Meine Rede zum Antrag der Piratenfraktion (Landtagsdrucksache 16/2584):

Verena Schäffer (GRÜNE): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau von Boeselager, die „Smart Borders“-Pakete der Europäischen Kommission bedeuten vor allen Dingen, zukünftig alle ein- und ausreisenden Nicht-EU-Bürgerinnen und -Bürger schärfer als bisher zu kontrollieren. Zum einen sollen zukünftig Ort und Datum des Grenzübertritts gespeichert werden. Zum anderen sollen die Fingerabdrücke in einer zentralen EU-Datenbank erfasst werden. Bei jedem Übertritt der EU-Außengrenzen sowie bei allen Polizei- und Ausweiskontrollen innerhalb der EU sollen diese Daten überprüft und abgeglichen werden.

Das ist meiner Ansicht nach eine elektronische Überwachung aller Nicht-EU-Bürgerinnen und -Bürger, die sich in einem Mitgliedsland in der EU aufhalten. Damit, liebe Kolleginnen und Kollegen, kommt die Festung Europa endgültig auch im digitalen Zeitalter an: Es werden nicht nur Grenzzäune hochgezogen, sondern auch die virtuellen Mauern entsprechend erhöht. Das entspricht nicht dem, was wir als Grüne von einem freien und solidarischen Europa erwarten, einem Europa, in dem die Bürger- und Freiheitsrechte aller gewährleistet und geschützt werden.

(Beifall von den GRÜNEN und den PIRATEN)

Aber es ist nicht nur das, sondern mit dem „Smart Borders“-Paket soll auch ein sehr teures, nutzloses und bürokratisches Überwachungssystem aufgebaut werden, das gerade unter Datenschutzgesichtspunkten hochproblematisch ist. Ich sage Ihnen, warum ich das meine: „Smart Borders“ ist – erstens – sehr teuer. Die Europäische Kommission rechnet bis zum Jahr 2020 damit, dass es Kosten von mehr als 1 Milliarde € verursacht. Die EU-Mitgliedstaaten müssen selber auch noch einmal ins Portemonnaie greifen und für einen erheblichen Teil der Kosten aufkommen.

Zweitens ist „Smart Borders“ aus unserer Sicht völlig nutzlos und ineffektiv. Ziel ist es ja, illegale Migration aus Drittstaaten in die EU zu verhindern. Das wird meines Erachtens nicht geschehen, da der aktuelle Aufenthaltsort einer Person – hat sie erst einmal die Grenze überschritten – nicht festgehalten wird. Das heißt: Die Kommission weiß, wann wer einreist und wann wer ausreist, erfasst bei der Gelegenheit auch die Fingerabdrücke. Aber die EU-Kommission weiß nicht, wo sich die Person aufhält. Deshalb kann die EU-Kommission diese Person – wenn Sie sich nach Ablauf der Aufenthaltsbefristung noch in der EU aufhält – gar nicht aufspüren und dann ausweisen. Das soll ja das eigentliche Ziel dieses Systems sein. Ganz unabhängig davon, wie man zum Umgang der EU mit Angehörigen aus Drittstaaten steht, wird dieses System seinen Zweck so niemals erfüllen können.

(Beifall von den GRÜNEN und den PIRATEN)

Aber es gibt auch verschiedene Datenschutzgründe, aus denen heraus man „Smart Borders“ ablehnen kann und sogar muss: Das ist zum Beispiel die anlasslose Speicherung biometrischer Daten sämtlicher Nicht-EU-Bürgerinnen und -Bürger, also von Personen, die EUStaatsangehörigkeit haben. Das ist ein unverhältnismäßiger Eingriff in deren Grundrechte auf informationelle Selbstbestimmung. Das widerspricht auch dem EU-Datenschutzgrundrecht. Die Speicherung ist diskriminierend. Sie unterstellt Drittstaatenangehörige einem Generalverdacht und weicht ihre Persönlichkeitsrechte auf. Schon jetzt plant die Kommission eine Zweckentfremdung dieser Datenbank. Wenige Jahre nach Einführung des Systems dieser Datenbank soll geprüft werden, ob die Polizei einen Zugriff auf die Datenbank bekommen soll, ob Fingerabdrücke von Nicht-EU-Angehörigen dann in Zukunft auch mit Tatorten abgeglichen werden sollen.

Aus unserer Sicht ist es sehr offensichtlich, dass die EU-Kommission schon heute damit plant, dass Polizei und Strafverfolgungsbehörden auch einen Zugriff auf die Datenbank erhalten sollen. Für uns bedeutet das Generalverdacht und Rasterfahndung, ohne nachweisen zu können, ob es wirklich einen Zugewinn bei der Bekämpfung von Terrorismus und Kriminalität gibt. Das bringt gerade auch aus Bürgerrechtsperspektive dann das Fass zum Überlaufen.

(Beifall von den GRÜNEN und den PIRATEN)

So weit, so gut. Sie sehen, dass wir zumindest die meisten Punkte, die in dem Antrag genannt werden, sehr richtig finden. Nichtsdestotrotz muss man einfach sagen: Vom Verfahren her kommt dieser Antrag der Piratenfraktion schlichtweg zu spät. Denn dieses Thema ist ja bereits im Bundesratsinnenausschuss diskutiert worden. Es ist leider anders diskutiert worden, als ich mir das inhaltlich hier wünschen würde. Insofern finde ich es unehrlich, jetzt noch, nachdem die Beratung im Bundesrat schon gelaufen ist, einen Antrag zu beschließen, in dem gefordert wird, dass sich der Bundesrat entsprechend verhält. Aus diesem Grund werden wir den Antrag ablehnen, sprich: nicht inhaltlich, sondern insbesondere aus Verfahrensgründen. – Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN – Lachen von den PIRATEN – Verena Schäffer [GRÜNE]: Ja, es ist so!)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Frau Kollegin.