Gemeinsam mit meinen Grünen Landtagskollegen Matthi Bolte und Stefan Engstfeld habe ich vergangene Woche den niederländischen Grenzübergang bei Venlo besucht. Hintergrund war die Einrichtung eines Videoüberwachungssystems und zahlreiche Fragen dazu. Hier ist unser Bericht:
Vergangenen Sommer sorgte die niederländische Regierung mit der Installation eines neuen Videoüberwachungssystems an ihren Grenzübergängen für Irritationen. Aus unserer Sicht untergraben die niederländischen Videokontrollen an innereuropäischen Grenzen den Geist des Schengener Abkommens. Was passiert mit den gesammelten Daten, welches Ziel verfolgt die niederländische Regierung mit der Einführung des Überwachungssystems und wie effektiv ist es tatsächlich, um die angestrebten Ziele zu erreichen? Um diesen Fragen nachzugehen, besuchten Mitglieder des Europa- und des Innenausschusses von SPD und GRÜNEN den niederländischen Grenzposten in Venlo.
Auf Einladung des niederländischen Generalkonsulats in NRW informierten wir uns bei der Venloer Koninklijke Marechaussee (KMAR) vor Ort über das System der Grenzüberwachungskameras (@migo boras) und dessen genaue Funktionsweise. Unsere Bilanz fällt gemischt aus. Positiv zu bemerken ist die Bereitschaft der niederländischen Regierung zum offenen Dialog und zur Beantwortung vieler Fragen. Negativ, dass gerade beim Thema Datenschutz die Antworten nicht überzeugend waren.
So bleibt weiter bedenklich, dass der Kreis der Zugangsberechtigten zum System nicht fest definiert ist und die Sicherung der gesammelten Daten gegen unbefugte Zugriffe – auch von außen – im Gespräch nicht abschließend dargestellt werden konnte. Auch in rechtlicher Hinsicht bleiben Fragen offen. So regelt die Charta der Grundrechte der EU in Artikel 8, dass der Schutz der personenbezogenen Daten erfordert, dass Daten nur mit Einwilligung der betroffenen Person oder nur auf einer gesetzlich geregelten legitimen Grundlage verarbeitet werden dürfen. Die niederländische Regierung entgegnet auf derartige Befürchtungen, dass die Daten größtenteils (außer im Falle gezielter Fahndungen bei Notfällen oder Großeinsätzen) anonym erhoben werden und das System normalerweise keine Speicherung der Kraftfahrzeugkennzeichen von PKW oder LKW vorsehe, die Rückschlüsse auf Personen zulassen würde. Außerdem stehe das System unter ständiger Kontrolle der CBP (College Bescherming Persoonsgegevens, niederländische Datenschutzaufsicht). Die erhobenen Daten würden für einen Zeitraum von 5 Jahren gespeichert und es stehe jeder Bürgerin und jedem Bürger das Recht zu, sich über seine personenbezogenen Daten im System zu informieren.
Dennoch: Die Einführung einer flächendeckenden Überwachung der großen Grenzanlagen stellt Reisende unter Generalverdacht. Zwar findet sie nur stichprobenartig statt, weil die Einsatzzeit auf maximal 6 Stunden pro Tag und insgesamt max. 90 Stunden im Monat begrenzt ist. Für die Reisenden ist es allerdings nicht klar ersichtlich, ob und wann sie überwacht werden. Eine solche Transparenz ist für uns GRÜNE die Mindestanforderung an staatliche Überwachungsmaßnahmen. Auch die zeitliche Begrenzung der Überwachung ist kein Zugeständnis an den Datenschutz, sondern Folge eines niederländischen Gerichtsurteils, durch das überhaupt erst die Vereinbarkeit mit dem Schengener Abkommen hergestellt wurde.
Das Ziel des Grenzüberwachungssystems ist die Bekämpfung von Menschenhandel, illegaler Einwanderung und grenzüberschreitender, insbesondere migrationsbezogener, Kriminalität. Nach einem halben Jahr seit der Inbetriebnahme stehen noch keine belastbaren Zahlen hinsichtlich der Effizienz des Systems zur Verfügung. Dennoch ist es aus unserer Sicht zweifelhaft, ob die stichprobenartige Videoüberwachung tatsächlich der Kriminalitätsbekämpfung effektiv dient oder ob nicht Grenzschutzkräfte mit ihrer klassischen Arbeit vor Ort mehr bewirken.
Unsere Bedenken konnten durch die nichtsdestotrotz sehr informativen Gespräche mit der KMAR nicht ausgeräumt werden. Unser Resultat nach dem Besuch:
Big Brother is still watching you – und wir bleiben dran.