“Ein weiterer Beleg für die antidemokratischen und rassistischen Positionen der AfD”

Zum Antrag der „AfD“-Fraktion zu Clankriminalität

Verena Schäffer (GRÜNE): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Nach der Debatte, die wir heute Morgen schon geführt haben, ist dieser Antrag aus meiner Sicht ein weiterer Beleg für die antidemokratischen und rassistischen Positionen der AfD.

(Lachen von Markus Wagner [AfD] – Sven Werner Tritschler [AfD]: Geht es noch ein bisschen größer?)

– Sie mögen darüber lachen,

(Markus Wagner [AfD]: Ja, darüber kann man nur lachen!)

aber ich finde, der Rassismus ist bei der Vorstellung dieses Antrags wieder offensichtlich geworden. Es ist inzwischen auch kein versteckter Rassismus mehr, sondern ein offen vorgetragener. Ich finde das wirklich erschütternd, aber auch nicht mehr überraschend, weil wir wissen, dass Sie genau diese Positionen vertreten.

(Christian Loose [AfD]: Ach, Gott!)

Mit diesem Antrag …

(Sven Werner Tritschler [AfD]: Brauchen Sie ein Taschentuch, Frau Kollegin?)

– Nö, ich brauche kein Taschentuch, aber ich finde, dass man das hier ganz klar benennen muss.

(Christian Loose [AfD]: Bringen Sie doch mal ein Beispiel!)

Die AfD steht für Rassismus und für die Spaltung der Gesellschaft. Das beweisen Sie in jeder Plenarrunde.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Dafür liefern Sie uns mit Plenaranträgen, Anfragen usw. zahlreiche Belege. Ich finde, es ist ein Stück weit unsere Pflicht, das so klar zu benennen, weil …

(Christian Loose [AfD]: Benennen Sie es doch mal klar mit einem Beispiel, Frau Schäffer!)

– Entschuldigen Sie bitte, ich brauche keine Beispiele zu nennen. Ich brauche es auch nicht …

(Lachen von der AfD)

Dafür reicht die Rede von Herrn Tritschler heute Morgen.

(Zuruf)

Ich habe das Wort und das möchte ich jetzt auch gerne ergreifen, und ich würde Sie bitten, meiner Rede zu folgen. Ich habe mich deshalb nicht zu rechtfertigen und zu erklären, weil es offensichtlich geworden ist, Herr Loose – dafür brauchen Sie auch nicht zum Fraktionsvorsitzenden zu gehen.

Ich würde gerne ein paar Punkte aus Ihrem Antrag aufgreifen, anhand derer man das ganz gut belegen kann. Im letzten Beschlusspunkt des Antrags ist die Rede davon, dass sich Menschen mit Migrationsgeschichte zur kulturellen Identität Deutschlands bekennen sollten. – Was soll die kulturelle Identität Deutschlands sein? Das ist weder definiert, noch ist es definierbar, noch verlangt unser Rechtsstaat irgendwelche Bekenntnisse. Der Rechtsstaat verlangt die Einhaltung seiner Gesetze.

Entgegen Ihres Antrags möchte ich festhalten, dass es eine sogenannte Leitkultur als Basis der freiheitlich-demokratischen Grundordnung nicht gibt. Was die freiheitlich-demokratische Grundordnung aus Sicht des Bundesverfassungsgerichts ausmacht, sind die im Grundgesetz verbürgten Menschenrechte – für die sich die AfD offenbar am allerwenigsten zu interessieren scheint.

(Sven Werner Tritschler [AfD]: Meinungsfreiheit gehört dazu, Frau Kollegin!)

Insofern ist es widersprüchlich, wenn sich die AfD genau darauf bezieht.

Die Vermengung von Migrationspolitik und Sicherheitspolitik, die Sie hier immer wieder vornehmen, dient dazu, rassistische Vorurteile zu bestärken.

(Zuruf von Thomas Röckemann [AfD])

– Ja, das ist so. – Hier, und das ist absolut unzulässig, wird das kriminelle Verhalten von einzelnen Personen quasi allen Menschen mit Migrationshintergrund pauschal vorgeworfen.

(Dr. Christian Blex [AfD]: Pauschal allen, genau! Allen!)

Das ist unzulässig, und das ist falsch. Es ist völlig klar, was Sie damit betreiben.

Ich will auch noch ein paar kritische Sätze Richtung Landesregierung sagen, weil wir diese Debatte auch mit Ihnen führen. Ich finde, dass man sie auch führen muss.

Das ist zum einen das Thema „Lagebild Clankriminalität“: Wir haben im Ausschuss an verschiedenen Stellen deutlich gemacht, dass wir als Grüne damit ein Problem haben, denn der Begriff „Clankriminalität“ suggeriert, dass alle Familienmitglieder, die einem sogenannten Clan zugerechnet werden, in kriminelle Aktivitäten verwickelt seien.

(Zuruf von Dr. Christian Blex [AfD])

Wir wissen, dass das nicht stimmt. In einer Vorlage vom Juni 2020 steht: „… der Einstieg in den Clan ist in der Regel die Geburt.“ Das lässt aber völlig außer Acht – und ich finde, da entsteht auch ein falsches Bild –, dass die überwiegende Mehrheit der Angehörigen polizeilich überhaupt nicht in Erscheinung tritt. Ich finde solche Begrifflichkeiten sehr schwierig, weil sie falsche Bilder erzeugen.

Dazu kommt, dass in der Statistik des Lagebildes alle bei der Polizei eingehenden Straftaten gezählt werden, die mutmaßlich von Personen mit einem bestimmten Familiennamen begangen werden. Der Familienname, der Nachname, ist da ausschlaggebend, und zwar unabhängig davon, ob die Tatverdächtigen wirklich einen Bezug zu kriminellen Strukturen haben. Aus meiner Sicht sind solche Statistiken auch einfach unsauber und insofern auch, finde ich, nicht geeignet, in einem Lagebild aufgeführt zu werden.

(Beifall von den GRÜNEN)

Herr Reul, ich muss auch sagen: Auch die Kommunikation ist ja durchaus ein Problem. Sie sagen selber, man will keine Stigmatisierung ganzer Familien. Ich glaube Ihnen das auch, dass Sie das genauso sehen und auch so meinen. Bei der Pressekonferenz im August 2020 – übrigens ein halbes Jahr nach dem rechtsterroristischen Anschlag von Hanau – haben Sie aber auch gesagt, dass die Zuordnung von Verdächtigen über Familiennamen die Gefahr berge, dass Vorurteile geschürt werden, aber dass die Vorteile, wenn man es eben doch macht, überwiegen.

Ich finde, das ist ein Widerspruch und auch ein Problem in der Kommunikation, weil dann nämlich genau das passiert, was wir jetzt hier auch ein Stück weit erleben, nämlich dass diese Debatte benutzt wird, um Menschen zu stigmatisieren und Vorurteile zu schüren. Ich finde das gefährlich.

Es tut mir leid; ich weiß, ich muss zum Ende kommen. Meine Redezeit ist abgelaufen. Ich habe mich zu lange mit der AfD aufgehalten und dabei meine Zeit verplempert. Das ist sehr bedauerlich.

(Sven Werner Tritschler [AfD]: Schade, schade!)

Ich will noch einmal klar und deutlich sagen: Wenn es Kriminalität gibt, muss Kriminalität bekämpft werden. Dann muss Strafverfolgung erfolgen, gerade in solchen Bereichen wie „Geldwäsche“, „Immobilienverkäufe“ usw. Da hat der Bund einiges gemacht, da muss aber auch noch nachgelegt werden.

Wir müssen – letzter Satz – aber auch für Perspektiven sorgen. Kettenduldung, Ermöglichung von Schule und Ausbildung – all diese Themen müssen angegangen werden. Da fehlt mir, ehrlich gesagt, das Engagement nach vorne. Es ist seitens der Landesregierung angekündigt, aber passiert ist aus meiner Sicht bislang nicht viel. – Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN)