Verena Schäffer (GRÜNE): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich finde, dass dieser Antrag der AfD eines mal wieder ganz deutlich zeigt, und zwar dass das Gesellschaftsbild dieser Partei ganz offensichtlich nicht die Realitäten in diesem Lande widerspiegelt. Sie machen Heimat bzw. den Heimatbegriff hier zu einer Abstimmungsfrage. Ihr Kultur- und Heimatbegriff grenzt ganz gezielt Menschen aus, die seit Jahrzehnten bzw. Generationen hier leben und längst Bürgerinnen und Bürger dieses Landes sind. Wenn Sie Heimat als „kollektives, materielles und immaterielles Erbe, das Orientierung, Halt, Identität und Stärke verleiht“ bezeichnen, dann ist auch klar, dass Sie Muslimas und Muslime, die seit Generationen in Deutschland bzw. in Nordrhein-Westfalen leben, ganz offensichtlich hiervon ausgrenzen. Für Sie gehören diese Menschen nicht dazu.
(Beifall von den GRÜNEN)
Das wurde, wie ich finde, ja gerade in Ihrer Rede auch noch einmal sehr deutlich. Man muss hier auch noch einmal deutlich sagen, dass in dieser Rede auch der offene Rassismus, den es in der AfD gibt, noch einmal sehr stark zutage getreten ist.
(Beifall von den GRÜNEN)
Ich meine, Sie sollten endlich anerkennen, dass sich diese Gesellschaft laufend verändert, dass Minderheiten einen wichtigen Beitrag für unsere Gesellschaft leisten und im Übrigen auch maßgeblich zum Wohlstand unserer Gesellschaft beitragen.
(Zuruf von der AfD: Sie kennen wohl die Zahlen nicht!)
Natürlich verdient das Anerkennung. Dazu gehört auch staatliche Förderung von muslimischen Vereinen.
Man könnte ja fast Mitleid mit der AfD haben, weil sie sich so verzweifelt an der Vorstellung einer vermeintlich guten alten Zeit klammert, weil sie sich an Bräuche und Traditionen, die unverändert bleiben sollen, klammert und weil sie eine völlig eindimensionale Definition von kollektiver Identität hat. Man könnte also fast Mitleid mit Ihnen haben, wenn Sie nicht so feindselig und menschenverachtend wären. Ich glaube, man kann die Formulierung von einer staatlich finanzierten Islamisierung gar nicht anders verstehen. Es geht hier aber lediglich darum, dass muslimische Vereine natürlich auch das Recht auf eine staatliche Förderung haben.
(Beifall von den GRÜNEN)
Es ist schon interessant, wenn Sie in Ihrem Antrag eine Umfrage des Instituts für Demoskopie Allensbach umdeuten.
Präsident André Kuper: Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Beckkamp?
Verena Schäffer (GRÜNE): Klar!
Roger Beckamp (AfD): Vielen Dank, Frau Schäffer, für das Zulassen der Frage. Viele Dank auch für Ihr Mitleid in unsere Richtung. Ihren Rassismus-Vorwurf weisen wir zurück. Mich würde aber Folgendes interessieren: Im Rahmen einer in letzter Zeit durchgeführten Allensbach-Umfrage sagen 70 % der Menschen, dass sie ihre Heimat durch Zuwanderung als bedroht ansehen. Finden Sie das richtig? Und berücksichtigen Sie das irgendwie bei Ihren Überlegungen zum Begriff „Heimat“?
Verena Schäffer (GRÜNE): Auf genau diese Umfrage, die Sie in Ihrem Antrag zitieren, wollte ich gerade in meiner Rede zu sprechen kommen. – Eines ist aber eben auch ganz klar: Sie deuten hier die Zahlen auch ein Stück weit um. Die „FAZ“, die diese Studie in Auftrag gegeben hat, stellt fest, dass 78 % der Befragten die größte Gefahr für die Heimat darin sehen, dass alteingesessene Geschäfte schließen und große Ketten ihre Filialen eröffnen.
Erst danach kommt der Wert der Ängste aufgrund von Zuwanderung. Und ja, es stimmt, es ist keine kleine Zahl, wenn 69 % der Befragten Angst vor Zuwanderung angeben. Das ist nichts, worüber Politik hinwegsehen kann. Damit muss man sich auseinandersetzen, das ist völlig klar. In Ihrem Antrag erwecken Sie aber ganz bewusst den Eindruck, dass Migration die größte Sorge der Menschen sei.
(Dr. Christian Blex [AfD]: Sie ist es!)
Das mag auf Sie zutreffen, das mag auf die AfD und ihr Klientel zutreffen, aber das trifft eben nicht auf die gesamte Gesellschaft zu.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Es ist der typische Umgang der AfD mit Studien und mit Fakten, dass Sie für Ihre Zwecke alles umdeuten und instrumentalisieren und Studien umbiegen.
(Roger Beckamp [AfD]: Nur 70 %!)
Das finde ich gerade in diesem Kontext fatal, weil Sie damit Ängste und Vorurteile gegenüber Minderheiten schüren. Dazu werden Sie von uns als demokratische Abgeordnete in diesem Hause immer wieder deutlichen Widerspruch hören.
(Beifall von den GRÜNEN – Dr. Christian Blex [AfD]: In vier Jahren nicht mehr!)
Aber, Frau Scharrenbach und Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU, ich kann auch Ihnen ein paar Sätze zu Ihrer Heimatpolitik nicht ersparen. Ja – das sage ich offen und deutlich –, ich finde es redlich, dass Sie einen so offenen, integrativen und solidarischen Heimatbegriff vertreten wollen, aber ich finde, dass diese Debatte auch zeigt, welche Auswirkungen eine solche kopflose Einrichtung eines Heimatsressorts hat. Die Idee aus Bayern, mit einem Heimatsministerium auf eine Diskursverschiebung nach rechts zu reagieren, um Teile der Wählerklientel zurückzugewinnen, funktioniert aus meiner Sicht nicht.
(Beifall von den GRÜNEN)
Sie haben sowohl im Bund als auch hier in Nordrhein-Westfalen ein Ressort geschaffen, von dem Sie überhaupt nicht wissen, was es eigentlich tun soll.
Ich habe mir die Vorlage aus dem Ausschuss vom 15. März 2018 noch einmal durchgelesen. Darin finden sich eine Menge Maßnahmen, die ich gar nicht schlecht finde. Zum Beispiel ist es eine gute Sache, dass man das Ehrenamt fördern will. Aber diese ganzen geplanten Förderprojekte haben doch mit Heimat in dem Sinne nichts zu tun. Dieses Förderprojekt könnte genauso gut in den Bereichen „Kultur“, „politische Bildung“, „Integration“ oder „Kommunales“ angesiedelt werden. Dafür, Frau Scharrenbach, braucht man doch kein Heimatsministerium.
(Beifall von den GRÜNEN – Beifall von Carina Gödecke [SPD] – Zuruf von Daniel Sieveke [CDU])
Ich will für meine Fraktion klarstellen, dass Sie in Ihren anderen Zuständigkeitsbereichen, Frau Scharrenbach, Heimat zerstören, zum Beispiel im Hinblick auf die Heimat für Menschen mit Behinderung
(Daniel Sieveke [CDU]: Bitte?)
oder auch im Zusammenhang mit dem Kiesabbau, der durch den LEP bald wieder verschärft werden soll. Auch da werden Natur und Heimat zerstört. Ich finde, dass Ihre Politik, Frau Scharrenbach, hier nicht konsistent ist.
(Beifall von den GRÜNEN)
Um noch einmal auf das Heimatsressort zurückzukommen: Sie haben es eben nicht geschafft, ein Querschnittsthema daraus zu machen, es klar zu definieren und Maßnahmen zu bündeln. Sie haben mit diesem Ressort letztendlich ein diffuses Gefühl von Heimat geschaffen, das Sie jetzt krampfhaft zu füllen versuchen. Offenbar erweckt genau das bei den Falschen Erwartungen. Ehrlich gesagt: Ich glaube, dass man damit hätte rechnen können. Ich finde es fatal, dass Sie ein Ministerium mit diesem Titel einrichten, Sie es aber nicht schaffen, den Begriff auszufüllen. Es ist klar, dass andere versuchen, das für ihre Zwecke zu instrumentalisieren.
(Beifall von den GRÜNEN – Beifall von Carina Gödecke [SPD] und Stefan Kämmerling [SPD])