Zum Antrag „1.700 Jahre Jüdisches Leben in Deutschland“

Rede zum Antrag der Fraktionen von CDU, SPD, FDP und GRÜNEN im Landtag zu „1.700 Jahre Jüdisches Leben in Deutschland“

Verena Schäffer (GRÜNE): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Im Oktober dieses Jahres präsentierten die Stadt Köln, die Jüdische Gemeinde und die KVB eine Straßenbahn mit dem Aufdruck „Schalömchen Köln“. Ich finde, dass das eine sehr coole, sehr schöne Idee ist.

Eine solche Straßenbahn, die auf den zentralen Linien der KVB durch die Stadt Köln fährt, ist auch ein Statement. Es ist ein Statement dafür, dass jüdisches Leben mittendrin und ein fester Bestandteil unserer Gesellschaft ist, und das seit mindestens 1.700 Jahren.

Diese 1.700 Jahre sind eine wechselvolle gemeinsame Geschichte – eine Geschichte, in der Menschen jüdischen Glaubens diese Gesellschaft maßgeblich gestaltet, geprägt und auch verändert haben, aber auch eine Geschichte, in der Jüdinnen und Juden immer wieder gesellschaftlicher Ausgrenzung ausgesetzt waren.

Ich erinnere hier unter anderem an die Pogrome gegen die jüdische Bevölkerung während der Zeit der Kreuzzüge. Der Hass der Kreuzfahrer gegen Nichtchristen richtete sich ganz maßgeblich gegen Jüdinnen und Juden im eigenen Land. Daran hatte auch die Kirche einen Anteil. Als die Pest in Europa grassierte, wurde der Mythos der Brunnenvergiftung gesponnen. Das sind übrigens antisemitische Bilder, die bis heute in verschiedenen Abwandlungen genutzt werden; ganz aktuell bei den derzeitigen Demonstrationen gegen die Coronaschutzmaßnahmen.

Judenhass und Antisemitismus ziehen sich durch die deutsche Geschichte. Sie führten zu den menschenverachtenden, furchtbaren Gräueltaten und der Vernichtungsmaschinerie des NS-Regimes. Dass so viele Bürgerinnen und Bürger bei diesem Fanatismus mitgemacht oder zumindest diesem Hass nichts entgegengesetzt haben, erschüttert uns immer wieder.

Das Festjahr 2021 ist deshalb auch ein Jahr der Mahnung. Dieser menschenverachtenden und tödlichen Ideologie des Antisemitismus muss immer und an jeder Stelle widersprochen werden, und antisemitische Straftaten müssen geahndet werden.

Das Festjahr 2021 ist aber vor allem auch ein Jahr, in dem wir das vielfältige und reiche jüdische Leben in Deutschland und in Nordrhein-Westfalen feiern wollen. Wir alle wissen, dass unsere Kunst-, Kultur- und Wissenschaftsgeschichte ohne den Beitrag von Jüdinnen und Juden anders aussehen würde. Menschen wie Hannah Arendt oder Albert Einstein haben unser Denken und unsere Gesellschaft nachhaltig geprägt. Ich bin mir auch sehr sicher, dass die heutigen Kunst- und Kulturschaffenden jüdischen Glaubens unverwischbare Spuren in unserer Gesellschaft hinterlassen werden.

Jüdinnen und Juden bringen als Teil dieser Gesellschaft ihre vielfältigen Perspektiven und Ideen in allen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens ein. Damit legen sie auch immer wieder den sprichwörtlichen Stachel in die Wunde. Es ist ja auch kein Zufall, dass die Beratungsstelle zu Antisemitismus und Rassismus in Düsseldorf SABRA heißt; „Sabra“ ist das hebräische Wort für „Kaktus“.

Bei dem Festjahr 2021 geht es darum, den Beitrag von Jüdinnen und Juden in unserer Geschichte und Gegenwart zu würdigen und deutlich zu machen, dass unsere gesamte Gesellschaft ein Interesse an dem pulsierenden jüdischen Leben hat. Es geht darum, jüdisches Leben sichtbar zu machen.

Meines Erachtens muss es auch darum gehen, einer breiteren Bevölkerung jüdische Tradition, Kultur und Religion näherzubringen und sie für sie erfahrbar zu machen.

Das Festjahr wird außerdem davon leben, dass aus der Zivilgesellschaft sehr viele Beiträge kommen werden. Das ist ebenfalls wichtig.

Die demokratischen Fraktionen haben einen gemeinsamen Neudruck des Ursprungsantrags und einen gemeinsamen Änderungsantrag eingebracht. Mit dem Änderungsantrag wird die Landesregierung beauftragt, einen Kooperationsvertrag mit dem Verein „321–2021: 1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland e. V.“, der schon mehrfach hier genannt wurde, zu schließen. Damit machen wir nicht nur die Unterstützung für diesen Verein noch einmal sehr deutlich und sichtbar, sondern schließen auch einen Vertrag bezüglich der Aktivitäten im kommenden Jahr.

Ich bin froh, dass wir das gemeinsam machen konnten, und möchte mich den guten Wünschen für die Chanukka-Festtage, die noch bis Freitag andauern, sehr gerne anschließen. – Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN, der CDU, der SPD und Markus Diekhoff [FDP])

Der Antrag: https://gruene-fraktion-nrw.de/parlament/nrw-feiert-1700-jahre-juedisches-leben-in-deutschland/