Matthi Bolte aus Bielefeld (24 Jahre, Listenplatz 14) und ich (23 Jahre, Listenplatz 13) sind die beiden jüngsten KandidatInnen auf der Landesliste der Grünen in NRW. Mit der Webredaktion der GRÜNEN JUGEND haben wir ein Interview über unsere Themen, das grüne Wahlprogramm und unsere Wunschkoalition geführt. Erschienen ist das Interview am 08. April 2010 auf der Website der GRÜNEN JUGEND Bundesverband.

Verena und Matthi

Webredaktion GRÜNE JUGEND: Liebe Verena, lieber Matthi, am 09.05 sind Landtagswahlen in NRW und ihr seid die KandidatInnen der GRÜNEN JUGEND. Sagt doch kurz was ihr bisher in der GJ und auch neben der GJ gemacht habt.

Matthi: Ich bin seit Sommer 2002 in der Grünen Jugend aktiv. Meine Highlights aus den vielen Jahren waren auf jeden Fall die Mitarbeit am Grundsatzprogramm der GJ NRW und in der Friedenspolitischen Kommission des Bundesverbands – beides total spannende Prozesse. Bei den Altgrünen bin ich wenige Monate nach meinem Start bei der Grünen Jugend eingetreten und bin seit 2004 für die Grünen im Bielefelder Stadtrat.

Verena: Ich bin 2004 Mitglied bei der GRÜNEN JUGEND Bochum geworden, habe dann im darauf folgenden Sommer eine Basisgruppe in Witten gegründet. Ende 2005 wurde ich als Beisitzerin in den Landesvorstand der GRÜNEN JUGEND NRW gewählt, seit November 2006 bin ich Landesvorstandssprecherin. Dank eines sehr guten Kommunalwahlergebnisses bin ich seit 2009 Mitglied im Rat der Stadt Witten und im Kreistag des Ennepe-Ruhr-Kreises. Neben der GRÜNEN JUGEND bin ich im Wittener Bündnis gegen Rechts und bei IDA (Informations- und Dokumentationszentrum für Antirassismusarbeit e.V.) aktiv.

Webredaktion GRÜNE JUGEND: Mit welchen Themen bewerbt ihr euch für den Landtag? Für welche Inhalte wollt ihr kämpfen?

Verena: Ich trete mit meinen beiden Schwerpunktthemen Frauen- und Integrationspolitik an. Gerade für mich als junge Frau ist Frauenpolitik immer noch ein wichtiges Thema. Frauen werden nach wie vor in vielen Lebensbereichen diskriminiert. Die schwarz-gelbe Landesregierung hat den verschiedenen Frauenberatungsstellen in NRW den Geldhahn zu gedreht, sodass sie schließen mussten. Diese Frauen-Infrastruktur müssen wir wieder aufbauen. Außerdem will ich dafür sorgen, dass das von tradierten Geschlechterrollen geprägte Berufswahlverhalten aufgebrochen, das Landesgleichstellungsgesetz refomiert und die Finanzierung der Frauenhäuser und -beratungsstellen sichergestellt werden. Im Integrationsbereich geht es v.a. um bessere Chancen im Bildungssystem und auf dem Ausbildungs- und Arbeitsmarkt. Dazu gehört die Unterstützung vom Übergang von der Schule in den Beruf und die Gleichstellung auf dem Arbeitsmarkt.

Matthi: Ich bin nun schon sechs Jahre im Rat Kinder- und Jugendpolitischer Sprecher meiner Ratsfraktion und möchte diesen Bereich, besonders die Jugendpolitik, gerne auch im Landtag übernehmen. Da geht es natürlich ganz stark um die Finanzierung der Kinder- und Jugendarbeit. Rüttgers ist damals angetreten, da mehr Geld zu investieren, herausgekommen ist, dass er sogar dauerhaft 20 Millionen gekürzt hat. Außerdem möchte ich mich auf Landesebene für eine bessere Beteiligung von Kindern und Jugendlichen an der Politik einsetzen. Mein zweiter Themenblock ist Netzpolitik, und was in dem Bereich anliegt, ist glaub ich klar: Wir müssen das Netz verteidigen gegen die Schnüffeleien von Unternehmen und den staatlichen Sicherheitswahn. Und wir müssen es öffnen, damit alle Menschen Zugang zum Internet haben – unabhängig von Alter, Bildung oder sozialem Hintergrund.

Webredaktion GRÜNE JUGEND: Die NRW-Wahl war schon 2005 entscheidend für die Bundesebene, man denke an Schröders Vertrauensfrage und die vorgezogenen Neuwahlen. Glaubt ihr, dass eine Abwahl der Regierung Rüttgers auch zu einem schnelleren Ende von schwarz-gelb im Bund führen könnte?

Matthi: Ich hoff’s! Aber selbst wenn die Bundesregierung im Amt bleibt, entscheidet die Landtagswahl doch über die Zukunft von Schwarz-Gelb. Denn mit der Abwahl von Schwarz-Gelb in Düsseldorf kippt die Bundesratsmehrheit, sodass gerade die Lieblingsprojekte der FDP verhindert werden können: ungerechte Steuersenkungen, die Kopfpauschale und vor allem der Ausstieg aus dem Atomausstieg. Wir werden den 9. Mai deshalb auch zu einer Abstimmung über die Zukunft der Atomkraft in Deutschland machen.

Verena: Ich kann mich Matthi nur anschließen, die Abwahl von CDU und FDP hier in NRW ist wegen der schwarz-gelben Mehrheit im Bundesrat wichtig. Doch langsam nervt mich die Frage nach der Bundespolitik oder gar der Bundestagswahl 2013, auch wenn ich mir der bundespolitischen Bedeutung der NRW-Wahl natürlich bewusst bin. Mir geht es erst einmal um ein gutes grünes Ergebnis und eine gute Politik für NRW.

Webredaktion GRÜNE JUGEND: Welchen Punkt im Wahlprogramm der Grünen findet ihr besonders gut, und bei welchem Punkt hättet ihr euch weitergehende Forderungen oder andere Entscheidungen gewünscht?

Verena: Wir haben als GRÜNE JUGEND NRW insgesamt 104 Änderungsanträge an den grünen Wahlprogramm-Entwurf gestellt. Vieles davon wurde aufgenommen, wie etwa das Recht auf einen Ausbildungsplatz oder den massiven Ausbau von Studienplätzen mit dem Ziel, dass jedeR BachelorabsolventIn auch einen Master machen kann. Besonders gut finde ich die Forderung nach einer Frauenquote in den Parlamenten. Schade finde ich, dass wir mit unserer Forderung nach einer Kita-Pflicht, damit es echte Chancengerechtigkeit für alle Kinder von Anfang gibt, auf dem Programmparteitag verloren haben.

Matthi: Ich habe mich besonders gefreut, dass wir die Forderung nach einer Änderung der Gemeindeordnung verankern konnten, dass Kinder und Jugendliche auf kommunaler Ebene in allen Fragen, die sie betreffen zu beteiligen. Wenn das so umgesetzt wird, kann das weitreichende Folgen für Kommunen haben, die diese Beteiligung eben nicht durchführen. Ich hätte mir mehr Vertrauen in die politischen Kompetenzen unserer Generation gewünscht: Die Grünen fordern jetzt die Senkung des Wahlalters auf 16 Jahre bei der Landtagwahl, aber da wäre definitiv noch Luft nach unten gewesen!

Webredaktion GRÜNE JUGEND: Für Menschen aus anderen Bundesländern scheint sich die NRW-Wahl bisher wenig um inhaltliche Themen zu drehen. Die CDU kämpft mit ihrem Sponsoring Skandal und Hannelore Kraft (SPD) hat sich in der Hartz IV Debatte verrannt. Ist das alles oder wird in NRW auch konkret über politische Alternativen diskutiert?

Matthi: Natürlich gibt es auch jenseits des Geschreis, das auf die Bundesebene vordringt, knallharte landespolitische Auseinandersetzungen. Wir Grüne kämpfen für ein gerechtes Schulsystem, die CDU in Gestalt von Schulministerin Sommer verteidigt das gegliederte Schulsystem mit dem Ständedenken des 19. Jahrhunderts. Wir Grüne stehen für die Abschaffung von Studiengebühren und demokratische Hochschulen, Minister Pinkwart von der FDP erklärt daraufhin zu den Bildungsprotesten: „Ein Studentenstreik kommt alle 10 Jahre mal vor“ und lässt WirtschaftsvertreterInnen an den Hochschulen entscheiden.

Verena: Ein weiteres großes Thema ist natürlich die Energiepolitik. Schwarz-Gelb hat extra das Planungsrecht geändert, damit E.On in Datteln ein Großkohlekraftwerk bauen kann, einen amtlich bescheinigten Klimakiller. Wir Grüne machen uns auf den Weg ins Zeitalter der Erneuerbaren, aber dafür müssen wir die fossilen Bremsklötze endlich loswerden! Das ist natürlich auch ein schwieriges Thema mit der SPD. Dazu kommt, dass CDU und FDP an der Atomkraft festhalten. Zwar haben wir hier in NRW zum Glück kein Atomkraftwerk, aber das Atommüllzwischenlager in Ahaus, die Urananreicherungsanlage in Gronau und das Atomforschungszentrum Jülich. Wir Grüne sprechen uns klar gegen den Bau neuer Kohlekraftwerke und gegen Atomkraft aus. Stattdessen müssen die Erneuerbaren stärker als bisher gefördert werden!

Webredaktion GRÜNE JUGEND: In NRW könnte es sowohl für Rot-Grün, Rot-Rot-Grün, die Ampel, Jamaika oder Schwarz-Grün reichen. Es ist also tatsächlich alles offen. Welche Koalition wünscht ihr euch nach der Wahl und welche Option hätte eurer Meinung am wenigsten Chancen?

Matthi: Zum ersten Mal seit Jahren gibt es wieder die Aussicht, dass Rot-Grün in NRW eine realistische Option ist. Deshalb ist es auch mein Wunsch, gemeinsam mit der SPD eine Regierung zu bilden. Ich bin mir aber bewusst, dass das nicht leicht wird: Die Erfahrung vor Ort hat gezeigt, dass die sozialdemokratische Begeisterung für eine gerechte Schulreform oft an der Gymnasiumstür aufhört, und die Kohlelobby ist in der SPD ungefähr so stark wie das Hotelgewerbe bei den Liberalen. Schwarz-Grün ist allerdings keine Alternative, keine Option, die wir Grüne wollen, denn die CDU hat NRW in den letzten Jahren so richtig vor die Wand gefahren. Schlimmer wär’s nur noch, wir würden die FDP dazunehmen. Wir machen in manchen Städten gute Erfahrungen mit den Liberalen, aber auf der Landesebene führt uns nichts, aber auch gar nichts mit diesen Marktextremisten zusammen!

Verena: Klar ist erst einmal, dass schwarz-gelb nach dem 09. Mai keine Mehrheit mehr haben wird. Alle Umfragen zeigen uns, dass die BürgerInnen eine Alternative wollen. Rot-Grün wird von beiden Parteien favorisiert. Auch die GRÜNE JUGEND NRW hat klar gemacht, dass es zwischen SPD und Grüne die meisten inhaltlichen Schnittmengen gibt. Spannend bleibt die Frage, ob die Linkspartei den Einzug in den Landtag schafft. Falls ja, kann ich mir Rot-Grün-Rot gut vorstellen. Allerdings ist unklar, ob die Linkspartei auch wirklich Regierungsverantwortung übernehmen wird. Eine Koalition mit der FDP ist so gut wie ausgeschlossen. Und auch Schwarz-Grün kann ich mir nur schwer vorstellen. Deshalb werden wir die nächsten 5 Wochen hart für eine Politikwechsel kämpfen – noch ist alles offen!