Verena Schäffer (GRÜNE): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Lürbke, ich finde die Formulierungen in Ihrem Antrag insgesamt, aber vor allem die Formulierung – ich zitiere –: „So unsicher waren die Menschen in NRW lange nicht mehr“, grob fahrlässig.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Grob fahrlässig, weil sie jeglicher Grundlage entbehrt und keinem Faktencheck standhält. Nehmen wir den Faktencheck vor und gehen wir in die Polizeiliche Kriminalstatistik für das Jahr 2015! Ja, es stimmt, die Zahl der Straftaten ist insgesamt leicht gestiegen: um 1,1 %.
Aber, wenn man sich die Straftaten ansieht, so sind Straftaten gegen das Leben, also Mord, Totschlag, um 6,2 % gesunken. Das ist der niedrigste Stand seit 20 Jahren.
Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung sind um 2,9 % gesunken.
Die Straßenkriminalität ist auf dem zweitniedrigsten Stand seit 1992.
Und Sie reden davon, dass die Menschen in Nordrhein-Westfalen noch nie so unsicher waren. – Das finde ich absolut unredlich.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD – Zurufe von der FDP)
Das ist nicht nur unredlich, sondern falsch. Das schürt Ängste, das schürt Unsicherheit, es ist faktenfrei. Und in Kombination mit dem Zitat in Ihrem Antrag, dass die Polizei funktionsunfähig sei und die Sicherheit nicht gewährleisten könnte, ist es nicht nur falsch, sondern spielt auch den Falschen in die Hände.
Es ist Aufgabe der Opposition, die Probleme und Herausforderungen, die wir in der Innenpolitik haben, zu benennen – ja, das gestehe ich Ihnen zu –, und es ist unsere Aufgabe als Parlament darüber zu diskutieren.
Aber so einen Diskurs in der aktuellen Situation zu befeuern, einen Diskurs, dass angeblich der Rechtsstaat nicht handlungsfähig sei, das Gewaltmonopol nicht durchzusetzen sei, das finde ich wirklich fahrlässig; das finde ich gefährlich. Ich bitte Sie, von einem solchen Populismus abzusehen und zur Realität zurückzukehren.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD – Zuruf von der CDU)
– Ja, ich rede über die Realität. Gucken Sie sich doch mal die Polizeiliche Kriminalstatistik an! Ich habe Ihnen gerade die Zahlen der Kriminalentwicklung vorgelesen. Ich sage Ihnen: Auch ich habe Sorgen, wenn ich mir anschaue, wie sich die Einbruchskriminalität weiterentwickelt. Es ist ja nicht so, als würde ich das wegreden wollen. Natürlich gucken wir da kritisch drauf und nehmen die Steigerung mit Sorge wahr.
Ich finde es deshalb so wichtig, darüber zu reden, weil wir nicht nur über nackte Zahlen reden, über eine Steigerung der Einbruchskriminalität, sondern wir reden über Menschen, die Opfer von Einbrüchen werden, von Menschen, die zum Teil traumatische Erfahrungen machen, die dort, wo sie sich am sichersten fühlen sollten – zu Hause –, einen Eingriff in ihre Privatsphäre erleben. Das Thema nehmen wir sehr ernst. Natürlich bereiten uns diese Zahlen auch Sorgen.
Aber ich finde, wenn man seriös über dieses Thema diskutieren will – ich glaube, diesen Anspruch sollten wir alle hier im Parlament haben –, dann muss man sich Zahlen und Fakten anschauen, dann muss man sich auch die Lage von Nordrhein-Westfalen noch einmal anschauen. In Nordrhein-Westfalen befindet sich mit der Metropolregion Rhein-Ruhr die bevölkerungsreichste Region in Deutschland. Hier gibt es ein gut ausgebautes Autobahnnetz, das natürlich schnelle Fluchtwege, schnelle Reisewege ermöglicht.
Die Situation in unserem Bundesland ist, Herr Biesenbach, auch aufgrund der Struktur und der Bevölkerungsdichte nicht mit der in anderen Flächenländern wie Bayern oder Baden-Württemberg vergleichbar. Ich finde es unredlich, solche Vergleiche anzustellen.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Es ist ja auch nicht so, als würden wir nicht reagieren und als würde das Innenministerium nicht reagieren. Es gibt mit MOTIV – Mobile Täter im Visier – ein Programm, das für verbesserte Erkenntnislagen, für einen Ermittlungsdruck gegen Intensiv- und Serientäter sorgt. Dieses Konzept MOTIV wurde ja auch von der Innenministerkonferenz als Vorbild für andere Bundesländer genannt. Das nehme ich sozusagen als Vertrauensbeweis der Innenministerkonferenz und als Lob wahr, dass wir hier auf dem richtigen Weg sind.
Den Bereich der Prävention tun Sie ja immer ein Stück weit ab. Aber ich finde, man muss auch darüber reden. Wenn wir uns die Zahlen ansehen, stellen wir fest, dass nach der Polizeilichen Kriminalstatistik immerhin 43,7 % der Einbrüche eben nicht gelingen, dass sie im Versuchsstadium stecken bleiben. Das finde ich wichtig. Der Anteil der versuchten Einbrüche ist im Vergleich zum Vorjahr, zu 2014, noch einmal gestiegen. Dieser Weg von „Prävention vor Repression“ ist aus meiner Sicht der richtige.
An die Adresse der FDP gerichtet will ich noch sagen: Es ist interessant, dass eine Partei, die sonst immer davon redet, dass wir einen schlanken Staat brauchen, die „Privat vor Staat“ propagiert, die fordert, Sparen über alles zu stellen,
(Zurufe von der FDP)
dass diese FDP an dieser Stelle meint, wir hätten bei der Polizei einen Personalmangel. – Den haben wir nicht! Ich will hier noch einmal klarstellen: Die Polizei in Nordrhein-Westfalen ist in der Lage, das Gewaltmonopol des Staates durchzusetzen, und das macht sie auch.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Wir stellen allein in diesem Jahr 1.920 neue Polizeibeamtinnen und -beamte ein. Das ist ein Rekordwert an neuen Einstellungen.
Auch mit dem Nachtragshaushalt, der sich derzeit noch in der Beratung befindet, stellen wir Tarifbeschäftigte ein. Wir sorgen durch eine verlängerte Lebensarbeitszeit dafür, dass mehr Polizeibeamtinnen und -beamte auf der Straße, aber auch in den Kommissariaten im Bereich der Straßen- und Einbruchskriminalität zur Verfügung stehen.
Ich finde, das sind die richtigen Ansätze, die wir hier wählen, und die werden wir so auch weiterverfolgen. – Herzlichen Dank.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
2. Runde:
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Verena Schäffer (GRÜNE): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Lürbke, Herr Laschet, ich finde es wirklich ekelhaft, wie Sie hier Ängste schüren und eine Unsicherheit herbeireden. Das halte ich für absolut unangemessen.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD – Armin Laschet [CDU]: Mein Gott! Was soll das denn? Wo leben Sie denn? – Gegenruf von Jochen Ott [SPD]: In welcher Welt leben Sie denn?)
Ich hatte vorhin schon auf die Zahlen in der Polizeilichen Kriminalstatistik hingewiesen. Ja, es stimmt, es gibt eine Unsicherheit in der Bevölkerung. Aber ich finde, es liegt auch in unserer Verantwortung als Politik, genau das aufzunehmen
(Armin Laschet [CDU]: Genau! Wir haben Verantwortung für die Bürger! – Gegenruf von Jochen Ott [SPD]: Sie haben Verantwortung? – Gegenruf von Armin Laschet [CDU]: Dass Sie in Köln leben und die Probleme vor Ihrer Haustür nicht sehen, ist schlecht! Sie wissen es doch!)
und auch zu zeigen, dass dies nicht für alle Stellen gilt, und darauf hatte der Innenminister anhand der Zahlen hingewiesen. Die Zahlen in der Polizeilichen Kriminalstatistik belegen es.
(Zurufe von der FDP: Nein!)
Ja, ich gebe Ihnen recht: Wir haben ein Problem beim Thema „Einbruchskriminalität“. Das nehmen wir wahr, und das nehmen wir auch ernst. Deshalb gibt es Konzepte wie „Riegel vor!“ und „MOTIV“, die gut funktionieren. Dies gilt gerade für „Riegel vor!“: Wenn man sich die hohe Anzahl an versuchten Einbrüchen anschaut, die gerade im Versuchsstadium stecken bleiben, dann sieht man, dass dieses Präventivkonzept funktioniert.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD – Widerspruch von der CDU und der FDP)
Und dabei geht es nicht darum, den Bürgerinnen und Bürgern die Verantwortung für die Sicherheit anzulasten, sondern darum, wirksam gegen Einbruchsdelikte vorzugehen. Ich finde, die Forderungen, die auch von Kollegen der Piratenfraktion gestellt wurden, sind sehr bedenkenswert. Soweit ich weiß, gibt es eine Zusammenarbeit mit der Wohnungswirtschaft, im Rahmen derer man gemeinsam schaut, wie man den Einbruchsschutz von Wohnungen gewährleisten kann.
Ich sage Ihnen auch noch einmal: Sie haben Köln angesprochen. Ja, wir arbeiten Fehler beim Einsatz in der Silvesternacht in Köln sauber ab. Aber das unterscheidet uns eben auch: Wir arbeiten Fehler, die passiert sind, und auch das Thema „Einbruchskriminalität“ sauber ab.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD – Widerspruch von der CDU und der FDP)
Sie machen es aber nicht. Sie versuchen, auf populistische Weise Geländegewinn zu erzielen. Ich finde es unverantwortlich, was Sie hier betreiben.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Herr Laschet, Sie haben gerade in Ihrer Rede einen Kurswechsel gefordert. Das haben Sie hier mehrfach gesagt. Sie haben aber nicht gesagt, wie ein solcher Kurswechsel aussehen soll. Sie liefern keine Antworten.
(Armin Laschet [CDU]: Wir machen Vorschläge!)
– Nein, das machen Sie nicht. Sie haben hier keine einzige Antwort geliefert. Wie lautet denn Ihre Antwort?
(Henning Rehbaum [CDU]: Anträge ohne Ende!)
Ihre Antwort auf das Thema „Einbruchskriminalität“ ist Schleierfahndung? Meinen Sie das ernst?
(Armin Laschet [CDU]: Ja, ja, ja!)
Das meinen Sie doch nicht ernst.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Sie sagen, wir bräuchten eine Ausweitung der Videoüberwachung. Sie sagen, wir sollten alle Grenzen, die es im Polizeigesetz gibt, über Bord werfen. Das bringt doch nur Scheinsicherheit. Ja, wir arbeiten das Thema „Videobeobachtung“ sauber ab. Wir prüfen Standorte daraufhin ab, ob die rechtlichen Voraussetzungen für eine Videoüberwachung vorliegen, allerdings eingebettet in ein Gesamtkonzept mit Beamtinnen und Beamten, die am Bildschirm sitzen und tatsächlich für mehr Sicherheit sorgen, wenn sie ihre Kolleginnen und Kollegen zu Einsatzorten lotsen können.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Was Sie wollen, ist eine anlasslose, flächendeckende Videoüberwachung in ganz Nordrhein-Westfalen, die außer Scheinsicherheit gar nichts bringt. Auch das unterscheidet uns: Wir reden darüber, wie wir die innere Sicherheit in Nordrhein-Westfalen stärken können, statt nur über Scheinsicherheit zu diskutieren.
(Beifall von den GRÜNEN)
Ich möchte mich auch an die FDP wenden. Sie reden immer vom Sparen. So hat Herr Witzel in der letzten Haushaltsdebatte Einsparungen von 700 Millionen € im Landeshaushalt gefordert. Das geht aber nur, wenn man auch beim Personal spart, und das würde bedeuten: auch bei Polizei.
(Widerspruch von der FDP – Zuruf von Sigrid Beer [GRÜNE])
Sie wollen also bei der Polizei sparen, und wir stellen mehr ein – das will ich hier noch einmal festhalten –, und zwar allein in diesem Jahr 1.920 neue Polizeibeamtinnen und -beamte!
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)