Meine Rede zur Vorratsdatenspeicherung

Meine Rede zum Antrag der Piratenfraktion (Drucksache 16/4436).

Es gilt das gesprochene Wort.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen!

Ich möchte meine Rede mit einem Zitat beginnen:

„Dass die Freiheitswahrnehmung der Bürgerinnen und Bürger nicht total erfasst wird und registriert werden darf, gehört zur verfassungsrechtlichen Identität der Bundesrepublik Deutschland, für deren Wahrung sich die Bundesrepublik in europäischen und internationalen Zusammenhängen einsetzen muss.“

Wer meint, dieses Zitat wäre im Zusammenhang mit der anlasslosen und massenhaften Überwachung unserer Daten durch die amerikanische NSA oder den britischen GCHQ gefallen, der irrt. Das Zitat stammt vom Bundesverfassungsgericht im Rahmen seines Urteils vom 02. März 2010 zur Vorratsdatenspeicherung. Gegen das Gesetz hat es eine breite bürgerrechtliche Bewegung gegeben. Über 34.000 Menschen hatten Verfassungsbeschwerde eingelegt und letztendlich Recht bekommen. Denn die anlasslose und massenhafte Vorratsdatenspeicherung ist ein tiefer Eingriff in unsere Privatsphäre.

Mit der anlasslosen Vorratsdatenspeicherung werden alle Bürgerinnen und Bürger unter Generalverdacht gestellt, obwohl sie zu dem Zeitpunkt der Datenerhebung und -speicherung keine Straftaten begangen haben. Unsere Daten sollen also präventiv erhoben und gespeichert werden, weil es denkbar wäre, dass wir alle zu Kriminellen oder Terroristinnen und Terroristen werden. Damit wird die Unschuldsvermutung praktisch ausgehebelt; das halten wir Grüne nicht für verhältnismäßig und haben uns deshalb immer gegen eine anlasslose Bevorratung von Daten ausgesprochen!

Es stimmt zwar, dass keine Daten über die Inhalte der Kommunikation gespeichert werden sollen, sondern „nur“ die Verkehrsdaten. Aber allein mit den Verkehrsdaten kann rekonstruiert werden, war wann wie lange mit wem und von wo aus kommuniziert hat. Damit lassen sich bereits Bewegungsprofile von jedem von uns erstellen, denn wir alle kommunizieren ständig und produzieren Mengen an Daten.

Der Satz „ich habe nichts zu verbergen“ ist fatal, denn schon mit der Speicherung der Verkehrsdaten kann die Ausübung unserer Freiheitsrechte beeinträchtigt werden oder um es mit den Worten des Bundesverfassungsgerichts auszudrücken:

„Die anlasslose Speicherung von Telekommunikationsverkehrsdaten ist geeignet, ein diffus bedrohliches Gefühl des Beobachtetseins hervorzurufen, das eine unbefangene Wahrnehmung der Grundrechte in vielen Bereichen beeinträchtigten kann.“

Dieser Einschätzung des Bundesverfassungsgerichts ist nichts hinzuzufügen.

Nach den schrecklichen Anschlägen vom 11. September 2001 hat es eine Reihe von Verschärfungen in den Sicherheitsgesetzen gegeben. Die EU-Richtlinie zur Einführung der Vorratsdatenspeicherung war eine konkrete Reaktion auf die Terroranschläge in Madrid im März 2004. Allerdings kann eine Bevorratung von Daten keine Terroranschläge verhindern so wie eine Videobeobachtung im öffentlichen Raum ebenfalls keine Straftaten verhindern kann, sondern allenfalls Informationen für die Ermittlungen liefern. Man darf den Bürgerinnen und Bürger keine angebliche Sicherheit vorgaukeln, die man letztendlich nicht einlösen kann, und im gleichen Atemzug die Bürgerrechte mit einem nicht einzuhaltenden Versprechen einschränken.

Derzeit sind noch zwei Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof anhängig, in denen die Vereinbarkeit der EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung mit den Grundrechten in der Europäischen Union überprüft werden. Wir warten gespannt auf die Entscheidung des Gerichtshofs. Diese Entscheidung des EuGH sollte abgewartet werden, bevor neue Pläne zur Vorratsdatenspeicherung in Deutschland gemacht werden.

Sowohl über die Videoüberwachung als auch über die Vorratsdatenspeicherung hat dieses Parlament in der Vergangenheit mehrfach diskutiert und wird es voraussichtlich auch zukünftig tun. Der Standpunkt der Grünen ist dabei klar: Wir lehnen eine anlasslose Regelung zur Vorratsdatenspeicherung als unverhältnismäßigen Eingriff in unsere Freiheitsrechte ab. Dass wir damit einen Dissens mit unserem Koalitionspartner haben, ist allgemein bekannt. Bekannt ist aber auch, wie Koalitionen in solchen Fällen abstimmen und entsprechend werden wir uns verhalten.

In Richtung Piraten will ich aber auch noch einmal betonen, dass die Piraten mit diesem verkürzten Antrag offensichtlich keine qualifizierte inhaltliche Debatte führen wollten, die es aus meiner Sicht bedarf, sondern einzig allein die Koalition über eine Bundesfrage spalten.

Pressemitteilung: Grüner Aufruf zur Unterstützung Edward Snowdens

Edward Snowden hat mit seinen Enthüllungen den Menschen- und Bürgerrechten einen großen Dienst erwiesen. Bündnis 90/Die Grünen haben bundesweit eine Kampagne für den sicheren Aufenthalt von Edward Snowden in Deutschland gestartet. Der ehemalige NSA-Mitarbeiter soll vor einem möglichen Untersuchungsausschuss in Deutschland aussagen können. Die Petition kann ab sofort unter http://www.gruene.de/meine-kampagne/gebt-edward-snowden-eure-stimme.html unterzeichnet werden. (mehr …)

Intensive Nachbereitung nach Polizeieinsatz auf Schalke geboten

Josefine Paul (sportpolitische Sprecherin) und Verena Schäffer (innenpolitische Sprecherin) zur aktuellen Diskussion über den Polizeieinsatz auf Schalke anlässlich des Champions-League-Qualifikationsspiels am 21. August 2013

Angesichts der Bilder im Fernsehen wie auch im Internet, der Berichterstattung und den vielen Berichten von Anwesenden im Stadion können wir den großen Unmut und die Diskussion über den Polizeieinsatz sehr gut nachvollziehen. Eine intensive Nachbereitung des Polizeieinsatzes innerhalb der Polizei ist notwendig, auch in Hinblick auf zukünftige Polizeieinsätze bei Fußballspielen. Neben der internen polizeilichen Nachbereitung ermittelt die Staatsanwaltschaft sowohl gegen Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte sowie gegen Fans von Schalke 04 und PAOK Saloniki. Gegenüber dem Innenministerium haben wir deutlich gemacht, dass bei der Nachbereitung auch Vertreterinnen und Vertreter der organisierten Fanszene einbezogen werden müssen.

Nachbetrachtungen zum Polizeieinsatz auf Schalke

Die Hauptkritik bezieht sich auf die Entscheidung der Polizei, in den Schalker Fanblock zu gehen, um die dort gezeigte mazedonische Flagge zu entfernen. Damit sollte eine Beruhigung im aufgebrachten Gästeblock der Fans von PAOK Saloniki hergestellt werden. Dass gegen die Schalker Fans vorgegangen wurde, die mit legalen Mitteln provozierten, anstatt gegen die Fans von PAOK Saloniki, von denen eine Gefährdung der Sicherheit anderer ausging, verletzt verständlicher Weise das Gerechtigkeitsempfinden. Wir können daher nachvollziehen, dass man zu dem Schluss kommt, dass der Einsatz nicht verhältnismäßig war. Um deeskalierend die aufgeheizte Stimmung zu beruhigen und akute Gefahren abzuwehren (nach Polizeiangaben drohte die Stürmung des Platzes durch die Fans von PAOK Saloniki) haben die Schalker Fanbeauftragen mit Verweis auf die Hausordnung zunächst kommunikativ versucht zu erreichen, dass die Fahne nicht weiter gezeigt wird. Dies gelang auch unter Androhung von polizeilichen Maßnahmen nicht. In einer solchen Situation, kann die Polizei zum Zwecke der akuten Gefahrenabwehr Maßnahmen gegen die provozierende Gruppe (den sogenannten „Zweckveranlasser“) ergreifen – auch wenn von dieser Gruppe keine direkte Störung ausgeht. Die Entscheidung in den Fanblock von Schalke 04 zu gehen, um die Fahne zu entfernen, wurde nach Angaben der Polizei getroffen, um das Stürmen des Platzes durch die griechischen Fans und damit größeren Gefahren für Leib und Leben abzuwenden. In der Nachbereitung des Einsatzes muss diese Entscheidung überprüft werden, ob und welche anderen Möglichkeiten zur Gefahrenabwehr bestanden – auch im Hinblick auf weitere Polizeieinsätze in Stadien. Denn das Eindringen von Polizeikräften in einen Fanblock bleibt aus unserer Sicht einsatzstrategisch problematisch, weil es keinesfalls zur Deeskalation beiträgt. Zur Nachbereitung gehört auch die Frage, welche Maßnahmen ergriffen wurden, um mäßigend auf die Fans von PAOK Saloniki einzuwirken, und der Einsatz von Pfefferspray. Nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit muss bei einem Polizeieinsatz immer das mildeste zur Verfügung stehende Mittel angewandt werden. Ob dies bei diesem Einsatz der Fall war, muss ebenfalls überprüft werden. Die Gefährdung Unbeteiligter muss möglichst ausgeschlossen werden. In dieser dynamischen Situation wurde Pfefferspray auch zur Eigensicherung der PolizeibeamtInnen angewandt. Wir bedauern es sehr, dass Unbeteiligte bei diesem Einsatz zu Schaden gekommen sind.

Fatal war aus unserer Sicht das Kommunikationsdesaster: Obwohl der Stadionsprecher seitens der Polizei aufgefordert wurde, einen Appell im gesamten Stadion zu machen, die Flagge herunterzunehmen, um für eine Deeskalation im Gästeblock zu sorgen, erfolgte nur eine Durchsage an die Nordkurve, die Eingänge freizumachen, ohne den Einsatz der Polizei weiter zu erläutern. Das hatte natürlich zu Folge, dass der Polizeieinsatz im Schalker Fanblock für den Großteil der Zuschauerinnen und Zuschauer völlig unerwartet kam; die betroffenen Fans sind jedoch zuvor mehrfach vom Ordnerdienst aufgefordert worden, auch unter Ankündigung, dass ein Eindringen der Polizei in den Fanblock bevorstehen würde.

Im Innenausschuss am 12. September 2013 kündigte Innenminister Ralf Jäger an, dass die Polizeihundertschaften zukünftig keine Ordnertätigkeiten auf Schalke mehr wahrnehmen würden. Verantwortlich für die Durchsetzung des Hausrechts in Stadien sind zunächst die jeweiligen Vereine. Bisher wurde dieser Verantwortung in den meisten Stadien nur unzureichend nachgekommen – es fehlen oftmals qualifizierte Ordnerdienste. Der gesetzliche Auftrag, bei Gefährdung der öffentlichen Sicherheit tätig zu werden, blieb von Jägers Ankündigung aber unberührt. Notwendig gewesen wäre aus unserer Sicht allerdings eine Absprache und Kommunikation über dieses Vorhaben mit den Vereinsverantwortlichen und anderen Akteuren. Inzwischen gibt es eine Vereinbarung zwischen dem Verein FC Schalke 04 und dem Innenministerium, dass die Polizei auch weiterhin im Stadion eingesetzt wird, die Anzahl der Polizeikräfte aber reduziert werden soll. Erstrebenswert ist auch aus unserer Sicht, dass die Polizei zukünftig weniger in Stadien präsent ist, auch um eine Deeskalation mit den Fans herbeizuführen. Entsprechende Konzepte sollten in Kooperation und in der Kommunikation mit den Vereinen und den FanvertreterInnen erarbeitet werden.

Differenzierte Debatte statt polemische Anträge

Den Anträgen von CDU und Piratenfraktion in der Plenarsitzung am 26. September 2013 zum Polizeieinsatz auf Schalke konnten wir wegen der größtenteils populistischen, überzogenen und wenig innovativen Forderungen nicht zustimmen.

Der Antrag der CDU-Fraktion „Polizei-Boykott für Spiele der Fußball-Bundesliga wäre unverantwortlich“ (Drucksache 16/4013) überrascht in seinem Tenor schon sehr, wenn man sich die ansonsten geäußerten Schreckensszenarien über gewalttätige Fußballfans in deutschen Stadien, die von der CDU in NRW in regelmäßigen Abständen beschworen werden, vor Auge führt. Normalerweise sind es im Weltbild der NRW-CDU die Fans, welche einen rechtsfreien Raum wollen, nun ist es Innenminister Ralf Jäger, der ihn angeblich einführt. Dabei wird völlig verkannt, dass niemals von einem allgemeinen Rückzug der Polizei bei Fußballspielen die Rede war.

Der Antrag „Kein Maulkorb für Kritiker – Öffentliche Kritik an Polizeieinsätzen muss weiter möglich sein (Drucksache 16/4022)“ der Piratenfraktion bietet leider weniger mit innovativen Lösungsansätzen auf, als vielmehr mit Polemik und Altbekanntem. Vorrangig beschäftigt er sich mit der Behauptung, die NRW-Polizei würde keine Fehlerkultur aufweisen und Innenminister Ralf Jäger Kritik an Polizeiansätzen mit allen Mitteln verhindern. Selbstverständlich bedarf es der kritischen Nachbereitung von Polizeieinsätzen und einer Fehlerkultur innerhalb der Polizei. Die Nachbereitung sollte aber nach unserer Auffassung nicht über die Zeitungen geschehen, sondern im Dialog mit allen Beteiligten. Die Stärkung des Dialogs zwischen allen Beteiligten ist aus unserer Sicht zentral für eine dauerhafte und lösungsorientierte Verständigung. Unbeachtet bleibt von den Piraten allerdings, dass es bereits auf kommunaler Ebene in Form der Öffentlichen Ausschüsse für Sport und Sicherheit (ÖÄSS) derlei gibt. In ihnen wird seit Jahren und äußerst bewährt zusammen gearbeitet. Aus unserer Sicht ist dies der richtige Ort, um dauerhaft und spieltagsunabhängig lokale Lösungen zu entwickeln. Wir bedauern es sehr, dass nach wie vor nicht in allen ÖASS Fans beteiligt sind. Leider ist dies auch teilweise auf die Verweigerungshaltung der Fans zurückzuführen.

Forderungen an Politik, Verbände, Vereine und Fans

Die öffentliche Debatte über den Polizeieinsatz muss ebenso wie die polizeiliche Nachbereitung in eine nach vorne gerichtete Diskussion über die Verantwortung von Fans und Vereinen sowie die Aufgaben der Polizei münden. Die Grüne Landtagsfraktion hat auf Initiative von Josefine Paul bereits im Dezember 2012 ein Positionspapier „Fußballfans ernst nehmen – Gewalt verhindern“ beschlossen. Forderungen daraus lauten u.a.:

• Vereine und Verbände müssen sich stärker als bisher ihrer Verantwortung stellen. Fußball ist in den höheren Spielklassen in den vergangenen Jahrzehnten zu einem Milliardengeschäft geworden. Vereine, DFB und DFL erwirtschaften zum Teil immense Gewinne. Daraus resultiert eine gesellschaftspolitische Verpflichtung zu einem verstärkten Engagement.

• Zurzeit werden 30 % der Einsatzzeiten von BereitschaftspolizistInnen in NRW im Zusammenhang mit Fußballspielen geleistet. Die Vereine stehen in der Verantwortung, für Entlastung zu sorgen. Ein wichtiger Schritt wäre die Begleitung von Fans auf Auswärtsfahrten durch geschultes, von den Vereinen bezahltes Personal. Darüber hinaus müssen die Vereine die Sicherheit der BesucherInnen im Stadion durch qualifiziertes Personal gewährleisten.

• DFL, Politik und Polizei müssen die Kommunikation bei der Spielansetzung verbessern. Wir begrüßen die im 10-Punkte-Plan festgehaltene Absprache zwischen Polizei und DFL, am 1. Mai auf Spielansetzungen zu verzichten. An Tagen mit besonders hoher Arbeitsbelastung für die Polizei ist generell von möglichen Risikospielen abzusehen. Auch eine weitere Aufsplitterung der Spieltage auf mehrere Wochentage und unterschiedliche Anstoßzeiten ist zu vermeiden.

• Solidarisches Verhalten mit RegelverletzterInnen, beispielsweise beim Abbrennen von Pyrotechnik auf den Tribünen, ist nicht akzeptabel. Von den Fans im Umfeld von Störern ist mehr Zivilcourage gefragt.

• In unserem Koalitionsvertrag haben wir eine Kennzeichnungspflicht von Polizistinnen und Polizisten vereinbart. Diese Forderung soll dazu beitragen, durch transparentes staatliches Handeln das Vertrauen in die Arbeit der Polizei zu stärken.

• Im November 2010 hat das Innenministerium NRW klare Richtlinien zum Beschwerde-management bei der Polizei erlassen. Menschen, die sich von Einsatzkräften unangemessen behandelt fühlen, haben die Möglichkeit, auf entsprechende Vorfälle hinzuweisen. Diese Möglichkeiten müssen bekannter gemacht werden.

• Es war wichtig und richtig, dass das Ministerium für Inneres und Kommunales NRW die federführende Rolle bei der Weiterentwicklung des Nationalen Konzepts Sicherheit und Sport (NKSS) übernommen hat. Als besonders wichtig empfinden wir es, dass erstmals auch die Bundesarbeitsgemeinschaft für Fanprojekte in die Erarbeitungsphase miteinbezogen wurde. Künftig müssen nicht nur die Fanprojekte, sondern auch Vertreter der organisierten Fangruppen mit an den Tisch geholt werden. Auf diese Weise erhöht sich die Akzeptanz für die beratenen Maßnahmen auch im „Lager“ der organisierten Fans.

Das Positionspapier „Fußballfans ernst nehmen – Gewalt verhindern“ kann hier heruntergeladen werden.

 

Meine Rede zum Einsatz der nordrheinwestfälischen Polizei bei der „Blockupy“-Demonstration in Frankfurt am Main

Meine Rede zum Antrag der Piraten Drucksache 16/3247

Verena Schäffer (GRÜNE): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich kann auch für die grüne Fraktion sagen, dass wir die Arbeit der Polizei natürlich unterstützen. Sie ist wichtig, um die innere Sicherheit aufrechtzuerhalten, und sie ist im Kontext von Demonstrationen wichtig, um den Schutz der Versammlungs- und Meinungsfreiheit zu gewährleisten. Ich glaube, da sind wir uns hier alle einig.

Wir Abgeordnete, insbesondere die Mitglieder im Innenausschuss, tragen natürlich auch Verantwortung für die Polizei; diese müssen wir übernehmen. Verantwortung zu übernehmen heißt aber auch, eine Fehlerkultur zuzulassen, weil eine demokratische und rechtsstaatliche Polizei Kritik auch anhören und aushalten muss.

(Beifall von den GRÜNEN und den PIRATEN)

Deshalb haben wir als grüne Fraktion immer wieder, wenn es unverhältnismäßige Polizeieinsätze gegeben hat, diese thematisiert, oder, wenn Kritik vorgetragen worden ist, diese zur Sprache gebracht, weil – das ist wichtig, aber da haben wir vielleicht ein unterschiedliches Verständnis von Fehlerkultur und von Verantwortung, die wir gegenüber der Polizei haben – es natürlich auch darum geht, das Verhalten der Polizei weiterzuentwickeln.

Gerade die NRW-Polizei gilt bundesweit als die Polizei, die deeskalierend in Einsätze hineingeht und dafür bundesweit immer wieder bei Einsätzen, zum Beispiel im Rahmen von Stuttgart 21, gelobt wird. Eine Weiterentwicklung und ein reflektiertes Verhalten sind wichtig. Das ist auch deshalb wichtig, weil es das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in unsere rechtsstaatliche Polizei stützt. Insofern finde ich es auch in Ordnung, Fehlerkultur zu betreiben.

(Beifall von den GRÜNEN)

Präsidentin Carina Gödecke: Frau Kollegin Schäffer, ich muss leider auch Sie unterbrechen. Diesmal möchte Ihnen gerne Herr Kollege Kruse eine Zwischenfrage stellen.

Verena Schäffer  (GRÜNE): Bitte.

Theo Kruse (CDU): Werte Kollegin Schäffer, Sie haben gerade von unverhältnismäßigen Polizeieinsätzen in der Vergangenheit gesprochen. – Könnten Sie, bezogen auf Nordrhein-Westfalen, vielleicht ein wenig präzisieren, welchen unverhältnismäßigen Polizeieinsatz Sie tatsächlich meinen?

(Zuruf von Reiner Priggen [GRÜNE])

Verena Schäffer  (GRÜNE): Seitdem ich im Landtag bin, seit 2010, habe ich immer wieder an Demonstrationen teilgenommen, allerdings nicht als Demonstrantin – das habe ich auch schon vorher gemacht. Vielmehr bin ich mit der Polizei mitgefahren, habe die Polizei begleitet, war immer sehr gut bei der Polizei aufgehoben, habe sehr viel sehen können, sehr viele Fragen wurden beantwortet.

Bei großen Einsätzen wie in Dortmund Anfang September aufgrund der Neonazi-Aufmärsche haben wir immer wieder das Problem, dass es zu Situationen kommt, die man im Nachhinein thematisieren und kritisieren muss. Bürgerinnen und Bürger, die bei den Demonstrationen waren, machen immer wieder darauf aufmerksam, dass an dem einen oder anderen Punkt aus ihrer Sicht etwas falsch gelaufen sei, und bitten, das anzusprechen. Das haben wir auch getan.

Das finde ich legitim und richtig. Und ich verstehe es auch als unsere Aufgabe als Abgeordnete, dass wir da, wo es Kritik an der Polizei gegeben hat, aufklären und aufarbeiten, gerade um das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in die Polizei zu stärken. Insofern sehe ich da überhaupt keinen Widerspruch – im Gegenteil. Es ist auch unsere Aufgabe.

(Beifall von den GRÜNEN und den PIRATEN)

Ehrlich gesagt machen es sich die Piraten mit diesem Antrag doch zu leicht.

Sie fordern – erstens – eine umfassende Aufklärung des Einsatzes der NRW-Bereitschaftspolizei in Hessen. – Wie gesagt, ich finde Aufarbeitung immer richtig und wichtig. Das Innenministerium hat uns nach der letzten Sitzung des Innenausschusses einen entsprechenden schriftlichen Bericht zugeleitet. Aber die Aufarbeitung muss dort erfolgen, wo der Einsatz stattgefunden hat. Und das war in Frankfurt, in Hessen. Dementsprechend lag die Einsatzleitung in Hessen. Der Hessische Landtag ist meines Erachtens jetzt gefordert. Ich weiß, dass dort dieser Einsatz auch aufgeklärt und aufgearbeitet wird. Auch das dortige Innenministerium ist gefordert. Das liegt, wie gesagt, in der Zuständigkeit der hessischen Kolleginnen und Kollegen und gehört nicht hierhin.

Der zweite Punkt ist das Amtshilfeersuchen. Er ist gerade auch von Herrn Kruse ausführlich behandelt worden. – Ihre Forderung läuft meines Erachtens völlig ins Leere. Es gibt das Bund-Länder-Abkommen – das ist gerade schon erläutert worden – über die gegenseitige Hilfe bei den Bereitschaftspolizeien, wenn es entsprechende Lagen in den Ländern gibt. Gerade Nordrhein-Westfalen mit seinen 18 Einheiten ist ständig gefordert, in andere Bundesländer zu fahren. Das macht NRW auch.

Was sich in Ihrem Antrag ein Stück weit ausdrückt – das finde ich ganz interessant –, ist der Wunsch nach einem Regierungswechsel in Hessen. Den Wunsch an sich, dass die schwarz-gelbe Regierung bei der nächsten Landtagswahl abgewählt wird, kann ich sehr gut teilen.

Was ich aber nicht teilen kann, ist Ihre Forderung, Amtshilfeersuchen aus Hessen bis zur Landtagswahl zurückzuweisen. Denn die Solidarität unter den Ländern muss unabhängig von den politischen Mehrheiten im Landtag gewährleistet werden. Sonst wären wir tatsächlich bei einer politischen Polizei, was wir hier vor einigen Wochen schon diskutiert haben. Da kann meines Erachtens nicht unser Ziel sein. Darin sind wir uns letztendlich alle einig, Solidarität nicht an den politischen Mehrheiten in den entsprechenden Landtagen auszurichten.

(Beifall von den GRÜNEN)

Der dritte Punkt ist die Kennzeichnungspflicht. – Es ist schon richtig gesagt worden, dass wir uns im Koalitionsvertrag darauf verständigt haben, eine anonymisierte und individualisierte Kennzeichnungspflicht einzuführen. Die Kennzeichnung ist heute schon auf der niedrigsten Stufe gewährleistet, aber bisher nicht auf die einzelnen Personen bezogen. Das wollen wir ändern.

(Torsten Sommer [PIRATEN]: Wir auch, klar!)

Wir wollen es aber anonymisiert tun, um der Verantwortung und dem Schutzgedanken gerecht zu werden. Wir wollen nicht, dass die Polizeibeamtinnen und -beamten befürchten müssen, dass es zu ihrem Nachteil gerät – „Nachteil“ nicht im Sinne von Strafverfolgung; darum geht es nicht – und sie Angst haben müssen, verfolgt und zu Hause aufgesucht zu werden. Da sind wir uns wohl einig, dass wir das nicht wollen; da tragen wir Verantwortung gegenüber der Polizei.

(Beifall von Torsten Sommer [PIRATEN])

Aber natürlich muss es möglich sein, einem Fehlverhalten nachzugehen. Wir befinden uns hierzu in Gesprächen mit den Gewerkschaften. Es ist wichtig, die Polizei mitzunehmen.

Die Kennzeichnungspflicht hat vor allem den Vorteil, dass die Polizei, die als Vertreterin des Staates auftritt, den Bürgerinnen und Bürgern offen begegnet und nicht anonym auftritt.

Aber – da greift Ihr Antrag zu kurz –, es gibt keinen Kausalzusammenhang zwischen Kennzeichnungspflicht und unverhältnismäßigen Einsätzen bzw. Fehlverhalten, sprich: Es gibt keinen Grund für die Aussage, gäbe es die Kennzeichnungspflicht, gäbe es keine unverhältnismäßigen Einsätze und kein Fehlverhalten mehr. So einfach ist es nicht.

Man muss zum Beispiel auch über Rahmenbedingungen reden. Wie ist die Polizei bei so einem Großeinsatz aufgestellt, wenn sie am Tag vorher von Nordrhein-Westfalen aus nach Hessen geschickt wird? Wie sind Schlafen und Unterbringung organisiert?

All das sind Punkte, die man mitbedenken sollte. Wenn man schon einmal die Logistik miterlebt hat, die hinter einem solchen Großeinsatz steht – ich habe das in Nordrhein-Westfalen, zum Beispiel bei den großen Demonstrationseinsätzen in Dortmund, schon miterlebt, wo viel von der NRW-Polizei abgewickelt werden kann –, macht man es sich zu einfach, nur auf die Kennzeichnungspflicht zu setzen.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)

Meine Rede zur Reform des Verfassungsschutzes

Meine Rede zum Antrag der FDP Drucksache 16/2884

Verena Schäffer (GRÜNE): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bin jetzt seit drei Jahren Mitglied im Landtag und habe in dieser Zeit noch keinen Antrag gesehen, der so unnötig war wie dieser Antrag.

Herr Biesenbach, es ist schon sehr peinlich, wenn Sie sich hier hinstellen und über den Gesetzentwurf reden, den Sie selbst noch nicht einmal gelesen haben. Waren Sie nicht derjenige in der Anhörung zum Verfassungsschutzgesetz, der nachgefragt hat, wie die Online-Durchsuchung geregelt sei und ob sie ausreichend geregelt sei?

Hätten Sie den Gesetzentwurf gelesen, dann hätten Sie auch gesehen, dass die Online-Durchsuchung im Verfassungsschutzgesetz gar nicht geregelt wird. Das ist ein klarer Beweis dafür, dass Sie sich in keinster Art und Weise mit der Materie beschäftigt haben.

Jetzt schauen Sie so verdutzt. Lesen Sie es im Protokoll zur Anhörung noch einmal nach. Es ist eine ziemlich peinliche Nummer, die Sie da gefahren haben. Insofern, finde ich, sollten Sie sich hier doch etwas zurückhalten.

(Beifall von den GRÜNEN)

Ich finde, dass die Debatte über den Verfassungsschutz und über die Sicherheitsarchitektur insgesamt dringend notwendig ist. Natürlich gibt es Fragen, die sich aufdrängen: Wie konnte es sein, dass eine Terrorgruppe jahrelang unbemerkt vom Verfassungsschutz mordend und raubend durch Deutschland ziehen konnte? Auf welchem Wissen saß der Verfassungsschutz möglicherweise und hat das Wissen nicht weitergegeben? Hat der Verfassungsschutz den Rechtsextremismus und die davon ausgehende Gefahr in den vergangenen Jahren womöglich verharmlost?

Das sind alles berechtigte Fragen, denen wir nachgehen müssen. Deshalb finde ich diese Diskussion, die momentan hier im Parlament, in anderen Parlamenten und in der Zivilgesellschaft läuft, absolut legitim. Ich finde es auch legitim, die Frage zu stellen: Können wir eigentlich mit einem Verfassungsschutz weiterleben, einem Verfassungsschutz in einem demokratischen Rechtsstaat, wo der Verfassungsschutz schon immer per se ein Fremdkörper sein muss?

Deshalb finde ich es auch legitim und angebracht, nicht nur über den Verfassungsschutz als solchen, sondern natürlich auch über seine nachrichtendienstlichen Mittel und insbesondere über V-Leute zu diskutieren.

Sie schauen so verdutzt. Aber ich finde, es ist eine legitime Debatte, die man in einer Demokratie auch führen kann und die man aushalten muss, auch wenn man anderer Meinung ist.

(Zuruf von Dr. Joachim Stamp [FDP])

Wir führen diese Diskussion. Wir führen diese Diskussion mit Zivilgesellschaft. Da wird sie sehr heiß diskutiert, und das zu Recht, weil es einen hohen Vertrauensverlust in der Bevölkerung gibt. Wir führen diese Diskussion auch innerparteilich. Die grüne Partei zeichnet sich auch dadurch aus, dass sie Diskussionen und Debatten führt und sie auch aushält. Wir sind eine meinungsfreudige Partei, und das finde ich auch richtig.

Präsidentin Carina Gödecke: Frau Kollegin Schäffer, Entschuldigung. Herr Kollege Biesenbach und Herr Dr. Stamp würden Ihnen gerne eine Zwischenfrage stellen.

Verena Schäffer (GRÜNE): Sehr gern.

Präsidentin Carina Gödecke: Dann der Kollege Biesenbach zuerst.

Peter Biesenbach (CDU): Ich wollte keine Zwischenfrage stellen. Ich will nur gleich gern intervenieren.

Präsidentin Carina Gödecke: Dann kommt jetzt Herr Kollege Dr. Stamp.

Dr. Joachim Stamp (FDP): Frau Kollegin Schäffer, wenn Sie ausführen, dass es legitim ist, die V-Leute infrage zu stellen, ist es dann nicht umgekehrt auch legitim, diese Position hier im Hause zu thematisieren und zu hinterfragen? Warum ist die Debatte dann bitte Quatsch? Da widersprechen Sie sich doch selbst.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Verena Schäffer (GRÜNE): Nein, ganz und gar nicht. Denn wir führen diese Diskussion, und wir führen sie mit Zivilgesellschaft, wir führen sie innerparteilich. Ich halte diese Diskussionen auch für notwendig, weil ich

(Zuruf von Dr. Joachim Stamp [FDP])

– ich komme gleich zu der Antwort – der Meinung bin, dass man Vertrauen nur dann wiedergewinnen kann, wenn man diesen Vertrauensverlust in der Bevölkerung ernst nimmt und wenn man diese Diskussionen ernst nimmt und sie entsprechend führt.

Wir sind in Nordrhein-Westfalen zu einem Ergebnis gekommen, dass wir gesagt haben: Ja, wir brauchen einen Verfassungsschutz. Ich sage es auch ganz klar: Wir brauchen eine Vorfeldbeobachtung. Denn es gibt Bestrebungen gegen unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung, gegen die Verfassung. Es gibt Verfassungsfeinde, wo ich glaube, dass es zu spät ist, wenn man erst bei konkreten Straftaten oder bei konkreten Gefahren durch die Polizei ansetzt. Wir brauchen eine Vorfeldbeobachtung durch einen Verfassungsschutz. Ich sage auch: Ja, wir brauchen V-Leute, weil wir auf die Informationen von V-Leuten nicht verzichten können.

Sie führen hier jedoch eine Diskussion, die völlig unnötig ist, weil wir vor Kurzem einen Gesetzentwurf eingebracht haben, der in der vorletzten Woche auch in der Anhörung diskutiert wurde. Wir befinden uns gerade in der Auswertung der Anhörung. Ich hoffe, Sie als Fraktion auch. Ansonsten wäre es schade, wenn Sie als FDP-Fraktion diese Debatte nicht nachvollziehen würden, was offensichtlich der Fall ist, dass Sie das nicht tun.

Insofern ist der Antrag völlig unnötig, weil wir uns natürlich als Regierungsfraktionen sehr deutlich für diesen Gesetzesprozess und diesen Reformprozess ausgesprochen haben. Das habe ich bisher in allen meinen Reden auch entsprechend getan. Wir brauchen im Plenum auch keine Glaubensbekenntnisse für Dinge, die völlig klar sind und bei denen wir uns bisher auch immer völlig klar positioniert haben.

(Beifall von den GRÜNEN)

Präsidentin Carina Gödecke: Frau Kollegin Schäffer, bevor Sie zu Ihrem eigentlichen Argumentationsgang zurückkommen, gibt es jetzt den Wunsch bei Herrn Dr. Orth, Ihnen eine Zwischenfrage zu stellen.

Verena Schäffer (GRÜNE): Bitte.

Dr. Robert Orth (FDP): Herzlichen Dank, Frau Kollegin. – Sie haben ausgeführt, dass Sie dafür sind, V-Leute einzusetzen. Meine Frage: Sie setzen sich also als Abgeordnete der Grünen über den Parteitagsbeschluss der Grünen auf Bundesebene hinweg?

Verena Schäffer (GRÜNE): Wie Sie wissen, haben wir einen Parteitagsbeschluss zu unserem Bundestagswahlprogramm beschlossen. Wir befinden uns hier am im Landtag von Nordrhein-Westfalen. Wir haben uns im Koalitionsvertrag auf diesen Prozess verständigt und werden diesen auch fortführen. Das tue ich mit gutem Gewissen hier als Abgeordnete

(Zuruf von Dr. Joachim Stamp [FDP])

– das habe ich gerade schon ausgeführt –, weil ich der Meinung bin, dass wir V-Leute brauchen, um entsprechende Informationen aus den verfassungsfeindlichen Bestrebungen zu bekommen. Das sind vor allen Dingen die rechtsextremistischen und die islamistischen Bestrebungen. Deshalb gibt es in dem Gesetzentwurf auch eine klare Konzentration der nachrichtendienstlichen Mittel genau auf diese Bestrebungen, von denen Gewalt ausgeht.

Wenn Sie den Gesetzentwurf gelesen hätten, dann wüssten Sie das. Das halte ich nach wie vor für richtig, und diesen Prozess werden wir hier weiter führen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Ich finde, es ist dem Hohen Haus nicht würdig, dass Sie sich als FDP-Fraktion dieser politischen Debatte anscheinend völlig verschließen. Denn wir brauchen die Diskussion. Sie wollen anscheinend nicht mitdiskutieren, sondern wollen Behauptungen und Fragen in den Raum stellen, auf die Sie selbst jedoch keine Antworten geben wollen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Der Vorschlag, einen Bürgeranwalt als Mitglied im Parlamentarischen Kontrollgremium in Gestalt des LDI einzuführen, ist Ihnen in der Anhörung ja um die Ohren geflogen. Der LDI hat selbst gesagt, dass er das nicht machen wird. Ich glaube, Sie versuchen, davon abzulenken, statt die eigentlichen inhaltlichen Diskussionen zum Verfassungsschutzgesetz zu führen.

Wir haben in Nordrhein-Westfalen ein vorbildliches und richtungsweisendes Gesetz auf den Weg gebracht. Herr Biesenbach, ich muss Ihnen leider widersprechen: Es stimmt nicht, dass von anderen Gesetzen abgeschrieben wurde. Wir sind nämlich das Land, das vorangeht und sagt, dass wir klare Kriterien für den Einsatz von V-Leuten brauchen, gerade weil das ein so umstrittenes nachrichtendienstliches Mittel ist. Das müssen wir hier auch anerkennen.

Natürlich bewegen wir uns als Rechtsstaat auf einem schmalen Grat. Wenn wir V-Leute einsetzen, geht es immer um eine Abwägung zwischen rechtsstaatlichen Grundsätzen auf der einen Seite und der Sicherheit für unsere Bürgerinnen und Bürger und unserer Demokratie auf der anderen Seite. Insofern ist es richtig, diese gesetzlichen Regelungen einzuführen und zu sagen: V-Leute dürfen nicht abhängig sein vom Staat, auch nicht finanziell. Wir müssen klar sagen: Es muss bei den V-Mann-Führern eine Rotation geben. Das sind alles Aspekte, die wir im Gesetzentwurf regeln.

Es dürfen von V-Leuten keine erheblichen Straftaten begangen werden. Auch dort gibt es eine klare Linie, die wir erstmals gesetzlich festschreiben. Was vorher in geheimen Richtlinien festgehalten wurde, das packen wir jetzt auf den Tisch und wollen darüber diskutieren. Wir wollen mit den Bürgerinnen und Bürgern wirklich darüber diskutieren. Deshalb schreiben wir das ins Gesetz, auch um die Legitimation für den Einsatz von V-Leuten zu erhöhen.

Aber nicht nur das wird geregelt, sondern auch die Befugnisse im Verfassungsschutzgesetz werden transparent und abschließend geregelt, sodass jeder Bürger und jede Bürgerin nachvollziehen kann, welche Befugnisse der Verfassungsschutz eigentlich hat. Denn der Verfassungsschutz ist natürlich an rechtsstaatliche Grundsätze gebunden, muss sich an das Gesetz halten. Insofern ist es richtig, das entsprechend darzustellen.

Wir werden durch die neuen Regelungen, die das PKG betreffen, die Transparenz und Kontrolle erhöhen. Ich halte das in der Tat für wegweisend. Sie sagen, wir hätten abgeschrieben. Legen Sie mir bitte auf den Tisch, wo wir abgeschrieben haben. Das möchte ich wirklich sehr gerne sehen. Sollte das der Fall sein, habe ich kein Problem damit, entsprechende Quellen zu benennen.

Ich sage Ihnen aber: Ich habe mir die Verfassungsschutzgesetze aller anderen 15 Länder angeschaut. Die Regelung, die die V-Leute betrifft, finden Sie in keinem anderen Verfassungsschutzgesetz. Sollten Sie andere Quellen haben, dann bin ich gerne zur Diskussion bereit. Diese Quellen werden Sie aber nicht finden. Dessen bin ich mir ziemlich sicher.

(Beifall von den GRÜNEN)

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Frau Kollegin Schäffer. – Bleiben Sie gleich hier. Der Kollege Biesenbach wollte ja intervenieren. – Herr Kollege Biesenbach, bitte schön.

Peter Biesenbach (CDU): Danke schön. – Frau Kollegin Schäffer, ich lade Sie gerne ein, mit mir gemeinsam das Protokoll der Anhörung anzuschauen. Ich lade Sie darüber hinaus gerne ein, dass wir uns einmal die schriftliche Stellungnahme des Landesdatenschutzbeauftragten zur Anhörung ansehen.

Wir werden dann feststellen, dass Herr Lepper seinerzeit eine Klarstellung zu § 5 des Entwurfs angeregt hatte, weil er daraus möglicherweise die Sorge entnahm, dass daraus das Recht zur Online-Durchsuchung hätte abgeleitet werden können. In diesem Zusammenhang habe ich mir die Frage zu Online-Durchsuchungen erlaubt. Nachdem wir beides gemeinsam gelesen haben, entscheiden wir unter uns, wer was nicht gelesen hat. – Einverstanden?

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Kollege Biesenbach. – Bitte schön, Frau Kollegin Schäffer.

Verena Schäffer (GRÜNE): Ich finde es großartig, noch die Möglichkeit zu einer Kurzintervention zu bekommen. Dann kann ich über dieses Thema noch länger reden.

(Heiterkeit und Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

– Ich weiß, dass Herr Lepper zum § 5 bei den Befugnissen entsprechend Kritik geübt hat. Schaut man in die Begründung zum Gesetz, findet man, dass dort sehr klar beschrieben und geregelt wird, dass die Quellen-TKÜ, solange wir die entsprechenden Voraussetzungen nicht geschaffen und keine zertifizierungsfähige Software haben, nicht durchgeführt wird und auch sonst keine Befugnisse zur Online-Durchsuchung bestehen. Das ist im Gesetzentwurf sehr klar und eindeutig geregelt. Das haben auch alle anderen Sachverständigen entsprechend dargestellt. Als Sie in der Anhörung Ihre Frage gestellt haben, gab es bei den Sachverständigen ein großes Kopfschütteln und es ging ein Raunen durch den Saal, weil alle wussten: Herr Biesenbach hat diesen Gesetzentwurf nicht gelesen, sonst hätte er diese Frage nicht stellen dürfen.

(Beifall von den GRÜNEN)