Verena Schäffer (GRÜNE): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben gerade schon sehr intensiv über das Thema „Einbruchskriminalität“ diskutiert, auch über grenzüberschreitende Kriminalität, die wir hier zu verzeichnen haben. Dem setzt die nordrhein-westfälische Polizei das Projekt MOTIV entgegen; sie hat da ein sehr wirksames Konzept entwickelt. Deshalb gibt es aus meiner Sicht keinen Anlass für die Schleierfahndung, sondern es gibt ziemlich viele gute Gründe, die dagegensprechen, sie einzuführen.
Zum einen ist es ein erheblicher Grundrechtseingriff in die Privatsphäre aller Bürgerinnen und Bürger, die kontrolliert werden. Es wird quasi jede und jeder unter Generalverdacht gestellt, wenn anlasslose Kontrollen möglich werden. Vor dem Hintergrund der aktuellen Situation – wir haben gerade darüber gesprochen –, dass subjektiv ein Gefühl der Verunsicherung in der Bevölkerung besteht, stellt sich für die Politik die Frage – da sehe ich uns alle in der Verantwortung, auch die Fraktionen der Opposition –: Wie schaffen wir es, das Vertrauen in unsere Behörden, in die Polizei, in die Justiz, also in unseren Rechtsstaat, wieder zu stärken? Unser Rechtsstaat funktioniert; darüber haben wir vorhin lange und ausführlich diskutiert.
Ich glaube, wir stärken das Vertrauen in den Rechtsstaat nicht, indem wir jetzt anlasslose Kontrollen ermöglichen, sodass jede und jeder befürchten muss, immer und überall kontrolliert zu werden. Ganz im Gegenteil!
(Beifall von den GRÜNEN und Christian Dahm [SPD])
Zum anderen muss man auch darüber reden: Wie personalintensiv ist denn eigentlich die Schleierfahndung? Sie schreiben ja in Ihrem Antrag, wie viele Polizeibeamtinnen und -beamte in Bayern damit beschäftigt sind. Natürlich ist das personalintensiv. Folgerichtig wäre es eigentlich, wenn Sie mit Ihrem Antrag zusätzliche Polizeibeamtinnen und -beamte für diese Aufgabe fordern würden, wenn wir nicht Prioritäten bei der Polizeiarbeit verschieben wollen, was ich, ehrlich gesagt, falsch fände. Dazu sehe ich auch keinen Anlass. Das tun Sie aber nicht.
(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)
Weil die Schleierfahndung so personalintensiv ist, müssen Sie Kriterien festlegen: Wer wird denn eigentlich kontrolliert? Wenn jede und jeder immer kontrolliert werden kann, stellt sich die Frage der Kriterien; das hat auch mein Kollege schon angesprochen. Das birgt natürlich die Gefahr von Diskriminierungen. Ja, natürlich! Denn Sie müssen sich überlegen: Welche Gruppen mit welchen bestimmten Merkmalen kontrolliere ich, wenn ich nicht jeden kontrollieren will? Da kommen wir in eine Diskussion, die durchaus diskriminierungsanfällig ist und die wir Grüne hochproblematisch finden.
Man muss auch noch einmal sagen, dass man bei gewissen Anhaltspunkten heute schon Personenkontrollen durchführen kann. Das wird auch gemacht.
Insofern halte ich für die Grünen noch einmal fest: Die Schleierfahndung ist zum einen nicht verhältnismäßig, weil die Erfolge keinen Grundrechtseingriff rechtfertigen. Zum anderen besteht kein Bedarf dafür, weil die heutige Gesetzesgrundlage schon Personenkontrollen ermöglicht.
Der Überweisung an den Ausschuss werden wir natürlich zustimmen, aber ich kann hier schon ankündigen, genauso wie es die SPD getan hat, dass wir diesen Antrag nicht mittragen können und dagegenstimmen werden.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)