„Verfahren, an denen Kinder beteiligt sind, müssen beschleunigt werden“

Rede zum Antrag der Fraktionen von CDU und FDP zu kindgerechten Justiz

Der grüne Entschließungsantrag

Verena Schäffer (GRÜNE): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit der Justiz kommen jedes Jahr viele Kinder und Jugendliche in Kontakt, wenn es zum Beispiel um Trennung und Scheidung ihrer Eltern oder um Sorgerechtsfragen geht, oder auch in strafrechtlichen Verfahren zum Beispiel als Opferzeuginnen und Opferzeugen.

Die UN-Kinderrechtskonvention sichert Kindern und Jugendlichen in allen sie betreffenden Gerichts‑ und Verwaltungsverfahren Rechte zu; das ist auch wichtig und richtig so. Wir wissen aber, dass es in der Praxis häufig an der Umsetzung hapert.

Frau Erwin, unser Entschließungsantrag ist gar kein Gegensatz; das haben Sie vielleicht ein bisschen missverstanden. Wir unterstützen die Childhood-Häuser. Wir werden den Antrag noch im Ausschuss diskutieren, aber in der Sache sind wir uns sehr einig.

Uns ging es darum, mit unserem Entschließungsantrag noch einmal sehr deutlich zu machen, dass eine kindgerechte Justiz viel mehr ist als Childhood-Häuser, die nur einen Bereich umfassen. Es ist total wichtig, dass es das Childhood-Haus in Düsseldorf gibt, aber das ist eben nur ein Teil. Sie fordern in Ihrem Antrag ja auch eine kindgerechte Justiz, aber das meint eben viel mehr. Das wollen wir mit dem Antrag deutlich machen und auch gerne die Diskussion darüber führen.

Mich irritiert ein bisschen, dass der Antrag an den Innenausschuss geht und gleich auch der Innenminister redet. Ich stehe auch hier nur als Vertretung für meinen Kollegen und rede nicht als innenpolitische Sprecherin. Ich hätte es gut gefunden, wenn die Diskussion federführend im Rechtsausschuss stattfinden würde, weil sie dort aus meiner Sicht eigentlich hingehört, wenn wir über kindgerechte Justiz reden. Das ist eigentlich kein Thema der Innenpolitik, aber das sei nur am Rande erwähnt.

Zum Antrag von CDU und FDP muss ich doch diese Kritik loswerden: Ich finde ihn ein bisschen mutlos. Sie sind doch die regierungstragenden Fraktionen. Warum müssen Sie Ihren Minister auffordern, Gespräche zu führen? Ich will doch hoffen, dass der Minister auch so Gespräche führt und dafür keinen Parlamentsbeschluss braucht.

(Beifall von den GRÜNEN)

Ich will auch hoffen, dass Sie nicht nur prüfen müssen, ob es weitere Childhood-Häuser in Nordrhein-Westfalen geben kann. Wir wollen eigentlich, dass es mindestens in jedem Regierungsbezirk ein Haus gibt, weil Nordrhein-Westfalen ein großes Flächenland ist und ein Haus selbstverständlich viel zu wenig ist.

Warum erteilen Sie also noch ein Prüfauftrag? Warum fordern Sie, dass sich die Landesregierung für eine Verstetigung der Finanzierung einsetzen soll? Sie soll sich, bitte schön, nicht nur einsetzen, sondern die Finanzierung gewährleisten. Das Parlament muss beschließen, dass das Haus in Düsseldorf und auch weitere Häuser finanziert werden.

(Beifall von den GRÜNEN)

Wir sind das Parlament. Wir müssen nicht die Regierung um einen Gefallen bitten, sondern im Gegenteil: Wir müssen dafür sorgen, dass das umgesetzt wird. Mein Selbstverständnis als Parlamentarierin ist, dass wir der Landesregierung klare Aufträge erteilen und hier klare Beschlüsse fassen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Meine Zeit rennt davon. – Zu den Childhood-Häusern muss ich vielleicht gar nicht mehr so viel sagen, weil gerade schon viel Gutes gesagt wurde und wir das wirklich unterstützen; denn solche Verfahren müssen so ausgerichtet werden, dass das Kind im Mittelpunkt steht. Deshalb sind die Childhood-Häuser als interdisziplinäre Anlaufstellen natürlich eine total große Verbesserung, von denen wir mehr haben möchten.

Warum haben wir diesen Entschließungsantrag gestellt? – Weil wir der Auffassung sind, dass kindgerechte Justiz einfach mehr meint. Es meint, dass Kinder in Verfahren immer angemessen angehört und beteiligt werden müssen, dass Kinder über ihre Rechte Bescheid wissen müssen, dass Informationen kindgerecht aufbereitet werden. Und da kommt jetzt doch der Innenminister ins Spiel: Wenn Kinder auf Polizeiwachen vernommen werden – denn die Childhood-Häuser sind nicht flächendeckend verfügbar –, dann bedeutet das auch, dass es angemessene kindgerechte Vernehmungszimmer gibt und dass nicht nur Kinder dort vernommen werden, sondern zum Beispiel auch Jugendliche in einer altersgerechten Atmosphäre, in einer altersangemessenen Sprache. Das ist bislang noch nicht komplett gewährleistet.

Das bedeutet aber zum Beispiel auch, dass Eltern nicht davon abgeraten wird, dass Kinder in einem noch laufenden Strafverfahren keine Therapie machen sollen. Es gibt immer noch diesen weit verbreiteten Irrglauben, die Kinder dürften in der Zeit keine Therapie machen. Aber da muss man ganz klar sagen: Wenn die Therapie dazu dient, das Kind zu stabilisieren, dann soll es natürlich diese Therapie auch in Anspruch nehmen. Im Zweifelsfall muss natürlich immer das Kindeswohl an allererster Stelle stehen.

Es geht auch darum, dass Ermittlungs- und Gerichtsverfahren beschleunigt und priorisiert werden, wenn Kinder beteiligt sind, weil für Kinder diese Zeitspanne enorm belastend ist und Kinder auch noch ein anderes Zeitgefühl haben und es eine belastende Situation für Kinder ist. Deshalb muss klar sein, dass solche Ermittlungs- und Gerichtsverfahren, an denen Kinder beteiligt sind, beschleunigt werden müssen.

Über das Thema Fortbildung für Richterinnen und Richter sowie für Staatsanwältinnen und Staatsanwälte kann man sicherlich noch streiten. Ich halte es nach wie vor für total notwendig.

(Das Ende der Redezeit wird signalisiert.)

– Oh, Entschuldigung. Die Redezeit ist zu Ende. Das können wir im Ausschuss weiter diskutieren.

Allerletzter Satz: Es geht einfach darum, dass die UN-Kinderrechtskonvention eingehalten wird, dass das Wohl unserer Kinder und Jugendlichen im Vordergrund steht, und deshalb müssen wir auch bei der kindgerechten Justiz vorankommen. – Herzlichen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN)