Rede zum Antrag der „AfD“-Fraktion zu Extremwettergefahren

„Wir brauchen ein eigenes Landesamt für Katastrophenschutz“

Meine Rede zum Antrag der „AfD“-Fraktion zu Extremwettergefahren

Verena Schäffer (GRÜNE): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Hochwasserkatastrophe vor einem halben Jahr – so lange ist es schon her, auch wenn wir alle wissen, dass die Schäden und Folgen weiterhin massiv sind – hat offengelegt, was wir zum Teil schon seit Beginn der Coronapandemie wissen, nämlich dass es einen Reformbedarf beim Katastrophenschutz gibt.

Um es direkt vorwegzusagen und um nicht falsch verstanden zu werden: Wir haben einen guten und leistungsfähigen Katastrophenschutz mit vielen engagierten haupt- und ehrenamtlichen Kräften, denen wir für ihr Engagement sehr dankbar sind. Trotzdem sagen wir: Der Katastrophenschutz muss weiterentwickelt werden, um ihn noch besser zu machen.

Ich freue mich, dass CDU und FDP diesen Reformbedarf ebenfalls erkannt haben, auch wenn ich mich ein bisschen über das Verfahren wundere oder zumindest eine kleine Kritik anbringen muss. Denn wir Grüne haben schon im Mai 2020 einen Antrag mit vielen Punkten vorgelegt, in dem wir gesagt haben: Dies müssen wir als Lehre aus der Coronapandemie ziehen, und wir müssen den Katastrophenschutz verbessern.

Sie haben im Ausschuss erklärt, erst später über den Antrag beraten zu wollen, weil Sie die Analyse und Untersuchung von Herrn Broemme abwarten wollten. Sie wollten auch das Kompetenzteam Katastrophenschutz abwarten.

Das haben Sie jetzt nicht gemacht, sondern einen eigenen Antrag vorgelegt, obwohl die Empfehlungen noch nicht da sind. Das finde ich vom Verfahren her nicht so schön, aber es steht Ihnen natürlich frei, und es ist völlig legitim, einen Antrag vorzulegen. Ich setze mich sehr gerne damit auseinander.

Ich will explizit sagen, dass ich es begrüße, dass sich CDU und FDP in manchen Positionen weiterentwickelt haben – ich erkenne das ausdrücklich an –, beispielsweise bei der Frage: Brauchen wir im Katastrophenfall, bei der Bewältigung von großen Schadens- und Katastrophenlagen mehr Kompetenzen auf Landesebene? – Das unterstütze ich ausdrücklich, das sehe ich genauso.

Wir können die unteren Katastrophenschutzbehörden, die Kreise und kreisfreien Städte, in bestimmten Situationen nicht alleinlassen, gerade wenn mehrere Kreise von einer Lage betroffen sind, bestimmte Entscheidungen anstehen und getroffen werden müssen.

Ich begrüße es auch, dass Sie in Ihrem Antrag explizit dem BBK, dem Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe, eine weitere Rolle geben und es stärken wollen. Dazu haben wir in der Vergangenheit auch andere Stimmen gehört, die nicht so weit gegangen sind. Es freut mich, dass wir einen Konsens darüber haben, dass wir eine Stärkung des BBK brauchen.

Wie so oft aber ist es interessant zu sehen, was nicht in dem Antrag steht, was es nicht in den Antrag geschafft hat. Es steht mir als Vertreterin der Opposition vielleicht frei, dies konkret anzusprechen.

Sie sagen zu Recht: Wir brauchen mehr Kompetenzen auf Landesebene. Dann müssen Sie aber auch die Frage beantworten: Wer macht das im Katastrophenfall?

Unsere Überlegung als Grüne lautet: Wir brauchen ein eigenes Landesamt für Katastrophenschutz. Über die Ausgestaltung muss man reden – das habe ich mehrfach gesagt –, aber in diese Richtung muss es eigentlich gehen.

Zum Stichwort „Katastrophenvorsorge“ sagen Sie zu Recht: Die kreisfreien Städte und die Kreise, also die unteren Katastrophenschutzbehörden, müssen mehr Vorsorge betreiben. – Da bin ich bei Ihnen. Sie, Herr Pfeil, haben gerade die Katastrophenschutzbedarfspläne angesprochen. Diese steht leider nicht im Antrag. Das hätte ich mir gewünscht. Ich finde, da müssen wir konkreter werden.

Zum Krisenstab: Aus Ihrer Perspektive verstehe ich es ein bisschen, dass Sie ihn in dem Antrag nicht benennen. Auch hierbei müssen wir aber gesetzlich weitergehen und konkretisieren, welche Aufgaben der Krisenstab der Landesregierung hat, wann er eingesetzt wird und welchen Zweck er hat. Das müssen wir regeln bzw. konkretisieren.

Beim Thema „Selbsthilfefähigkeit der Bevölkerung stärken“ bin ich auch sehr bei Ihnen. Man macht sich aber etwas vor, wenn man nur sagt: Wir müssen sie stärken. – Dann müssen wir nämlich auch sagen, wer das macht. Momentan sind nach dem BHKG die Gemeinden zuständig. Wir wissen aber auch, dass in vielen Gemeinden bei dem Thema nicht sonderlich viel passiert. Das ist kein Vorwurf, man muss es so nüchtern analysieren. Ich sage gar nicht, dass dies eine Landeskompetenz werden muss, meine aber, das Land sollte die Gemeinden darin unterstützen, in dem Bereich besser zu werden und mehr zu machen.

Zum Stichwort „Spontanhelferinnen und Spontanhelfer“: Dieses Thema bewegt uns nicht erst seit dieser Katastrophe, sondern wir wissen aus vorherigen Katastrophen, dass viele Menschen sehr engagiert sind, sich einbringen, helfen wollen und an den Ort des Geschehens fahren.

Wir müssen uns aber die Fragen stellen und beantworten: Wie können wir diese freiwillige, spontane Hilfe zukünftig in die professionellen Strukturen einbinden? Wie können wir sie besser koordinieren, sodass zum Beispiel nicht alle nach Erftstadt-Blessem fahren, weil sie die Bilder im WDR gesehen haben, sondern auch nach Heimerzheim, was medial nicht so präsent ist, wo aber auch Hilfe benötigt wird?

Meine Idee wäre die Schaffung einer Plattform oder App, um diese Dinge besser zu koordinieren.

Bei der BHKG-Novellierung oder zumindest -Überarbeitung, die aus meiner Sicht in der nächsten Legislaturperiode ansteht, müssen wir auch darüber sprechen, ob man den Rettungsdienst im BHKG als medizinischen Teil der Gefahrenabwehr verankert.

(Das Ende der Redezeit wird signalisiert.)

Mein letzter Satz: Wir werden dem Antrag als Grüne zustimmen, obwohl ich ihn nicht mutig genug finde. Ich hätte mir an vielen Stellen gewünscht – das habe ich gerade ausgeführt –, dass Sie weitergehen. Das haben Sie leider nicht getan. Trotzdem ist das, was Sie sagen, nicht falsch. Deshalb stimmen wir zu.

Ich hoffe, ich konnte deutlich machen, dass wir in der nächsten Legislatur noch mehr Baustellen haben als die, die Sie aufgezeigt haben, und dass wir sie angehen müssen.

(Das Ende der Redezeit wird signalisiert.)

Ich hoffe, dass wir dies parteiübergreifend schaffen, denn Katastrophenschutz und Feuerwehr sollten keine Themen sein, die parteipolitisch zerrieben werden. Es wäre schön, gemeinsam Antworten zu finden. – Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN, der CDU und der FDP)

 

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Rede zum Antrag der SPD-Fraktion zur Hochwasserkatastrophe

„Die Menschen haben mir berichtet, dass sie nicht mehr schlafen können oder dass Regen für sie ganz furchtbar ist“

Meine Rede zum Antrag der SPD-Fraktion zur Hochwasserkatastrophe

Verena Schäffer (GRÜNE): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Das Hochwasser im Juli letzten Jahres hat weitreichende Folgen. Wie wir alle wissen, liegen die Schäden an Wohnhäusern von Privatleuten, an öffentlicher Infrastruktur und bei Unternehmen in Milliardenhöhe.

Aber noch viel schlimmer ist, dass in Nordrhein-Westfalen und in Rheinland-Pfalz über 180 Menschen gestorben sind. Es ist furchtbar, dass Menschen ihre Angehörigen verloren haben, dass sie selbst um ihr Leben fürchten mussten oder dass sie mit angesehen haben, wie Menschen um Hilfe gerufen haben, ihnen aber niemand mehr helfen konnte, weil die Wassermassen einfach zu stark waren.

Ich habe bei meinen Besuchen in Altenahr, Hagen, Erftstadt und Euskirchen Menschen kennengelernt, die in dieser Hochwassernacht um ihr Leben gekämpft haben und stundenlang nicht wussten, ob sie die Nacht wirklich überleben würden.

Ich habe eine Frau aus dem Kreis Euskirchen kennengelernt, die doppelt betroffen war. Zum einen hat sie als Mutter von ihren zwei Töchtern tagelang keine Nachricht erhalten, wie es ihnen geht. Zum anderen war sie als Einsatzkraft einer Katastrophenschutzorganisation selbst über Tage im Einsatz und hat das Leid der Menschen mit angesehen.

Besonders traurig macht mich die Situation von Kindern, die alles verloren haben. Wir können uns als Erwachsene vielleicht gar nicht mehr richtig vorstellen, wie es ist, als Kind ein geliebtes Kuscheltier zu haben, das verloren geht und nie wieder da sein wird. Diese Kinder und Jugendlichen mussten miterleben, dass auch ihre Eltern in dieser Situation völlig hilflos und verzweifelt waren. Was macht das mit Kindern und Jugendlichen?

Aber was macht es auch mit Erwachsenen, in so einer Extremsituation zu sein? Die Menschen haben mir berichtet, dass sie nicht mehr schlafen können oder dass Regen für sie ganz furchtbar ist.

Wir wissen auch – das ist hier in den Reden bereits angeklungen und schon mehrfach gesagt worden –, dass ein solches Trauma auch später noch hochkommen kann und dass die Menschen – wahrscheinlich über einen sehr langen Zeitraum – Hilfe brauchen. Deshalb sind Angebote für die Menschen in den Gebieten, die vom Hochwasser betroffen sind, so wichtig – insbesondere niedrigschwellige Angebote, aber auch spezialisierte Angebote für Kinder und Jugendliche.

Ich möchte an dieser Stelle hinzufügen, dass auch Angebote für Einsatzkräfte wichtig sind: für Feuerwehren, für Hilfsorganisationen, für die Polizei, für all jene also, die im Einsatz waren, die solche Situationen erleben mussten, die sie auch erst mal verarbeiten müssen. Das Anliegen des Antrages teilen wir daher sehr.

Die Forderung an die Landesregierung, in einen koordinierten Prozess mit allen Akteuren zu gehen, um solche Angebote in den vom Hochwasser betroffenen Gebieten zu schaffen, ist aus unserer Sicht richtig. Hier möchte ich allerdings ein Aber einfügen, da auch wir in unserer Fraktion einen Abwägungsprozess vorgenommen haben.

Wir haben sehr lange und sehr intensiv darüber diskutiert, wie wir bei diesem Antrag abstimmen wollen, ob wir zustimmen, ob wir uns enthalten. Ich mache dies deshalb so transparent, weil ich es wichtig finde, dass wir nicht einfach nur die Hand heben und sagen: Liebe Landesregierung, macht mal. – So einfach darf man es sich bei solchen Fragen nicht machen.

Wir haben uns gefragt: Was heißt „Traumazentrum“ – das klingt erst mal sehr gut – denn konkret? Was unterscheidet es zum Beispiel von den Traumaambulanzen, die bereits für die Opfer der Flutkatastrophe geöffnet wurden? Es ist richtigerweise darauf hingewiesen worden, dass es schon Angebote gibt.

Wir wissen auch, dass die psychotherapeutische Regelversorgung ein Problem ist und dass es hier Bedarfe gibt, die derzeit nicht gedeckt werden, nicht nur in den vom Hochwasser betroffenen Gebieten. Es gibt in der Tat zu wenig Kassensitze für Psychotherapeutinnen und ‑therapeuten. Aber an wen richtet sich denn die Forderung, mehr davon zu schaffen? Das ist doch eine Forderung an die Krankenkassen, an die Kassenärztlichen Vereinigungen, die vor Jahren den Bedarf errechnet und bisher nicht angepasst haben.

Damit sich in dieser Frage etwas bewegt, plant die Bundesregierung, die Bedarfsplanung zu reformieren, damit die Wartezeiten auf einen Behandlungsplatz reduziert werden können. Hier ist der Bundesgesundheitsminister in der Verantwortung, etwas vorzulegen.

Richtig ist, dass Rheinland-Pfalz ein neues Traumahilfezentrum im Ahrtal eingerichtet hat. Das kann vielleicht ein Vorbild für Nordrhein-Westfalen sein.

Richtig ist ebenfalls, dass man sich auf den Weg machen und Gespräche führen muss. Wenn man sich nämlich nicht auf den Weg macht, kommt man nicht an.

Daher will ich es noch einmal betonen: Wir haben lange abgewogen. Wir werden dem Antrag jetzt zustimmen. Ich will nur davor warnen, vorschnelle Versprechungen abzugeben, die die Politik nachher nicht einhalten, nicht einlösen kann. Das dürfen wir nicht machen. Wir haben eine Verantwortung gegenüber den Menschen, und zwar alle miteinander hier im Parlament.

Wir werden dem Antrag jetzt zustimmen, aber, wie gesagt, meine Bedenken und unsere offenen Fragen bleiben trotzdem bestehen. Es war uns wichtig, diese heute noch einmal zu artikulieren.

Ich glaube, in dem Ziel, nämlich dass die Menschen vor Ort Hilfe bekommen und unterstützt werden, sind wir uns sehr einig. Es ist sehr wichtig, das noch einmal herauszustellen. – Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN und Dr. Ralf Nolten [CDU])

Online-Veranstaltung zur Stärkung des Katastrophenschutzes in NRW

Aufzeichnung der Online-Veranstaltung zur Stärkung des Katastrophenschutzes in NRW

Am 07.09.2021 habe ich eine Online-Diskussion mit dem Titel „Stärkung des Katastrophenschutzes in NRW – Lehren aus der Hochwasserkatastrophe“ veranstaltet. Meine Gesprächspartner waren Dipl.-Ing. Arvid Graeger (AGBF NRW) und Hartmut Krabs-Höhler (DRK Nordrhein). Auf der Grundlage unseres Diskussionspapiers (hier zu finden) haben wir darüber gesprochen, wie der Katastrophenschutz in NRW gestärkt werden kann. Eine Aufzeichnung der Diskussion findet ihr auf dieser Seite.

Rede zum Antrag der Fraktionen von CDU und FDP zu Warnmeldungen im Rundfunk

„Wir brauchen ein Gesamtkonzept im Katastrophenschutz“

Zum Antrag der Fraktionen von CDU und FDP zu Warnmeldungen im Rundfunk

Verena Schäffer (GRÜNE): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich hoffe, ich darf auch für den Minister sprechen. Ich zumindest – ich glaube, Herr Reul auch – habe gerade sehr aufmerksam dieser medienpolitischen Debatte gelauscht.

Ich werde versuchen, jetzt noch ein paar Aspekte des Katastrophenschutzes einfließen zu lassen, denn ich glaube, es geht hier genau um die Verzahnung von Medienpolitik und Katastrophenschutz. Deshalb ist es gut, dass wir das Thema hier im Plenum diskutieren. Hier können wir die interdisziplinäre Verknüpfung der verschiedenen Themen ganz gut hinbekommen.

Zu dem Antrag selbst: Der Antrag umfasst sieben Prüfaufträge. Es wird Sie wahrscheinlich nicht verwundern, wenn ich Ihnen jetzt sage, dass ich eigentlich erwarte, dass eine Landesregierung und die sie tragenden Fraktionen mehr als nur Prüfaufträge vorlegen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Ich glaube schon, dass wir erwarten können – auch die Menschen im Land und diejenigen, die im Katastrophenschutz unterwegs sind oder eben bei den Radios arbeiten –, dass es nicht nur Prüfaufträge gibt, sondern dass es Konzepte gibt. Da müssen wir jetzt hinkommen.

Ich weiß nicht, wie bei Ihnen das Verhältnis zwischen Fraktionen und Regierung ist, wenn die Regierung von Ihnen durch das Plenum Aufträge bekommen muss, Dinge zu prüfen. Ich würde eigentlich denken, dass man das im Dialog auch anders hinkriegt. Aber gut, ich will mich gar nicht einmischen, wie Sie intern miteinander arbeiten.

Diese Hochwasserkatastrophe und das Beispiel Wuppertal haben sehr deutlich gemacht, was für eine wichtige Aufgabe die Lokalradios in Nordrhein-Westfalen haben, wenn es darum geht, die Bevölkerung vor Ort zu informieren.

Das Team von Radio Wuppertal hat in der Katastrophennacht vom 14. Juli sehr eindrucksvoll gezeigt, dass sie es geschafft haben, die Menschen vor Ort die ganze Nacht über zu begleiten und sehr intensiv zu informieren. Eigentlich war das Lokalradioteam schon nach Hause gegangen und hat dann eine SMS aus dem Rathaus bekommen. Man hat dann die Arbeit wieder aufgenommen und hat die Menschen in Wuppertal begleitet, als die Wupper drohte über die Ufer zu treten, was später am Abend auch passiert ist. Der Sender hat sogar noch weitergesendet und ‑gearbeitet, als schon der Keller unter Wasser stand. Erst als das Notstromaggregat auch an seine Grenzen kam – das war am nächsten Morgen um 5 Uhr –, fand das Radioprogramm sein Ende.

Dieses Beispiel aus Wuppertal zeigt wirklich sehr eindrucksvoll, dass die Radios definitiv ein Teil des Warnmixes sind, den wir brauchen, um die Menschen in Nordrhein-Westfalen bei Katastrophen zu warnen, während der Katastrophe zu begleiten und ihnen Handlungsmöglichkeiten an die Hand zu geben. Aus meiner Sicht sind die Radios ein Baustein des Warnmixes. Wir haben im Innenausschuss noch über weitere Bestandteile und Bausteine gesprochen.

Wuppertal zeigt aber auch, dass Sender selbst betroffen sein können. Das war hier der Fall. Irgendwann wurde der Strom von der Stadt Wuppertal abgeschaltet. Dann wurde das Notstromaggregat angeworfen, aber es konnte nur zweieinhalb Stunden arbeiten.

Deshalb müssen wir doch darüber diskutieren: Wie können wir die Sender befähigen, dass sie mit Notstromaggregaten länger durchhalten? Ich würde mir wünschen, dass hier mehr als nur Prüfaufträge beschrieben werden, dass man konkret sagt, dass es auch Förderungen geben muss. – Das ist das eine.

Ich glaube, wir müssen aber auch über die Selbsthilfefähigkeit der Menschen sprechen. Dabei geht es zum Beispiel um batteriebetriebene Radios. Auch das ist ein wichtiger Bestandteil des Katastrophenschutzes. Wenn der Strom irgendwann nicht mehr da ist, muss ich die Sendung ja noch empfangen können.

Eines will ich hier ganz klar sagen: Um den Bürgerinnen und Bürgern diese Informationen geben zu können, muss ich ja überhaupt selber erkannt haben, dass es eine Gefahrenlage gibt. Das ist, finde ich, der Kernpunkt, über den wir bei dieser Hochwasserkatastrophe reden müssen und auch schon an verschiedenen Stellen geredet haben.

Aus meiner Sicht hat diese Landesregierung eben nicht erkannt, in welcher Katastrophensituation, in welcher Gefahrenlage wir uns schon am Abend des 14. Juli befanden. Am 15. und 16. Juli ging es dann noch weiter. Die Landesregierung hat es eben nicht erkannt.

Wir müssen an der Frage arbeiten, wie Gefahren erkannt werden und Fachexpertisen einbezogen werden. Wir müssen über das Zusammenbinden von interdisziplinären Fachlichkeiten sprechen, um wirklich solche Gefahrenlagen zu erkennen und Menschen dann warnen zu können.

Ich könnte noch so viel sagen und habe mir noch sehr viel aufgeschrieben, aber einen Punkt will ich in den letzten 16 Sekunden noch ansprechen. Das Erste, was Sie in diesem Antrag sagen, ist, dass Sie prüfen wollen, inwiefern Lokalstationen schon heute Teil der Katastrophenpläne sind. Da fängt es doch schon an. Wir haben diese Katastrophenpläne vor Ort doch gar nicht. Das ist ein großer Teil des Problems, das wir momentan haben und über das wir im Katastrophenschutz diskutieren. Wir haben diese Verbindlichkeit nicht. Es steht im Gesetz, aber es wird vor Ort nicht umgesetzt. Das ist das Problem.

Deshalb brauchen wir mehr als nur ein Herumdoktern am Thema „Lokalsender“. Wir brauchen ein Gesamtkonzept beim Katastrophenschutz. Das fehlt mir hier komplett.

(Beifall von den GRÜNEN)

Dass Sie sich hier immer noch nur auf der Ebene von Prüfaufträgen bewegen bei einem Teilsegment dessen, worüber wir gerade diskutieren müssen, finde ich – ich sage es jetzt mal ein bisschen moderat, weil die ganze Debatte sehr moderat war – sehr schade. Ich würde mir da von dieser Landesregierung mehr wünschen.

Dahin müssen wir kommen. Wir brauchen ein Gesamtkonzept im Katastrophenschutz. Das muss die Landesregierung leisten, und das erwarten die Menschen. Lassen Sie uns die Diskussion weiterführen. Bei diesem Antrag werden wir uns enthalten.

(Beifall von den GRÜNEN)

Zum Antrag der Fraktionen von SPD und GRÜNEN auf Einsetzung eines Parlamentarischen Untersuchungsausschusses „Hochwasserkatastrophe“

“Das sind wir den Opfern schuldig”

Zum Antrag der Fraktionen von SPD und GRÜNEN auf Einsetzung eines Parlamentarischen Untersuchungsausschusses „Hochwasserkatastrophe“

Verena Schäffer (GRÜNE): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir hatten hier gestern Morgen eine sehr würdige Gedenkstunde für die Opfer der Flutkatastrophe. 49 Menschen haben allein in Nordrhein-Westfalen in dieser Hochwasserkatastrophe ihr Leben verloren. Es gibt außerdem viele verletzte Menschen, traumatisierte Menschen, die alles verloren haben, darunter Erinnerungsstücke, die durch die Fluten weggerissen und vernichtet wurden.

Wir alle wissen, dass uns der Wiederaufbau noch viele, viele Jahre hier in Nordrhein-Westfalen beschäftigen wird. Ich denke, es ist auch klar – und so haben wir das hier immer gemeinsam diskutiert –, dass es jetzt um schnelle Hilfen für die Betroffenen gehen muss.

Aber auch die Aufarbeitung ist wichtig; ich finde, das sind wir den Opfern schuldig. Es ist auch wichtig, um offene Fragen aufzuarbeiten und aus den Antworten Konsequenzen ziehen zu können.

Unsere Aufgabe als Abgeordnete, als Parlament ist es, Gesetze zu verabschieden. Unsere Aufgabe ist es aber auch, die Landesregierung zu kontrollieren. Wann, wenn nicht jetzt – nach einer Katastrophe mit 49 Toten und mit der Fragestellung, wie die Landesbehörden konkret vor, während und nach dieser Katastrophe gehandelt haben – sollten wir als Parlament das Instrument eines Untersuchungssauschusses nutzen?

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Wann hat wer welche Unwetterwarnung erhalten, und warum hat die Landesregierung sie nicht entsprechend eingeordnet? Welche Unterstützung haben die Kreise und die kreisfreien Städte als untere Katastrophenschutzbehörden vom Innenministerium und den Bezirksregierungen erhalten? Warum hat das Innenministerium die Bezirksregierungen erst am 15. Juli um 1:20 Uhr nachts angeordnet, ihr Krisenmanagement bis morgens um 7 Uhr hochzufahren? Warum gab es keine entsprechende Kommunikation? Warum wurden die anderen Kommunen nicht von der Landesregierung gewarnt, als in einigen Städten das Wasser bereits über die Ufer getreten ist? Welche Rolle hätte das Land hier einnehmen müssen?

Das ist nur ein Bruchteil der Fragen, die nach wie vor nicht aufgeklärt sind. Meine Fraktion und auch die SPD halten deshalb einen Untersuchungsausschuss für unverzichtbar.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Gestern hieß es in der Debatte, wir wollten im Untersuchungsausschuss jeden Landrat, jeden Bürgermeister sowie alle Einsatzkräfte vorladen und vernehmen. Das ist schlichtweg falsch, und das wissen Sie auch; das ist Stimmungsmache.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Wir wollen die Arbeit der Landesbehörden untersuchen; genauso steht es auch im Einsetzungsantrag. Dazu gehört selbstverständlich auch die Kommunikation der Landesbehörden in Richtung Kommunen. Klar ist aber: Wir werden nicht jeden Landrat und jeden Bürgermeister vernehmen wollen.

(Zuruf von Daniel Sieveke [CDU])

Hätten Sie den Antrag gelesen, wüssten Sie das auch.

Dann kam der Vorwurf, wir würden uns verweigern, parallel Konsequenzen zu ziehen. Ich will klar dagegen sprechen: Sie wissen, dass wir im Untersuchungsausschuss Kindesmissbrauch gerade aufarbeiten und gleichzeitig schon Konsequenzen gezogen worden sind; beides schließt sich nicht aus. Ich will noch einmal deutlich sagen: Wir stehen gerne zur Verfügung, um konstruktiv an Konsequenzen zu arbeiten.

(Daniel Sieveke [CDU]: Ja!)

Es war übrigens der Minister, der uns gestern jegliche Antwort schuldig blieb, was denn aus seiner Sicht Konsequenzen sein könnten.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Ich will noch etwas klarstellen, was mir wichtig ist: Der Minister hat gestern wider besseren Wissens die Behauptung aufgestellt, wir würden einen gemeinsamen Antrag mit der AfD stellen. Das stimmt nicht; Herr Reul, Sie wissen das. Das ist reiner Populismus.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Das war ein populistischer Schlag, weil wir Sie gestern in der Debatte offenbar so sehr getroffen haben. Nein, wir werden heute einen Einsetzungsbeschluss mit den Stimmen von Grünen und SPD fassen. Das ist mir sehr wichtig, weil ich klar sagen will, dass wir nicht mit der AfD – einer rassistischen Partei – gemeinsame Sache machen.

Ich sage auch in aller Deutlichkeit: Dass Querdenker und rechtsextreme Gruppierungen versucht haben, die Hochwasserkatastrophe für ihre Zwecke zu nutzen, ist schäbig.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Klar ist doch: Wir haben in Nordrhein-Westfalen eine starke Zivilgesellschaft. Dazu gehören die Freiwilligen Feuerwehren und die anerkannten Hilfsorganisationen, das THW, aber auch die vielen spontanen Helferinnen und Helfer, die angepackt haben. All denen möchte ich mein herzliches Dankeschön für ihre Tatkraft und ihr Engagement während dieser Katastrophe aussprechen. – Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

SPD und Grüne beantragen Parlamentarischen Untersuchungsausschuss

„Hochwasserkatastrophe aufarbeiten und aufklären“

SPD und Grüne beantragen Parlamentarischen Untersuchungsausschuss

Nach der Hochwasserkatastrophe vom Juli in weiten Teilen Nordrhein-Westfalens haben die Fraktionen von Bündnis 90/Die Grünen und SPD heute einen Parlamentarischen Untersuchungsausschuss gemäß Artikel 41 der Landesverfassung Nordrhein-Westfalen beantragt. Die Aufarbeitung der behördlichen Abläufe ist angesichts des Ausmaßes der Hochwasserkatastrophe und der zahlreichen offenen Fragen zum Krisenmanagement zwingend geboten.

Hierzu erklärt Verena Schäffer, Vorsitzende und innenpolitische Sprecherin der GRÜNEN Fraktion: 

„Neben den Hilfen für die Betroffenen steht jetzt die Aufarbeitung des Krisenmanagements an. Noch immer sind viele Fragen zum Handeln der Landesbehörden vor, während und nach der Hochwasserkatastrophe offen, die allein in NRW 49 Todesopfer gefordert hat. Die Bürgerinnen und Bürger haben ein Recht auf Antworten, zudem ist die Aufarbeitung notwendig, um die richtigen Schlüsse für Veränderungen der Strukturen des Katastrophenschutzes ziehen zu können. Der Untersuchungsausschuss wird untersuchen, warum die Landesbehörden die Unwetterwarnungen inhaltlich nicht bewertet und die Kreise und kreisfreien Städte als untere Katastrophenschutzbehörden nicht zum Handeln aufgefordert haben. Warum kommunizierten Innen- und Umweltministerium nicht eher miteinander, warum wurde das Umweltministerium erst so spät in die Koordinierungsgruppe des Innenministeriums eingebunden? Warum hat das Innenministerium die Bezirksregierungen erst am 15. Juli um 1.20 Uhr nachts angewiesen, ihr Krisenmanagement bis morgens um 7 Uhr hochzufahren? Wirkliche Aufklärung kann umfassend nur durch einen Untersuchungsausschuss funktionieren, der unter anderem das Recht hat, Akten einzusehen und Zeugen zu vernehmen. Die Aufarbeitung verhindert nicht das parallele Erarbeiten von Konsequenzen. Dafür haben wir bereits Vorschläge unterbreitet und stehen gerne konstruktiv zur Verfügung. Denn wir müssen dafür sorgen, dass der Katastrophenschutz bestmöglich auf mögliche Katastrophen vorbereitet ist.“