Zum Antrag der „AfD“-Fraktion zur Herkunftsnennung bei der Strafverfolgung

Herkunftsnennung bei der Strafverfolgung

Rede zum Antrag der „AfD“-Fraktion zur Herkunftsnennung bei der Strafverfolgung

Verena Schäffer (GRÜNE): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Lürbke hat schon einige Gründe dafür genannt, warum Herr Reul die Debatte über die Nennung von Nationalitäten von Tatverdächtigen angestoßen hat. Ich glaube, Herr Reul hat das aus einem durchaus ehrenwerten Grund getan.

Wenn ich Sie richtig verstanden habe, Herr Reul, ging es Ihnen darum, den Rechtspopulisten und Verschwörungstheoretikern den Wind aus den Segeln zu nehmen und proaktiv Transparenz über die Hintergründe eines mutmaßlichen Täters herzustellen. Dabei kann ich Ihnen, Herr Reul, nicht ganz folgen. Ich bin der Meinung, dass man mit der Nennung der Staatsangehörigkeit in Pressemitteilungen dieses Ziel nicht ganz erreichen kann. Darüber kann man aber durchaus diskutieren. Wir sind einfach unterschiedlicher Meinung.

Warum sind wir Grüne anderer Meinung?

Erstens will ich Ihnen sehr deutlich sagen, dass die Polizei die Hintergründe von Tätern überhaupt nicht verschleiert. Im Gegenteil, sie werden transparent benannt. Die Polizei steht auch für Rechtsstaatlichkeit und Transparenz. In der Polizeilichen Kriminalstatistik wird heute schon selbstverständlich auch die Staatsangehörigkeit von mutmaßlichen Tätern aufgeführt. Insofern gibt es hier überhaupt keine mangelnde Transparenz.

Wir haben ein anderes Problem bei der Polizeilichen Kriminalstatistik, und darauf sollte man hinweisen, weil es auch durch die Veröffentlichung von Pressemitteilungen nicht besser wird. Das Problem bei der Polizeilichen Kriminalstatistik besteht ähnlich wie bei Pressemitteilungen darin, dass wir über Eingangsstatistiken reden. Wir reden immer über mutmaßliche Täter, aber nie darüber, was im Verlauf mit diesen Tätern passiert, ob die Tat wirklich nachgewiesen wird, ob es zu einer Verurteilung kommt usw. usf.

Deshalb müssen wir die Polizeiliche Kriminalstatistik, aber auch Pressemitteilungen der Polizei mit einer gewissen Vorsicht genießen, auch wenn die Polizeiliche Kriminalstatistik, die – das will ich hier deutlich sagen – Merkmale wie Staatsangehörigkeit, Geschlecht oder Alter aufführt, durchaus ein valideres Analyseinstrument ist als eine Pressemitteilung der Polizei. Das ist, glaube ich, wichtig zu verstehen.

Zweitens. Warum sind wir Grüne gegen die Nennung der Staatsangehörigkeit in Pressemeldungen? Weil die AfD und andere Verschwörungstheoretiker sich mit der Nennung der Staatsangehörigkeit nicht zufriedengeben. Das zeigt auch dieser Antrag: Die AfD fordert darin explizit, dass man auch noch den Migrationshintergrund nennen soll. Sie bleibt nicht bei der Staatsangehörigkeit, sondern will weitergehen. Das zeigt doch sehr deutlich, worum es der AfD eigentlich geht: Es geht darum, Hass und Hetze gegenüber Zugewanderten und Flüchtlingen zu verbreiten.

(Beifall von den GRÜNEN – Zuruf von Christian Loose [AfD])

Ich möchte noch einmal auf die Studie mit dem Titel „Wie häufig nennen Medien die Herkunft von Tatverdächtigen?“ aus Dezember 2019 verweisen. Wir haben im Ausschuss bereits dar- über diskutiert. Diese Studie kommt zu dem Ergebnis, dass der mediale Blick auf Straftaten und auf Straftäter durch die Nennung der Staatsangehörigkeit nur noch verzerrter wird.

Die Polizeiliche Kriminalstatistik für 2018 besagt, dass ungefähr 69 %, sagen wir: 70 %, aller mutmaßlichen Täter von Gewaltdelikten Deutsche und nur ungefähr 30 % Nichtdeutsche waren. In den Zeitungsberichten wird aber etwas anderes wiedergegeben. Nur bei 3 % der deutschen Tatverdächtigen wird die Staatsangehörigkeit genannt, aber bei 41 % der ausländischen Tatverdächtigen. Die Berichterstattung kehrt die Erkenntnisse der Polizei also komplett um. Das ist natürlich gefährlich, weil dies im hohen Maße dazu geeignet ist, eine rassistische Stimmungsmache gegen Migrantinnen und Migranten zu schüren. Deshalb muss man da sehr vorsichtig sein.

Der dritte Grund, warum wir Grüne die pauschale Nennung der Staatsangehörigkeit ablehnen, ist: Wir meinen, dass die Polizei am besten beurteilen kann, wann die Nennung der Staatsangehörigkeit zur Einordnung der Tat sinnvoll ist und wann nicht. Die Polizei kann schon heute die Staatsangehörigkeit nennen, wenn es relevant ist, um die Tat einzuordnen und zu verstehen.

Mit der Änderung des Erlasses, dass bei jeder Tat grundsätzlich immer die Staatsangehörigkeit genannt werden soll, wälzen Sie, Herr Reul, die Verantwortung über den Umgang mit dieser Information auf Journalistinnen und Journalisten ab.

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Die Redezeit.

Verena Schäffer (GRÜNE): Ich habe zwar ein großes Vertrauen in Medienvertreter, aber ich meine, dass die Verantwortung, zu entscheiden, wann die Staatsangehörigkeit genannt wird, wann sie relevant für die Tat ist und wann nicht, in den Händen der Polizei belassen werden sollte, weil sie dies am besten beurteilen kann. Diese Verantwortung dürfen wir nicht an Journalistinnen und Journalisten abwälzen, die ohnehin unter Zeitdruck stehen.

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Die Redezeit.

Verena Schäffer (GRÜNE): Und deshalb – mein letzter Satz – bitte ich darum, dass wir uns in den Ausschüssen noch einmal wirklich sachlich mit der Thematik befassen. Ich bitte auch die verantwortlichen Ministerien darum, sich das noch einmal sehr genau und sachlich anzu- schauen,

(Vizepräsidentin Carina Gödecke räuspert sich vernehmlich.)

sich noch einmal mit den Argumenten auseinanderzusetzen und den Erlass der Polizei nicht zu ändern. Ich meine, es gibt genug Argumente dagegen. – Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN)

Zum Entwurf der Landesregierung zur Änderung des Polizeigesetzes – zweite Lesung

Änderung des Polizeigesetzes

Rede zum Entwurf der Landesregierung zur Änderung des Polizeigesetzes – zweite Lesung

Verena Schäffer (GRÜNE): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich weiß nicht, Marc Lürbke, warum du es fragwürdig findest, dass wir hier nicht zustimmen. Ich muss ehrlich sagen, dass wir nach der Anhörung fest davon ausgegangen sind, dass es noch Änderungsanträge geben wird. Die liegen bis heute nicht auf dem Tisch.

(Beifall von den GRÜNEN)

In der Anhörung wurden mehrere Punkte angemerkt. Das sind keine gravierenden Punkte; wir reden nicht über einen Gesetzentwurf wie im vergangenen Jahr. Aber wir hätten es sinnvoll gefunden, wenn es Klarstellungen gegeben hätte. Das haben Sie nicht gemacht. Ich persönlich finde das sehr bedauerlich, weil ich meine, dass die Kritik der Sachverständigen relevant war.

Einer dieser Punkte betrifft das Thema „Polizeigewahrsam“. Sie wollen im Gesetzentwurf regeln, dass Regierungsbeschäftigte im Polizeigewahrsam eingesetzt werden können. Das hat unter anderem die Gewerkschaft der Polizei heftig kritisiert – wie ich finde, aus nachvollziehbaren Gründen. Sie sagen, dass es gerade im Polizeigewahrsam zu Konfliktsituationen kommen kann, die oft weitere Maßnahmen mit polizeilichen Eingriffen erfordern. Ich halte das für ein gutes Argument dafür, das Ganze noch mal zu überdenken bzw. etwas strenger zu regeln.

Ein weiterer Punkt betrifft die grundsätzliche Frage des Umgangs mit Grundrechtseingriffen, die insbesondere bei einer freiheitsentziehenden Maßnahme wie dem Polizeigewahrsam besonders gravierend sind.

Ich zitiere aus der Stellungnahme der Gewerkschaft der Polizei – ich mache es kurz, es ist nur ein Satz –:

„Aus Sicht der GdP ist deshalb der Ansatz, ausgerechnet im grundrechtssensiblen Bereich des Gewahrsams Polizeivollzugsbeamtinnen und -beamte (PVB) durch Angestellte zu ersetzen, nicht nachvollziehbar.“

Das muss man doch mindestens zur Kenntnis nehmen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Dass es für bestimmte Tätigkeiten wie die Essensausgabe sinnvoll sein kann, Beschäftigte einzusetzen und dass Sie das gesetzlich regeln wollen – geschenkt. Das Problem ist nur, dass die hier gefundene Regelung ungenügend ist, weil der Gesetzentwurf völlig offen lässt, welche und ob nicht sogar alle polizeilichen Befugnisse auf Bedienstete übertragen werden können.

Um Klarheit zu schaffen, hätten sie im Sinne der Kritik aus der Anhörung nachbessern müssen. Das haben Sie leider versäumt.

(Beifall von den GRÜNEN)

Auch beim Thema „Fixierung“ möchte ich noch mal auf die Anhörung eingehen. Aus unserer Sicht sind die Schwellen für die Anwendung der neuen Regelungen im Gesetzentwurf viel zu niedrig. Es ist grundsätzlich richtig und durch die Rechtsprechung geboten, dass es vor Fixierungen ärztliche Stellungnahmen und richterliche Anordnungen geben muss. Aber Sie regeln das nur für den Fall, dass sämtliche Gliedmaßen an den im Polizeigewahrsam vorgesehenen Fixierungsstellen gefesselt sind. Was ist, wenn nur zwei Gliedmaßen gefesselt sind, was aber trotzdem zur vollständigen Bewegungseinschränkung führt?

(Bodo Löttgen [CDU]: Wie geht das denn?)

Und was ist, wenn alle Gliedmaßen gefesselt sind, aber eben nicht an den Fixierungsstellen? Dann greift die Regelung nicht. Das halte ich persönlich für ein riesiges Problem.

(Zuruf von Bodo Löttgen [CDU])

Das ist eine Engführung der Regelung – das wurde in der Anhörung erläutert. Ich verstehe ehrlich gesagt nicht, warum Sie das mit einer geringfügigen Nachbesserung im Gesetz nicht einfach geändert haben. Ich verstehe es einfach nicht.

(Vereinzelt Beifall von den GRÜNEN)

Dann noch ein Satz – oder vielleicht drei Sätze – zum Thema „Entfristung der Bodycam“. Herr Sieveke, so eindeutig wird die deeskalierende Wirkung von Bodycams durch die Evaluation nicht nachgewiesen.

Ich finde, da könnten wir alle mal ein Stück weit herunterfahren. Es ist überhaupt keine ideologische Frage. Marc, ich würde dich bitten, über den ersten Satz des Forschungsberichts der Fachhochschule für öffentliche Verwaltung – das ist unsere Fachhochschule – hinaus zu lesen. Da wird das Ganze sehr differenziert dargestellt.

(Monika Düker [GRÜNE]: Nicht nur einen Satz lesen!)

Wir wissen aus der Evaluation, dass Polizeibeamtinnen und -beamte, die Bodycams tragen, häufig ihr Verhalten ändern. Aufgrund dieses veränderten Verhaltens werden sie zum Teil sogar eher zum Ziel von Angriffen.

Wir sagen den Beamtinnen und Beamten zwar, dass sie besonders geschützt seien, wenn sie Bodycams tragen, aber das ist überhaupt nicht so. Im Gegenteil: Das Risiko, Opfer zu werden, ist zum Teil sogar höher, wenn Sie diese Bodycams tragen. Ich meine, das muss man mindestens zur Kenntnis nehmen.

Ich bin überhaupt nicht dafür, diese Bodycams abzuschaffen. Ich bin dafür, dass man sie weiter erprobt. Ich finde es aber falsch, den Schluss zu ziehen, sie zu entfristen und ins ganze Land zu tragen. Man hätte zumindest noch mal eine Befristung für fünf Jahre vornehmen müssen, um dann zu schauen, wie weit man mit den Fortbildungen gekommen ist.

Das ist eine riesige Aufgabe, bei der ich auch noch nicht erkennen kann, wie Sie die angesichts des Fortbildungsbedarfs, den wir gerade überall haben, schlüssig umsetzen wollen. Man hätte also sagen können, dass man sich in fünf Jahren noch mal anschaut, wie viel das gebracht hat. Hat es die Sicherheit der Beamtinnen und Beamten erhöht oder nicht? Das ist doch die entscheidende Frage.

(Beifall von den GRÜNEN)

Diesen Weg gehen Sie leider nicht.

(Vizepräsidentin Angela Freimuth zeigt das Ende der Redezeit an.)

Sie bessern den Gesetzentwurf trotz Kritik nicht nach. Ich hoffe, lieber Marc, dass damit deine Frage beantwortet wurde, warum wir diesem Gesetzentwurf nicht zustimmen können. – Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN – Heiterkeit von Marc Lürbke [FDP])

Pressemitteilung Verena Schäffer: Schwarz-Gelbes Polizeigesetz bleibt mangelhaft

Schwarz-Gelbes Polizeigesetz bleibt mangelhaft

Pressemitteilung von mir zum einjährigen Bestehen des neuen Polizeigesetzes: Schwarz-Gelbes Polizeigesetz bleibt mangelhaft

Zum einjährigen Bestehen des novellierten Polizeigesetzes erklärt Verena Schäffer, innenpolitische Sprecherin der GRÜNEN Fraktion im Landtag NRW:

„Herr Reul hat im vergangenen Jahr ein Bedrohungsszenario gezeichnet, das ihm einzig als Argumentation für tiefgehende Einschnitte in die Freiheitsrechte gedient hat. Jetzt zeigt sich, die Mehrzahl der Maßnahmen aus dem neuen Polizeigesetz wurden nicht wegen Terrorismusgefahr angewandt.

Wir Grüne haben weiterhin verfassungsrechtliche Bedenken, insbesondere bei der Ausweitung des Polizeigewahrsams zur Identitätsklärung, denn hier werden Personen für bis zu 7 Tage eingesperrt, obwohl sie keine Straftat begangen haben. Für eine Normenkontrollklage fehlen uns die Stimmen der SPD, die dem Gesetz zugestimmt hat.

Bezeichnend ist das laute Schweigen des Innenministers zur Nicht-Anwendung der Quellen-TKÜ. Mit dem sogenannten Staatstrojaner macht sich der Staat zum Hacker und lässt Sicherheitslücken auf den Handys aller Bürgerinnen und Bürger offen. So können auch Kriminelle Smartphones für ihre Zwecke auslesen. Bereits vor einem Jahr war klar, dass es keine Software gibt, die sicher nur die Kommunikation ausliest und nicht das gesamte Handy ausspioniert.

Beim Taser scheint der Innenminister im Gegensatz zu den Fraktionen von CDU und FDP zur Vernunft gekommen zu sein, denn der Taser birgt erhebliche gesundheitliche Risiken. Bislang ist der Taser nur im Gesetz vorgesehen, aber noch nicht eingeführt.

Dass bereits in der kommenden Woche das Polizeigesetz erneut geändert werden soll, zeigt, wie wenig durchdacht die Verschärfung des Gesetzes war. Offenbar hat die Koalition nun festgestellt, dass die Ausweitung des Polizeigewahrsams einen erheblichen Personalmehrbedarf nach sich zieht. CDU und FDP wollen zukünftig Tarifbeschäftigte im Gewahrsam einsetzen, wogegen es viel Kritik gibt, auch von der Gewerkschaft der Polizei. Wir fordern die Koalition daher auf, den aktuellen Gesetzentwurf nachzubessern.“

Zum Entwurf zum Haushaltsplan 2020 – Innenpolitik – zweite Lesung

Haushaltsplan 2020 – Innenpolitik

Rede zum Entwurf zum Haushaltsplan 2020 – Innenpolitik – zweite Lesung

Verena Schäffer (GRÜNE): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Eigentlich wollte ich den Blick nicht nach hinten werfen, weil ich immer finde, dass das wenig zielführend ist.

(Ralf Witzel [FDP]: Peinlich für Sie!)

Aber, Herr Katzidis, so kann man das dann doch nicht stehen lassen. Ich will einmal daran erinnern, wer für dieses Pensionsloch verantwortlich ist. Es war Schwarz-Gelb, die damals ab 2005 die Einstellungszahlen halbiert hat.

(Zuruf von Marc Lürbke [FDP])

– Herr Lürbke, es tut mir leid, ich verstehe auch, dass Ihnen das wehtut. Aber es ist leider die Realität.

(Beifall von den GRÜNEN)

Trotzdem will ich auch hier ganz klar und deutlich sagen: Ich bin froh, dass mehr eingestellt wird. Ich bin froh darüber, weil wir wissen, dass es mehr Herausforderungen und andere Themen für die Polizei gibt. Insofern sind höhere Einstellungen auch richtig. Dass eine Landesregierung, die so massiv von Steuermehreinnahmen profitiert, mehr Polizistinnen und Polizisten einstellt, halte ich persönlich ein Stück weit für eine Selbstverständlichkeit. Es ist wahrlich nichts, liebe Kollegen, für das man sich auf die Schultern klopfen muss. Jede andere Regierungskoalition hätte das hier genauso gemacht und mehr Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte eingestellt.

 

(Beifall von den GRÜNEN – Widerspruch von der FDP)

Schön wäre nur – auch da muss ich das sagen –: Gucken Sie doch mal in die Wahlprogramme! Es waren die Grünen, ich glaube auch die SPD, die konkrete Zahlen in ihre Wahlprogramme geschrieben haben.

(Zurufe von der FDP)

Es waren ausweislich nicht CDU und FDP.

(Zurufe – Glocke)

Insofern: Seien Sie doch redlich! Wie gesagt, ich wollte das gar nicht ansprechen. Diese Schärfe hier reinzubringen, das machen Sie an dieser Stelle, und das ist nicht zielführend.

Aber eines will ich schon noch sagen: Wir haben jetzt eine Einstellungszahl von 2.500 Kommissaranwärterinnen und -anwärtern. Schön wäre nur, wenn diese 2.500 auch genauso ankommen würden. Aber die Abbrecherquote ist unter Schwarz-Gelb deutlich gestiegen. Vor einigen Jahren hatten wir noch eine Quote …

(Lachen von Herbert Reul, Minister des Innern)

– Herr Reul, das müssen Sie widerlegen. – Aber es ist ja so, wenn man sich die Zahlen anschaut – ich habe das gemacht, ich habe mir noch einmal die Anfrage von Frau Korte von vor einigen Jahren angeschaut –: Seinerzeit gab es eine Abbrecherquote von 5 bis10 %. Wir liegen momentan bei einer Abbrecherquote von 16 %. Zu sagen, es werden mehr eingestellt, deshalb steigt automatisch die Abbrecherquote, finde ich als Erklärungsansatz ziemlich eindimensional.

(Beifall von den GRÜNEN)

Ich finde, man muss sich damit auseinandersetzen: Was sind denn die Ursachen für die Abbrecherquote? Solange Sie, Herr Reul, diesen Ursachen nicht auf den Grund gehen und nicht ernsthaft daran arbeiten, die Abbrecherquote zu senken, solange müssen wir davon reden, dass von den 2.500 nur 2.100 ankommen. Das ist doch die Realität. Das können wir doch nicht hinnehmen. Wir müssen darüber sprechen,

(Zuruf von Marc Lürbke [FDP])

wie man die Abbrecherquote senken kann. Solange Sie sich nicht daranmachen, die Ursachen zu erforschen und ernsthaft zu versuchen, die Abbrecherquote zu senken, ist das eine Luftbuchung, die Sie hier vornehmen. Und das wissen Sie auch.

(Beifall von den GRÜNEN)

Wir alle wissen, dass die hohen Einstellungszahlen natürlich zur Folge haben, dass die Ausund Fortbildungskapazitäten bei der nordrhein-westfälischen Polizei nahezu ausgereizt sind.

(Zuruf von Josef Hovenjürgen [CDU])

Das LAFP hat den Ausbildungsbetrieb sehr erfolgreich umgestellt, aber das darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass wir insgesamt bei der Polizei einen hohen Fortbildungsbedarf haben. Der Fall Lügde – wir haben das hier ausführlich diskutiert – hat uns das für einen bestimmten Bereich noch einmal deutlich vor Augen geführt. Wie Sie diesem Fortbildungsbedarf insgesamt begegnen wollen, darauf haben Sie meines Erachtens keine schlüssigen Antworten, Herr Reul.

(Zuruf von Herbert Reul, Minister des Innern)

Ich will gerne beispielhaft zwei Bereiche herausgreifen, woraus hervorgeht, wie leichtfertig Sie mit der Frage von Fortbildungsbedarfen umgehen.

Erstes Beispiel ist das Programm „Spezialisten zu Polizisten“. Sie wollen, dass in die Direktionen „Kriminalpolizei“ und „Verkehr“ frisch ausgebildete Polizeibeamtinnen und -beamte gesteckt werden, um diese Bereiche zu stärken. Das klingt gut – keine Frage –, aber auch hier steckt der Teufel im Detail.

Sie wollen neue Fortbildungsmodule für diese jungen Beamten konzipieren. Ich finde es, ehrlich gesagt, nicht nachvollziehbar, warum Sie bei den angehenden Kripobeamten nicht auf die bewährte „Einführungsfortbildung K“ zurückgreifen. Sollte sich herausstellen, dass auf Kosten dieser neuen Fortbildung für die neuen Beamtinnen und Beamten, die direkt in die Direktionen „Kriminalpolizei“ und „Verkehr“ gehen sollen, andere Kripo-Fortbildungen ausfal­len müssen,

(Herbert Reul, Minister des Innern: Nein!)

dann wäre Ihr angekündigtes Programm eine Luftbuchung. – Sie sagen hier „Nein“, aber im Ausschuss konnten Sie es leider nicht erklären. Ich bin jetzt gespannt, wie Sie damit umgehen. Aber es wäre eine Luftbuchung, wenn dafür andere Fortbildungen im Bereich „Kriminalität“ ausfallen würden.

Ein zweites Beispiel für das Thema Fortbildung: Stichwort Bodycams. Die Evaluation der Bodycams hat eindeutig ergeben, dass sie eine deeskalierende Wirkung haben können und damit in manchen Situationen auch einen Schutz für Polizeibeamtinnen und -beamte darstellen können. Allerdings kommt die Studie auch zu dem Schluss, dass sich das Verhalten der Polizeibeamtinnen und -beamte mit Einschalten der Kamera verändert und sie dann zum Teil sogar häufiger angegriffen werden. Das wäre völlig kontraproduktiv.

Wie durchbricht man diese Wirkung? – Man durchbricht sie durch Fortbildung. Nur wie diese Fortbildung gewährleistet werden soll, blieb im Innenausschuss völlig offen. Stattdessen werden die Bodycams jetzt für viel Geld in die Fläche getragen und ausgerollt – natürlich ohne eine ausreichende Fortbildung anzubieten.

(Zuruf von Josef Hovenjürgen [CDU])

Damit wird die wissenschaftliche Evaluation ignoriert. Das finde ich persönlich unverantwortlich gegenüber unseren Polizistinnen und Polizisten, weil Sie ihnen mit den Bodycams eine Sicherheit vorgaukeln. Im schlimmsten Fall werden sie sogar aufgrund der Bodycam angegriffen. Das ist ideologiebetriebene Politik,

(Beifall von den GRÜNEN – Lachen und Widerspruch von der CDU)

die wissenschaftliche Erkenntnisse ignoriert und im Zweifelsfall zu einer Gefährdung unserer Polizei führt.

Ich freue mich, Herr Hovenjürgen, dass Sie so viel Spaß bei der Diskussion haben. Vielen Dank für das aufmerksame Zuhören.

(Beifall von den GRÜNEN – Zurufe von CDU, SPD und FDP – Glocke)

Das Thema Ideologie, damit sich Herr Hovenjürgen weiter freuen kann, ist auch das richtige …

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Frau Kollegin Schäffer, Entschuldigung, dass ich Sie unterbreche. Herr Dr. Katzidis würde Ihnen gerne eine Zwischenfrage stellen.

Verena Schäffer (GRÜNE): Immer sehr gerne.

Dr. Christos Georg Katzidis (CDU): Liebe Frau Kollegin Schäffer, ich würde gerne auf eine andere Sache ganz kurz zurückkommen, bevor es zu ideologisch wird. Ist es nicht zutreffend, dass sich 2003 zu der Zeit der Regierung Steinbrück die Einstellungszahlen auf ungefähr 1.100 beliefen und dann im Jahre 2004 unter der Regierung Steinbrück auf 500? Ist das zutreffend oder nicht zutreffend?

Verena Schäffer (GRÜNE): Ach, Herr Katzidis, das sind doch olle Kamellen. Das haben wir im letzten Jahr schon diskutiert.

(Heiterkeit von den GRÜNEN und der SPD – Lachen und Widerspruch von der CDU und der FDP)

– Warten Sie doch mal die Antwort ab.
(Zurufe von der CDU und der FDP)

Ich meinte mit „ollen Kamellen“ nicht, dass ich das wegdiskutieren will. – Herr Katzidis, jetzt hören Sie bitte aber auch zu, wenn ich Ihre Frage beantworte.

(Zurufe – Unruhe – Glocke)

Es bezog sich darauf, dass Sie mir genau die gleiche Frage schon im letzten Jahr gestellt haben. Ich habe mir noch einmal das Redeprotokoll vom letzten Jahr durchgelesen, um mich vorzubereiten. Es gehört ja auch ein bisschen dazu, dass man sich vor so einer Debatte vorbereitet. Genau diese Frage haben Sie mir letztes Jahr schon einmal gestellt.

(Zurufe – Glocke)

 

Ich kann es Ihnen, wie im letzten Jahr, gerne noch einmal erklären: Damals wurden die Ein­stellungszahlen reduziert, und gleichzeitig wurden – das ist jetzt wichtig – die Arbeitszeiten erhöht. Dadurch gab es einen Ausgleich der Stellen durch die Erhöhung der Arbeitszeit.

(Zuruf von Ralf Witzel [FDP] – Mehrere Zurufe von der CDU)

Das kann man – auch aus Gewerkschaftssicht – kritisieren, aber die Stellenäquivalente, und das ist das Entscheidende, waren die gleichen. Das steht im Gegensatz zu der Reduzierung, die Sie vorgenommen haben.

(Beifall von den GRÜNEN – Widerspruch von der CDU und der FDP)

Es lohnt sich manchmal, Herr Katzidis, sich so etwas auch einmal im Detail anzugucken.

(Ralf Witzel [FDP]: Das ist doch Unsinn!)

– Das ist kein Unsinn; wir können die Tabellen gerne gemeinsam durchgehen.

(Zurufe von der CDU, der SPD und der FDP)

Es war übrigens Schwarz-Gelb, das damals eine Untersuchung über die demografische Frage angelegt hatte, wie viele Polizeibeamtinnen und -beamte abgehen würden.

(Ralf Witzel [FDP]: Wo haben wir denn reduziert? – Zuruf von Michael Hübner [SPD])

Schwarz-Gelb hat keinen Ausgleich geschaffen. Dieser Bericht wurde mit Beginn der rot-grü­nen Koalition aus der Schublade gezogen,

(Zurufe von der CDU, der SPD und der FDP)

und wir waren es, die damals die Einstellungszahlen erhöht haben. – Aber wie gesagt, ich finde diese Diskussion überhaupt nicht zielführend.

(Zurufe von der CDU und der FDP)

Lassen Sie uns doch nach vorne blicken und diskutieren, was diese Polizei braucht. Nach hinten zu schauen bringt doch nichts. Vielen Dank.

Jetzt will ich mit meiner Rede fortfahren und das Stichwort „Ideologie“ aufgreifen, weil Sie das gerade so amüsiert hat, Herr Hovenjürgen. Ideologie ist doch auch ein gutes Stichwort für die Änderungen des Polizeigesetzes, die Sie im vergangenen Jahr vorgenommen haben.

(Zuruf von Josef Hovenjürgen [CDU])

Diese Änderungen spiegeln sich jetzt auch im Haushalt wieder. Aufgrund der Zeit, die ich noch habe, nenne ich nur ein paar Zahlen: 8,6 Millionen Euro für die Telekommunikations-überwachung,

(Beifall von Daniel Sieveke [CDU])

2 Millionen Euro insgesamt für die Videobeobachtung. Das sind erhebliche Kosten für ein Gesetz, das nicht wirksam ist, das nicht effektiv ist, das zulasten der Freiheitsrechte geht.

(Daniel Sieveke [CDU]: Jawoll!)

Deshalb werden wir diesen Einzelplan auch ablehnen.

(Beifall von den GRÜNEN – Josef Hovenjürgen [CDU]: Nichts anderes haben wir erwar­tet!)

Zweieinhalb Jahre nach Regierungsbeginn will ich aber gerne auch noch einen Ausblick nach vorne geben: Ich glaube, dass wir uns in den nächsten zweieinhalb Jahren noch einmal sehr intensiv mit der Frage der Organisationsstruktur unserer Polizei in Nordrhein-Westfalen aus­einandersetzen müssen.

Der Missbrauchsfall von Lügde – der Innenminister hat selbst von einem Versagen der Polizei gesprochen – offenbart doch, dass diese Polizeistruktur mit 47 Kreispolizeibehörden, 18 Polizeipräsidien, 29 Landratsbehörden, 3 Landesoberbehörden völlig überholt ist. Kein anderes Bundesland leistet sich eine so zersplitterte Struktur wie Nordrhein-Westfalen. Ich gehe auch davon aus, dass es in der Kriminalhauptstellenverordnung im Bereich Missbrauch noch einmal Änderungen geben wird. Das ist eine reine Flickschusterei, die wir da betreiben, was die Verantwortlichkeiten der Behörden angeht – eine Flickschusterei, die man niemandem Außenstehenden erläutern kann.

Für uns Grüne ist klar: Die Polizei muss in der Fläche präsent sein. Wir wollen keine Polizei­wachen schließen, wir wollen aber auch, dass diese Polizei auf Dauer arbeitsfähig ist und effektiv arbeitet. Wir wollen diese 47 Wasserköpfe, die wir haben, abschaffen. Wir wollen, dass die Beamtinnen und Beamten auf der Straße, in den Kriminalkommissariaten sind und nicht in 47 Pressestellen.

Und ich sage auch: Leider war die SPD damals nicht so mutig, mit uns diesen Schritt einer Strukturreform zu gehen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Ich befürchte, ehrlich gesagt, dass auch die CDU nicht so mutig sein wird, diese Debatte wirklich zu führen und eine Strukturreform anzugehen. Obwohl im Innenausschuss und auch hier alle immer so breitschultrig tun und im Innenausschuss ja wirklich die geballte Männlichkeit unseres Parlaments sitzt,

(Lachen von der SPD – Beifall von den GRÜNEN)

glaube ich trotzdem, dass Sie so mutig dann doch nicht sein werden. Das finde ich schade. Denn ich glaube, es würde unser Land wesentlich sicherer machen,

(Zuruf von der CDU)

wenn wir uns diesem Thema nicht verschließen würden, sondern es endlich angehen würden. An dieser Debatte, liebe Kollegen, werden auch Sie nicht vorbeikommen.

(Beifall von den GRÜNEN – Zuruf von der CDU)

Ich würde gerne zum Schluss noch ein Thema ansprechen, das mir wirklich wichtig ist, und zwar die Feuerwehren.

(Unruhe – Glocke)

Herr Sieveke, Herr Golland, es wäre schön, auch noch einmal Ihre Aufmerksamkeit zu bekommen. – Ich würde gerne noch einmal die Feuerwehren ansprechen,

(Zurufe – Glocke)

weil mich die aktuellen Diskussionen, die es innerhalb des Deutschen Feuerwehrverbandes gibt, wirklich zutiefst erschüttern. Der Auftrag der Feuerwehren ist „Retten – Löschen – Bergen – Schützen“. Die Feuerwehren helfen jedem Menschen, unabhängig von Herkunft, Religionszugehörigkeit, Sexualität und anderen Merkmalen. Deshalb bin ich persönlich wirklich froh, dass die Feuerwehren hier in Nordrhein-Westfalen so klar hinter Hartmut Ziebs, dem Präsi­denten des Deutschen Feuerwehrverbandes, stehen.

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Die Redezeit.
Verena Schäffer (GRÜNE): Ich komme gleich zum Ende.

Hartmut Ziebs hat sich mehrfach eindeutig gegen Rechtsextremismus, gegen Rechtspopulis­mus geäußert. Er hat vor dem Versuch einer Einflussnahme durch die AfD gewarnt. Dass nun ausgerechnet gegen ihn Drohungen ausgesprochen werden, dass es Einschüchterungsver­suche gibt, finde ich unerträglich. Ich bin wirklich dankbar dafür – das vielleicht auch noch einmal persönlich hier an dieser Stelle –, …

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Die Redezeit.

Verena Schäffer (GRÜNE): … dass die demokratischen Fraktionen in diesem Hause sich so klar hinter Hartmut Ziebs und seiner eindeutigen Position versammelt haben. Dafür vielen Dank!

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Zum Antrag der SPD-Fraktion zur Transparenz bei der Räumung des Hambacher Waldes

Zum Antrag der SPD-Fraktion zur Transparenz bei der Räumung des Hambacher Waldes

Zur Räumung des Hambacher Waldes

Rede zum Antrag der SPD-Fraktion zur Transparenz bei der Räumung des Hambacher Waldes

Verena Schäffer (GRÜNE): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen von CDU und FDP! Ich finde, eines muss man Ihnen ja wirklich lassen: Was Sie können, ist, Verwirrung zu stiften. Ich finde, es gibt einen wahren Meister der Verwirrungskünste, und das ist der Innenminister Herbert Reul.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)

Wie oft haben wir das schon in diesem Parlament erlebt, dass Herr Reul seine eigenen Aussagen wieder revidieren musste? – Die Frage, die wir uns dabei immer stellen, ist: Ist das wieder einmal diese typisch unbedarfte Ausdrucksweise des Ministers, oder ist das eine bewusste Strategie, Herr Reul?

Ich denke, beim Hambacher Wald muss man (Zurufe von der CDU)

von einer bewussten Täuschung des Parlaments und der Öffentlichkeit sprechen. (Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)

Dazu würde ich gerne zwei Beispiele nennen. Das erste Beispiel ist: Auf Nachfrage der grünen Abgeordneten haben Sie im Juli dieses Jahres erklärt: Ja, es gab Gespräche mit RWE, aber Absprachen? – Nein. Die hat es nun wirklich nicht gegeben.

Gegenüber dem WDR haben Sie dann gesagt: Naja, Gespräche? – Hm. Offenbar hatten Sie die vergessen, vielleicht auch verschwiegen?

Jetzt wissen wir: Es gab nicht nur Gespräche, sondern es gab auch eine Vereinbarung von Herrn Reul mit dem RWE-Vorstand. Also gab es doch Absprachen. Was ist eine Vereinbarung denn sonst?

Da frage ich mich, Herr Reul: Was kommt da noch? Haben Sie RWE versprochen, auf jeden Fall die Baumhäuser zu räumen, damit RWE roden kann? Haben Sie das versprochen? – Sie müssen heute die Karten auf den Tisch legen, Herr Minister.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Auch über die wahren Motive der Räumung des Hambacher Waldes

(Zurufe von der CDU: Forst!)

hat diese Landesregierung dieses Parlament und diese Öffentlichkeit getäuscht.

Im letzten Jahr hieß es ja noch von Herrn Reul: Räumung und Rodung, das hat ja gar nichts miteinander zu tun, das würden die Leute ja immer alles durcheinander werfen. Am letzten Donnerstag im Innenausschuss macht Herr Reul die 180-Grad-Wende. Frau Scharrenbach im Bauausschuss, nur einen Tag später, bleibt bei der alten Aussage, Räumung und Rodung hätten nichts miteinander zu tun.

Unterm Strich muss man hier ja eines festhalten: Wir haben zwei Aussagen von zwei Mitgliedern dieses Landeskabinettes. Das heißt auch, nur eine Aussage kann stimmen. Das heißt auch, einer von Ihnen beiden sagt hier nicht die Wahrheit.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Dabei wissen wir aus der Akteneinsicht – auch wenn die Akten nicht vollständig sind –, aufgrund der Gutachten, der Auftragsvergabe, der E-Mails, der Protokolle aus den Ministerien: Die Landesregierung und ganz besonders das Innenministerium – das wird eindeutig belegt durch die verschiedenen Akten – hat alles darangesetzt, eine Rechtsgrundlage zu finden, um den Wald zu räumen. Minister Reul hat ja sogar selbst einen Brief geschrieben und um Unterstützung bei den Ressortkollegen gebeten – vielleicht kann man sagen, gebettelt, um nicht zu sagen, gedroht.

Damit hat sich diese Koalition, diese Landesregierung, das Kabinett Laschet zum Erfüllungsgehilfen von RWE gemacht. Sie haben rechtliche Grundlagen instrumentalisiert,

(Beifall von den GRÜNEN)

Sie haben Vorschriften des Vergaberechts abenteuerlich ausgelegt, Sie haben ja sogar – das wird aus der Gutachtenvergabe deutlich – zivilrechtliche Möglichkeiten für RWE prüfen lassen. Das, finde ich, ist unerhört.

(Beifall von Horst Becker [GRÜNE])

Sie haben sich auf dem Rücken der Polizei – und das ist mir als Innenpolitikerin wichtig zu sagen – zum Interessensvertreter von RWE gemacht. Ich finde, das sagt auch viel über Ihr Rechtsstaatsverständnis aus.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)

Damit komme ich jetzt noch einmal zu den Akten. Abgesehen davon, dass Sie zunächst der Presse und danach erst den Abgeordneten die Einsicht geben wollten, was aus meiner Sicht wirklich eine krasse Missachtung des Parlaments ist …

Herr Geerlings,

(Zuruf von der SPD: Der selber gar nicht da war!)

ich war schon sehr verwundert, dass Sie hier als Abgeordneter so gesprochen haben. Ich denke, wir Abgeordnete sollten für die Stärkung der Abgeordnetenrechte reden und nicht umgekehrt.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)

Schauen Sie sich diese Akten an, sie stehen ja zur Verfügung. Die Aktenführung ist so schlecht: chronologisch nicht sortiert, keine Inhaltsverzeichnisse, aber vor allem Schwärzungen, es fehlen E-Mail-Anhänge.

(Marc Lürbke [FDP]: Wie lange waren Sie da, Frau Kollegin?)

–  Ich war zwei Mal dort.

(Marc Lürbke [FDP]: Wie lange?)

Am schönsten finde ich die Präsentation mit der Eingangsfolie und mit der Abschlussfolie „Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit“. Der Rest der Präsentation fehlt. Da kann man aus meiner Sicht nicht von einem Zufall reden.

Herr Reul, Frau Scharrenbach, Sie wissen doch genauso gut wie wir: Je größer der Heuhaufen ist, desto schwieriger wird die Suche nach der Nadel. – Deshalb ist dieses von Ihnen so großzügig angekündigte Angebot der Akteneinsicht ein ganz klassischer Fall von Schein- transparenz.

Wir fordern Sie auf: Geben Sie uns als Fraktionen die Akten. Geben Sie uns die Akten ungeschwärzt. Geben Sie uns die Akten vollständig.

(Zuruf von Bodo Löttgen [CDU])

Dann können wir uns ein umfassendes Bild davon machen. Das werden wir dann auch tun. Nur das, Herr Reul, wäre dann auch echte Transparenz. – Vielen Dank. …

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Frau Kollegin Schäffer. –

 

Kurzintervention zur Rede von Innenminister Herbert Reul von

Verena Schäffer (GRÜNE): Vielen Dank. – Auch wenn ich nur anderthalb Minuten habe, möchte ich hier einige Sachen nicht unwidersprochen stehen lassen.

Ich glaube, niemand – das kann man so sagen – hat in dem Ausschuss gefordert, jetzt müsse aber geräumt werden, sondern wir haben auf die Widersprüche hingewiesen, die es da einfach gibt. Die Unverhältnismäßigkeit, die Sie jetzt plötzlich sehen, bestand auch vor einem Jahr. Ich nenne das Stichwort „Kohlekommission“, das anstehende OVG-Urteil.

Es war dann ja auch so. Es kam zum Rodungsstopp. Deshalb war der Einsatz auch vor einem Jahr schon unverhältnismäßig, genauso wie er heute unverhältnismäßig wäre.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD) Darauf weisen wir hin.

Dann möchte ich hier noch einmal klarstellen, Herr Reul: Mitnichten sind die Fragen im letzten Innenausschuss beantwortet worden. Ich kann gerne noch mal einige Fragen vorlesen, auf die Sie keinen Bezug genommen haben.

„Was waren denn die Inhalte der Gespräche des Ministers mit RWE?“, habe ich gefragt. Welche weiteren Gespräche hat es unterhalb des Ministers oder des Staatssekretärs mit RWE gegeben, also Abteilungsleiterin, Referatsleiter usw.? Das ist nicht beantwortet worden.

Ich habe die Frage gestellt: Hat es konkrete Gespräche mit RWE zur Vorbereitung der Räumung inklusive der Anmietung von Hebebühnen und anderen Gerätschaften gegeben? Ich habe zum Vergaberecht Fragen gestellt. Zum Thema „Marktschau“ habe ich eine Frage gestellt. Das ist alles nicht beantwortet worden.

(Zuruf von der CDU)

Herr Reul, ich würde Ihnen gerne noch etwas beantworten, weil Sie gerade sagten: Ich verstehe gar nicht, dass Sie noch mehr Akten haben wollen. – Ich kann Ihnen aber gerne sagen, was wir noch haben wollen: Es gibt genau eine Akte aus der Staatskanzlei. Diese Akte beinhaltet einzig und allein Kleine Anfragen. Da ist die Frage: Ist das vollständig?

Vizepräsident Oliver Keymis: Frau Schäffer, die 1:30 sind rum.

Verena Schäffer (GRÜNE): Ist das die Akte der Staatskanzlei? Welche Kommunikation hat es auf dieser Ebene gegeben?

(Zurufe von der CDU und der FDP) Es gibt die Frage nach den E-Mails.

(Zurufe von der CDU und der FDP)

–  Vielleicht hören Sie mal auf, ständig reinzurufen, und respektieren einfach, dass ich das Rederecht habe.

Vizepräsident Oliver Keymis: Frau Schäffer, die 1:30 wären jetzt rum.

Verena Schäffer (GRÜNE): Gut. Das wird hier leider nicht angezeigt. – Ich will nur deutlich machen: Es gibt nach wie vor viele Fragen. Es gibt Akten.

(Beifall von den GRÜNEN – Zurufe von der CDU und der FDP)

Vizepräsident Oliver Keymis: Danke, schön.

(Zuruf von Verena Schäffer [GRÜNE] – Gegenrufe von der CDU und der FDP)

Jetzt hat Herr Minister Reul das Wort, und er hat 1:30 Minuten, um auf die Punkte noch mal einzugehen, die angesprochen wurden. – Bitte schön, Herr Minister.

Herbert Reul, Minister des Innern: Frau Schäffer, erstens: Ich stimme in einem Punkt zu. In der Frage, ob man den Einsatz damals hätte machen sollen oder nicht, gibt es verschiedene Meinungen. Ich glaube nach wie vor, dass das richtig und auch wichtig war.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Aber ist okay. Aber darüber diskutieren wir ja nicht. Das ist eine politische Bewertung.

Zweitens lege ich Wert darauf, dass die Fragen, die Sie gestellt haben, alle beantwortet wurden – wir werden das nachher ja noch sehen –, zum Beispiel über die Inhalte der Gespräche mit RWE, an denen ich beteiligt war.

(Zuruf von Horst Becker [GRÜNE])

–  Herr Becker, Sie waren doch gar nicht im Innenausschuss. (Zuruf von Horst Becker [GRÜNE])

–  Sie Schlaumeier. (Zurufe)

Ich habe dem Ausschuss zu den Inhalten der beiden Gespräche, an denen ich beteiligt war, Auskunft gegeben – glasklar Auskunft gegeben.

(Zuruf von den GRÜNEN: Welche?)

Ich wiederhole die nachher noch hundertmal. Sie haben sie auch nachlesen können. Ich habe sie aber auch vorgetragen. Übrigens: Spätestens nachdem Sie die Akten gesehen haben, wussten Sie es auch. Also ist der Fall jetzt auch erledigt, entweder durch meine Antwort oder durch das Aktenlesen.

Drittens: die Gespräche unterhalb. Das stellt sich einfach sehr schwierig dar. Verstehen Sie? Ich kann Ihnen einen Teil an Gesprächen auflisten, von denen wir wissen. Aber es finden doch wahnsinnig viele Gespräche zwischen Polizei und Stadt, Polizei und RWE statt. Das ist doch logisch. Da wird doch laufend etwas besprochen in dem ganzen Prozess dieses Verfahrens. Die werde ich Ihnen niemals lückenlos geben können. Ich werde „lückenlos“ nie unterschreiben, weil das gar nicht geht. Darüber werden doch oft gar keine Protokolle gemacht.

Da muss man doch ehrlich miteinander umgehen und nicht etwas fordern, was gar nicht geht. Das, was geht, kriegen Sie und haben Sie bekommen.

Vizepräsident Oliver Keymis: Herr Minister, die 1:30 …

Herbert Reul, Minister des Innern: … sind vorbei. Dann machen wir nachher weiter. – Danke. (Beifall von der CDU und der FDP)