Verena Schäffer (GRÜNE): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Angesichts des Dieselskandals und des Betrugs an Tausenden von Autobesitzerinnen und Autobesitzern ist es absolut angebracht, zu hinterfragen, wie und ob solche strukturell und wissentlich angelegten Rechtsverstöße angemessen bestraft werden.

Wenn man sich die derzeit geltende Regelung im Ordnungswidrigkeitengesetz anschaut, dann wirft das schon einige Fragen auf. Es geht um die fehlende Pflicht, Ermittlungen bei einem entsprechenden Verdacht einleiten zu müssen. Aber auch die Obergrenze von 10 Millionen € Strafe wirft Fragen auf, die diskutiert werden müssen.

Wenn man sich anschaut, welche Schäden bei solchen kriminellen Handlungen entstehen, dann ist eines klar: Das Verhältnis der Strafe steht in keinem guten Verhältnis zu den illegal gewonnenen Einnahmen durch das kriminelle Handeln und zu dem Schaden an der Bevölkerung. Die derzeitige Gesetzeslage kann letztendlich keine wirksame Abschreckung entfalten.

Neben der Obergrenze für die Geldstrafe kann und darf es nicht sein, dass derzeit nur einzelne Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter quasi als Bauernopfer belangt werden können. Das gilt insbesondere für solche Fälle, in denen das Management von den Rechtsverstößen wusste und sie womöglich angeordnet hat oder in Kenntnis der Sachlage bewusst nichts dagegen unternommen hat. Ich kann den Frust von Geschädigten verstehen, wenn verantwortliche Wirtschaftsakteure nicht belangt werden bzw. nicht belangt werden können.

Ich will noch einmal auf den Fall Envio in Dortmund eingehen, ein ganz konkreter Fall, den wir in Nordrhein-Westfalen erlebt haben. Die Rechtsverstöße der Firma Envio gelten zu Recht als einer größten Umweltskandale der Bundesrepublik. Hier wurden Arbeitsschutzmaßnahmen ganz grob missachtet. Bei mehreren Hundert Arbeitern wurden zu hohe PCB-Werte im Blut gemessen. Es wurden Eltern und deren Kinder kontaminiert. Die gesundheitlichen Schäden sind heute noch da, weil das Unternehmen Envio ganz offensichtlich auf Profit gesetzt und sich überhaupt nicht um Vorsichtsmaßnahmen, um das Interesse seiner Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gekümmert hat.

Im April 2017 wurde das Verfahren gegen den Manager von Envio eingestellt. Das ist für die geschädigten Personen, und zwar sowohl für die geschädigten Arbeitnehmer und deren Familien, aber auch für die Anwohnerinnen und Anwohner, kaum zu akzeptieren. Das ist absolut nachvollziehbar, und es geht mir, ehrlich gesagt, ähnlich. Das gilt auch für die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler; denn es ist ja nach wie vor nicht klar, wer eigentlich die 7 Millionen € bezahlen soll, die für die Sanierung benötigt werden. Wahrscheinlich wird das nachher die öffentliche Hand tragen müssen.

Deshalb muss es uns doch darum gehen, dass kriminelle Unternehmen angemessen bestraft werden. Es muss uns aber auch darum gehen, weil wir ein Interesse daran haben, das Vertrauen in den Rechtsstaat zu stärken. Gerade deshalb brauchen wir eine wirksame Ahndung von Rechtsverstößen von Unternehmen.

Ich glaube, dass wir eine wirklich spannende Debatte im Rechtsausschuss vor uns haben, und darauf freue ich mich.

Eines will ich mir aber nicht verkneifen: Wenn ich richtig informiert bin, dann gehört der Bundesjustizminister der antragstellenden Fraktion an.

Ich finde es ein bisschen schade, dass in den letzten vier Jahren im Deutschen Bundestag wenig zu diesem Thema passiert ist, das wir jetzt hier im Landtag diskutieren. Da hätte ich mir auf Bundesebene in den letzten Jahren ehrlich gesagt dann doch mehr gewünscht.

Aber nichtsdestotrotz ist es ein spannendes Thema. Ich danke auch der SPD, dass sie es auf die Tagesordnung für den Rechtsausschuss gesetzt hat. Ich freue mich auf die Diskussion und finde, dass wir die Debatte da ausführlich führen sollten.

(Beifall von den GRÜNEN)