Die Gefahr durch „Querdenker“ und Verschwörungsgläubige endlich ernst nehmen
Zur Tötung eines jungen Mannes in Idar-Oberstein und zur Diskussion über die Radikalisierung der „Querdenker“-Szene erklärt Verena Schäffer, Vorsitzende und Sprecherin für Strategien gegen Rechtsextremismus der GRÜNEN Landtagsfraktion NRW:
„Der Mord an dem jungen Mann in Idar-Oberstein ist erschütternd. Meine Gedanken sind bei den Angehörigen des Studenten. Dass die von Verschwörungsmythen geleitete Szene der sogenannten ‚Querdenker‘ eine erhebliche Gefahr für unsere Gesellschaft darstellt, ist spätestens seit dem versuchten Sturm auf das Bundestagsgebäude am 29. August 2020 augenscheinlich. Unzählige Beschäftige bei Polizei und Ordnungsdiensten, in Gesundheitseinrichtungen, im öffentlichen Nahverkehr, im Einzelhandel und auch an Tankstellen sind nahezu täglich mit Impfgegnern und Maskenverweigerern konfrontiert. Sie brauchen besseren Schutz. Dafür ist es in allererster Linie notwendig, dass die Gefahr durch Anhängerinnen und Anhänger von Verschwörungsmythen, die oft gepaart sind mit antidemokratischen und rassistischen Narrativen, von den Sicherheitsbehörden ernst genommen wird. Beschäftigte in besonders betroffenen Bereichen müssen für kritische Situationen mit Deeskalationstrainings geschult werden.
Riesig ist auch der Bedarf an Beratungsangeboten für Familienmitglieder und das direkte Umfeld von Verschwörungsgläubigen. Bislang gibt es in Nordrhein-Westfalen keine speziell zu diesem Thema arbeitende Beratungsstelle, an die sich Personen wenden können, die Hilfe im Umgang mit Menschen in ihrem Umfeld brauchen, die immer tiefer in die Welt der Verschwörungsmythen abdriften. Die Landesregierung muss ein solches Angebot schaffen, denn das direkte Umfeld braucht zum einen Unterstützung, zum anderen können sie womöglich noch an die Personen herankommen.
Angesichts der demokratiegefährdenden Verschwörungsmythen der ‚Querdenken‘-Szene ist es richtig, dass sie von den Verfassungsschutzämtern beobachtet wird. Eine Beobachtung allein reicht jedoch nicht aus. Wir brauchen dringend Präventionsangebote zum Thema Verschwörungsmythen. Die Landesregierung muss entsprechende Angebote auf den Weg bringen.
‚Querdenker‘ dürfen nicht einfach als ‚Spinner‘ und ihre Positionen als normale ‚kritische Haltung‘ abgetan werden. Verschwörungsmythen können tödlich enden. Die Attentäter der Anschläge von Halle und Hanau haben neben rechtsextremen Einstellungen auch Verschwörungsmythen propagiert. Daher ist es mir unverständlich, wie Ministerpräsident Armin Laschet jetzt auch noch in einem Wahlwerbe-Video eine Sequenz mit einem bekannten ‚Querdenker‘ verwendet. Die Ideologie der ‚Querdenker‘ ist nicht einfach eine kritische Haltung. Sie ist eine ernstzunehmende Gefahr. Das muss auch im Wahlkampf so benannt werden. Ministerpräsident Armin Laschet muss hier Haltung zeigen.“