Verena Schäffer (GRÜNE): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sie wissen, wir wissen, Nordrhein-Westfalen ist ein Einwanderungsland. Unsere Gesellschaft ist geprägt von Vielfalt. Etwa 25 % der Bürgerinnen und Bürger in Nordrhein-Westfalen haben eine Migrationsgeschichte. Wenn wir uns nur die Zeit der Arbeitsmigration nach 1945 anschauen, dann sehen wir, dass Menschen ganz unterschiedlicher ethnischer, kultureller und religiöser Hintergründe selbst über einem halben Jahrhundert zusammen leben, arbeiten, lernen, feiern. Auch schon davor hat es Migrationsbewegungen gegeben, die unsere Gesellschaft ganz entscheidend geprägt haben.
Aber nicht alle sehen Vielfalt und Zuwanderung so positiv und als Chance für unsere Gesellschaft. Rassismus und auch andere menschenfeindliche Einstellungen kommen aus der Mitte der Gesellschaft, und sie richten sich nicht nur gegen diejenigen, die schon vor einiger Zeit oder eben auch neu zugewandert sind, sondern diese menschenfeindlichen Einstellungen richten sich auch gegen andere Minderheiten in unserem Land.
In den letzten Jahren hat es bei den politisch rechtsmotivierten Straftaten einen kontinuierlichen Anstieg gegeben. Es ist erschreckend. In den Jahren 2015 und 2016 stieg die Zahl der rechten Straftaten sprunghaft an. Verantwortlich dafür ist auch die rassistische Stimmungsmache von rechtspopulistischen Akteuren. Denn man muss sich immer vor Augen führen, dass rassistische und rechtspopulistische Äußerungen als Legitimation von Rechtsextremen genutzt werden, um Meinungen, um Einstellungen in Handeln umzusetzen und Menschen anzugreifen.
(Beifall von den GRÜNEN und Prof. Dr. Rainer Bovermann [SPD])
Da kann man eigentlich noch nicht so sehr klatschen, denn ich finde, vielmehr ist die Aussage wichtig, was das denn überhaupt bedeutet. Diese Feststellung ist erst einmal wichtig, aber ich meine, es gilt hier genauso wie bei der Debatte zum Thema „Antisemitismus“, dass jeder Angriff auf einen Menschen, jeder Angriff auf eine Person aufgrund von äußeren Merkmalen, aufgrund seiner Religion, seines Geschlechts ein Angriff auf unsere demokratische, auf unserer rechtstaatliche Gesellschaft ist. Dem müssen wir uns als Demokratinnen und Demokraten entgegenstellen.
(Beifall von Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE])
Um dieser Entwicklung entgegentreten zu können, brauchen wir so etwas wie ein abgestimmtes Konzept. Es gibt ja sehr viel im Land. Es gibt die verschiedenen Beratungsstellen, es gibt die Beratungsstellen gegen Rechtsextremismus, es gibt die Beratungsstellen für Opfer rechter Gewalt, es gibt auch Aussteigerprogramme. Wir haben also bereits eine breite Beratungslandschaft in Nordrhein-Westfalen. Es ist aber wichtig, dass diese verschiedenen Maßnahmen aufeinander abgestimmt sind und dass die Kommunen und die Zivilgesellschaft mit in die Arbeit gegen Rassismus und Rechtsextremismus einbezogen werden.
Deshalb haben wir als rot-grüne Koalition in der letzten Legislaturperiode auf Landesebene ein integriertes Handlungskonzept auf den Weg gebracht. Darüber hinaus haben wir gesagt das war ein Ergebnis des Handlungskonzeptes –, dass wir auch ein Förderprogramm für die Kommunen brauchen. Es gibt inzwischen 25 Kreise und kreisfreie Städte, die vom Land dafür gefördert werden, dass sie vor Ort Handlungskonzepte entwickeln und umsetzen.
Ich will hier einmal Dankeschön sagen an diejenigen, die das vor Ort machen. Zum einen bedanke ich mich bei den Kommunen, die sich beteiligen und gesagt haben, sowohl Geld zu beantragen als auch eigenes Geld hierfür aufzuwenden, obwohl die kommunale Haushaltslage überall sehr schwierig ist. Andererseits möchte ich mich bei denen in der Zivilgesellschaft bedanken, die konkret vor Ort diese Arbeit umsetzen.
(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)
Klar ist, und das ist meines Erachtens auch heute Morgen in der Debatte zum Antisemitismus sehr deutlich geworden, dass die Arbeit gegen Rechtsextremismus, gegen Rassismus eine Daueraufgabe demokratischer Gesellschaften ist und nachhaltig gestaltet werden muss.
Allerdings läuft das kommunale Förderprogramm „NRWeltoffen“, das Programm, aus dem die Kommunen gefördert werden, Ende dieses Jahres aus. Und das integrierte Handlungskonzept, das wir geschaffen haben, läuft Ende des nächsten Jahres aus. Deshalb brauchen wir so dringend die konkrete Aussage der Landesregierung darüber, ob sie denn diese Förderprogramme fortführen will. Es geht meiner Meinung nach nicht nur um die Fortführung, sondern es geht auch darum, dass die Kommunen, die bisher nicht daran teilnehmen – es sind bisher, wie gesagt, 25; da ist also noch Luft nach oben –, die Möglichkeit bekommen, sich zu bewerben, sodass das Programm landesweit ausgeweitet wird.
Gerade die Menschen, die haupt- und ehrenamtlich die Arbeit machen, brauchen eine Perspektive für ihre Arbeit und müssen wissen, ob es denn eigentlich danach weitergeht. Die Landesregierung hat gesagt, dass sie gerade dieses kommunale Förderprogramm evaluiert und danach entscheidet. Es läuft aber in einem halben Jahr aus. Ich finde, die Zeit ist zu kurz, um im Herbst eine Entscheidung zu treffen. Die Entscheidung brauchen wir jetzt. Wir brauchen jetzt die Zusage an die Kommunen, an die Projektträger, ob es weitergeht oder nicht. Das ist gerade unter dem Eindruck der aktuellen Stimmungsmache im Land, wenn ich an die Debatte denke, die wir heute Morgen zum Thema „Antisemitismus“ geführt haben und an die wir hier anknüpfen können, wichtig. Gerade unter dem Eindruck der derzeitigen Situation, ist es mehr als dringend geboten, dass die wichtige Arbeit gegen Rassismus und Rechtsextremismus fortgesetzt wird.