Vor der Sommerpause haben alle Fraktionen im Landtag beschlossen, einen NSU Untersuchungsausschuss einzurichten. Der Ausschuss soll noch in diesem Jahr mit seiner Aufklärungsarbeit beginnen und bis zum Ende der Legislaturperiode 2017 seine Ergebnisse in einem Abschlussbericht zusammentragen. Den Beschluss finden Sie/findest du hier. Aufzuklären gibt es viel.
Blick zurück: Das Bekanntwerden des NSU löste Bundesweit eine Schockwelle aus
Die Aufdeckung des NSU im Herbst 2011 versetzte das Land in einen Schock. Was bis dahin für unmöglich gehalten wurde, war real: Uber 13 Jahre konnte eine militant rechtsextremistische Terrorgruppe unentdeckt durch die Republik ziehen und dabei Menschen ermorden, Sprengsatze zünden sowie Banküberfalle verüben. Ein eklatantes Versagen der Sicherheits- und Justizbehörden trat zu Tage.
Was war geschehen: Im November 2011 wurden Uwe Mundlos und Uwe Böhnhard, die mutmaßlichen Täter eines bewaffneten Banküberfalls, in Eisenach in einem Wohnmobil tot aufgefunden. Noch am gleichen Tag ereignete sich eine Explosion in einem Mehrfamilienhaus in Zwickau. Die Explosion wurde absichtlich herbeigeführt. Die tatverdächtige Beate Zschäpe stellte sich wenige Tage später der Polizei. Im Bauschutt des Hauses in Zwickau wurde eine Pistole des Typs ?eska CZ 83, Kaliber 7,65 mm mit verlängertem Lauf sichergestellt. Es handelte sich um die Waffe, mit der die bis dahin ungeklärten neun Morde an Kleinunternehmern mit Migrationshintergrund verübt worden waren. Daneben wurden mehrere DVD-Datenträger und Festplatten mit Videos gefunden. In den Videos bezeichnet sich eine Gruppierung unter dem Namen „Nationalsozialistischer Untergrund“ (NSU) „als ein Netzwerk von Kameraden mit dem Grundsatz ‚Taten statt Worte‘“. Mittels Ausschnitten von Fernsehberichten und Zeitungsartikeln werden unter anderem die neun Morde an den türkisch-, kurdisch- und griechischstämmigen Geschäftsleuten sowie die zwei Sprengstoffanschlage in Köln in menschenverachtender Weise dargestellt.
Welche Schwerpunkte will die Grüne Fraktion im Untersuchungsausschuss setzen?
Wir GRÜNE stehen für eine umfassende Aufklärung des Behördenversagens der NSU?Morde und haben daher im Bundestag für die Einrichtung des Untersuchungsausschuss gesorgt. Auch in Nordrhein?Westfalen hat es Fehler der Sicherheitsbehörden gegeben. Deshalb werden wir den Untersuchungsausschuss nutzen, um zur weiteren Aufklärung der NRW?Fälle beizutragen.
Im Mittelpunkt des Untersuchungsausschusses zur Aufklärung des NSU?Terrors in Nordrhein?Westfalen stehen folgende Tatkomplexe:
1. Anschlag in der Probsteigasse am 21. Dezember 2000 / 19. Januar 2001
2. Anschlag in der Keupstraße am 09. Juni 2004
3. Mord an Mehmet Kuba?ik am 04. April 2006
4. Tod und Rolle des V?Mannes Corelli des Bundesamtes für Verfassungsschutz
Die herausgehobene und bisher unbeantwortete Frage bei den beiden Anschlägen in Köln wie auch dem Mord in Dortmund ist, ob der NSU durch Einzelpersonen oder einem Netzwerk in Nordrhein?Westfalen unterstützt wurde. Um ein mögliches Unterstützernetzwerk aufzudecken, muss sich der Untersuchungsausschuss mit den zentralen Akteuren und Netzwerken der rechtsextremistischen Szene im Zusammenhang mit dem NSU ab den 1990er Jahren beschäftigen. Dazu gehören insbesondere die Fragen, welche organisatorischen Netzwerke ins benachbarte Ausland und nach Ostdeutschland und welche Strategien und Vorbereitungen zur Durchsetzung ideologischer Ziele mittels Gewalt sich in Nordrhein?Westfalen herausgebildet haben sowie zu welchen Gewaltanwendungen es durch rechtsextremistische Gruppierungen und Einzelpersonen gekommen ist.
Als Beginn des Untersuchungszeitraumes ist der Oktober 1991 vorgesehen. In der Nacht vom 2. auf den 3. Oktober 1991 verübten Rechtsextreme einen Anschlag auf ein Haus in Hünxe, in dem rund 50 Flüchtlinge untergebracht waren. Dabei wurden zwei Mädchen im Alter von sechs und sieben Jahren schwer verletzt. Die rechtsextremen Täter waren zwischen 18 und 19 Jahre alt und kamen aus Hünxe. Auch der NSU?Untersuchungsausschuss des Deutschen Bundestages hat festgestellt, dass die rassistische Stimmungslage in der Gesellschaft zu Beginn der 1990er Jahre zu einer Radikalisierung der rechtsextremistischen Szene in Thüringen und im Umfeld des NSU geführt hat. Für die rechtsextremistische Szene in Nordrhein?Westfalen kann der Anschlag in Hünxe als ein herausgehobenes Ereignis zur weiteren Radikalisierung benannt werden und wird deshalb als Untersuchungsbeginn dienen.
Die Mord? und Anschlagsserie des NSU hat ein eklatantes strukturelles Versagen der Sicherheitsbehörden offenbart. In Nordrhein?Westfalen wurden bereits erste Konsequenzen gezogen, dazu gehört die Verfassungsschutzreform, mit der u.a. öffentliche PKG?Sitzungen und gesetzliche Regelungen zum Einsatz von V?Personen beschlossen wurden.
Ähnlich wie in Berlin müssen Schlussfolgerungen für Struktur, Befugnisse und Qualifizierung aller nordrhein?westfälischen Sicherheits? und Justizbehörden sowie Maßnahmen zur Rechtsextremismus?Prävention erarbeitet werden. Dabei wollen wir GRÜNE die bereits umgesetzten Maßnahmen bewerten, Vorschläge zur Umsetzung der Schlussfolgerungen des Deutschen Bundestages auf der Landesebene machen sowie eigene Handlungsempfehlungen erarbeiten.
Die Stärke des Untersuchungsausschusses im Deutschen Bundestag lag darin, dass alle Fraktionen gemeinsam an der Aufklärung und der Erarbeitung von Handlungsempfehlungen gearbeitet haben. Auf diese Gemeinsamkeit setzen wir auch im nordrhein?westfälischen Landtag.
Was sind die Schlussfolgerungen des NSU Untersuchungsausschusses im Bundestag?
Der Untersuchungsausschuss stellte in seinen Schlussfolgerungen fest, dass die Ausschussmitglieder über viele Fragen, insbesondere zum Verfassungsschutz oder zum Einsatz von V-Personen, unterschiedlicher Auffassung sind. Gleichwohl kamen die Ausschussmitglieder überein, dass eine Reihe von Korrekturen und Reformen dringend geboten sind. Zu folgenden Bereichen gibt der Abschlussbericht des Untersuchungsausschusses insgesamt 47 gemeinsame Empfehlungen:
1. Empfehlungen für den Bereich der Polizei;
2. Empfehlungen für den Bereich der Justiz;
3. Empfehlungen für den Bereich der Verfassungsschutzbehörden;
4. Empfehlungen für den Bereich Vertrauensleute der Sicherheitsbehörden.
Darüber hinaus sprach sich der Untersuchungsausschuss mit Nachdruck für eine Neuordnung der Förderung zivilgesellschaftlichen Engagements gegen Rassismus, Antisemitismus und Rechtsextremismus aus, die für Verlässlichkeit sorgt und Planungssicherheit bietet. Der Abschlussbericht des Untersuchungsausschusses des Deutschen Bundestags findet sich hier.
Die Fälle aus Nordrhein?Westfalen finden sich auf den Seiten: Sprengfallenanschlag Probsteigasse/Köln, Seite 663 – 669; Nagelbombenanschlag Keupstraße/Köln, Seite 670 – 713; Mord an Mehmet Kuba??k/Dortmund, Seite 494 – 495.