„Wir brauchen ein Gesamtkonzept im Katastrophenschutz“

Zum Antrag der Fraktionen von CDU und FDP zu Warnmeldungen im Rundfunk

Verena Schäffer (GRÜNE): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich hoffe, ich darf auch für den Minister sprechen. Ich zumindest – ich glaube, Herr Reul auch – habe gerade sehr aufmerksam dieser medienpolitischen Debatte gelauscht.

Ich werde versuchen, jetzt noch ein paar Aspekte des Katastrophenschutzes einfließen zu lassen, denn ich glaube, es geht hier genau um die Verzahnung von Medienpolitik und Katastrophenschutz. Deshalb ist es gut, dass wir das Thema hier im Plenum diskutieren. Hier können wir die interdisziplinäre Verknüpfung der verschiedenen Themen ganz gut hinbekommen.

Zu dem Antrag selbst: Der Antrag umfasst sieben Prüfaufträge. Es wird Sie wahrscheinlich nicht verwundern, wenn ich Ihnen jetzt sage, dass ich eigentlich erwarte, dass eine Landesregierung und die sie tragenden Fraktionen mehr als nur Prüfaufträge vorlegen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Ich glaube schon, dass wir erwarten können – auch die Menschen im Land und diejenigen, die im Katastrophenschutz unterwegs sind oder eben bei den Radios arbeiten –, dass es nicht nur Prüfaufträge gibt, sondern dass es Konzepte gibt. Da müssen wir jetzt hinkommen.

Ich weiß nicht, wie bei Ihnen das Verhältnis zwischen Fraktionen und Regierung ist, wenn die Regierung von Ihnen durch das Plenum Aufträge bekommen muss, Dinge zu prüfen. Ich würde eigentlich denken, dass man das im Dialog auch anders hinkriegt. Aber gut, ich will mich gar nicht einmischen, wie Sie intern miteinander arbeiten.

Diese Hochwasserkatastrophe und das Beispiel Wuppertal haben sehr deutlich gemacht, was für eine wichtige Aufgabe die Lokalradios in Nordrhein-Westfalen haben, wenn es darum geht, die Bevölkerung vor Ort zu informieren.

Das Team von Radio Wuppertal hat in der Katastrophennacht vom 14. Juli sehr eindrucksvoll gezeigt, dass sie es geschafft haben, die Menschen vor Ort die ganze Nacht über zu begleiten und sehr intensiv zu informieren. Eigentlich war das Lokalradioteam schon nach Hause gegangen und hat dann eine SMS aus dem Rathaus bekommen. Man hat dann die Arbeit wieder aufgenommen und hat die Menschen in Wuppertal begleitet, als die Wupper drohte über die Ufer zu treten, was später am Abend auch passiert ist. Der Sender hat sogar noch weitergesendet und ‑gearbeitet, als schon der Keller unter Wasser stand. Erst als das Notstromaggregat auch an seine Grenzen kam – das war am nächsten Morgen um 5 Uhr –, fand das Radioprogramm sein Ende.

Dieses Beispiel aus Wuppertal zeigt wirklich sehr eindrucksvoll, dass die Radios definitiv ein Teil des Warnmixes sind, den wir brauchen, um die Menschen in Nordrhein-Westfalen bei Katastrophen zu warnen, während der Katastrophe zu begleiten und ihnen Handlungsmöglichkeiten an die Hand zu geben. Aus meiner Sicht sind die Radios ein Baustein des Warnmixes. Wir haben im Innenausschuss noch über weitere Bestandteile und Bausteine gesprochen.

Wuppertal zeigt aber auch, dass Sender selbst betroffen sein können. Das war hier der Fall. Irgendwann wurde der Strom von der Stadt Wuppertal abgeschaltet. Dann wurde das Notstromaggregat angeworfen, aber es konnte nur zweieinhalb Stunden arbeiten.

Deshalb müssen wir doch darüber diskutieren: Wie können wir die Sender befähigen, dass sie mit Notstromaggregaten länger durchhalten? Ich würde mir wünschen, dass hier mehr als nur Prüfaufträge beschrieben werden, dass man konkret sagt, dass es auch Förderungen geben muss. – Das ist das eine.

Ich glaube, wir müssen aber auch über die Selbsthilfefähigkeit der Menschen sprechen. Dabei geht es zum Beispiel um batteriebetriebene Radios. Auch das ist ein wichtiger Bestandteil des Katastrophenschutzes. Wenn der Strom irgendwann nicht mehr da ist, muss ich die Sendung ja noch empfangen können.

Eines will ich hier ganz klar sagen: Um den Bürgerinnen und Bürgern diese Informationen geben zu können, muss ich ja überhaupt selber erkannt haben, dass es eine Gefahrenlage gibt. Das ist, finde ich, der Kernpunkt, über den wir bei dieser Hochwasserkatastrophe reden müssen und auch schon an verschiedenen Stellen geredet haben.

Aus meiner Sicht hat diese Landesregierung eben nicht erkannt, in welcher Katastrophensituation, in welcher Gefahrenlage wir uns schon am Abend des 14. Juli befanden. Am 15. und 16. Juli ging es dann noch weiter. Die Landesregierung hat es eben nicht erkannt.

Wir müssen an der Frage arbeiten, wie Gefahren erkannt werden und Fachexpertisen einbezogen werden. Wir müssen über das Zusammenbinden von interdisziplinären Fachlichkeiten sprechen, um wirklich solche Gefahrenlagen zu erkennen und Menschen dann warnen zu können.

Ich könnte noch so viel sagen und habe mir noch sehr viel aufgeschrieben, aber einen Punkt will ich in den letzten 16 Sekunden noch ansprechen. Das Erste, was Sie in diesem Antrag sagen, ist, dass Sie prüfen wollen, inwiefern Lokalstationen schon heute Teil der Katastrophenpläne sind. Da fängt es doch schon an. Wir haben diese Katastrophenpläne vor Ort doch gar nicht. Das ist ein großer Teil des Problems, das wir momentan haben und über das wir im Katastrophenschutz diskutieren. Wir haben diese Verbindlichkeit nicht. Es steht im Gesetz, aber es wird vor Ort nicht umgesetzt. Das ist das Problem.

Deshalb brauchen wir mehr als nur ein Herumdoktern am Thema „Lokalsender“. Wir brauchen ein Gesamtkonzept beim Katastrophenschutz. Das fehlt mir hier komplett.

(Beifall von den GRÜNEN)

Dass Sie sich hier immer noch nur auf der Ebene von Prüfaufträgen bewegen bei einem Teilsegment dessen, worüber wir gerade diskutieren müssen, finde ich – ich sage es jetzt mal ein bisschen moderat, weil die ganze Debatte sehr moderat war – sehr schade. Ich würde mir da von dieser Landesregierung mehr wünschen.

Dahin müssen wir kommen. Wir brauchen ein Gesamtkonzept im Katastrophenschutz. Das muss die Landesregierung leisten, und das erwarten die Menschen. Lassen Sie uns die Diskussion weiterführen. Bei diesem Antrag werden wir uns enthalten.

(Beifall von den GRÜNEN)