Gesetzentwurf zur Einsetzung eines/einer Polizeibeauftragten
Rede zum Gesetzentwurf der GRÜNEN im Landtag zur Einsetzung eines/einer Polizeibeauftragten
Verena Schäffer (GRÜNE): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich will eines noch einmal klarstellen: Wir diskutieren jetzt seit ungefähr einem Jahr diesen Gesetzentwurf. Ich finde es gut, dass wir eine so gute und gründliche Debatte dazu im Ausschuss, auch im Rahmen der Anhörung, geführt haben. Um es direkt zu Beginn zu sagen: Die Gewaltausbrüche und die Angriffe gegen Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte in Stuttgart sind völlig inakzeptabel. Ich will an dieser Stelle auch den verletzten Polizeibeamtinnen und -beamten schnelle und auch vollständige Genesung wünschen.
(Beifall von den GRÜNEN und von Marc Lürbke [FDP])
Ich meine, dass in der Debatte zu Stuttgart voreilige Schlüsse nicht angebracht sind. Es ist dafür noch zu früh, und wir müssen erst noch alle Fakten wissen. Mich beunruhigt jedoch, dass es offenbar ein Feindbild „Polizei“ gibt, das bei dieser massiven Gewaltentwicklung in Stuttgart auch eine Rolle gespielt hat. Ich kann das nicht nachvollziehen. Ich halte es für eine absolut wichtige Errungenschaft unserer Demokratie, dass das Gewaltmonopol beim Staat liegt, dass es keine Selbstjustiz gibt, dass es nicht das Recht des Stärkeren gibt.
(Beifall von Johannes Remmel [GRÜNE])
In unserer demokratischen Verfassung ist klar geregelt, dass die Polizei dafür zuständig ist. Sie ist Trägerin des staatlichen Gewaltmonopols. Ich finde, dass dieser wichtige Grundsatz immer wieder verteidigt werden muss, auch in gesellschaftlichen Debatten.
(Beifall von den GRÜNEN)
Wenn die Polizei das Gewaltmonopol des Staates anwendet, wenn sie Grundrechte einschränkt, dann ist sie auch in der Pflicht, dieses Handeln zu begründen. Insbesondere von Ihnen, Herr Lürbke, als Vertreter einer Partei, die sich liberal nennt, hätte ich eigentlich erwartet, dass auch Sie diesen Grundsatz hier so vertreten. Es ist eben kein Misstrauen, sondern es ist eine Selbstverständlichkeit im demokratischen Rechtsstaat, dass sich die Polizei Fragen und Kritik der Bürgerinnen und Bürger stellen muss und dass sie sich damit auch professionell auseinandersetzt.
(Beifall von den GRÜNEN – Marc Lürbke [FDP]: Das habe ich nicht in Abrede gestellt!)
Ich bin sehr große Anhängerin der Leitsätze der Polizei in Nordrhein-Westfalen: bürgerorientiert, professionell, rechtsstaatlich. Ich finde, das beschreibt unsere nordrhein-westfälische Polizei sehr gut. Aber wir wissen alle: Wo Menschen arbeiten, passieren auch Fehler. Gerade Polizistinnen und Polizisten müssen ja häufig innerhalb von nur wenigen Sekunden in einem Einsatz Entscheidungen treffen. Das machen sie nicht am Schreibtisch mit einer Fehlerkorrektur, sondern Sie müssen sehr schnell Entscheidungen treffen, dafür sind sie ausgebildet und trainiert.
Aber natürlich können auch Fehler passieren, und wenn Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte unverhältnismäßig in Grundrechte eingreifen, dann ist dieser Eingriff unumkehrbar. Deshalb ist es umso wichtiger, eine offene und professionelle Fehlerkultur zu leben.
(Gregor Golland [CDU]: Sie meinen keine Fehlerkultur, sondern eine Misstrauenskultur!)
Eine Fehlerkultur schwächt die Polizei nicht. Nein, liebe Kolleginnen und Kollegen, sie stärkt das Vertrauen in unsere rechtsstaatlich handelnde Polizei.
(Beifall von den GRÜNEN)
Es gibt bereits die Stelle eines Polizeibeauftragten beim Innenministerium. Herr Hoffmann bekleidet sie. Das ist kein Misstrauensvotum gegenüber Herrn Hoffmann – das weiß er auch –, aber ich halte diese Stelle beim Innenministerium für einen Etikettenschwindel. Denn er ist nur für Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte ansprechbar. Er ist nicht unabhängig. Ich meine aber, dass wir einen unabhängigen Polizeibeauftragten brauchen, ähnlich wie die Wehrbeauftragte für die Bundeswehr, die für die Anliegen der Beschäftigten ansprechbar ist. Aus meiner Sicht wäre das ein großer Gewinn für die Polizei.
Wir wollen als Grüne aber auch, dass der Polizeibeauftragte für die Bürgerinnen und Bürger ansprechbar ist, dass er durch das Parlament gewählt und nicht durch einen Innenminister eingesetzt ist. Wir wollen, dass er beim Landtag und nicht beim Innenministerium angesiedelt ist, damit er wirklich unabhängig sein kann.
Ja, Herr Lürbke, wir haben unter Rot-Grün das qualifizierte Beschwerdemanagement bei der Polizei eingerichtet. Ich halte es aber nicht für ausreichend. Es ist nicht ausreichend, wenn sich Bürgerinnen und Bürger bei der Polizei über die Polizei beschweren müssen. Wir wollen mit unserem Gesetzentwurf eine Möglichkeit dafür schaffen, dass sich Bürgerinnen und Bürger
(Gregor Golland [CDU]: Sie haben eine Misstrauenskultur!)
zur Konfliktlösung zwischen Bürgerinnen und Bürgern mit der Polizei, aber auch innerhalb der Polizei niedrigschwellig an diese Stelle wenden können. Wir wollen, dass der professionelle Umgang mit Fehlern in den Behörden verbessert wird.
(Beifall von den GRÜNEN)
Wir haben Ihnen mit diesem Gesetzentwurf einen Vorschlag gemacht. Wir haben immer betont, dass wir für Änderungsvorschläge offen sind. Wir haben auch einen eigenen Änderungsantrag vorgelegt. Für das Versprechen des Ministers, eine Fehlerkultur einzuführen, haben wir einen Vorschlag gemacht.
(Gregor Golland [CDU]: Sie haben eine Misstrauenskultur, Frau Schäffer!)
Ich finde es schade, dass diese Debatte durch Vorwürfe wie von Herrn Golland pauschal abgelehnt wird, dass Sie, Herr Golland, keine Argumente in der Sache liefern.
Herr Golland, liebe Kolleginnen und Kollegen, auch wenn Sie diesen Gesetzentwurf heute ablehnen werden – das werden Sie gleich tun –, bin ich mir sehr sicher, dass wir in einigen Jahren eine solche Stelle eines unabhängigen Polizeibeauftragten in Nordrhein-Westfalen haben werden. Denn die Debatte entwickelt sich weiter, und es gibt immer mehr Menschen in der Gesellschaft, aber auch in der Polizei, die solch eine Stelle fordern.
Das wäre nicht zum Nachteil der Polizei. Im Gegenteil: Aus meiner Sicht profitiert die Polizei von solch einer Stelle. – Herzlichen Dank.
(Beifall von den GRÜNEN)