Text und Video meiner Rede zum Antrag der Fraktion der Piraten  Drucksache 16/5758

Verena Schäffer (GRÜNE): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Statistisch gesehen wird in Nordrhein-Westfalen jeden zweiten Tag ein Mensch Opfer rechter oder rechtsextremer Gewalt. Das verdeutlicht, dass Rechtsextremismus und rechte Gewalt für Nordrhein-Westfalen ein Problem und Thema sind. Jeder dieser Übergriffe und die Bedrohungen, die durch Rechtsextreme erfolgen, stellen immer auch einen Angriff auf unsere vielfältige und pluralistische Gesellschaft dar. Deshalb muss jedes Opfer die Solidarität unserer Gemeinschaft und Gesellschaft und die Unterstützung durch den Staat erfahren.

Weil wir der Verantwortung des Staates für die Betroffenen rechter Gewalt nachkommen, haben wir als rot-grüne Koalition schon in den vergangenen Jahren dafür gesorgt, dass in Nordrhein-Westfalen zwei unabhängige Opferberatungsstellen mit Landesmitteln eingerichtet wurden, obwohl wir uns momentan in einer sehr angespannten Haushaltslage befinden.

(Beifall von den GRÜNEN)

Während der Bund Mittel für entsprechende Beratungsstellen für Opfer rechter Gewalt bisher nur in den ostdeutschen Bundesländern zur Verfügung stellt, muss es in den westdeutschen Bundesländern landeseigene Mittel geben. Die stellen wir in Nordrhein-Westfalen zur Verfügung. Ich will an dieser Stelle ganz deutlich sagen: Ich erwarte von der Bundesregierung und der neuen Bundesfamilienministerin, dass sie klarstellt, dass Rechtsextremismus auch in Nordrhein-Westfalen und den anderen westdeutschen Bundesländern ein Problem darstellt und die Mittel für die Opferberatungsstellen nicht – wie bisher – nur nach Ostdeutschland fließen, sondern in ganz Deutschland entsprechend gezahlt werden.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von den PIRATEN)

Allerdings wissen wir auch, wenn man sich mit der PMK-rechts befasst, dass es bei den rechtsextrem motivierten Straftaten in der polizeilichen Statistik eine hohe Dunkelziffer gibt. Ein Grund dafür ist, dass nicht alle Straftaten zur Anzeige gebracht werden. An der Stelle sehe ich einen wesentlichen Handlungspunkt für uns, das Vertrauen in die Arbeit einer bürgernahen Polizei zu stärken und gleichzeitig die Polizeibeamtinnen und -beamten im Umgang mit den Opfern rechter Gewalt zu schulen.

Mir ist es ein wichtiges Anliegen, dass wir darüber diskutieren, wie man den Austausch zwischen den Kreispolizeibehörden und den Opferberatungsstellen stärkt, damit die Polizei Betroffene rechtsextremer Gewalt direkt an die Beratungsstellen verweisen kann. Im Gegensatz zu Statistiken würde das den Opfern wirklich helfen.

Das Problem der Dunkelziffer hat eine weitere Komponente, die ich hier ebenfalls benennen will. Es werden nämlich nicht alle politisch rechts motivierten Straftaten als solche eingeordnet. Übergriffe von Neonazis auf linksalternative Jugendliche werden als jugendliche Schlägereien abgetan. Es gibt momentan Diskussionen über den Prozess in Bayern, wo bei einem vorbestraften Neonazi, der einen Migranten umgebracht hat, weder von der Staatsanwaltschaft noch den Richtern ein Bezug zur rechtsextremen Ideologie hergestellt wird. Das löst, finde ich, zu Recht sehr viel Unverständnis aus.

Ich sehe sowohl die Polizei als auch die Justiz in der Pflicht, die Aus- und Fortbildungsinhalte, die wir bereits haben und über die wir im Innenausschuss schon diskutiert haben, weiterzuentwickeln und für das Thema Sensibilität zu schaffen.

Ich will es hier aber auch ganz klar sagen: Die PMK-rechts ist eben nur eine Statistik, die es als Kriminalstatistik nicht schafft, die alltäglichen Dimensionen von Rassismus, Diskriminierung wirklich abzubilden. Rassismus in der Gesellschaft ist mehr als die Anzahl der Straftaten, die nachher in der PMK-rechts auftauchen. Für viele Menschen ist das Alltag. Auch darüber müssen wir sprechen. Das fehlt mir aber in diesem Antrag.

(Beifall von den GRÜNEN)

Genauso kann die Statistik, von der Sie schreiben, sie sei ein Analyseelement, nur ein möglicher Baustein zu einer Analyse sein und Anhaltspunkte für Entwicklungen bieten. Sie kann auch vor Ort sehr hilfreich sein, wenn man in Auseinandersetzungen mit politisch Verantwortlichen tritt, die nicht wahrhaben wollen, dass man dort ein rechtsextremes Problem hat. Man kann denen dann nämlich zeigen, dass es vor Ort sehr wohl rechtsextreme Straftaten gibt.

Zu dem Zweck kann dieses Instrument hilfreich sein, ersetzt aber nicht die Analyse bei Rechtsterrorismus und Rechtsextremismus, die viel breiter angelegt sein muss: Wir brauchen Lagebilder, und zwar auch für Nordrhein-Westfalen, wie jeweils die Situation aussieht. Ich glaube, dass man für diese Lagebilder auch die Zusammenarbeit mit den Mobilen Beratungsteams, zwischen Polizei und Beratungsteams stärken könnte, um umfassende Erkenntnisse zusammenzutragen.

Für mich gehört zu den Lagebildern auch die Antwort auf die Frage nach antimuslimischen Straftaten und antiziganistischer Straftaten. Wie sind dort die Entwicklungen angesichts einer entsprechenden Stimmungslage, die wir momentan in der Gesellschaft einfach verspüren. Wir als Grüne haben es im Ausschuss bereits deutlich gemacht: Wir haben an dieser Stelle durchaus noch Diskussionsbedarf.

Etwas will ich noch sagen: Man kann uns, glaube ich, nicht vorwerfen, dass wir in den letzten Jahren untätig gewesen wären. Wir haben bei den Sicherheitsbehörden entsprechende Schwerpunkte gesetzt: Es gibt die Sonderkommissionen in Aachen, Wuppertal, Dortmund und Köln. Das finde ich sehr wichtig.

Präsidentin Carina Gödecke: Ihre Redezeit!

Verena Schäffer (GRÜNE): Es gibt das Kompetenzzentrum beim LKA. Wir haben im Verfassungsschutzgesetz den Schwerpunkt ganz klar auf gewaltorientierte Bestrebungen gesetzt, zu denen auch der Rechtsextremismus gehört.

– Letzter Satz, dann höre ich auf zu reden: Wir brauchen mehr als nur eine Statistik, sondern wir brauchen ein Zusammenspiel von einer starken Zivilgesellschaft, verlässlicher Finanzierung von Opferberatung und Mobiler Beratung, Aussteigerprogramme. Außerdem brauchen wir eine Schwerpunktsetzung bei den Sicherheitsbehörden. Nur dann können wir auch den Kampf gegen den Rechtsextremismus gewinnen.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)