Verena Schäffer (GRÜNE): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Die CDU hat gerade bei Herrn Lohns Einführung des Antrags bei genau einem Punkt geklatscht, und zwar als er gesagt hat, die Einheitspolizei sei gescheitert. Es war ganz interessant, das zu beobachten. Frau Schulze Föcking hat mit dem Klatschen angefangen. Ich glaube jedoch, dass nicht alle richtig mitbekommen haben, was Sie da gesagt haben.
Zu sagen, die Einheitspolizei sei gescheitert, ist ehrlich gesagt nicht nur populistisch, sondern wird auch der Polizeiarbeit in diesem Land absolut nicht gerecht. Zumal wir keine Einheitspolizei in dem Sinne haben. Es gibt eine einheitliche Ausbildung, aber es gibt doch in den Polizeibehörden verschiedene Direktionen. Es findet trotzdem eine Spezialisierung statt. Hier zu sagen, die Einheitspolizei sei gescheitert, das ist – sorry! – wirklich platt und auch der Debatte hier nicht angemessen.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Ich will noch einen anderen Punkt nennen, den ich schwierig finde. Die CDU spricht hier nur von der Kriminalpolizei. Ihnen geht es nur um die Ausbildung der Kripobeamtinnen und -beamten. Polizei ist aber viel mehr. Es ist okay, wenn eine Gewerkschaft das tut, und zwar der BDK, der Bund Deutscher Kriminalbeamter. Das ist auch seine Aufgabe, weil er die Interessenvertretung für die Kriminalbeamtinnen und -beamten ist.
Polizei ist aber mehr. Polizei hat auch noch andere Bereiche zu verantworten. Hier nur davon zu sprechen, wie Ausbildung für Kripobeamtinnen und -beamte verbessert werden kann, finde ich schwierig. Denn ich meine, dass Politik an dieser Stelle die gesamte Polizei im Blick haben muss. Hier ist unsere Verantwortung einfach größer, und der werden Sie aus meiner Sicht mit diesem Antrag nicht gerecht. Wenn wir über Ausbildung von Beamtinnen und Beamten bei der Polizei sprechen, dann müssen wir über alle sprechen und nicht nur über einen Bereich. Ich finde, das muss dann auch dazugehören.
(Beifall von den GRÜNEN)
Bevor ich auf die einzelnen Inhalte eingehe, will ich noch einmal herausarbeiten, warum wir eigentlich dieses Thema diskutieren. Wir diskutieren es nicht einfach so, weil sich die CDU mal mit dem Thema „Ausbildung“ auseinandersetzt, sondern es hat eine Vorgeschichte. Die Vorgeschichte ist: Wir hatten die menschenverachtenden Anschläge in Paris zu Beginn des Jahres, die uns alle schockiert haben, und haben die aktuelle Bedrohungslage deutschlandweit, aber auch in Nordrhein-Westfalen.
Daraufhin haben die Fraktionen von SPD und Grünen gesagt: Wir stellen mehr Polizei ein. Wir stellen zusätzliche Polizeistellen zur Verfügung, 360 Stellen für die nächsten drei Jahre. Das wiederum hat zu einer neuen Debatte über die Ausbildung geführt, weil die Frage im Raum steht: Wie schaffen wir es, dass junge Polizeibeamtinnen und -beamte möglichst schnell zur Kripo kommen? Das ist die Geschichte, auch wenn Sie in Ihrem Antrag völlig anders argumentieren.
Dass Sie einen solchen Antrag stellen, finde ich völlig legitim. Auch dass diese Frage im Raum steht, finde ich wichtig.
Was ich jedoch falsch finde, ist, gerade in diesem Bereich der Ausbildung hier mit Ad-hoc-Lösungen und mit kurzfristigen Lösungsvorschlägen zu kommen. Denn ich finde, gerade der Bereich Ausbildung, auch bei der Polizei, muss doch darauf ausgelegt sein, dass Verbesserungen immer nachhaltig, immer langfristig gemacht werden. Da finde ich es schwierig, wie Sie Ihren Antrag stellen. Ich finde, dass der an vielen Stellen auch zu kurz gesprungen ist. Darauf werde ich aber gleich noch eingehen.
Zum Thema „Kriminalitätsbekämpfung“: Das ist ja die Begründung in Ihrem Antrag. Sie sagen, Kriminalitätsbekämpfung liegt in Nordrhein-Westfalen angeblich am Boden. Es gibt aber in einigen Bereichen positive Entwicklungen. Das zeigt die aktuelle polizeiliche Kriminalstatistik, über die man immer vortrefflich streiten kann – das ist ja hier gerade auch schon passiert –, weil man natürlich Statistiken und Zahlen immer unterschiedlich interpretieren kann, gerade so wie man es braucht. Das ist ja vielleicht auch typisch für Politik. Das zeigt auch die Debatte gerade.
Abenteuerlich finde ich aber, dass Sie sagen, dass an der mangelhaften Kriminalitätsbekämpfung die Ausbildung schuld sei. Sie sagen ja im Prinzip, die Kriminalitätsbekämpfung sei schlecht und schuld daran sei die Ausbildung. Im nächsten Satz sagen Sie aber, viele Polizeibeamtinnen und -beamten bei der Kripo gingen in den nächsten Jahren in den Ruhestand. Diese, die jetzt in den Ruhestand gehen, sind doch aber gar nicht in den Genuss der einheitlichen Ausbildung gekommen. Die sind doch schon vorher ausgebildet worden. Hier widersprechen Sie sich sehr eindeutig.
Das finde ich auch ein bisschen zu monokausal, dass man Kriminalitätsentwicklungen, die ja nicht nur in Nordrhein-Westfalen, sondern auch bundesweit und europaweit vonstattengehen, allein mit der Ausbildung von Polizeibeamtinnen und -beamten begründet. An dieser Stelle finde ich Ihren Antrag völlig unterkomplex. Damit hätten Sie sich schon ein bisschen mehr Mühe geben müssen.
Präsidentin Carina Gödecke: Frau Kollegin Schäffer, Herr Kollege Lohn möchte Ihnen gerne eine Zwischenfrage stellen. Möchten Sie die zulassen?
Verena Schäffer (GRÜNE): Die lasse ich natürlich sehr gerne zu.
Werner Lohn (CDU): Vielen Dank, Frau Schäffer. – Ich finde es ja wirklich interessant, dass Sie jetzt erklären wollen, warum das Ausscheiden von an die 4.000 Kriminalbeamten keinen Erfahrungsverlust darstelle. Ich kann Ihnen sagen: Diejenigen, die jetzt ausscheiden, sind zwischen 60 und 62 Jahre alt, weil die eben pensioniert werden. Als die ihre Ausbildung gemacht haben, gab es noch eine sehr spezialisierte Ausbildung zwischen Schutzpolizei und Kriminalpolizei unterschiedlich. Wenn die weg sind, dann muss diese Erfahrung ersetzt werden. Wie stellen Sie sich das vor bei Ihrer Fehlbeurteilung der Lage? Wenn Sie sagen, das spielt doch alles gar keine Rolle, dann zeigen Sie nur, dass Sie keine Ahnung haben.
(Beifall von der CDU)
Verena Schäffer (GRÜNE): Das ist immer so einfach, anderen Leuten zu sagen, dass sie keine Ahnung haben. Aber ich will gerne darauf eingehen.
(Zurufe von der CDU)
Ich sage gar nicht, dass Herr Lohn keine Ahnung hat. Er war ja selber Polizeibeamter. Insofern können wir uns sehr gerne darüber unterhalten und darüber streiten.
Ich teile nur Ihre Interpretation einfach nicht, Herr Lohn. Das ist der Punkt.
(Zurufe von der CDU)
Herr Lohn, Sie haben jetzt wieder angeführt, dass viele in den Ruhestand gehen. Aber die sind nicht in dieser aktuellen Ausbildung gewesen. Das ist mein Punkt.
Ich teile Ihre Einschätzung total, dass es mit den ausscheidenden Beamtinnen und Beamten natürlich auch einen Erfahrungsverlust in der Polizei gibt. Das ist ein Problem, auf das wir eingehen müssen.
Das haben wir übrigens ja nicht nur in der Kriminalpolizei, sondern auch in den anderen Bereichen. Durch die hohen Pensionierungszahlen, die wir in den kommenden Jahren in allen Bereichen haben, verlieren wir natürlich auch einen breiten Erfahrungsschatz. Das ist ein Problem für die Polizei. Das müssen wir auch auffangen. Darüber müssen wir auch diskutieren.
Nur Ihre Behauptung, dass die einheitliche Ausbildung, die es für alle Bereiche der Polizei gibt, dazu führe, dass es diese Kriminalitätsentwicklung gibt, stelle ich infrage. Das ist mir zur monokausal und, wie gesagt, auch zu unterkomplex. Das teile ich einfach nach wie vor nicht. Ich glaube, damit machen Sie es sich auch ein Stück weit zu einfach, Herr Lohn.
Ich finde es schade, dass Sie es sich so einfach damit machen, weil ich das Thema „Ausbildung bei der Polizei“ hochspannend und gerade vor dem Hintergrund, dass in Zukunft so viele ausscheiden werden, auch wichtig finde.
Ich finde, dass wir aber an einer einheitlichen Ausbildung festhalten müssen, auch um eine Spaltung innerhalb der Polizei nicht voranzutreiben. Im Gegenteil: Ich halte es für relevant und notwendig, dass es breit in der Polizei dasselbe Fachwissen gibt.
Ich will auch den Beamtinnen und Beamten – diese Frage ist ungeklärt, auch in Ihrem Antrag – nach wie vor die Möglichkeit lassen, zwischen den Bereichen zu wechseln. Es entspricht doch heute nicht mehr der Lebensrealität, dass man in die Ausbildung geht und dann einen Beruf sein ganzes Leben lang ausübt. Das machen die Polizeibeamten und Polizeibeamtinnen ohnehin, weil sie sich für die Polizei entscheiden. Aber dass diese Beamtinnen und Beamten ihr Leben lang in der Kripo sind – Entschuldigung! –, das halte ich für völlig anachronistisch. Es ist doch nicht mehr die Lebensrealität, zumindest nicht die meiner Generation, dass wir unser ganzes Leben lang im selben Job, im selben Beruf sind.
Das kann man auch diesen Beamtinnen und Beamten nicht zumuten, dass sie sich mit 20 oder 21 Jahren dafür entscheiden, zur Kripo, zur Schutzpolizei, zum Beispiel in den Verkehrsbereich, zu gehen, und dann ihr Leben lang dort bleiben. Das finde ich unrealistisch. Denen muss man auch in Zukunft den Wechsel ermöglichen.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Noch eine organisatorische Sache, die damit ja auch zusammenhängt: Wenn Sie die Ausbildung trennen, dann müssen Sie im Prinzip festlegen, wie viele Kripobeamte wir in Zukunft haben wollen und wie viele wir im Schutzbereich haben wollen. Das heißt, Sie müssen Quoten festlegen. Sie müssen sagen, 25 % oder 30 % oder wie viele auch immer gehen in die eine Richtung und die anderen in die andere.
Das heißt aber im Umkehrschluss auch, Sie können auf aktuelle Situationen, wie wir sie momentan haben – Stichwort: aktuelle Bedrohungslage Salafismus –, gar nicht mehr reagieren, weil Sie nämlich ganz gezielt nur noch in Sparten ausbilden. Auch das halte ich für falsch, dass wir Polizei sozusagen nur in eine Richtung schicken. Wir müssen doch flexibel bleiben, auch als Politik, um auf aktuelle Lagen eingehen zu können. Auch das würden Sie mit diesem Antrag so verhindern. Das halte ich für falsch für die Polizei.
(Beifall von den GRÜNEN)
Diskussionswürdig finde ich aber – darüber sollten wir im Ausschuss diskutieren –, ob eine stärkere Modularisierung des Studiengangs möglich ist. Ich habe selber auf Bachelor studiert und bin vor fünf Jahren fertig geworden. Ich weiß, wie das mit Schwerpunktsetzungen im Bachelorstudiengang funktioniert. Darüber kann man durchaus diskutieren.
Der Innenminister hat auf einer Veranstaltung des BDK, des Bundes Deutscher Kriminalbeamter, angekündigt, dass das Innenministerium die derzeitigen Inhalte des Studiengangs noch einmal überprüft hinsichtlich der Qualität und Quantität der kriminalpolizeilichen Inhalte. Das finde ich gut. Ich finde, dass wir diese Ergebnisse abwarten und dann noch einmal gemeinsam darüber diskutieren sollten: Wo kann man die Ausbildung verbessern? Wo gibt es Möglichkeiten? Das gilt dann aber auch für beide Seiten, nicht nur für die Kripo, sondern auch für die Schutzpolizei. Das wäre mir persönlich sehr wichtig.
Ich hoffe, dass wir dann hier ein Stück weit die Oppositionsrhetorik verlassen können und wirklich in die vertiefte sachliche Auseinandersetzung gehen können, um das Beste herauszuholen für die Ausbildung unserer Polizei in NRW. – Vielen Dank.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)