Verena Schäffer (GRÜNE): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte mich bei der SPD für die Initiative und bei CDU und FDP dafür bedanken, dass wir nun einen interfraktionellen Änderungsantrag stellen. Ich finde, dass diese gemeinsame Erklärung gegen Rassismus und Diskriminierung außerordentlich wichtig ist, weil sie noch einmal ein wichtiges Zeichen für Demokratie, Vielfalt und Menschenwürde setzt.

Wenn man sich die verschiedenen Studien der vergangenen Jahre zur Einstellung in der Bevölkerung anschaut, wird sehr deutlich, dass Rassismus und andere Ungleichwertigkeitsvorstellungen wie zum Beispiel Sexismus nicht nur in der extremen Rechten, sondern in der Mitte der Gesellschaft verbreitet und verankert sind.

Ich möchte einige Beispiele aus der aktuellen Leipziger „Mitte“-Studie bringen. Die Befragten wurden mit Aussagen konfrontiert, und anschließend mussten sie sagen, ob sie diesen Aussagen zustimmen oder nicht.

Eine Aussage lautet: Eigentlich sind die Deutschen anderen Völkern von Natur aus überlegen. Dieser Aussage, die wirklich erkennbar offen rassistisch ist, haben immerhin 11,3 % der Befragten zugestimmt.

Eine andere Aussage lautet – Zitat –: Die Juden haben einfach etwas Besonderes und Eigentümliches und passen nicht zu uns. – Auch das ist wirklich offen und für jeden erkennbar antisemitisch. Die Zustimmungsrate lag bei 9,1 %.

Ich finde, diese beiden Beispiele zeigen noch einmal sehr deutlich, wie stark antisemitische, rassistische und auch andere Einstellungen in der Mitte, in der Breite der Gesellschaft vorhanden sind.

Insofern kann man nicht sagen, dass es sich nur um einen rechtsextremen Rand der Gesellschaft handelt, der solche Einstellungen vertritt. Vielmehr ist es in der Mitte der Gesellschaft angesiedelt, und das betrifft auch andere Formen der Ungleichwertigkeitsvorstellungen, etwa die Diskriminierung aufgrund einer Behinderung, der Sexualität, des Geschlechts oder anderer Merkmale.

Das ist nicht hinnehmbar. Es ist nicht hinnehmbar, dass Menschen aufgrund dieser Merkmale diskriminiert werden.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Es ist gerade schon aufgezeigt worden, zu welchen Diskriminierungen im Alltag solche Einstellungen führen können: auf dem Wohnungsmarkt, Menschen werden nicht in die Disco gelassen, sie werden nicht im Fitnessstudio aufgenommen. Diese Form der Alltagsdiskriminierung findet also ständig statt.

Diese Einstellungen können allerdings noch zu anderen Dingen führen, zum Beispiel zu institutioneller Diskriminierung. Ich glaube, das krasseste Beispiel dafür sind die Ermittlungen im Falle des rechtsextremistischen NSU.

An allen Tatorten – egal ob auf der Kölner Keupstraße, in Dortmund oder woanders – wurde immer im Bereich der Organisierten Kriminalität, im Bereich der Schutzgelderpressung oder im Zusammenhang mit Drogendelikten ermittelt. Vor allen Dingen ging es dabei immer um die Opfer und das Umfeld der Opfer.

Das war an allen Tatorten so, obwohl eine Verbindung zwischen den Tatorten zum Teil gar nicht gesehen wurde. Obwohl die Polizei keine konkreten Ermittlungsansätze und Beweise dafür hatte – es gab Gerüchte, Mutmaßungen –, hat sie immer an dieser Ermittlungsrichtung festgehalten.

Das macht meiner Meinung nach deutlich, dass es strukturelle Probleme gegeben hat, dass strukturelle Mechanismen gegriffen haben, dass die Opfer, die Menschen mit Migrationshintergrund waren, selbst zu Tätern gemacht wurden. Das kann man nur mit strukturellen Mechanismen erklären.

Es gibt noch weitere Beispiele für institutionellen Rassismus oder institutionelle Diskriminierung. Zum Beispiel werden Kinder diskriminiert, wenn sie keine Empfehlung fürs Gymnasium bekommen, weil sie einen Migrationshintergrund haben. Das funktioniert sehr subtil, nicht offen und ist mit institutionellem Rassismus zu erklären.

Daher sind wir als Politik aufgefordert, solche strukturellen Mechanismen zu durchbrechen und abzubauen, um Chancengleichheit zu schaffen, und zwar für alle, also unabhängig von Herkunft, Geschlecht, Religion oder anderen Merkmalen.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Einstellungen können noch zu etwas anderem führen. Einstellungen können in Gewalt umschlagen. 2015/2016, als es den starken Zuzug von Geflüchteten gab, hatten wir eine Vielzahl von Brandanschlägen auch in Nordrhein-Westfalen.

Es war bemerkenswert und erschreckend, dass viele dieser Anschläge nicht von bekannten Neonazis und Rechtsextremen begangen wurden, sondern von Personen, die vorher nicht als Rechtsextreme in Erscheinung getreten sind. Das heißt, es haben sich Menschen radikalisiert, weil es eine starke Polarisierung in der Gesellschaft gab, und das zeigt, wie gefährlich rassistische Einstellungen sind.

Ich könnte noch etwas zu den Straftaten sagen – das wurde gerade schon ausgeführt –, die deutlich machen, dass die rechtsextreme Szene Einstellungen in der Mitte der Gesellschaft als Legitimation für ihre Taten nutzt.

Um den Kreis zu schließen oder zum Anfang meiner Rede zurückzukehren: Rechtsextreme nutzen diese Einstellung als Legitimation. Daher müssen wir immer wieder Haltung zeigen gegen Rassismus und Diskriminierung, denn Gewalt und Diskriminierung dürfen niemals legitim sein in dieser Gesellschaft, und das müssen wir immer wieder klarstellen. – Herzlichen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN, der CDU, der SPD und der FDP)