Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Freundinnen und Freunde,

in den vergangenen Wochen haben wir zum Themenfeld Rechtsextremismus eine Reihe von Kleinen Anfragen an die Landesregierung gestellt. Dieser Newsletter gibt einen kurzen Überblick über die Antworten auf die Anfragen zu den Straftaten der politisch motivierten Kriminalität – Rechts (PMK-Rechts), zur Identitären Bewegung und der Reichsbürgerbewegung.

  1. Aktuelle Zahlen zur politisch motivierten Kriminalität – Rechts
  2. Die Identitäre Bewegung in Nordrhein-Westfalen
  3. Die Reichsbürgerbewegung in Nordrhein-Westfalen

 

  1. Aktuelle Zahlen zur politisch motivierten Kriminalität – Rechts

In den vergangenen Jahren war ein sprunghafter Anstieg der politisch rechts motivierten Straftaten zu verzeichnen. Im ersten Halbjahr 2017 stellen wir einen Rückgang der Straftaten fest. Ihre Anzahl liegt aber nach wie vor über dem Niveau des ersten Halbjahres 2014. Ab dem letzten Quartal des Jahres 2014 sind die politisch motivierten Straftaten aufgrund der HoGeSa- und Pegida-Demonstrationen sowie der beginnenden Radikalisierung der AfD stark angestiegen. Dies geht auch aus der Excel-Tabelle mit dem Vergleich der politisch motivierten Kriminalität – Rechts im Zeitraum von 2011 bis zum ersten Halbjahr 2017 hervor. Sie ist hier online zu finden.

Insgesamt wurden im ersten Halbjahr 2017 1.667 Straftaten der politisch motivierten Kriminalität – Rechts erfasst. Im ersten Halbjahr 2016 waren es 2.686 Straftaten und im ersten Halbjahr 2014 noch 1.307 Straftaten. Dieser Rückgang spiegelt sich auch in den Zahlen zu Gewaltdelikten, zur Hasskriminalität, flüchtlingsfeindlichen und antisemitischen Straftaten wider. Der Rückgang der Straftaten darf jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass rechtsextreme Straftaten und vor allem rechtsextreme Gewalt weiterhin ein enormes Problem im Nordrhein-Westfalen darstellen und aktiv dagegen vorgegangen werden muss.

Im Themenfeld Hasskriminalität wurden 653 Straftaten im ersten Halbjahr 2017 erfasst, was dem Niveau vom ersten Halbjahr 2015 mit 641 Straftaten entspricht. Im ersten Halbjahr 2016 wurden 1.413 Fälle der Hasskriminalität registriert. Nach wie vor stellen die Straftaten im Themenfeld Hasskriminalität den zweithöchsten Wert nach dem Themenfeld Nationalsozialismus/Sozialdarwinismus dar und bewegen sich auf einem hohen Niveau. Sehr deutlich ist der Rückgang der flüchtlingsfeindlichen Straftaten, die von 343 im ersten Halbjahr 2016 auf 79 im ersten Halbjahr 2017 zurückgegangen sind, was in etwa dem Wert vom ersten Halbjahr 2015 mit 60 Straftaten entspricht. Erklären lässt sich dies möglichweise damit, dass es weniger Debatten um die Einrichtung von Unterkünften für Geflüchtete vor Ort gab.

Auch im Falle der antisemitischen Straftaten ist ein Rückgang von 155 Straftaten im ersten Halbjahr 2016 auf 122 Straftaten im ersten Halbjahr 2017 in etwa auf das Niveau des ersten Halbjahrs 2015 mit 133 Straftaten zu verzeichnen. In all unseren Abfragen der vergangenen Jahre haben wir gesehen, dass die meisten antisemitischen Straftaten einen rechtsextremen Hintergrund haben. Im ersten Halbjahr 2017 waren es 117 von 122 Straftaten.

Neu hinzugekommen ist die Erfassung von Hasspostings als eigenes Themenfeld. Hier wurden im ersten halben Jahr bereits 217 Straftaten gezählt. Wir werden die Entwicklung natürlich weiter im Blick haben.

Schwerpunkte rechtsextremer Straftaten sind weiterhin in Dortmund (98 Straftaten), Köln (93), Düsseldorf (89), Essen (77) und Wuppertal (69). Hier online eine Excel-Tabelle zum Vergleich der Straftaten nach Orten von 2012 bis zum ersten Halbjahr 2017.

Meine Kleine Anfrage zu antimuslimischen Straftaten ist bisher nicht beantwortet worden. Sobald diese vorliegt, informiere ich auch darüber gerne.

Hier ist die Antwort auf meine Kleine Anfrage zur politisch motivierten Kriminalität  – Rechts abrufbar:
http://www.landtag.nrw.de/portal/WWW/dokumentenarchiv/Dokument/MMD17-580.pdf

Hier ist die Antwort auf meine Kleine Anfrage zu flüchtlingsfeindlichen Straftaten abrufbar:
http://www.landtag.nrw.de/portal/WWW/dokumentenarchiv/Dokument/MMD17-581.pdf

Hier ist die Antwort auf meine Kleine Anfrage zu antisemitischen Straftaten abrufbar:
http://www.landtag.nrw.de/portal/WWW/dokumentenarchiv/Dokument/MMD17-579.pdf

  1. Die Identitäre Bewegung in Nordrhein-Westfalen

In den vergangenen Monaten hat die „Identitäre Bewegung“ immer offensiver die öffentliche Aufmerksamkeit gesucht. Mit Aktionen, wie dem Entrollen eines Banners am Kölner Hauptbahnhof, der Demonstration vor dem Bundesjustizministerium am 19. Mai oder auch dem Versuch, mit einem eigens gecharterten Schiff Flüchtlinge im Mittelmeer abzufangen, versucht die Szene auf sich und ihre rassistischen Positionen aufmerksam zu machen. Die Antwort auf meine Kleine Anfrage macht deutlich, dass die „Identitäre Bewegung“ gewaltbereit ist. Von den rund 50 Personen, die der Verfassungsschutz der „Identitären Bewegung“ zuordnet, sind 16 Personen polizeibekannt. Unter den von Angehörigen der „Identitären Bewegung“ begangenen Straftaten sind auch Volksverhetzung und gefährliche Körperverletzung aufgeführt.

Verbindungen zu weiteren rechtsextremen Organisationen sieht der Verfassungsschutz in persönlichen Kennverhältnissen, stellt aber auch heraus, dass die Ortsgruppe der IB in Aachen vorwiegend aus Mitgliedern besteht, die der örtlichen Neonaziszene angehören. Als Verbindung zur AfD wird lediglich eine Person aus der AfD-Hochschulgruppe in Düsseldorf genannt. Bemerkenswert ist allerdings, dass der AfD-Landtagsabgeordnete Beckamp sich in sozialen Medien positiv über die Aktion der IB zur Zurückdrängung von Flüchtlingen im Mittelmeer äußert.

Hier ist die Antwort auf meine Kleine Anfrage abrufbar:
http://www.landtag.nrw.de/portal/WWW/dokumentenarchiv/Dokument/MMD17-172.pdf

 

  1. Die Reichsbürgerbewegung in Nordrhein-Westfalen

Bei den Reichsbürger*innen handelt es sich neben der Identitären Bewegung um eine weitere neue Entwicklung im rechten Spektrum. Ihre Ideologie ist im Kern rechtsextremistisch, sie vertreten geschichtsrevisionistische, rassistische, antisemitische und völkische Positionen. Während der Verfassungsschutz im Oktober 2016 noch von einer niedrigen dreistelligen Zahl ausging, zählt er inzwischen etwa 2.000 Reichsbürger*innen allein in Nordrhein-Westfalen. Dieser scheinbar sprunghafte Anstieg hängt auch mit der Aufhellung des Dunkelfelds zusammen. Offenbar sind die Behörden heute stärker sensibilisiert. Dennoch ist der Zulauf besorgniserregend.

In der Antwort der Landesregierung werden erstmals die Zahlen der politischen motivierten Kriminalität durch Reichsbürger*innen veröffentlicht. Allein im ersten Halbjahr 2017 wurden 20 Straftaten verzeichnet. Von diesen richteten sich 12 Straftaten gegen Angehörige der Polizei sowie gegen Amts- und Mandatsträger*innen. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes sind also in einem besonderen Maße von Straftaten der Reichsbürger*innen betroffen. Es kam unter anderem zu Beleidigungen, Nötigungen und in einem Fall sogar zu einer vorsätzlichen einfachen Körperverletzung. Dies lässt sich unter anderem mit der Ablehnung rechtsstaatlicher Strukturen erklären, die für die Reichsbürger*innen identitätsstiftend ist. Darüber hinaus haben Reichsbürger*innen auch Volksverhetzungen und sogenannte Propagandadelikte begangen. Auch Personen, die nicht dem öffentlichen Dienst angehören, sind Opfer von Beleidigungen und Nötigung durch Mitglieder der Reichsbürgerbewegung geworden.

Die Reichsbürger*innen sind in Nordrhein-Westfalen sehr heterogen aufgestellt. Die verschiedenen Gruppierungen sind teils bundesweit vernetzt und aktiv. Obwohl drei der konkret genannten Gruppen ihren Sitz im Ruhrgebiet haben, stellt der Verfassungsschutz Aktivtäten stärker in ländlichen Regionen fest. Schwerpunkte werden im Raum Ostwestfalen, Lippe, Soest, im Hochsauerlandkreis und im Großraum Köln gesehen. Oftmals stehen hinter den kriminellen Absichten der in der Antwort auf meine Kleine Anfrage genannten Organisationen wirtschaftliche Interessen. Die hohe Anzahl von 143 Personen mit waffenrechtlichen Erlaubnissen belegt zudem die Waffenaffinität der Reichsbürger*innen. Damit geht eine hohe Gefahr von der Reichsbürgerbewegung aus.

Noch in der Zeit der rot-grünen Landesregierung wurden die Mitarbeiter*innen der Behörden auf Landes- und kommunaler Ebene umfassend informiert und geschult. Diese Informationspolitik muss die neue Landesregierung fortführen und weiter ausbauen. Neben der polizeilichen Statistik über die Straftaten, sollte es auch eine Statistik der Justiz über Strafverfahren gegen die Reichsbürger*innen geben. Hier sind Innenminister Reul und Justizminister Biesenbach gefordert, eine entsprechende Verlaufsstatistik vom Aufnehmen der Straftat bis zur tatsächlichen Verurteilung einzuführen.

Hier ist die Antwort auf meine Kleine Anfrage zur Reichsbürgerbewegung in NRW abrufbar:
http://www.landtag.nrw.de/portal/WWW/dokumentenarchiv/Dokument/MMD17-259.pdf

Hier ist die Antwort auf meine Kleine Anfrage zur Reichsbürgerbewegung und dem öffentlichen Dienst in NRW abrufbar:
http://www.landtag.nrw.de/portal/WWW/dokumentenarchiv/Dokument/MMD17-265.pdf

Für Nachfragen stehen unsere wissenschaftliche Mitarbeiterin für Strategien gegen Rechtsextremismus, Hasret Karacuban (Hasret.Karacuban@landtag.nrw.de0211 884 4321), und ich gerne zur Verfügung.

Herzliche Grüße aus dem Landtag

 

Verena Schäffer