Meine Rede zum Antrag der Piraten Drucksache 16/3247

Verena Schäffer (GRÜNE): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich kann auch für die grüne Fraktion sagen, dass wir die Arbeit der Polizei natürlich unterstützen. Sie ist wichtig, um die innere Sicherheit aufrechtzuerhalten, und sie ist im Kontext von Demonstrationen wichtig, um den Schutz der Versammlungs- und Meinungsfreiheit zu gewährleisten. Ich glaube, da sind wir uns hier alle einig.

Wir Abgeordnete, insbesondere die Mitglieder im Innenausschuss, tragen natürlich auch Verantwortung für die Polizei; diese müssen wir übernehmen. Verantwortung zu übernehmen heißt aber auch, eine Fehlerkultur zuzulassen, weil eine demokratische und rechtsstaatliche Polizei Kritik auch anhören und aushalten muss.

(Beifall von den GRÜNEN und den PIRATEN)

Deshalb haben wir als grüne Fraktion immer wieder, wenn es unverhältnismäßige Polizeieinsätze gegeben hat, diese thematisiert, oder, wenn Kritik vorgetragen worden ist, diese zur Sprache gebracht, weil – das ist wichtig, aber da haben wir vielleicht ein unterschiedliches Verständnis von Fehlerkultur und von Verantwortung, die wir gegenüber der Polizei haben – es natürlich auch darum geht, das Verhalten der Polizei weiterzuentwickeln.

Gerade die NRW-Polizei gilt bundesweit als die Polizei, die deeskalierend in Einsätze hineingeht und dafür bundesweit immer wieder bei Einsätzen, zum Beispiel im Rahmen von Stuttgart 21, gelobt wird. Eine Weiterentwicklung und ein reflektiertes Verhalten sind wichtig. Das ist auch deshalb wichtig, weil es das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in unsere rechtsstaatliche Polizei stützt. Insofern finde ich es auch in Ordnung, Fehlerkultur zu betreiben.

(Beifall von den GRÜNEN)

Präsidentin Carina Gödecke: Frau Kollegin Schäffer, ich muss leider auch Sie unterbrechen. Diesmal möchte Ihnen gerne Herr Kollege Kruse eine Zwischenfrage stellen.

Verena Schäffer  (GRÜNE): Bitte.

Theo Kruse (CDU): Werte Kollegin Schäffer, Sie haben gerade von unverhältnismäßigen Polizeieinsätzen in der Vergangenheit gesprochen. – Könnten Sie, bezogen auf Nordrhein-Westfalen, vielleicht ein wenig präzisieren, welchen unverhältnismäßigen Polizeieinsatz Sie tatsächlich meinen?

(Zuruf von Reiner Priggen [GRÜNE])

Verena Schäffer  (GRÜNE): Seitdem ich im Landtag bin, seit 2010, habe ich immer wieder an Demonstrationen teilgenommen, allerdings nicht als Demonstrantin – das habe ich auch schon vorher gemacht. Vielmehr bin ich mit der Polizei mitgefahren, habe die Polizei begleitet, war immer sehr gut bei der Polizei aufgehoben, habe sehr viel sehen können, sehr viele Fragen wurden beantwortet.

Bei großen Einsätzen wie in Dortmund Anfang September aufgrund der Neonazi-Aufmärsche haben wir immer wieder das Problem, dass es zu Situationen kommt, die man im Nachhinein thematisieren und kritisieren muss. Bürgerinnen und Bürger, die bei den Demonstrationen waren, machen immer wieder darauf aufmerksam, dass an dem einen oder anderen Punkt aus ihrer Sicht etwas falsch gelaufen sei, und bitten, das anzusprechen. Das haben wir auch getan.

Das finde ich legitim und richtig. Und ich verstehe es auch als unsere Aufgabe als Abgeordnete, dass wir da, wo es Kritik an der Polizei gegeben hat, aufklären und aufarbeiten, gerade um das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in die Polizei zu stärken. Insofern sehe ich da überhaupt keinen Widerspruch – im Gegenteil. Es ist auch unsere Aufgabe.

(Beifall von den GRÜNEN und den PIRATEN)

Ehrlich gesagt machen es sich die Piraten mit diesem Antrag doch zu leicht.

Sie fordern – erstens – eine umfassende Aufklärung des Einsatzes der NRW-Bereitschaftspolizei in Hessen. – Wie gesagt, ich finde Aufarbeitung immer richtig und wichtig. Das Innenministerium hat uns nach der letzten Sitzung des Innenausschusses einen entsprechenden schriftlichen Bericht zugeleitet. Aber die Aufarbeitung muss dort erfolgen, wo der Einsatz stattgefunden hat. Und das war in Frankfurt, in Hessen. Dementsprechend lag die Einsatzleitung in Hessen. Der Hessische Landtag ist meines Erachtens jetzt gefordert. Ich weiß, dass dort dieser Einsatz auch aufgeklärt und aufgearbeitet wird. Auch das dortige Innenministerium ist gefordert. Das liegt, wie gesagt, in der Zuständigkeit der hessischen Kolleginnen und Kollegen und gehört nicht hierhin.

Der zweite Punkt ist das Amtshilfeersuchen. Er ist gerade auch von Herrn Kruse ausführlich behandelt worden. – Ihre Forderung läuft meines Erachtens völlig ins Leere. Es gibt das Bund-Länder-Abkommen – das ist gerade schon erläutert worden – über die gegenseitige Hilfe bei den Bereitschaftspolizeien, wenn es entsprechende Lagen in den Ländern gibt. Gerade Nordrhein-Westfalen mit seinen 18 Einheiten ist ständig gefordert, in andere Bundesländer zu fahren. Das macht NRW auch.

Was sich in Ihrem Antrag ein Stück weit ausdrückt – das finde ich ganz interessant –, ist der Wunsch nach einem Regierungswechsel in Hessen. Den Wunsch an sich, dass die schwarz-gelbe Regierung bei der nächsten Landtagswahl abgewählt wird, kann ich sehr gut teilen.

Was ich aber nicht teilen kann, ist Ihre Forderung, Amtshilfeersuchen aus Hessen bis zur Landtagswahl zurückzuweisen. Denn die Solidarität unter den Ländern muss unabhängig von den politischen Mehrheiten im Landtag gewährleistet werden. Sonst wären wir tatsächlich bei einer politischen Polizei, was wir hier vor einigen Wochen schon diskutiert haben. Da kann meines Erachtens nicht unser Ziel sein. Darin sind wir uns letztendlich alle einig, Solidarität nicht an den politischen Mehrheiten in den entsprechenden Landtagen auszurichten.

(Beifall von den GRÜNEN)

Der dritte Punkt ist die Kennzeichnungspflicht. – Es ist schon richtig gesagt worden, dass wir uns im Koalitionsvertrag darauf verständigt haben, eine anonymisierte und individualisierte Kennzeichnungspflicht einzuführen. Die Kennzeichnung ist heute schon auf der niedrigsten Stufe gewährleistet, aber bisher nicht auf die einzelnen Personen bezogen. Das wollen wir ändern.

(Torsten Sommer [PIRATEN]: Wir auch, klar!)

Wir wollen es aber anonymisiert tun, um der Verantwortung und dem Schutzgedanken gerecht zu werden. Wir wollen nicht, dass die Polizeibeamtinnen und -beamten befürchten müssen, dass es zu ihrem Nachteil gerät – „Nachteil“ nicht im Sinne von Strafverfolgung; darum geht es nicht – und sie Angst haben müssen, verfolgt und zu Hause aufgesucht zu werden. Da sind wir uns wohl einig, dass wir das nicht wollen; da tragen wir Verantwortung gegenüber der Polizei.

(Beifall von Torsten Sommer [PIRATEN])

Aber natürlich muss es möglich sein, einem Fehlverhalten nachzugehen. Wir befinden uns hierzu in Gesprächen mit den Gewerkschaften. Es ist wichtig, die Polizei mitzunehmen.

Die Kennzeichnungspflicht hat vor allem den Vorteil, dass die Polizei, die als Vertreterin des Staates auftritt, den Bürgerinnen und Bürgern offen begegnet und nicht anonym auftritt.

Aber – da greift Ihr Antrag zu kurz –, es gibt keinen Kausalzusammenhang zwischen Kennzeichnungspflicht und unverhältnismäßigen Einsätzen bzw. Fehlverhalten, sprich: Es gibt keinen Grund für die Aussage, gäbe es die Kennzeichnungspflicht, gäbe es keine unverhältnismäßigen Einsätze und kein Fehlverhalten mehr. So einfach ist es nicht.

Man muss zum Beispiel auch über Rahmenbedingungen reden. Wie ist die Polizei bei so einem Großeinsatz aufgestellt, wenn sie am Tag vorher von Nordrhein-Westfalen aus nach Hessen geschickt wird? Wie sind Schlafen und Unterbringung organisiert?

All das sind Punkte, die man mitbedenken sollte. Wenn man schon einmal die Logistik miterlebt hat, die hinter einem solchen Großeinsatz steht – ich habe das in Nordrhein-Westfalen, zum Beispiel bei den großen Demonstrationseinsätzen in Dortmund, schon miterlebt, wo viel von der NRW-Polizei abgewickelt werden kann –, macht man es sich zu einfach, nur auf die Kennzeichnungspflicht zu setzen.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)