserfahrungen, aber auch Bildungs- und Berufsperspektiven von Bedeutung sind.

Mit diesen Ursachen setzen Sie sich in Ihrem Antrag leider gar nicht auseinander. Das finde ich schade. Das ist nämlich wichtig und relevant. Sie setzen nur auf Repression, Repression, Repression und vielleicht ein ganz kleines bisschen auf Prävention. Aber Sie machen keine eigenen Vorschläge zur Prävention, sondern reden stattdessen das Wegweiser-Projekt schlecht, obwohl es für viele Bundesländer ein Vorbild ist. Damit wird Ihr Antrag dem Ernst der Lage in keiner Weise gerecht.

(Beifall von den GRÜNEN)

Ich will aber gerne auf einige Vorschläge, die Sie in Ihrem Antrag zur Repression machen, eingehen.

Zum einen möchte ich das Thema „Einsatz der Bundeswehr im Innern“ ansprechen. Ich meine, man muss gar keine ideologische Debatte darüber führen, wie die verfassungsrechtliche Abgrenzung zwischen Polizei und Bundeswehr aussieht und welche historischen Gründe es dafür gibt, sondern man kann ganz pragmatisch fragen: Welchen Mehrwert hat das? Ich kann für mich und die grüne Fraktion sagen, dass wir im Einsatz der Bundeswehr und in solchen Übungen keinen Mehrwert sehen. Im Gegenteil, die Planung und Durchführung dieser Übung binden erhebliche Ressourcen und Kapazitäten. Aus meiner Sicht ist die Polizei in Nordrhein-Westfalen gut auf solche terroristischen Großlagen vorbereitet. Sie ist dafür ausgebildet, die Bundeswehr ist das nicht.

Ich kenne bislang auch niemanden bei der Polizei, der die Unterstützung durch die Bundeswehr einfordert. Das müsste mir einmal jemand präsentieren. Deshalb kann ich für uns Grüne sagen, dass wir Ihren Forderungen nach regelmäßigen gemeinsamen Übungen von Bundeswehr und Polizei nicht zustimmen können.

(Beifall von den GRÜNEN)

Zum anderen möchte ich gern auf den Aspekt des Verfassungsschutzes zu sprechen kommen. Sie hätten gestern Abend die Möglichkeit gehabt, Änderungsanträge einzubringen, als wir hier im Plenum über das Gesetz zur Änderung des Verfassungsschutzgesetzes debattiert haben. Bei der Speicherung von Daten haben wir die Altersgrenze abgesenkt. Sie hätten Ihre Vorschläge dazu einbringen können. Das haben Sie nicht getan.

Dann möchte ich gern auf die akustische Wohnraumüberwachung – den großen Lauschangriff, wie er auch genannt wird – eingehen. Wir haben den Punkt damals, als wir 2013 das Verfassungsschutzgesetz in NRW reformiert haben, aus dem Gesetz gestrichen, weil er bis dato gar nicht angewandt wurde. Die Befugnis hatte der Verfassungsschutz in Nordrhein-Westfalen, aber sie ist überhaupt nicht zur Anwendung gekommen.

Ich frage mich: Warum fordern Sie jetzt ein Instrument – das ist aus meiner Sicht eine Scheindebatte –, das wir gar nicht benötigen, bei dem zudem das Bundesverfassungsgericht sehr hohe Hürden anlegt? Man muss sich schon fragen: Wenn die Gefahr so konkret ist, ist das dann überhaupt noch Aufgabe des Verfassungsschutzes, oder bewegen wir uns da nicht schon in Richtung Polizei? Ich halte das für eine Scheindebatte. Sie betreiben hier eine Symbolpolitik, die ich einfach falsch finde.

(Beifall von den GRÜNEN)

Sie fordern in Ihrem Antrag verfassungsrechtlich bedenkliche Instrumente. Auch in der Anhörung in Bayern, die übrigens nur durchgeführt wurde, weil die Oppositionsfraktionen sie gegen die CSU durchgesetzt haben – die CSU wollte überhaupt keine Anhörung dazu, wahrscheinlich wollte sie sich die Kritik der Experten gar nicht anhören –, sind viele verfassungsrechtliche Bedenken vorgetragen worden.

Die Fraktionen von SPD und Grünen machen hier eine andere Politik. Wir setzen auf mehr Personal beim Verfassungsschutz. Ich glaube, das ist die richtige Antwort. Wir legen einen Schwerpunkt auf die Präventionsarbeit mit der Erweiterung des ganzheitlichen Handlungskonzepts. Wegweiser ist dabei. Es passiert viel in der Schule, in der Jugendarbeit, in der politischen Bildung. Das halte ich für den richtigen Weg, den wir gehen müssen. Das ist der Unterschied zwischen einer Politik, wie sie die CDU macht, und einer Politik, wie sie von Rot-Grün vertreten wird.

(Beifall von den GRÜNEN)

 

Meine Rede zur Änderung des Verfassungsschutzgesetzes

Verena Schäffer (GRÜNE): Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Wir müssen derzeit eine besorgniserregende Entwicklung feststellen: In allen Phänomenbereichen, aber insbesondere im Salafismus und im Rechtsextremismus steigt die Radikalisierung und die Gewaltbereitschaft von jungen Menschen, von Jugendlichen und sogar bei Minderjährigen unter 16 Jahren.

Dabei ist eins völlig klar – das will ich hier noch einmal sagen, weil mir das wichtig ist –: Die allergrößte Mehrheit der Jugendlichen in Deutschland und in Nordrhein-Westfalen steht für Demokratie und Vielfalt und es ist nur eine absolute Minderheit von Jugendlichen, von Minderjährigen, die sich radikalisieren und gewaltbereit werden. Ja, von dieser Minderheit geht eine Gefahr aus. Aber ich will noch mal sagen: Wirklich die allermeisten Jugendlichen engagieren sich für Demokratie. Das möchte ich einfach noch einmal festhalten.

(Beifall von den GRÜNEN)

Wir haben hier heute zwei Gesetzesentwürfe vorliegen. Einen von der CDU. Die CDU will die Altersgrenzen letztendlich komplett aufheben, was die Speicherung personenbezogener Daten angeht, und damit die Möglichkeit der Beobachtung und der Datenspeicherung durch den Verfassungsschutz auch auf Kinder ausweiten. Das halte ich, ehrlich gesagt, für grundlegend falsch, weil Minderjährige einfach besonders schutzbedürftig sind und wir in der Politik in der Verantwortung stehen, für genau diesen Schutz zu sorgen.

Frau Korte, ich finde, dass das nichts mit parteitaktischer Hampelei zu tun hat. Es sind einfach zwei unterschiedliche Gesetzesentwürfe, über die wir im Innenausschuss beraten haben.

Ich finde es richtig, dass wir auch über den CDU-Gesetzentwurf eine Anhörung eingefordert haben, weil es hier um Grundrechtseingriffe gerade bei Minderjährigen geht. Das muss man diskutieren, und man kann nicht einfach sagen: Zack, wir übernehmen das Bundesrecht. Vielmehr muss es eine eingehende Beratung geben, die wir auch durchgeführt haben.

Ja, es stimmt, der Gesetzentwurf der Landesregierung sieht ebenfalls eine Absenkung der Altersgrenze von 16 auf 14 Jahre vor. Der Gesetzentwurf hält aber an einer Altersgrenze fest, und das finde ich richtig. Die Verhältnismäßigkeit dieser Altersabsenkung wird zum einen durch die besonderen Voraussetzungen und zum anderen im Vergleich zu den 16-Jährigen und zu den Erwachsenen durch abgestufte kürzere und damit auch strengere Löschfristen gewährleistet.

Wir wollen überprüfen, wie wirksam und wie verhältnismäßig dieser Grundrechtseingriff gerade bei den Minderjährigen ist. Deswegen haben wir als rot-grüne Fraktionen einen Änderungsantrag zu dem Gesetzesentwurf der Landesregierung eingebracht, in dem wir eine Evaluationspflicht dieser neuen Regelung ins Gesetz aufnehmen.

Klar ist aber auch – das möchte ich gerade für uns Grüne noch mal feststellen –, dass wir mit der Beobachtung und der Speicherung personenbezogener Daten von Minderjährigen nicht sagen können: Da machen wir einen grünen Haken dran; das Problem ist erledigt.

Ganz im Gegenteil, wir brauchen gerade für diese Zielgruppe der Jugendlichen Prävention, Prävention und noch mal Prävention, damit sie sich eben erst gar nicht solchen salafistischen, solchen rechtsextremen Netzwerken anschließen. Hier sind etwa die Schulen und die Jugendarbeit gefragt. Natürlich brauchen wir gerade für diejenigen Jugendlichen, die sich bereits radikalisiert haben, Angebote. Mit den Beratungsstellen „Wegweiser“ und mit der interministeriellen Arbeitsgruppe, die ein ganzheitliches Handlungskonzept erarbeitet, sind wir meines Erachtens bereits auf einem guten Weg.

Wir haben in der Anhörung sehr gut gemeinsam herausgearbeitet, dass der Verfassungsschutz die Möglichkeit hat, Informationen an Behörden weiterzugeben – darunter auch die Jugendämter. Es ist natürlich immer eine Einzelfallentscheidung, und es muss stets abgewogen werden, ob das sinnvoll ist. Aber ich will betonen, das Ziel muss sein, Jugendliche nicht nur zu beobachten, sondern ihnen insbesondere Hilfestellung zu geben und Angebote zu machen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Aber der Gesetzentwurf der Landesregierung – das hat Frau Korte angesprochen – regelt neben der Altersabsenkung noch weitere Punkte, die nach der aktuellen Rechtsprechung und aufgrund von Änderungen im Bundesverfassungsschutzgesetz notwendig sind bzw. in unserem Gesetz vollzogen werden sollten. Da kann man sich, wie ich finde, nicht auf die Frage zurückziehen: Werden einzelne Maßnahmen überhaupt angewandt oder nicht? Entscheidend ist vielmehr die Möglichkeit dazu und dass wir schon heute eine Regelung zur Abgeordnetenbeobachtung im Verfassungsschutzgesetz haben, deren Anpassung an die aktuelle Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts absolut sinnvoll ist.

Mit unserem rot-grünen Änderungsantrag präzisieren wir genau diese Regelung, die im Innenausschuss von FPD und Piraten kritisiert wurde. Ich will noch mal darauf hinweisen, dass wir uns sehr eng an das Urteil des Bundesverfassungsgerichts anlehnen, es im Prinzip abschreiben und ins Gesetz aufnehmen. Insofern sorgt der Änderungsantrag aus meiner Sicht für die notwendige Klarstellung. Ich denke, wir sind uns hier alle einig, dass die Beobachtung von Abgeordneten natürlich ein sehr sensibler Punkt ist. Wir alle hoffen, dass davon hier in Nordrhein-Westfalen niemals Gebrauch gemacht werden muss.

Ich finde, dass der vorgeschlagene Gesetzentwurf der Landesregierung mit unserem Änderungsantrag verhältnismäßig ist und den aktuellen Entwicklungen gerecht wird. Deshalb werden wir diesem Gesetzentwurf zustimmen. – Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Einladung Herausforderung Neosalafismus – gesamtgesellschaftliche Strategien im Umgang mit neosalafistischer Radikalisierung

Freitag, den 9. September 2016, 15-20 Uhr im Landtag NRW

Einladung Neosalafismus

Sehr geehrte Damen und Herren,

liebe Freundinnen und Freunde,

seit einigen Jahren gehört der Neosalafismus zu den am stärksten wachsenden Bewegungen unter den verfassungsfeindlichen Strömungen. Mit jedem Anschlag wird deutlich, dass der gewaltbereite Neosalafismus eine ernsthafte Bedrohung für unsere demokratische und vielfältige Gesellschaft ist.

Gerade junge Menschen fühlen sich von neosalafistischer Propaganda angesprochen. Wir müssen darauf reagieren, wenn Jugendliche in unserer Gesellschaft keinen Halt finden, keine Vorbilder erkennen, sich im Abseits der Gesellschaft fühlen und so ansprechbar für antidemokratische und gewaltbefürwortende Ideologien werden. Die Ursachen dafür sind komplex – daher brauchen wir eine gesamtgesellschaftliche Strategie im Umgang mit dem gewaltbereiten Neosalafismus, die neben repressiven Elementen vor allem präventive Maßnahmen beinhaltet.

Auf unserer Tagung werden wir zusammen mit namenhaften Expertinnen und Experten aus Wissenschaft und Praxis in den Fachbereichen Jugend, Bildung, Frauen sowie Inneres und Justiz über mögliche landespolitische Handlungsoptionen diskutieren.

Anmeldung bitte per Mail bis zum 6. September 2016 an ali.bas@landtag.nrw.de.

 

Wir freuen uns auf Ihr Kommen!

Verena Schäffer / Ali Ba? /Dagmar Hanses/ Josefine Paul / Gudrun Zentis

 

 

Newsletter Aktivitäten gegen Rechtsextremismus Juli 2016

Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Freundinnen und Freunde,

in diesem Newsletter möchte ich über Aktuelles aus der Arbeit gegen Rechtsextremismus und Rassismus im Landtag NRW berichten.

In der vergangenen Woche wurde der Verfassungsschutzbericht des Landes für das Jahr 2015 veröffentlicht. Dieser macht auf äußerst problematische Entwicklungen aufmerksam. Angesichts der dort beschriebenen Problemlagen wird nochmal deutlich, wie wichtig die Erstellung des integrierten Handlungskonzepts gegen Rechtsextremismus und Rassismus war, über das wir in unserer vergangenen Kommunalinfo berichtet haben. Inzwischen ist das Interessenbekundungsverfahren für die Teilnahme am Förderprogramm für lokale Handlungskonzepte gegen Rechtsextremismus und Rassismus gestartet. Auch hierzu wollen wir in diesem Newsletter informieren.

Herzliche Grüße aus dem Landtag!

Verena Schäffer

 

Inhalt des Newsletters:

  • Förderprogramm für lokale Handlungskonzepte gegen Rechtsextremismus und Rassismus
  • Verfassungsschutzbericht des Landes NRW 2015

Förderprogramm für lokale Handlungskonzepte gegen Rechtsextremismus und Rassismus

Im Rahmen der Erstellung des integrierten Handlungskonzepts gegen Rechtsextremismus und Rassismus des Landes NRW wurde der Bedarf an Unterstützungsangeboten für die Kommunen deutlich. Deshalb haben wir gemeinsam mit der SPD-Fraktion bereits im vergangenen Jahr Haushaltsmittel für diese Aufgabe bereitgestellt. In unserem Kommunalinfo hatten wir angekündigt, dass bald ein entsprechendes Förderprogramm für Kommunen, die sich in der Arbeit gegen Rechtsextremismus und Rassismus bereits engagieren oder entsprechendes Engagement planen, starten würde. Nun ist es so weit. Das Interessenbekundungsverfahren ist in dieser Woche gestartet worden. Bis zum 7. Oktober 2016 können Kreise und kreisfreie Städte Interessenbekundungen über eine maximale Fördersumme von 70.000 Euro beim Ministerium für Familie, Kinder, Jugend, Kultur und Sport des Landes NRW einreichen. Voraussetzung ist neben einem der Umsetzung bzw. der Entwicklung eines Handlungskonzepts auch ein Rats- bzw. Kreistagsbeschluss. Wir hoffen, dass viele Kommunen dieses Angebot annehmen und die Arbeit gegen Rechtsextremismus und Rassismus vor Ort gestärkt werden kann.

Weitere Informationen zum Förderprogramm und Interessenbekundungsverfahren sind hier zu finden.

 

Verfassungsschutzbericht des Landes NRW 2015

Der Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen für das Jahr 2015 bestätigt, was sich bereits in der Berichterstattung der vergangenen Monate gezeigt hat: Konflikte und Radikalisierung nehmen zu. Sowohl das rechtsextreme, als auch das neosalafistische Spektrum sind heute stärker ideologisiert und vor allem auch gewaltbereiter als zuvor. Auch von der linken Szene gehen mehr Straftaten aus als im Vorjahr.

Im Laufe der vergangenen Jahre sind die politisch rechts motivierten Straftaten in Nordrhein-Westfalen kontinuierlich angestiegen. Dieser Trend hat sich auch im Jahr 2015 fortgesetzt. Im Jahr 2015 wurden 4.437 (2014: 3.286) rechte Straftaten registriert. Das ist ein Anstieg um 35 Prozent im Vergleich zum Vorjahr.

Gegen diese Radikalisierung geht die Landesregierung sowohl mit  repressiven Mitteln, als auch mit gestärkter Präventionsarbeit vor.

Staatliche Maßnahmen können aber nur dann wirklich Wirksamkeit gegen Radikalisierung entfalten, wenn sie von der demokratischen Zivilgesellschaft getragen werden. Das friedliche Zusammenleben unterschiedlicher gesellschaftlicher Gruppen braucht das Engagement und Eintreten aller Demokratinnen und Demokraten gegen menschenverachtende und antidemokratische Kräfte. Dieses Engagement ist groß in NRW. Es verdient unsere Anerkennung und Unterstützung, damit es weiter wachsen kann.

Wir haben die Ergebnisse aus dem Verfassungsschutzbericht kurz zusammengefasst und in einem Blog aus unserer Sicht bewertet. Er kann hier nachgelesen werden.

Meine Rede zur Aktuellen Stunde über den Verfassungsschutzbericht kann hier angeschaut und hier nachgelesen werden.

Bei Fragen und Anmerkungen stehen Hasret Karacuban, meine Mitarbeiterin und Referentin für Strategien gegen Rechtsextremismus (hasret.karacuban@landtag.nrw.de; Tel.: 0211 884 4321), und ich gerne zur Verfügung.