Meine Rede zum Antrag der CDU Drucksache 16/3442

Verena Schäffer (GRÜNE): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe in der letzten Plenarwoche zu dem Thema „Blockupy“ – das war ein Antrag der Piraten, über den wir diskutiert haben – gesagt, dass wir als Landtagsabgeordnete, insbesondere also diejenigen, die auch Mitglied im Innenausschuss sind, Verantwortung für die Polizei tragen. Dazu gehört auch, für den Schutz der Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten vor Gewalt – zum Beispiel Beleidigung, Bedrohung, gewalttätigen Übergriffen – zu sorgen.

Das betrifft im Übrigen aber nicht nur die Polizei – das will ich hier deutlich sagen –, sondern auch Feuerwehrleute und Rettungskräfte, für deren Schutz wir aufgrund ihres hoheitlichen Auftrags ebenso verantwortlich sind.

(Beifall von Sigrid Beer [GRÜNE])

Jede Person – ich denke, da sind wir uns einig –, die Gewalt erfahren muss – egal, ob in Uniform oder nicht –, ist eine Person zu viel.

Aber ich glaube, dass man den Respekt vor der Arbeit dieser Personengruppen und vor den Individuen bei Polizei, Feuerwehr und Rettungsdienst nicht über das Strafrecht herstellen kann und dass die Androhung von höheren Strafen Gewalttaten an sich nicht verhindern wird.

Deshalb ist Ihr Antrag reine Symbolpolitik, die Sie kurz vor der Bundestagswahl noch mal herausholen. Sie rüsten wieder einmal verbal gegen Straftäterinnen und Straftäter auf, obwohl Sie dabei ganz genau wissen, dass Sie hier auf eine völlig wirkungslose Forderung setzen!

(Beifall von den GRÜNEN)

Wirkungslos ist sie aus folgenden Gründen: Wenn das Strafmaß schon heute nicht ausgeschöpft wird, so heißt es in Ihrem Antrag, dass „die Täter zumeist ungeschoren mit einer vergleichsweise geringen Geldstrafe davonkommen“, dann ist doch meine erste Frage: Warum wird das Strafmaß bisher nicht ausgeschöpft? – Dazu sagen Sie hier gar nichts. Das finde ich dann doch äußerst dünn.

(Vorsitz: Vizepräsident Dr. Gerhard Papke)

Der zweite Grund, warum diese Forderung aus meiner Sicht wirkungslos ist – das hat der Kollege Bialas gerade schon gesagt –, ist, dass etwa zwei Drittel der Tatverdächtigen unter Alkoholeinfluss standen. Ein Großteil der Taten wird im Affekt begangen.

Verkürzt bedeutet das im Endeffekt, dass potenzielle Täterinnen und Täter das zu erwartende Strafmaß überhaupt nicht interessiert. Vermutlich kennen sie das sie erwartende Strafmaß noch nicht einmal. Deshalb wird man durch die Umsetzung Ihrer Forderung Gewalttaten gegen Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte nicht verhindern. Im Gegenteil: Sie befinden sich hier wieder im Rahmen von scheinheiliger Symbolpolitik.

(Beifall von Rolf Beu [GRÜNE] und Lukas Lamla [PIRATEN])

Es ist aber auch überflüssig, was Sie hier fordern, weil Gewalt gegenüber Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten, Feuerwehrleuten und Rettungskräften wie jeder andere Angriff auf eine Person schon jetzt unter Strafe steht, zum Beispiel unter die Tatbestände Beleidigung, Körperverletzung, Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte fällt.

Die Bundesregierung hat bereits im Jahr 2011, also vor zwei Jahren, das Strafmaß in § 113 StGB um ein Jahr von zwei auf drei Jahre erhöht. Bei dieser Gesetzesänderung ist aber keine Mindeststrafe eingeführt worden, wie die CDU das hier fordert. Offensichtlich hat die CDU sich da auf Bundesebene nicht durchsetzen können und bemüht nun zum wiederholten Male den Landtag.

Das muss man auch mal sagen: Sie bringen hier innerhalb von drei Jahren zum dritten Mal denselben Antrag ein. Ich finde es, ehrlich gesagt, peinlich, dass Sie, wenn Sie das in drei Jahren nicht durchbekommen haben, es quasi jedes Jahr wieder probieren.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Es gibt aus meiner Sicht auch noch einiges, was wir zu diskutieren und abzuwarten haben. Das nordrhein-westfälische Innenministerium hat ja im April 2010 eine Projektgruppe eingerichtet, um eine eigene NRW-Studie zum Thema „Gewalt gegen Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte“ zu erstellen. Diese Studie wird von der Uni Kiel durchgeführt. An der Befragung für diese Studie haben in Nordrhein-Westfalen 47 % der Polizeibeamtinnen und -beam­ten teilgenommen, was, wie ich finde, ein ziemlich hoher Rücklauf ist. Die Ergebnisse dieser Studie sollen bis Ende dieses Jahres vorgestellt werden. Ich glaube, dass wir das abwarten sollten, um das Phänomen hier dann noch eingehender diskutieren zu können.

Eines ist, finde ich, aber schon klar – das hat zumindest der „Spiegel“ vor einigen Wochen berichtet, dem wohl eine Vorabversion mit ersten Ergebnissen der Studie vorlag –: Es gibt viele Polizeibeamtinnen und -beamte, die sagen, dass sie psychische Auswirkungen der Gewalt erleben – das ist ein Stück weit klar, wenn es traumatische Erlebnisse sind –, aber nur vier von fünf Beamtinnen und Beamten nehmen Hilfe in Anspruch.

Das wäre für mich ein Punkt, zu sagen, dass wir hier noch einmal daran arbeiten müssen, dass die Beratungsangebote, die zur Verfügung stehen, von den Polizeibeamtinnen und -beamten auch in Anspruch genommen werden und wir hier noch einiges an Verbesserung erzielen können.

Die Reduktion von Gewalt und die Herstellung von Respekt gegenüber der Arbeit von Polizei, Rettungskräften und Feuerwehr ist eine gesellschaftliche Aufgabe. Es muss insgesamt unser Ziel sein, Gewalt in der Gesellschaft zurückzudrängen, Ursachen und Bedingungen dafür zu diskutieren.

Ich halte ein höheres Strafmaß, ehrlich gesagt, für überhaupt nicht zielführend. Wir werden die Debatte im Ausschuss zwar noch führen – es ist ja schon in den letzten drei Jahren darüber diskutiert worden; es gab in der letzten Legislaturperiode ja auch eine Anhörung zu diesem Thema; insofern diskutieren wir das gerne noch einmal –, aber ich kann Ihnen jetzt schon sagen, dass ich die Erfolgsaussichten für Ihren Antrag doch für sehr überschaubar halte.

(Beifall von den GRÜNEN, der SPD und den PIRATEN)