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Verena Schäffer (GRÜNE): Herr Präsident! Sehr geehrter Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir sind uns einig in der Feststellung, dass hinter jedem Wohnungseinbruch immer Menschen stehen, die zum Teil dramatische Erfahrungen machen, wenn bei ihnen eingebrochen wird; denn es handelt sich um ein Eindringen in die Privatsphäre, ausgerechnet an dem Ort, an dem man sich zu Hause fühlt und an dem man sich eigentlich am sichersten fühlen sollte. Das muss für die Opfer schrecklich sein.

Aber bei dieser Feststellung endet auch schon unsere Gemeinsamkeit. Ja, die Zahl der Wohnungseinbrüche ist in den vergangenen Jahren angestiegen. Diese Zahlen nehmen wir nicht einfach hin, sondern wir nehmen sie sehr ernst und handeln auch entsprechend.

Die Vergleiche, die Sie hier immer wieder anstellen, zum Beispiel mit Bayern, sind jedoch einfach nicht nachvollziehbar. Nordrhein-Westfalen besteht aus Ballungszentren, hat eine hohe Bevölkerungsdichte und gute Autobahnanbindungen. Deswegen können Sie Nordrhein-Westfalen nicht einfach mit anderen Bundesländern vergleichen.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)

Dass Sie bei diesem Antrag wieder mit der Schleierfahndung um die Ecke kommen und damit Wohnungseinbruchsdelikte bekämpfen wollen, sieht Ihnen, ehrlich gesagt, ähnlich. Wir haben die Anhörung im Innenausschuss noch vor uns, wir haben sie noch nicht durchgeführt. Vielleicht sollten wir diese erst einmal abwarten.

Ich erkläre Ihnen aber gern noch einmal unsere grüne Position zum Thema „Schleierfahndung“, die wir hoch problematisch finden, weil sie immer einen erheblichen Grundrechtseingriff darstellt.

Vizepräsident Oliver Keymis: Frau Kollegin, würden Sie vorher noch eine Zwischenfrage von Herrn Biesenbach erlauben?

Verena Schäffer (GRÜNE): Ja, gerne.

Vizepräsident Oliver Keymis: Das ist nett. – Bitte schön, Herr Biesenbach.

Peter Biesenbach (CDU): Frau Schäffer, vielen Dank. – Sie sagen, NRW und Bayern seien nicht vergleichbar. – Einverstanden. Aber ist es denn dann nicht auch zulässig, daran zu erinnern, dass in Bayern beispielweise das Risiko, Opfer eines Wohnungseinbruchs zu werden, nur ein Sechstel so hoch ist?

Zur zweiten Situation. Wir können doch zumindest zwei Städte vergleichen: Köln und München. In München beträgt die Aufklärungsquote von Straftaten gut 70 %, in Köln nicht einmal 49 %, und was die Wohnungseinbrüche angeht, sind es gerade einmal zwischen 6 und 8 % pro Jahr.

Vizepräsident Oliver Keymis: Die Frage, Herr Kollege.

Peter Biesenbach (CDU): Ja. – Meine Frage lautet: Halten Sie diese Zahl, auch wenn Sie es nicht als direkt vergleichbar ansehen, trotzdem für aussagekräftig?

Verena Schäffer (GRÜNE): Ich bleibe dabei, dass man Bayern und Nordrhein-Westfalen als Flächenländer nicht vergleichen kann, einfach weil sie unterschiedlich strukturiert sind, was Bevölkerungsdichte, Autobahnanbindungen und Ballungszentren angeht. Man muss sich einfach klar machen, dass die Rhein-Ruhr-Schiene das größte Ballungszentrum in ganz Europa darstellt. Natürlich gibt es dort andere Tatgelegenheitsstrukturen als in Bayern auf dem Land. Das muss man einfach erst einmal feststellen. Man muss sich zudem anschauen, wie die PKS dargestellt ist. Man kann die Zahlen nicht einfach nebeneinanderlegen. Das finde ich unredlich, und diese Vergleiche werden wir auch nicht anstellen.

Lassen Sie uns doch lieber konkret überlegen, was man in Nordrhein-Westfalen tun kann. Wir tun mit unserer Kampagne „MOTIV“ bzw. „Riegel vor!“ schon sehr viel. Ich finde, dass wir in dieser Hinsicht sehr gut aufgestellt sind.

Ich möchte aber noch etwas zum Thema „Schleierfahndung“ sagen, weil Sie diese als Konzept darstellen, um gegen Einbruchskriminalität vorzugehen.

Ich habe gerade schon gesagt, dass die Schleierfahndung einen Grundrechtseingriff birgt, den wir problematisch finden. Außerdem halten wir es für problematisch, dass mit der Schleierfahndung immer auch die Gefahr besteht, dass Diskriminierung Vorschub geleistet wird; denn wenn man die Schleierfahndung durchführt, muss man bei der Entscheidung, welche Personen kontrolliert werden sollen und welche nicht, nach irgendwelchen Kriterien vorgehen. Sie können schließlich nicht anlasslos jede Person kontrollieren. Das wäre viel zu arbeits- und personalintensiv. Bei der Schleierfahndung muss man sich an Merkmalen orientieren und danach entscheiden, weshalb immer die Gefahr der Diskriminierung besteht. Das ist mit uns Grünen nicht zu machen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Abgesehen davon – darauf möchte ich auch noch einmal hinweisen – ist die Schleierfahndung extrem personalintensiv. Ich finde, hier wird Ihre Argumentation auch brüchig; denn genau das ist der Punkt, den Sie beim Blitzmarathon kritisieren. Der Blitzmarathon findet aber nur an bestimmten Tagen im Jahr statt, während die Schleierfahndung nach Ihrer Vorstellung 24 Stunden pro Tag an den Grenzen erfolgen soll. Das passt aus meiner Sicht nicht zusammen.

Ich möchte in diesem Zusammenhang auch meinem Vorredner recht geben, dass wir die Themen nicht gegeneinander ausspielen sollten. Auch die Verkehrssicherheit ist ein wichtiges Thema der Polizei, und es ist ihre Aufgabe.

(Beifall von Andreas Bialas [SPD])

Die Studie der RWTH Aachen belegt übrigens sehr wohl, dass beim Blitzmarathon eine Nachhaltigkeit existiert. Das mag Ihnen vielleicht nicht passen, aber vielleicht schauen Sie sich die Studie einmal an.

(Beifall von Andreas Bialas [SPD])

Auch ein anderer Punkt, den Sie hier in Ihrem sogenannten Paket vorstellen, nämlich die Forderung nach einer Verdoppelung der Anzahl von Ermittlungskommissionen, ist mir, ehrlich gesagt, schlicht zu pauschal.

In Bezug auf das Thema „Predictive Policing“ sagen Sie, es wäre schon alles klar, und es gäbe die Studien dazu. Das stimmt aber so nicht.

Sie sagen, für Laborversuche hätte man keine Zeit. Aber ganz ehrlich: Bevor ich etwas in die Fläche trage, muss ich doch erst einmal wissen, ob es wirklich nachhaltig ist, ob es funktioniert und ob ich mich auf die Zahlen verlassen kann.

Deshalb sagen wir: Bevor wir den landesweiten Einsatz haben wollen, muss erst einmal feststehen, ob dieses Predictive Policing überhaupt funktioniert. Deswegen machen wir die Pilotversuche an zwei Standorten in Nordrhein-Westfalen.

Wir sind in NRW bei der Bekämpfung der Einbruchskriminalität gut aufgestellt. Unsere Programme werden auch von anderen Bundesländern angenommen. Es ist auch von der Innenministerkonferenz noch einmal bestätigt worden, dass zum Beispiel das täterorientierte Konzept „MOTIV – Mobile Täter im Visier“ gut ist und auch anderen empfohlen wird. Ich finde auch: Mit dem präventiven Angeboten zum Beispiel mit „Riegel vor!“ gehen wir hierbei den richtigen Weg.

Ich möchte noch einige Sätze zum Thema „Personalintensität“ und zur Frage sagen, welches Personal zur Verfügung steht. Wir haben in den vergangenen Jahren die Personalstärke bei der Polizei nachhaltig und deutlich erhöht. Gestern hat das Kabinett verabschiedet und verkündet, dass im nächsten Jahr 2017 die Einstellungsermächtigung deutlich erhöht werden soll: auf einen absoluten Rekordwert von 2.000 Kommissaranwärterinnen und Kommissaranwärter.

(Minister Ralf Jäger: Jedes Jahr!)

– Jedes Jahr. – Das sehe ich als Erfolg rot-grüner Innenpolitik.

(Beifall von Martin-Sebastian Abel [GRÜNE] und Andreas Bialas [SPD])

Natürlich wird dieses Personal auch bei der Bekämpfung der Wohnungseinbruchskriminalität eingesetzt werden. – Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)