Informationsstelle Antisemitismus

Meine Rede zum Antrag der Fraktionen von CDU und FDP für eine Informationsstelle Antisemitismus

Verena Schäffer (GRÜNE): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen von CDU und FDP! Ich finde, eines muss man Ihnen ja wirklich lassen: Was Sie können, ist, Verwirrung zu stiften. Ich finde, es gibt einen wahren Meister der Verwirrungskünste, und das ist der Innenminister Herbert Reul.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)

Wie oft haben wir das schon in diesem Parlament erlebt, dass Herr Reul seine eigenen Aussagen wieder revidieren musste? – Die Frage, die wir uns dabei immer stellen, ist: Ist das wieder einmal diese typisch unbedarfte Ausdrucksweise des Ministers, oder ist das eine bewusste Strategie, Herr Reul?

Ich denke, beim Hambacher Wald muss man (Zurufe von der CDU)

von einer bewussten Täuschung des Parlaments und der Öffentlichkeit sprechen. (Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)

Dazu würde ich gerne zwei Beispiele nennen. Das erste Beispiel ist: Auf Nachfrage der grünen Abgeordneten haben Sie im Juli dieses Jahres erklärt: Ja, es gab Gespräche mit RWE, aber Absprachen? – Nein. Die hat es nun wirklich nicht gegeben.

Gegenüber dem WDR haben Sie dann gesagt: Naja, Gespräche? – Hm. Offenbar hatten Sie die vergessen, vielleicht auch verschwiegen?

Jetzt wissen wir: Es gab nicht nur Gespräche, sondern es gab auch eine Vereinbarung von Herrn Reul mit dem RWE-Vorstand. Also gab es doch Absprachen. Was ist eine Vereinbarung denn sonst?

Da frage ich mich, Herr Reul: Was kommt da noch? Haben Sie RWE versprochen, auf jeden Fall die Baumhäuser zu räumen, damit RWE roden kann? Haben Sie das versprochen? – Sie müssen heute die Karten auf den Tisch legen, Herr Minister.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Auch über die wahren Motive der Räumung des Hambacher Waldes

(Zurufe von der CDU: Forst!)

hat diese Landesregierung dieses Parlament und diese Öffentlichkeit getäuscht.

Im letzten Jahr hieß es ja noch von Herrn Reul: Räumung und Rodung, das hat ja gar nichts miteinander zu tun, das würden die Leute ja immer alles durcheinander werfen. Am letzten Donnerstag im Innenausschuss macht Herr Reul die 180-Grad-Wende. Frau Scharrenbach im Bauausschuss, nur einen Tag später, bleibt bei der alten Aussage, Räumung und Rodung hätten nichts miteinander zu tun.

Unterm Strich muss man hier ja eines festhalten: Wir haben zwei Aussagen von zwei Mitgliedern dieses Landeskabinettes. Das heißt auch, nur eine Aussage kann stimmen. Das heißt auch, einer von Ihnen beiden sagt hier nicht die Wahrheit.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Dabei wissen wir aus der Akteneinsicht – auch wenn die Akten nicht vollständig sind –, aufgrund der Gutachten, der Auftragsvergabe, der E-Mails, der Protokolle aus den Ministerien: Die Landesregierung und ganz besonders das Innenministerium – das wird eindeutig belegt durch die verschiedenen Akten – hat alles darangesetzt, eine Rechtsgrundlage zu finden, um den Wald zu räumen. Minister Reul hat ja sogar selbst einen Brief geschrieben und um Unterstützung bei den Ressortkollegen gebeten – vielleicht kann man sagen, gebettelt, um nicht zu sagen, gedroht.

Damit hat sich diese Koalition, diese Landesregierung, das Kabinett Laschet zum Erfüllungsgehilfen von RWE gemacht. Sie haben rechtliche Grundlagen instrumentalisiert,

(Beifall von den GRÜNEN)

Sie haben Vorschriften des Vergaberechts abenteuerlich ausgelegt, Sie haben ja sogar – das wird aus der Gutachtenvergabe deutlich – zivilrechtliche Möglichkeiten für RWE prüfen lassen. Das, finde ich, ist unerhört.

(Beifall von Horst Becker [GRÜNE])

Sie haben sich auf dem Rücken der Polizei – und das ist mir als Innenpolitikerin wichtig zu sagen – zum Interessensvertreter von RWE gemacht. Ich finde, das sagt auch viel über Ihr Rechtsstaatsverständnis aus.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)

Damit komme ich jetzt noch einmal zu den Akten. Abgesehen davon, dass Sie zunächst der Presse und danach erst den Abgeordneten die Einsicht geben wollten, was aus meiner Sicht wirklich eine krasse Missachtung des Parlaments ist …

Herr Geerlings,

(Zuruf von der SPD: Der selber gar nicht da war!)

ich war schon sehr verwundert, dass Sie hier als Abgeordneter so gesprochen haben. Ich denke, wir Abgeordnete sollten für die Stärkung der Abgeordnetenrechte reden und nicht umgekehrt.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)

Schauen Sie sich diese Akten an, sie stehen ja zur Verfügung. Die Aktenführung ist so schlecht: chronologisch nicht sortiert, keine Inhaltsverzeichnisse, aber vor allem Schwärzungen, es fehlen E-Mail-Anhänge.

(Marc Lürbke [FDP]: Wie lange waren Sie da, Frau Kollegin?)

–  Ich war zwei Mal dort.

(Marc Lürbke [FDP]: Wie lange?)

Am schönsten finde ich die Präsentation mit der Eingangsfolie und mit der Abschlussfolie „Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit“. Der Rest der Präsentation fehlt. Da kann man aus meiner Sicht nicht von einem Zufall reden.

Herr Reul, Frau Scharrenbach, Sie wissen doch genauso gut wie wir: Je größer der Heuhaufen ist, desto schwieriger wird die Suche nach der Nadel. – Deshalb ist dieses von Ihnen so großzügig angekündigte Angebot der Akteneinsicht ein ganz klassischer Fall von Schein- transparenz.

Wir fordern Sie auf: Geben Sie uns als Fraktionen die Akten. Geben Sie uns die Akten ungeschwärzt. Geben Sie uns die Akten vollständig.

(Zuruf von Bodo Löttgen [CDU])

Dann können wir uns ein umfassendes Bild davon machen. Das werden wir dann auch tun. Nur das, Herr Reul, wäre dann auch echte Transparenz. – Vielen Dank. …

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Frau Kollegin Schäffer. –

 

Kurzintervention zur Rede von Innenminister Herbert Reul von

Verena Schäffer (GRÜNE): Vielen Dank. – Auch wenn ich nur anderthalb Minuten habe, möchte ich hier einige Sachen nicht unwidersprochen stehen lassen.

Ich glaube, niemand – das kann man so sagen – hat in dem Ausschuss gefordert, jetzt müsse aber geräumt werden, sondern wir haben auf die Widersprüche hingewiesen, die es da einfach gibt. Die Unverhältnismäßigkeit, die Sie jetzt plötzlich sehen, bestand auch vor einem Jahr. Ich nenne das Stichwort „Kohlekommission“, das anstehende OVG-Urteil.

Es war dann ja auch so. Es kam zum Rodungsstopp. Deshalb war der Einsatz auch vor einem Jahr schon unverhältnismäßig, genauso wie er heute unverhältnismäßig wäre.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD) Darauf weisen wir hin.

Dann möchte ich hier noch einmal klarstellen, Herr Reul: Mitnichten sind die Fragen im letzten Innenausschuss beantwortet worden. Ich kann gerne noch mal einige Fragen vorlesen, auf die Sie keinen Bezug genommen haben.

„Was waren denn die Inhalte der Gespräche des Ministers mit RWE?“, habe ich gefragt. Welche weiteren Gespräche hat es unterhalb des Ministers oder des Staatssekretärs mit RWE gegeben, also Abteilungsleiterin, Referatsleiter usw.? Das ist nicht beantwortet worden.

Ich habe die Frage gestellt: Hat es konkrete Gespräche mit RWE zur Vorbereitung der Räumung inklusive der Anmietung von Hebebühnen und anderen Gerätschaften gegeben? Ich habe zum Vergaberecht Fragen gestellt. Zum Thema „Marktschau“ habe ich eine Frage gestellt. Das ist alles nicht beantwortet worden.

(Zuruf von der CDU)

Herr Reul, ich würde Ihnen gerne noch etwas beantworten, weil Sie gerade sagten: Ich verstehe gar nicht, dass Sie noch mehr Akten haben wollen. – Ich kann Ihnen aber gerne sagen, was wir noch haben wollen: Es gibt genau eine Akte aus der Staatskanzlei. Diese Akte beinhaltet einzig und allein Kleine Anfragen. Da ist die Frage: Ist das vollständig?

Vizepräsident Oliver Keymis: Frau Schäffer, die 1:30 sind rum.

Verena Schäffer (GRÜNE): Ist das die Akte der Staatskanzlei? Welche Kommunikation hat es auf dieser Ebene gegeben?

(Zurufe von der CDU und der FDP) Es gibt die Frage nach den E-Mails.

(Zurufe von der CDU und der FDP)

–  Vielleicht hören Sie mal auf, ständig reinzurufen, und respektieren einfach, dass ich das Rederecht habe.

Vizepräsident Oliver Keymis: Frau Schäffer, die 1:30 wären jetzt rum.

Verena Schäffer (GRÜNE): Gut. Das wird hier leider nicht angezeigt. – Ich will nur deutlich machen: Es gibt nach wie vor viele Fragen. Es gibt Akten.

(Beifall von den GRÜNEN – Zurufe von der CDU und der FDP)

Vizepräsident Oliver Keymis: Danke, schön.

(Zuruf von Verena Schäffer [GRÜNE] – Gegenrufe von der CDU und der FDP)

Jetzt hat Herr Minister Reul das Wort, und er hat 1:30 Minuten, um auf die Punkte noch mal einzugehen, die angesprochen wurden. – Bitte schön, Herr Minister.

Herbert Reul, Minister des Innern: Frau Schäffer, erstens: Ich stimme in einem Punkt zu. In der Frage, ob man den Einsatz damals hätte machen sollen oder nicht, gibt es verschiedene Meinungen. Ich glaube nach wie vor, dass das richtig und auch wichtig war.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Aber ist okay. Aber darüber diskutieren wir ja nicht. Das ist eine politische Bewertung.

Zweitens lege ich Wert darauf, dass die Fragen, die Sie gestellt haben, alle beantwortet wurden – wir werden das nachher ja noch sehen –, zum Beispiel über die Inhalte der Gespräche mit RWE, an denen ich beteiligt war.

(Zuruf von Horst Becker [GRÜNE])

–  Herr Becker, Sie waren doch gar nicht im Innenausschuss. (Zuruf von Horst Becker [GRÜNE])

–  Sie Schlaumeier. (Zurufe)

Ich habe dem Ausschuss zu den Inhalten der beiden Gespräche, an denen ich beteiligt war, Auskunft gegeben – glasklar Auskunft gegeben.

(Zuruf von den GRÜNEN: Welche?)

Ich wiederhole die nachher noch hundertmal. Sie haben sie auch nachlesen können. Ich habe sie aber auch vorgetragen. Übrigens: Spätestens nachdem Sie die Akten gesehen haben, wussten Sie es auch. Also ist der Fall jetzt auch erledigt, entweder durch meine Antwort oder durch das Aktenlesen.

Drittens: die Gespräche unterhalb. Das stellt sich einfach sehr schwierig dar. Verstehen Sie? Ich kann Ihnen einen Teil an Gesprächen auflisten, von denen wir wissen. Aber es finden doch wahnsinnig viele Gespräche zwischen Polizei und Stadt, Polizei und RWE statt. Das ist doch logisch. Da wird doch laufend etwas besprochen in dem ganzen Prozess dieses Verfahrens. Die werde ich Ihnen niemals lückenlos geben können. Ich werde „lückenlos“ nie unterschreiben, weil das gar nicht geht. Darüber werden doch oft gar keine Protokolle gemacht.

Da muss man doch ehrlich miteinander umgehen und nicht etwas fordern, was gar nicht geht. Das, was geht, kriegen Sie und haben Sie bekommen.

Vizepräsident Oliver Keymis: Herr Minister, die 1:30 …

Herbert Reul, Minister des Innern: … sind vorbei. Dann machen wir nachher weiter. – Danke. (Beifall von der CDU und der FDP)