Newsletter: Kommunalinfo über Aktivitäten der Landtagsfraktion gegen gewaltbereiten Salafismus

Liebe Freundinnen und Freunde,

wir möchten Euch in diesem Newsletter über die Aktivitäten der GRÜNEN Landtagsfraktion im Bereich des verfassungsfeindlichen gewaltbereiten Salafismus informieren. In der kommenden Woche bringen wir gemeinsam mit der SPD-Fraktion einen Antrag zur Prävention in den Landtag ein. Zudem werden wir im nächsten Plenum einen Nachtragshaushalt der Landesregierung zur Einstellung von zusätzlichen Polizeikräften und Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern beim Verfassungsschutz als Reaktion auf die veränderte Sicherheitslage nach den Anschlägen von Paris und Kopenhagen beschließen.
Bereits seit einigen Jahren beobachten wir einen verstärkten Zulauf zu salafistischen Netzwerken. Der grausame Krieg der Terrormiliz IS in Syrien und im Irak ist ein Katalysator für diese Entwicklung. Die Behörden gehen bundesweit von etwa 7.000 Anhängerinnen und Anhängern des gewaltbereiten verfassungsfeindlichen Salafismus aus, davon etwa 1.900 Personen in Nordrhein-Westfalen. Dass von diesem Personenkreis eine ernstzunehmende Gefahr ausgeht, haben nicht zuletzt die menschenverachtenden Attentate von Paris und Kopenhagen gezeigt. Es ist unbegreiflich, wie junge Menschen, die in europäischen Gesellschaften aufgewachsen sind, sich fast unbemerkt von der Öffentlichkeit radikalisieren und zu solchen Taten fähig sein können. Aus NRW sind bereits über 150 junge Menschen freiwillig in Kriegsgebiete ausgereist, um sich dort an Kampfhandlungen zu beteiligen. Nicht zuletzt das stellt uns vor die Herausforderung, uns mit dem Problem der Radikalisierung auseinanderzusetzen.
Antrag: Salafismusprävention als gesamtgesellschaftliche Aufgabe
In dem gemeinsamen Antrag mit der SPD-Fraktion fordern wir die Landesregierung auf, ein ganzheitliches Handlungskonzept zur Bekämpfung des gewaltbereiten verfassungsfeindlichen Salafismus aufzulegen. Der Antrag wird in der kommenden Woche in den Landtag eingebracht, der direkt darüber abstimmt. Ihr findet ihn hier.
Im Oktober letzten Jahres hatte die Landesregierung bereits mit einer Bestandsaufnahme über die schon angeschobenen präventiven Maßnahmen unterrichtet. Mit dem vorliegenden Antrag sollen die einzelnen Maßnahmen nun zu einem koordinierten Vorgehen weiterentwickelt werden. Dazu gehören unter anderem die Weiterentwicklung der interreligiösen und interkulturellen Bildung in der Jugendarbeit und in der Schule, Aufklärungs- und Präventionsprojekte zum gewaltbereiten Salafismus in der Jugendarbeit sowie die Weiterentwicklung der Informationsangebote durch die Landeszentrale für politische Bildung. Daneben soll aber auch die Situation in den Justizvollzugsanstalten stärker als bisher in den Blick genommen werden – wir brauchen sowohl Maßnahmen zur Deradikalisierung als auch den Ausbau der muslimischen Seelsorge in den Justizvollzugsanstalten. Letzteres ist nicht nur als Maßnahme gegen den gewaltbereiten Salafismus zu verstehen, sondern auch um muslimischen Inhaftierten ganz grundsätzlich eine religiöse Betreuung durch eine Person ihrer Glaubensgemeinschaft zu gewährleisten. Darüber hinaus wollen wir Forschungsarbeiten zum Themenbereich Salafismus anstoßen, denn bisher gibt es in Deutschland keine Forschung zu dem Phänomen und wir müssen uns auf die Aussagen der Sicherheitsbehörden verlassen. Bei allen Maßnahmen muss die Geschlechterperspektive Eingang finden, da der Anteil an Salafistinnen bei etwa zehn Prozent liegt. Bei den ausgereisten Personen ist der Frauenanteil sogar noch höher.
Das Handlungskonzept soll von der Landesregierung unter Einbezug von Expertinnen und Experten erarbeitet werden. Erste Ergebnisse erwarten wir für Ende des Jahres. Die bisherigen Maßnahmen sollen parallel weitergeführt und ausgebaut werden. Dazu gehören die Wegweiser-Beratungsstellen in Bonn, Bochum und Düsseldorf, wo Personen aus dem Umfeld sich radikalisierender junger Menschen oder Betroffene selbst Unterstützung bekommen. Weitere Wegweiser-Standorte werden in diesem Jahr in Köln, Dortmund, Duisburg, Dinslaken und im Bergischen Land eingerichtet. Zudem gibt es seit Oktober 2014 ein Aussteigerprogramm beim Verfassungsschutz für Personen, die die salafistische Szene verlassen wollen.
Nachtragshaushalt: Personelle Ausstattung von Sicherheitsbehörden stärken statt Bürgerrechte einzuschränken
Die Sicherheitslage hat sich in Deutschland und in NRW nach den Anschlägen von Paris verändert. Die Ereignisse in Paris belegen eine neue Qualität der Gewalt, der Anschlag in Kopenhagen hat die Gefahr durch potentielle Nachahmungstäter verdeutlicht. Anstatt die Sicherheitsgesetze zu verschärfen und unsere Bürgerrechte einzuschränken, wie es die Große Koalition mit den Ersatzausweispapieren und der neuen Debatte über die Vorratsdatenspeicherung plant, haben wir uns als GRÜNE Landtagsfraktion dafür eingesetzt, Polizei und Verfassungsschutz personell so auszustatten, dass bereits vorhandene Instrumente auch bei einer steigenden Anzahl gewaltbereiter Salafistinnen und Salafisten angewandt werden können. Innerhalb der Polizei werden die Bereiche Staatsschutz, Fahndung und Observation sowie Objekt- und Personenschutz durch Umschichtungen personell gestärkt. Um die Umschichtungen aufzufangen, werden wir in den Jahren 2015 bis 2017 jährlich zusätzliche 120 Polizistinnen und Polizisten einstellen. Zudem bekommt der Verfassungsschutz einmalig in diesem Jahr zusätzliche 25 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Mit dem Nachtragshaushalt, der in der kommenden Woche im Plenum beraten wird, werden wir diese Stellenzuwächse ermöglichen.
Debatte vor Ort
Als GRÜNE Fraktion arbeiten wir selbstverständlich weiter an diesem Thema. Gerne kommen wir auch zu Euch in die Kreisverbände, um Euch nähere Informationen über dieses Themenfeld vorzustellen und mit Euch zu diskutieren. Für Rückfragen und Terminabsprachen für Veranstaltungen vor Ort stehen Euch Verena Schäffer und Ali Ba? gerne zur Verfügung.
Mit Grünen Grüßen
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Verena Schäffer MdL
 
Stellv. Fraktionsvorsitzende
Sprecherin für Innenpolitik und Strategien gegen Rechtsextremismus
 
Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 
im Landtag NRW
Platz des Landtags 1, 40221 Düsseldorf
Tel.:      0211 – 884 4305  
Mobil:   0177 – 2475977
Fax:      0211 – 884 3334
 
 
Ali Ba? MdL
 
Sprecher für berufliche Bildung 
und interreligiösen Dialog
 
Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 
im Landtag NRW
Platz des Landtags 1, 40221 Düsseldorf
Tel.:      0211 – 884 2963  
Fax:      0211 – 884 3502
 
 

Pressemitteilung: Wittener Landtagsabgeordnete Verena Schäffer als stellvertretende grüne Fraktionsvorsitzende bestätigt

Bei der Fraktionsklausur der grünen Landtagsfraktion wurde turnusgemäß ein neuer Fraktionsvorstand gewählt. Dabei wurde mit Mehrdad Mostofizadeh aus Essen ein neuer Fraktionsvorsitzender gewählt, Verena Schäffer aus Witten und Stefan Engstfeld aus Düsseldorf wurden als stellvertretende Vorsitzende der Fraktion bestätig. Neu in den Vorstand gewählt wurden Josefine Paul (Münster) und Norwich Rüße (Kreis Steinfurt), ebenfalls als stellvertretende Vorsitzende. Den Vorstand komplettiert Sigrid Beer, die wieder als parlamentarische Geschäftsführerin gewählt wurde.

Verena Schäffer erklärt dazu:

„Ich bedanke mich bei meiner Fraktion für die Wiederwahl und freue mich sehr auf die Zusammenarbeit im neuen Fraktionsvorstand. Als stellvertretende Fraktionsvorsitzende werde ich Anliegen aus dem Ennepe-Ruhr-Kreis auch zukünftig eine starke grüne Stimme im Landtag geben können.“

Meine Rede zu Neonazis im Umfeld des Fußballs

 Drucksache 16/7153

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bin ehrlich erschüttert, was wir hier im Landtag von solch einem politischen Althooligan hören müssen.

(Beifall von den GRÜNEN, der SPD und den PIRATEN)

Sie verharmlosen rechte Gewalt. Sie diskreditieren die Zivilgesellschaft. Das finde ich, ehrlich gesagt, fast noch schlimmer.

Am 26. Oktober gab es die gewalttätigen Ausschreitungen von Hooligans, von Neonazis. Aber es gab auch eine friedliche Demonstration dagegen. Etwa 750 Personen aus dem bürgerlichen Spektrum haben dagegen demonstriert und Flagge gegen Rechtsextremismus gezeigt. Dass Sie diese Menschen so diskreditieren und zivilgesellschaftliches, bürgerschaftliches Engagement so in den Dreck ziehen, das finde ich unerhört. Das ist eine Unverschämtheit sondergleichen.

(Beifall von den GRÜNEN, der SPD und den PIRATEN)

Herr Hegemann, man muss hier noch einmal deutlich machen: Was die Zusammensetzung der Ho.Ge.Sa aus Hooligans und Neonazis betrifft, haben wir eine gefährliche Entwicklung zu verzeichnen. Dort herrscht eine Gewaltbereitschaft, die wir so noch nicht erlebt haben, mit einer Ideologie, die von Menschenfeindlichkeit, von Rassismus, von Islamhass geprägt ist, bei der der antimuslimische Rassismus als Mobilisierungsthema dient.

Wenn wir uns diese Bilder bewusst anschauen, dann müssen wir uns doch damit beschäftigen, was das für unsere Gesellschaft zu bedeuten hat, wenn hier schlichtweg gegen Musliminnen und Muslime, gegen unsere Nachbarn, gegen unsere Bürgerinnen und Bürger gehetzt wird. Darüber müssen wir uns doch auseinandersetzen. Das dürfen wir dieser Ho.Ge.Sa nicht durchgehen lassen!

(Beifall von den GRÜNEN, der SPD und den PIRATEN)

Auch die CDU darf das nicht.

Ich gebe den Piraten in ihrer Analyse insoweit recht, als die Alt-Hooligans in die Stadien und auf die Straßen zurückkommen und dass es hier um einen Hegemonieanspruch geht, sowohl im Stadion gegen Ultrabewegungen – insbesondere gegen antirassistische linke Ultrabewegungen – als auch auf der Straße gegen Salafisten, gegen Musliminnen und Muslime.

Das Beispiel Aachen ist im Hinblick auf die Stadien schon genannt worden. Das macht gerade noch einmal deutlich, dass die Hooligans eben nicht unpolitisch sind, dass der Fußball nicht unpolitisch ist, sondern dass – ganz im Gegenteil! – der Fußball immer wieder missbraucht wird und dass die Hooligans rechte Symboliken und rechte Themen besetzen.

Sowohl Aachen als auch Dortmund mit Siegfried Borchardt sind Beispiele dafür, dass der Fußball missbraucht wird und dass der Fußball ebenso als Mobilisierungsthema gilt wie die rassistische Hetze.

Was aus meiner Sicht wirklich neu ist – darüber haben wir gestern ausführlich diskutiert –, ist der Zusammenschluss von Hooligans und von organisierten Rechtsextremen aus Parteien wie NPD, PRO NRW, der Partei „Die Rechte“, der Kameradschaftsszene, Skinheads und aus der rechtsextremen Musikszene.

Neu ist die hohe Mobilisierung, neu ist auch diese massive Gewaltanwendung, die wir erleben mussten. Und da müssen wir als Parlament ganz deutlich machen – ich hoffe, dass auch die CDU dabei ist –, dass wir als Rechtsstaat so etwas nicht hinnehmen können, sondern konsequent gegen solche Bewegungen vorgehen müssen.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Vizepräsident Oliver Keymis: Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenfrage von Herrn Sieveke?

Verena Schäffer (GRÜNE): Von Herrn Sieveke? – Ja, klar.

Vizepräsident Oliver Keymis: Bitte schön, Herr Kollege Sieveke.

Daniel Sieveke (CDU): Vielen Dank, Frau Schäffer, dass Sie die Zwischenfrage zulassen. Sie haben eben die Versachlichung angesprochen. Stimmen Sie mit mir überein, dass es in diversen Innenausschusssitzungen gerade durch Wortmeldungen der Piratenfraktion im Zusammenhang mit diversen innenpolitischen Themen zu Verharmlosungen des Gewaltpotenzials – Sie hatten ja gerade die Gewaltbereitschaft angesprochen – der Ultraszene und von Hooligans gekommen ist?

(Zuruf von den PIRATEN: Hä?!)

Verena Schäffer (GRÜNE): Also, Herr Sieveke, Entschuldigung. Wir diskutieren gerade über das Thema „Rechtsextremismus“ und darüber, dass Herr Hegemann hier eindeutig rechtsextreme Gewalt verharmlost hat.

(Beifall von den GRÜNEN – Zurufe von der CDU: Wie bitte? Was soll das denn?)

Es geht hier nicht um das Thema „Antirassismus“ oder um linke Bewegungen. Dass wir Gewalt nicht tolerieren, ist in diesem Hause hoffentlich klar, auch nicht von linken Gruppen. Aber Sie können doch nicht immer das eine gegen das andere aufwiegeln!

Die aktuelle Gefahr in NRW geht vom Rechtsextremismus aus, und das müssen wir hier so deutlich machen. Ich finde es schade, dass die CDU damit nicht übereinstimmt.

(Beifall von den GRÜNEN, der SPD und den PIRATEN)

Vizepräsident Oliver Keymis: Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenfrage von Herrn Hegemann?

Verena Schäffer (GRÜNE): Bitte.

Lothar Hegemann (CDU): Frau Kollegin, haben Sie zur Kenntnis genommen, dass ich in keiner Weise die Gegendemonstranten in Köln kriminalisiert habe? Wenn Sie das weiterhin behaupten, bitte ich Sie, das im Protokoll nachzulesen und zu rügen, falls Sie es denn finden. Das werden Sie aber nicht. Sie haben jetzt die Möglichkeit, das Ganze noch klarzustellen.

(Zurufe: Oho!)

Verena Schäffer (GRÜNE): Das Plenarprotokoll können wir ja alle noch einmal nachlesen. Was Sie aber definitiv gemacht haben, ist Folgendes: Sie haben gesagt, dass Gewalt bei Demonstrationen von Gegendemonstranten ausgehen. Das ist genau die Verharmlosung, die wir meinen. Und das geht nicht!

(Beifall von den GRÜNEN, der SPD und den PIRATEN – Lothar Hegemann [CDU]: Nein!)

Zum Antrag: Natürlich sind die Fußballvereine hier in der Pflicht, Flagge zu zeigen. Zum Glück gibt es in einigen Stadien schon Verbote, solche Ho.Ge.Sa-Symbole zur Schau zu stellen. Ich finde es aber noch einmal wichtig, zu betonen, dass wir über ein Problem reden, das nicht nur beim Fußball auftritt, sondern dass es um ein gesamtgesellschaftliches Problem geht.

Deshalb ist meines Erachtens der runde Tisch der falsche Ansatz – frei nach dem Motto: Wenn du nicht mehr weiter weißt, gründe einen Arbeitskreis. – Was wir vielmehr brauchen, ist die intensive Auseinandersetzung mit diesem Phänomen. Deshalb bin ich gespannt, was die IMK zu diesem Thema hervorbringen wird, was die Analysen anbelangt.

Die Landesregierung ist gerade dabei, ein Handlungskonzept gegen Rechtsextremismus und Rassismus zu erstellen. Es gab fünf Regionalkonferenzen – vielleicht waren Sie auch auf der einen oder anderen –, da war der Sport – zumindest bei der, auf der ich war – durchaus ein Thema. Das wird auch Eingang in das Handlungskonzept finden.

Was wir brauchen, sind daher keine runden Tische. Wir sind eigentlich schon mitten in der Diskussion und in unseren Möglichkeiten schon ein gutes Stück weiter. Wir brauchen das Handlungskonzept gegen rechts, wir brauchen eine vertiefte Analyse des Phänomens Ho.Ge.Sa und des Zusammenschlusses von Hooligans und Neonazis.

Außerdem brauchen wir eine stärkere Wahrnehmung und Analyse durch die Sicherheitsbehörden. Natürlich brauchen wir auch repressive Maßnahmen sowohl im als auch außerhalb des Stadions. Schließlich brauchen wir die gesellschaftliche Auseinandersetzung. Hierzu lade ich insbesondere die CDU ein.

Aus diesen Gründen werden wir den Antrag der Piraten ablehnen, da wir der Meinung sind, dass wir eigentlich schon einen Schritt weiter sind und keine runden Tische mehr benötigen.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Kommunalinfo: Einsetzung des NSU-Untersuchungsausschusses in NRW beschlossen

Sehr geehrte Damen und Herren,

liebe Freundinnen und Freunde,

die Aufdeckung des NSU im Herbst 2011 versetzte das Land in einen Schock. Was bis dahin für unmöglich gehalten wurde, war real: Über 13 Jahre konnte eine militant-rechtsextremistische Terrorgruppe unentdeckt durch die Republik ziehen und dabei Menschen ermorden, Sprengsätze zünden sowie Banküberfälle verüben. Ein eklatantes Versagen der Sicherheits- und Justizbehörden trat zu Tage.

Auch drei Jahre und mehrere Untersuchungsausschüsse im Deutschen Bundestag sowie in anderen Bundesländern später sind noch viele Fragen ungeklärt. Deshalb hat der nordrhein-westfälische Landtag gestern einstimmig einen gemeinsamen Antrag zur Einsetzung eines Parlamentarischen Untersuchungsausschusses zum NSU-Terror in Nordrhein-Westfalen beschlossen. Mit dem Beschluss haben wir eine gute Arbeitsgrundlage für die kommenden rund zwei Jahre geschaffen. Ein Video mit Ausschnitten aus meiner Rede und Erläuterungen zu den Grünen Schwerpunkten finden Sie / findet ihr hier.

Aufklären wollen wir die Anschläge des NSU in der Probsteigasse, wo am 19. Januar 2001 in einem Lebensmittelladen einer iranischstämmigen Familie die damals 19-jährige Tochter durch die Explosion eines Sprengsatzes schwer verletzt wurde, und in der Kölner Keupstraße am 09. Juni 2004, wo viele Migrantinnen und Migranten wohnen und arbeiten, sowie den Mord an Mehmet Kuba??k am 04. April 2006 in Dortmund, welcher der 8. Mordfall in der ?eská-Mordserie darstellte. Daneben werden auch die Aktivitäten und der Tod des V-Mannes des Bundesamtes für Verfassungsschutz „Corelli“ im Mittelpunkt der Aufklärung stehen. Darüber hinaus wird sich der Untersuchungsausschuss mit dem bisher unaufgeklärten Anschlag an der Düsseldorfer S-Bahnhaltestelle Wehrhahn am 27. Juli 2000 und dem so genannten dreifachen Polizistenmord durch den Rechtsextremisten Michael Berger am 14. Juni 2000 in Dortmund und Waltrop beschäftigen.

Als GRÜNE Fraktion haben wir die für uns wichtigen Punkte in den Einsetzungsbeschlusses eingebracht. Eine zentrale Frage in diesem Untersuchungsausschuss ist, ob es ein mögliches Unterstützernetzwerk von Beate Zschäpe, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt gegeben hat. Um ein solches mögliches Unterstützernetzwerk aufzudecken, ist es aus unserer Sicht notwendig, dass sich der Untersuchungsausschuss mit den Akteuren und Netzwerken der rechtsextremistischen Szene im Zusammenhang mit dem NSU ab den 1990er Jahren beschäftigen. Dazu gehören insbesondere die Fragen, welche organisatorischen Netzwerke ins benachbarte Ausland und nach Ostdeutschland und welche Strategien und Vorbereitungen zur Durchsetzung ideologischer Ziele mittels Gewalt sich in Nordrhein-Westfalen herausgebildet haben sowie zu welchen Gewaltanwendungen es durch rechtsextremistische Gruppierungen und Einzelpersonen gekommen ist.

Neben der Aufklärung legen wir GRÜNE einen Schwerpunkt auf die Erarbeitung von Konsequenzen für die Sicherheitsbehörden, denn diese Mordserie hat ein eklatantes strukturelles Versagen unserer Sicherheitsbehörden offenbart. Mit der bereits abgeschlossenen Verfassungsschutzreform, die öffentliche PKG-Sitzungen, gesetzlichen Regelungen zum Einsatz von V-Leuten sowie der Schwerpunktsetzung der Polizeiarbeit bei der Aus- und Fortbildung und Bekämpfung rechter Straftaten beinhaltet, haben wir wichtige neue Punkte gesetzt. Zudem wird in Nordrhein-Westfalen derzeit ein Handlungskonzept gegen Rassismus und Rechtsextremismus erarbeitet.

Die Stärke des Untersuchungsausschusses im Deutschen Bundestag lag darin, dass alle Fraktionen gemeinsam an der Aufklärung und der Erarbeitung von Handlungsempfehlungen gearbeitet haben. Darauf setzen wir auch im nordrhein-westfälischen Landtag und werden uns unabhängig für größtmögliche Aufklärung einsetzen.

Über die Sitzungen des Untersuchungsausschusses werden wir regelmäßig in unserem Newsletter und auf unserer Website informieren. Erste Informationen zu dem Einsetzungsbeschluss, unseren Fragenstellungen und unseren Schwerpunkten haben wir auf hier auf unserer Website eingestellt.

Viele Grüße aus dem Landtag

Verena Schäffer

Meine Rede zur Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zum NSU-Terror in Nordrhein-Westfalen

Gemeinsamer Antrag aller Fraktionen. Drucksache 16/7148

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Tag der Aufdeckung des NSU jährte sich gestern zum dritten Mal. Ich glaube, was wir nach wie vor teilen, ist das Erschüttern, das es in der Bevölkerung gegeben hat, und die Fassungslosigkeit darüber, dass eine rechtsterroristische Gruppierung über Jahre hinweg Menschen ermorden, Banken überfallen und Anschläge verüben konnte – und das unentdeckt von den Sicherheitsbehörden, was eben auch das Versagen von Polizei und Verfassungsschutz deutlich gemacht und zu einem Verlust des Vertrauens der Bevölkerung in die Sicherheitsbehörden in Deutschland geführt hat. Diese Erschütterung, diese Fassungslosigkeit spüren wir nach wie vor.

Der Untersuchungsausschuss des Deutschen Bundestags – dieser wurde übrigens auf Druck der Grünen eingerichtet – hat viel an Aufklärung geleistet. Er hat zwei Jahre lang sehr intensiv gearbeitet und viele Fragen geklärt und besprochen.

Dennoch sind Fragen offen geblieben – Fragen, die auch Nordrhein-Westfalen betreffen, und Themenkomplexe, die nicht ausführlich im Bundestag behandelt werden konnten. Insofern haben wir uns als Grüne und als rot-grüne Regierungskoalition dazu entschieden, auch in Nordrhein-Westfalen einen Untersuchungsausschuss einzurichten, und zwar auch aufgrund der Dynamik im April 2014 aufgrund des Todes des V-Manns „Corelli“ und der Fragen, die damit im Zusammenhang stehen. Daher ist es richtig, dass wir diesen Untersuchungssauschuss hier in Nordrhein-Westfalen gemeinsam einrichten.

Ich möchte noch einmal auf die verschiedenen Themenschwerpunkte eingehen, die insbesondere aus grüner Sicht im Vordergrund stehen sollten.

Das ist natürlich der perfide Anschlag in der Probsteigasse im Jahr 2001. Da lauten Fragen, die wir haben, beispielsweise: Wieso fiel die Wahl genau auf dieses Lebensmittelgeschäft? Schließlich hat es von außen keinen erkennbaren migrantischen Bezug gegeben. Wer war eigentlich der Mann, der diese Bombe deponiert hat? Gibt das Hinweise auf ein mögliches Unterstützernetzwerk in Nordrhein-Westfalen? Ich glaube, das ist die Frage, die über allen Themenkomplexen steht.

Zweitens nenne ich den Anschlag in der Kölner Keupstraße. Vielen ist er im Gedächtnis, und in diesem Jahr haben wir den zehnten Jahrestag in der Keupstraße begangen. Auch hier sind Fragen offen geblieben, zum Beispiel: Warum wurde schwerpunktmäßig in Richtung organisierte Kriminalität im migrantischen Milieu ermittelt? Was mussten eigentlich die Opfer an ständigen Verdächtigungen und Verhören erleiden? Warum wurden das Dossier des Bundesamtes für Verfassungsschutz und auch die Hinweise der britischen Kriminalpolizei auf die sogenannten Copeland Bombings in London nicht wirklich in die Ermittlungen einbezogen? Oder wurden sie einbezogen?

Der Mord an Mehmet Kuba?ik am 4. April 2006 ist der dritte Komplex. Welche Rolle spielten eigentlich die Neonaziaktivisten vor Ort, zum Beispiel der Oidoxie Streetfighting Crew in Dortmund? Was ist dran an den Aussagen der Vertrauensperson „Heidi“ der Dortmunder Polizei?

Auch eine Frage ist: Wie gehen wir eigentlich mit Vertrauenspersonen bei der Polizei – und damit meine ich nicht nur V-Leute beim Verfassungsschutz – um?

Und woran ist der V-Mann „Corelli“ tatsächlich gestorben? Was hat die CD mit dem Kürzel „NSU/NSDAP“ zu bedeuten? Seit wann wussten die Behörden Bescheid?–  Ich glaube, das ist eine der dringendsten Fragen, die wir zu beantworten haben. Denn wenn es stimmt, dass diese CD schon 2005 zumindest im Bundesamt für Verfassungsschutz vorlag, ist damit die These widerlegt, dass die Sicherheitsbehörden erst seit 2011 den Begriff „NSU“ gehört haben. Insofern gehört diese Frage aufgeklärt.

Wie aktiv war Corelli in Nordrhein-Westfalen? Gibt es darüber auch wieder Hinweise auf ein Unterstützernetzwerk zu NRW?

Sie merken schon, das Unterstützernetzwerk wird uns begleiten über den ganzen Untersuchungsausschuss hinweg. Deshalb haben gerade wir Grüne auch gesagt: Wir wollen uns militante Strukturen in den 90er-Jahren hier in NRW angucken, weil wir glauben, dass darin auch ein möglicher Schlüssel zur Aufdeckung eines Unterstützungsnetzwerks liegt.

Aber auch die Aufklärung finde ich immens wichtig.

Ich denke auch, dass wir nach vorne gucken müssen. Was heißt das denn jetzt konkret für die Konsequenzen für die Sicherheitsbehörden, für Polizei, für Verfassungsschutz, aber auch für die Justizbehörden? Auch da müssen wir hinschauen. Was heißt das konkret für die Polizeiarbeit? Wie können wir Polizei da auch besser machen, und zwar so gestalten, dass auch ein möglicher rechtsextremistischer Hintergrund zukünftig ermittelt wird, dass das einbezogen wird und dass es eben nicht zu diesem Leid der Opfer kommen muss, dass die über Jahre hinweg verdächtigt werden? Wir wollen hier auch die Opferperspektive einbeziehen.

Ich meine aber auch, dass wir uns die Rechtsextremismusprävention angucken müssen. Ich bin froh darüber, dass das auch Eingang in den Einsetzungsbeschluss gefunden hat. Denn es geht nicht nur um Repression, sondern auch um die Frage: Was können wir im präventiven Bereich machen?

Ich kann mich den Vorrednern anschließen. Der große Wert des Bundestags-PUA lag darin, dass es eine große Gemeinsamkeit in der Arbeit gab. Diese Gemeinsamkeit und das gemeinsame Interesse daran, aufzuklären, habe ich – Herr Biesenbach, da kann ich Ihnen zustimmen – auch in der Vorbereitung hier so erlebt. Ich hoffe, dass wir das auch so durchtragen können in den nächsten zwei Jahren, dass wir gemeinsam aufklären. Wir werden sicherlich zum Teil auch zu unterschiedlichen Schlussfolgerungen kommen. Das ist auch in Ordnung. Aber wenn das gemeinsame Interesse besteht, aufzuklären, dann ist das sehr wertvoll für die Arbeit. Darauf setze ich. – Herzlichen Dank.

(Allgemeiner Beifall)

Meine 2. Rede zum Polizeieinsatz in Köln und den Anträgen von Piraten, FDP und CDU

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zu einer Nachbereitung bin ich aufgrund der Zeit gerade nicht mehr gekommen. Aber eine Nachbereitung eines Polizeieinsatzes ist richtig und wichtig. Das tun wir bei größeren Polizeieinsätzen in der Regel immer im Innenausschuss. Leider beteiligen sich in der Regel weder die CDU noch die FDP an diesen Diskussionen. Das vermisse ich.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Ich bin gespannt auf die Diskussion im Innenausschuss und darauf, ob Sie die Fragen und Vorwürfe, die Sie hier formulieren, dort mit uns ausdiskutieren werden.

Ja, es stimmt, es gibt Fragen. Ich finde es legitim, dass Bürgerinnen und Bürger zum Versammlungsort, zu den Auflagen etc. Fragen haben und diese auch stellen.

Es hat übrigens Auflagen gegeben. Zu behaupten, es gäbe keine Auflagen, ist schlicht falsch. Natürlich hat es Auflagen gegeben. Sie standen vorher im Internet. Man hätte sich darüber informieren können. Die gab es.

Dass es Fragen zum Polizeieinsatz gibt, finde ich legitim. Dass wir diese nachbereiten und beantworten müssen, finde ich richtig. Es geht auch darum, das Vertrauen von Bürgerinnen und Bürgern in die Polizei zu stärken. Dazu gehört auch die Nachbereitung eines Polizeieinsatzes.

Ich will noch etwas zum Thema „Verbote“ sagen – Herr Laschet hat zu Beginn angeführt, man hätte im Vorfeld verbieten müssen –: Natürlich ist es für Demokratinnen und Demokraten nur schwer auszuhalten, solche Demonstrationen erleben zu müssen. Das betrifft nicht nur die Demonstration in Köln, sondern auch Demonstrationen in vielen anderen Orten in Nordrhein-Westfalen. In Dortmund haben wir häufig diese Aufmärsche. Es ist schwer zu ertragen, wenn solche Gestalten, solche Rechtsextremisten durch unsere Innenstädte laufen. Ich denke, darüber sind wir uns einig.

Aber ich finde diese Forderung nach Verboten immer etwas zu einfach. Es gibt eine hohe rechtliche Hürde für das Verbot von Versammlungen. Die Versammlungsfreiheit hat Verfassungsrang in unserem Lande. Das ist auch gut so. Versammlungen können nur verboten werden, wenn es konkrete Anhaltspunkte gibt. Wir dürfen unsere eigenen Grundrechte auch nicht aufgrund solcher Gruppierungen einschränken. Ganz im Gegenteil: Wir müssen unsere Grundrechte verteidigen.

Ich habe gerade schon gesagt, wenn uns Anhaltspunkte vorliegen, aufgrund derer zukünftige Versammlungen dieser Gruppierungen verboten werden können, müssen wir diese konsequent nutzen, damit wir solche Bilder nicht noch einmal erleben müssen.

Herr Lohn, Sie hatten mehrere Vorwürfe angesprochen, auf die ich gerne eingehen möchte.

Ich finde es ziemlich billig, zu sagen, das SEK oder die Reiterstaffel hätten kommen müssen, dann wäre das so nicht passiert. Das SEK gehört fachlich nicht auf eine Demonstration. Das SEK wird bei polizeilichen Sonderlagen wie Geisellagen, bei Entführungen und Erpressungen eingesetzt, aber doch nicht bei Demonstrationen.

Herr Lürbke, zum Thema Eingreiftrupps: Ja, in Bayern gibt es so etwas. Da gibt es die Beweissicherungs- und Festnahmeeinheiten. So etwas haben wir aus gutem Grund, wie ich finde, in Nordrhein-Westfalen nicht. In Nordrhein-Westfalen setzen wir auf eine deeskalierende Lage und setzen solche Gruppen nicht ein. Unsere Hundertschaften sind für Demonstrationslagen aus- und fortgebildet. Deshalb sind sie die richtigen Ansprechpartner.

Herr Lohn, ich komme zum Thema „Verfassungsschutz und V-Leute“. Wir hätten seit Inkrafttreten unseres neuen Verfassungsschutzgesetzes keine V-Leute mehr in der rechtsextremen Szene, sagen Sie. – Entschuldigung, aber es ist wirklich ziemlicher Humbug, den Sie hier verbreiten. Aufgrund des NPD-Verbotsverfahrens gibt es keine V-Leute mehr in den NPD-Führungsetagen. Sie sind dort abgeschaltet worden, damit wir das Verbot durchbekommen. Aber das gilt doch nicht für die gesamte rechtsextreme Szene.

Zur Erläuterung muss man zum Verfassungsschutz vielleicht noch einmal sagen: Der Verfassungsschutz darf zu Recht nicht jeden Gewaltbereiten in diesem Land beobachten. Das darf er nur dann, wenn tatsächlich Anhaltspunkte für die Gefährdung unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung vorliegen, wenn eine verfassungsfeindliche Bestrebung vorliegt, aber nicht, wenn Menschen einfach „nur“ gewaltbereit sind. Das ist auch richtig so. Das hat sich durch unser neues Verfassungsschutzgesetz überhaupt nicht geändert. Insofern sind Sie da auf der völlig falschen Spur, wenn ich das einmal so sagen darf.

(Beifall von den GRÜNEN)

Wir diskutieren auch über den FDP-Antrag. Ich habe leider wieder zu wenig Zeit. Aber ich will dazu sagen: Es werden zwei unterschiedliche Sachen miteinander vermengt. Sie führen in Ihrem Antrag aus, auf der einen Seite müssen wir gegen Salafismus vorgehen, auf der anderen Seite gegen die Ho.Ge.Sa. Mit beidem haben Sie recht. Aber Sie können nicht beides miteinander vermengen. Beides sind unterschiedliche Phänomene.

Sie können diese Ausschreitungen von Hooligans und diesen Rechtsextremen gegen Salafismus nicht damit rechtfertigen, dass es den Salafismus gibt. Sie müssen beides voneinander trennen. Das gebietet eigentlich auch die fachliche Auseinandersetzung, dass wir beides entsprechend beurteilen.

(Zuruf von Dr. Robert Orth [FDP])

– Und Sie reden kein Wort über das eigentliche Problem, was wir in diesem Land haben. Das finde ich beschämend, wenn ich das einmal so sagen darf.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)