Meine Rede zur Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zum NSU-Terror in Nordrhein-Westfalen

Gemeinsamer Antrag aller Fraktionen. Drucksache 16/7148

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Tag der Aufdeckung des NSU jährte sich gestern zum dritten Mal. Ich glaube, was wir nach wie vor teilen, ist das Erschüttern, das es in der Bevölkerung gegeben hat, und die Fassungslosigkeit darüber, dass eine rechtsterroristische Gruppierung über Jahre hinweg Menschen ermorden, Banken überfallen und Anschläge verüben konnte – und das unentdeckt von den Sicherheitsbehörden, was eben auch das Versagen von Polizei und Verfassungsschutz deutlich gemacht und zu einem Verlust des Vertrauens der Bevölkerung in die Sicherheitsbehörden in Deutschland geführt hat. Diese Erschütterung, diese Fassungslosigkeit spüren wir nach wie vor.

Der Untersuchungsausschuss des Deutschen Bundestags – dieser wurde übrigens auf Druck der Grünen eingerichtet – hat viel an Aufklärung geleistet. Er hat zwei Jahre lang sehr intensiv gearbeitet und viele Fragen geklärt und besprochen.

Dennoch sind Fragen offen geblieben – Fragen, die auch Nordrhein-Westfalen betreffen, und Themenkomplexe, die nicht ausführlich im Bundestag behandelt werden konnten. Insofern haben wir uns als Grüne und als rot-grüne Regierungskoalition dazu entschieden, auch in Nordrhein-Westfalen einen Untersuchungsausschuss einzurichten, und zwar auch aufgrund der Dynamik im April 2014 aufgrund des Todes des V-Manns „Corelli“ und der Fragen, die damit im Zusammenhang stehen. Daher ist es richtig, dass wir diesen Untersuchungssauschuss hier in Nordrhein-Westfalen gemeinsam einrichten.

Ich möchte noch einmal auf die verschiedenen Themenschwerpunkte eingehen, die insbesondere aus grüner Sicht im Vordergrund stehen sollten.

Das ist natürlich der perfide Anschlag in der Probsteigasse im Jahr 2001. Da lauten Fragen, die wir haben, beispielsweise: Wieso fiel die Wahl genau auf dieses Lebensmittelgeschäft? Schließlich hat es von außen keinen erkennbaren migrantischen Bezug gegeben. Wer war eigentlich der Mann, der diese Bombe deponiert hat? Gibt das Hinweise auf ein mögliches Unterstützernetzwerk in Nordrhein-Westfalen? Ich glaube, das ist die Frage, die über allen Themenkomplexen steht.

Zweitens nenne ich den Anschlag in der Kölner Keupstraße. Vielen ist er im Gedächtnis, und in diesem Jahr haben wir den zehnten Jahrestag in der Keupstraße begangen. Auch hier sind Fragen offen geblieben, zum Beispiel: Warum wurde schwerpunktmäßig in Richtung organisierte Kriminalität im migrantischen Milieu ermittelt? Was mussten eigentlich die Opfer an ständigen Verdächtigungen und Verhören erleiden? Warum wurden das Dossier des Bundesamtes für Verfassungsschutz und auch die Hinweise der britischen Kriminalpolizei auf die sogenannten Copeland Bombings in London nicht wirklich in die Ermittlungen einbezogen? Oder wurden sie einbezogen?

Der Mord an Mehmet Kuba?ik am 4. April 2006 ist der dritte Komplex. Welche Rolle spielten eigentlich die Neonaziaktivisten vor Ort, zum Beispiel der Oidoxie Streetfighting Crew in Dortmund? Was ist dran an den Aussagen der Vertrauensperson „Heidi“ der Dortmunder Polizei?

Auch eine Frage ist: Wie gehen wir eigentlich mit Vertrauenspersonen bei der Polizei – und damit meine ich nicht nur V-Leute beim Verfassungsschutz – um?

Und woran ist der V-Mann „Corelli“ tatsächlich gestorben? Was hat die CD mit dem Kürzel „NSU/NSDAP“ zu bedeuten? Seit wann wussten die Behörden Bescheid?–  Ich glaube, das ist eine der dringendsten Fragen, die wir zu beantworten haben. Denn wenn es stimmt, dass diese CD schon 2005 zumindest im Bundesamt für Verfassungsschutz vorlag, ist damit die These widerlegt, dass die Sicherheitsbehörden erst seit 2011 den Begriff „NSU“ gehört haben. Insofern gehört diese Frage aufgeklärt.

Wie aktiv war Corelli in Nordrhein-Westfalen? Gibt es darüber auch wieder Hinweise auf ein Unterstützernetzwerk zu NRW?

Sie merken schon, das Unterstützernetzwerk wird uns begleiten über den ganzen Untersuchungsausschuss hinweg. Deshalb haben gerade wir Grüne auch gesagt: Wir wollen uns militante Strukturen in den 90er-Jahren hier in NRW angucken, weil wir glauben, dass darin auch ein möglicher Schlüssel zur Aufdeckung eines Unterstützungsnetzwerks liegt.

Aber auch die Aufklärung finde ich immens wichtig.

Ich denke auch, dass wir nach vorne gucken müssen. Was heißt das denn jetzt konkret für die Konsequenzen für die Sicherheitsbehörden, für Polizei, für Verfassungsschutz, aber auch für die Justizbehörden? Auch da müssen wir hinschauen. Was heißt das konkret für die Polizeiarbeit? Wie können wir Polizei da auch besser machen, und zwar so gestalten, dass auch ein möglicher rechtsextremistischer Hintergrund zukünftig ermittelt wird, dass das einbezogen wird und dass es eben nicht zu diesem Leid der Opfer kommen muss, dass die über Jahre hinweg verdächtigt werden? Wir wollen hier auch die Opferperspektive einbeziehen.

Ich meine aber auch, dass wir uns die Rechtsextremismusprävention angucken müssen. Ich bin froh darüber, dass das auch Eingang in den Einsetzungsbeschluss gefunden hat. Denn es geht nicht nur um Repression, sondern auch um die Frage: Was können wir im präventiven Bereich machen?

Ich kann mich den Vorrednern anschließen. Der große Wert des Bundestags-PUA lag darin, dass es eine große Gemeinsamkeit in der Arbeit gab. Diese Gemeinsamkeit und das gemeinsame Interesse daran, aufzuklären, habe ich – Herr Biesenbach, da kann ich Ihnen zustimmen – auch in der Vorbereitung hier so erlebt. Ich hoffe, dass wir das auch so durchtragen können in den nächsten zwei Jahren, dass wir gemeinsam aufklären. Wir werden sicherlich zum Teil auch zu unterschiedlichen Schlussfolgerungen kommen. Das ist auch in Ordnung. Aber wenn das gemeinsame Interesse besteht, aufzuklären, dann ist das sehr wertvoll für die Arbeit. Darauf setze ich. – Herzlichen Dank.

(Allgemeiner Beifall)

Meine 2. Rede zum Polizeieinsatz in Köln und den Anträgen von Piraten, FDP und CDU

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zu einer Nachbereitung bin ich aufgrund der Zeit gerade nicht mehr gekommen. Aber eine Nachbereitung eines Polizeieinsatzes ist richtig und wichtig. Das tun wir bei größeren Polizeieinsätzen in der Regel immer im Innenausschuss. Leider beteiligen sich in der Regel weder die CDU noch die FDP an diesen Diskussionen. Das vermisse ich.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Ich bin gespannt auf die Diskussion im Innenausschuss und darauf, ob Sie die Fragen und Vorwürfe, die Sie hier formulieren, dort mit uns ausdiskutieren werden.

Ja, es stimmt, es gibt Fragen. Ich finde es legitim, dass Bürgerinnen und Bürger zum Versammlungsort, zu den Auflagen etc. Fragen haben und diese auch stellen.

Es hat übrigens Auflagen gegeben. Zu behaupten, es gäbe keine Auflagen, ist schlicht falsch. Natürlich hat es Auflagen gegeben. Sie standen vorher im Internet. Man hätte sich darüber informieren können. Die gab es.

Dass es Fragen zum Polizeieinsatz gibt, finde ich legitim. Dass wir diese nachbereiten und beantworten müssen, finde ich richtig. Es geht auch darum, das Vertrauen von Bürgerinnen und Bürgern in die Polizei zu stärken. Dazu gehört auch die Nachbereitung eines Polizeieinsatzes.

Ich will noch etwas zum Thema „Verbote“ sagen – Herr Laschet hat zu Beginn angeführt, man hätte im Vorfeld verbieten müssen –: Natürlich ist es für Demokratinnen und Demokraten nur schwer auszuhalten, solche Demonstrationen erleben zu müssen. Das betrifft nicht nur die Demonstration in Köln, sondern auch Demonstrationen in vielen anderen Orten in Nordrhein-Westfalen. In Dortmund haben wir häufig diese Aufmärsche. Es ist schwer zu ertragen, wenn solche Gestalten, solche Rechtsextremisten durch unsere Innenstädte laufen. Ich denke, darüber sind wir uns einig.

Aber ich finde diese Forderung nach Verboten immer etwas zu einfach. Es gibt eine hohe rechtliche Hürde für das Verbot von Versammlungen. Die Versammlungsfreiheit hat Verfassungsrang in unserem Lande. Das ist auch gut so. Versammlungen können nur verboten werden, wenn es konkrete Anhaltspunkte gibt. Wir dürfen unsere eigenen Grundrechte auch nicht aufgrund solcher Gruppierungen einschränken. Ganz im Gegenteil: Wir müssen unsere Grundrechte verteidigen.

Ich habe gerade schon gesagt, wenn uns Anhaltspunkte vorliegen, aufgrund derer zukünftige Versammlungen dieser Gruppierungen verboten werden können, müssen wir diese konsequent nutzen, damit wir solche Bilder nicht noch einmal erleben müssen.

Herr Lohn, Sie hatten mehrere Vorwürfe angesprochen, auf die ich gerne eingehen möchte.

Ich finde es ziemlich billig, zu sagen, das SEK oder die Reiterstaffel hätten kommen müssen, dann wäre das so nicht passiert. Das SEK gehört fachlich nicht auf eine Demonstration. Das SEK wird bei polizeilichen Sonderlagen wie Geisellagen, bei Entführungen und Erpressungen eingesetzt, aber doch nicht bei Demonstrationen.

Herr Lürbke, zum Thema Eingreiftrupps: Ja, in Bayern gibt es so etwas. Da gibt es die Beweissicherungs- und Festnahmeeinheiten. So etwas haben wir aus gutem Grund, wie ich finde, in Nordrhein-Westfalen nicht. In Nordrhein-Westfalen setzen wir auf eine deeskalierende Lage und setzen solche Gruppen nicht ein. Unsere Hundertschaften sind für Demonstrationslagen aus- und fortgebildet. Deshalb sind sie die richtigen Ansprechpartner.

Herr Lohn, ich komme zum Thema „Verfassungsschutz und V-Leute“. Wir hätten seit Inkrafttreten unseres neuen Verfassungsschutzgesetzes keine V-Leute mehr in der rechtsextremen Szene, sagen Sie. – Entschuldigung, aber es ist wirklich ziemlicher Humbug, den Sie hier verbreiten. Aufgrund des NPD-Verbotsverfahrens gibt es keine V-Leute mehr in den NPD-Führungsetagen. Sie sind dort abgeschaltet worden, damit wir das Verbot durchbekommen. Aber das gilt doch nicht für die gesamte rechtsextreme Szene.

Zur Erläuterung muss man zum Verfassungsschutz vielleicht noch einmal sagen: Der Verfassungsschutz darf zu Recht nicht jeden Gewaltbereiten in diesem Land beobachten. Das darf er nur dann, wenn tatsächlich Anhaltspunkte für die Gefährdung unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung vorliegen, wenn eine verfassungsfeindliche Bestrebung vorliegt, aber nicht, wenn Menschen einfach „nur“ gewaltbereit sind. Das ist auch richtig so. Das hat sich durch unser neues Verfassungsschutzgesetz überhaupt nicht geändert. Insofern sind Sie da auf der völlig falschen Spur, wenn ich das einmal so sagen darf.

(Beifall von den GRÜNEN)

Wir diskutieren auch über den FDP-Antrag. Ich habe leider wieder zu wenig Zeit. Aber ich will dazu sagen: Es werden zwei unterschiedliche Sachen miteinander vermengt. Sie führen in Ihrem Antrag aus, auf der einen Seite müssen wir gegen Salafismus vorgehen, auf der anderen Seite gegen die Ho.Ge.Sa. Mit beidem haben Sie recht. Aber Sie können nicht beides miteinander vermengen. Beides sind unterschiedliche Phänomene.

Sie können diese Ausschreitungen von Hooligans und diesen Rechtsextremen gegen Salafismus nicht damit rechtfertigen, dass es den Salafismus gibt. Sie müssen beides voneinander trennen. Das gebietet eigentlich auch die fachliche Auseinandersetzung, dass wir beides entsprechend beurteilen.

(Zuruf von Dr. Robert Orth [FDP])

– Und Sie reden kein Wort über das eigentliche Problem, was wir in diesem Land haben. Das finde ich beschämend, wenn ich das einmal so sagen darf.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Meine Rede zum Einsatz der Polizei bei der „HoGeSa“-Demo am 26. Oktober in Köln

Drucksache 16/7211

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Am 26. Oktober haben wir in Köln eine der bundesweit größten rechtsgerichteten und muslimfeindlichen Versammlungen seit Langem erleben müssen. Herr Laschet, ich finde, das ist das eigentliche Problem, über das wir diskutieren sollten: Das ist das Thema „Rechtsextremismus“ und wie wir mit menschenfeindlichen Einstellungen in dieser Gesellschaft umgehen. Ich finde es außerordentlich schade und auch peinlich für dieses Parlament, dass das nicht diskutiert wird.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Natürlich müssen wir auch über den Polizeieinsatz diskutieren.

Aber unser eigentliches Anliegen muss doch sein, dass so etwas, wie wir es da am 26. Oktober gesehen haben, nicht noch einmal vorkommt.

(Armin Laschet [CDU]: Dann verbietet es doch!)

Wir müssen über islamfeindliche Einstellungen in der Gesellschaft diskutieren.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Das vermisse ich bei Ihnen. Sie müssen bei Wikipedia nachgucken, was Hooligans sind. Das ist doch peinlich. Das kann doch nicht wahr sein!

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Drei Tage vor der Versammlung hatten wir eine Innenausschusssitzung, in der unter anderem der Punkt „Salafismus“ auf der Tagesordnung stand. Ich habe dort die Frage gestellt: Wie schätzt denn der Verfassungsschutz diese Versammlung am Sonntag ein? Bei der CDU gab es nur Kopfschütteln: Die Schäffer wieder mit ihren Nazithemen! Da haben Sie sich überhaupt nicht mit dem Thema auseinandergesetzt.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Drei Tage später sind Sie plötzlich die Experten dafür. Das ist doch peinlich. Das ist doch beschämend für Sie.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Ich war an diesem Sonntag auch in Köln. Ich habe mir das auch angeguckt, weil ich häufig Demobegleitung mache und mir häufig Nazidemos angucke, um zu sehen, wie dort die Entwicklungen sind.

Ja, ich war auch schockiert über die Bilder. Bei der Auftaktkundgebung am Breslauer Platz war die Stimmung schon extrem aufgeschaukelt – durch Sprechgesänge, Chorgesänge. Das können die auch alles aus dem Stadion. Auch die rechtsextreme Band „Kategorie C“ hat dort gespielt.

Ich war am Eigelstein dabei, als Neonazis und Hooligans versucht haben, durch die Polizeiabsperrungen durchzubrechen. Als massiv Flaschen geworfen wurden, dachte ich schon: Wenn das so weitergeht, werden wir heute Abend hier viele Verletzte sehen. So massiv war die Gewalt, die dort vonstattengegangen ist. Ich war auch am Ebertplatz dabei, als direkt neben mir ein Übergriff stattgefunden hat und eine Schlägerei losging.

Ja, für mich war das schockierend. Auch für die anwesenden Bürgerinnen und Bürger, für die Anwohnerinnen und Anwohner waren das schockierende Bilder, die wir am 26. Oktober in Köln erleben mussten.

Hier ist den Polizeikräften schon mehrfach gedankt worden. Ich will mich diesem Dank anschließen, weil ich glaube, dass diese Situation vor Ort für die eingesetzten Polizeikräfte alles andere als einfach war. Sie waren einer hohen psychischen, aber auch physischen Belastung ausgesetzt. Ich habe hohen Respekt vor dem, was sie geleistet haben, und ich glaube, dass sie Schlimmeres noch verhindern konnten.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Ich will Ihnen auch sagen, warum ich hier meine Eindrücke aus Köln schildere. Wie ich gerade schon gesagt habe, bin ich häufig bei Neonazidemos und habe auch schon häufig Polizeieinsätze begleitet. Eine solche aufgeheizte Stimmung, eine solche Gewaltbereitschaft und eine solche Brutalität, wie ich sie da gesehen habe, habe ich bei rechtsextremen Aufmärschen in den letzten Jahren in Nordrhein-Westfalen nicht erlebt. Ich glaube, dass ich nicht die Einzige war, die darüber schockiert war, die erschrocken war, die aber auch überrascht war.

Daher gehört zur Wahrheit auch dazu, dass die NRW-Sicherheitsbehörden vor der Versammlung eine Abfrage bei den Sicherheitsbehörden der anderen Länder und des Bundes durchgeführt haben und Polizei und Verfassungsschutz gefragt haben: Wie schätzt ihr das ein? Habt ihr Erkenntnisse? Die haben zurückgemeldet: Ja, punktuell kann etwas passieren. – Dass von dieser gesamten Gruppe dermaßen viel Gewalt ausgehen würde, hat aber vorher keiner eingeschätzt.

Insofern dürfen Sie die Kritik nicht nur an die NRW-Behörden richten. Vielmehr müssen wir diesen Einsatz meines Erachtens auch bundesweit nachbereiten, was die Einschätzungen angeht.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD – Zuruf von Daniel Sieveke [CDU])

– Das gehört zur Wahrheit dazu, Herr Sieveke, auch wenn Ihnen das nicht passen mag.

(Widerspruch von der CDU)

Das mag Ihnen nicht ins politische Konzept passen. Es gehört aber dazu, wenn Sie differenziert darüber diskutieren wollen, was vor Ort passiert ist und wie die Einschätzung vorher war.

(Zurufe von der CDU)

Die Polizei ist von 4.000 Versammlungsteilnehmerinnen und -teilnehmern ausgegangen – und auch davon, dass es Gewalt durch Einzelne geben würde. Sonst hätte die Polizei nicht mit vier Wasserwerfern da gestanden. Ich war schon auf vielen Demos. Dass Wasserwerfer in Nordrhein-Westfalen eingesetzt werden, passiert extrem selten. Hier sind sie zum Einsatz gekommen. Die Polizei hatte sie vor Ort vorrätig.

Man muss eben sagen: Die Polizei hat zwar mit Gewalt gerechnet, aber eben nicht mit dieser massiven Gewaltanwendung, nicht mit dieser Qualität von Gewalt. Ja, es stimmt; sowohl bei Hooligans als auch bei Rechtsextremen wissen wir, dass Gewaltbereitschaft ein zentrales Element in diesen Phänomenen ist. Das ist bekannt. Aber diese breite Mobilisierung von rechten Hooligans, von gewaltbereiten Neonazis gegen Musliminnen und Muslime in diesem Land und diese massive Gewaltanwendung haben offensichtlich auch die Behörden überrascht.

Die Frage, warum das nicht vorher gesehen wurde, gehört jetzt mit in die Nachbereitung.

Ich will aber auch noch etwas zum Komplex „Neonazis und Hooligans“ sagen, weil ich das wichtig finde und weil es mir hier in der Auseinandersetzung gerade mit der CDU fehlt. Sie müssen auf die Inhalte gucken. Sie müssen auf die Phänomene gucken, damit so etwas nicht noch einmal passiert.

(Zurufe von der CDU)

Dass sich Althooligans reorganisieren, ist bekannt. Das wissen wir schon länger. Zum Beispiel in Aachen haben wir das gesehen. Dort wurden die Aachener Ultras, die antirassistisch orientiert sind, aus dem Stadion gedrängt – auch durch die Althooligans, beispielsweise durch die Supporters. Das haben wir dort in den letzten Jahren erlebt.

Meines Erachtens hat man viel zu lange davon gesprochen, dass der Sport vermeintlich unpolitisch sei. Er ist nicht unpolitisch. Fangruppierungen sind nicht unpolitisch. Die Hooligans haben schon lange immer wieder auch rechte Symbolik genutzt und sind damit aufgetreten. Gerade die Ho.Ge.Sa-Bewegung macht doch deutlich, was für rassistische, muslimfeindliche Personen hier zusammenkommen. Von Anfang an waren Neonazis mit dabei – Siegfried Borchardt wurde hier schon genannt, aber auch andere.

In diesem Zusammenhang ist es wichtig, zu betonen, dass das verbindende Element ja nicht nur die Gewalt ist. Das verbindende ideologische Element ist das Thema „antimuslimischer Rassismus“. Darüber wird mobilisiert. Und darüber müssen wir sprechen; denn der Aufruf gegen den Salafismus ist eigentlich nur ein Deckmantel dafür.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Eigentlich geht es um Rassismus. Es geht um Islamfeindlichkeit. Es geht auch um Hetze gegen hier lebende Musliminnen und Muslime. Das müssen wir aufdecken. Diese Mischung von Hooligans und Rechtsextremen müssen wir entlarven; denn sie versuchen, an gesellschaftliche Einstellungen anzuknüpfen. Hier müssen wir klar und deutlich machen: Sie sind islamfeindlich, sie sind rassistisch.

(Beifall von den GRÜNEN)

Was den konkreten Polizeieinsatz angeht, brauchen wir natürlich eine kritische Nachbereitung. Das machen wir bei solchen großen Demonstrationen immer. Das machen wir auch am 20. November 2014 ausführlich im Innenausschuss. Dazu werden wir ja noch einen Bericht vom Innenministerium bekommen. Dann müssen wir das diskutieren, weil wir – das finde ich wichtig – daraus auch lernen müssen.

Insofern ist es auch für die Polizei wichtig, Nachbereitung zu betreiben. Das schwächt die Polizei nicht, sondern stärkt sie, weil wir damit hoffentlich verhindern können, dass so etwas noch einmal passiert, und weil wir dabei eventuell auch Anhaltspunkte finden werden, mit denen wir in Zukunft solche Demonstrationen, solche Versammlungen verbieten können. Diese Anhaltspunkte brauchen wir.

Insofern müssen wir in die Auseinandersetzung über die Inhalte gehen. Das ist die gemeinsame Aufgabe, der wir uns hier zu stellen haben.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Einladung zum Fachgespräch „Verfassungsfeindlicher Salafismus“

Fachgespräch „Verfassungsfeindlicher Salafismus als gesellschaftliche Herausforderung – zur Radikalisierung junger Musliminnen und Muslime in NRW“

Datum: 28. November 2014

Zeit: 15:30 – 19:00 Uhr

Veranstaltungsort: Landtag NRW, Raum E3 D01

Der verfassungsfeindliche Salafismus ist die derzeit am stärksten anwachsende gewaltbefürwortende und antidemokratische Bewegung in Deutschland. Von ihm geht eine zunehmende Attraktivität gerade für Menschen aus, die sich mit unserer offenen Gesellschaft nicht mehr identifizieren können oder wollen. Diese Entwicklung stellt insbesondere die Zivilgesellschaft und die Politik vor neue Herausforderungen.

Diese verfassungsfeindlichen salafistische Akteure lehnen das demokratische Rechtssystem sowie alle Nicht-MuslimInnen ab. Teile der salafistischen Szene wollen auch unter Einsatz von Gewalt einen islamischen Staat (Kalifatsstaat) schaffen. In ihrer Vorstellung kehren sie damit zurück zu einem vermeintlich ursprünglichen Islam. Dabei richtet sich deren Ideologie nicht nur gegen eine nicht-muslimische Mehrheitsgesellschaft, sondern auch gegen den Mainstream der muslimischen Gemeinschaften, denen sie vorwerfen vom „wahren Islam“ abgekehrt zu sein. Radikale Prediger versuchen durch einfache Antworten junge Menschen anzuziehen, die von der Komplexität unserer Zeit überfordert sind oder aber sich von der Gesellschaft nicht angenommen fühlen.

Berichte über junge Salafisten, die nach Syrien oder den Irak ausreisen, um sich dort an den Kampfhandlungen zu beteiligen bzw. sich den IS-Terrormilizen anzuschließen, prägen derzeit die öffentliche Diskussion. Insbesondere von Rückkehrern geht ein Sicherheitsrisiko für unsere Gesellschaft aus, da diese häufig durch Kriegserlebnisse traumatisiert und verroht sind sowie den Umgang mit Waffen gelernt haben. Die Problematik ist jedoch wesentlich vielschichtiger als die Verhinderung von Ausreisen. Jenseits einer sicherheitspolitischen Strategie bedarf es auch einer zivilgesellschaftlichen Auseinandersetzung über Ursachen und Gegenmaßnahmen.

Das Programm der Veranstaltung sieht wie folgt aus:

15:30 Uhr          Ankommen und Kaffee

16:00 Uhr          Begrüßung

16:10 Uhr          Input zu Ursprüngen des Salafismus und ihrer antidemokratischen Erscheinungsformen, Elhakam Sukhni, Universität Osnabrück

17:00 Uhr          Pause

17:20 Uhr          Input zu Prävention von Salafismus, Dr. Michael Kiefer, Düsseldorfer Wegweiser e.V.

17:50 Uhr          Diskussion

18:50 Uhr          Ausblick

19:00 Uhr          Ende der Veranstaltung

Für Rückfragen bzw. Anmeldungen zu der Veranstaltung steht Hasret Karacuban (persönliche Mitarbeiterin von Verena Schäffer) gerne per Mail an hasret.karacuban@landtag.nrw.deoder telefonisch unter 0211/884 4321 zur Verfügung.

Wir freuen uns über eine Weiterleitung an Interessierte, auf viele Anmeldungen und eine gute Diskussion bei der Veranstaltung!

 

 
Verena Schäffer MdL, 
Sprecherin für Innenpolitik
Ali Ba? MdL, 
Sprecher für interreligiösen Dialog

Pressemitteilung: Aufarbeitung der NSU-Anschläge in NRW beginnt – Unsere Ziele

Vor der Sommerpause haben alle Fraktionen im Landtag beschlossen, einen NSU Untersuchungsausschuss einzurichten. Der Ausschuss soll noch in diesem Jahr mit seiner Aufklärungsarbeit beginnen und bis zum Ende der Legislaturperiode 2017 seine Ergebnisse in einem Abschlussbericht zusammentragen. Den Beschluss finden Sie/findest du hier. Aufzuklären gibt es viel.

Blick zurück: Das Bekanntwerden des NSU löste Bundesweit eine Schockwelle aus
Die Aufdeckung des NSU im Herbst 2011 versetzte das Land in einen Schock. Was bis dahin für unmöglich gehalten wurde, war real: Uber 13 Jahre konnte eine militant rechtsextremistische Terrorgruppe unentdeckt durch die Republik ziehen und dabei Menschen ermorden, Sprengsatze zünden sowie Banküberfalle verüben. Ein eklatantes Versagen der Sicherheits- und Justizbehörden trat zu Tage.

Was war geschehen: Im November 2011 wurden Uwe Mundlos und Uwe Böhnhard, die mutmaßlichen Täter eines bewaffneten Banküberfalls, in Eisenach in einem Wohnmobil tot aufgefunden. Noch am gleichen Tag ereignete sich eine Explosion in einem Mehrfamilienhaus in Zwickau. Die Explosion wurde absichtlich herbeigeführt. Die tatverdächtige Beate Zschäpe stellte sich wenige Tage später der Polizei. Im Bauschutt des Hauses in Zwickau wurde eine Pistole des Typs ?eska CZ 83, Kaliber 7,65 mm mit verlängertem Lauf sichergestellt. Es handelte sich um die Waffe, mit der die bis dahin ungeklärten neun Morde an Kleinunternehmern mit Migrationshintergrund verübt worden waren. Daneben wurden mehrere DVD-Datenträger und Festplatten mit Videos gefunden. In den Videos bezeichnet sich eine Gruppierung unter dem Namen „Nationalsozialistischer Untergrund“ (NSU) „als ein Netzwerk von Kameraden mit dem Grundsatz ‚Taten statt Worte‘“. Mittels Ausschnitten von Fernsehberichten und Zeitungsartikeln werden unter anderem die neun Morde an den türkisch-, kurdisch- und griechischstämmigen Geschäftsleuten sowie die zwei Sprengstoffanschlage in Köln in menschenverachtender Weise dargestellt.

Welche Schwerpunkte will die Grüne Fraktion im Untersuchungsausschuss setzen?
Wir GRÜNE stehen für eine umfassende Aufklärung des Behördenversagens der NSU?Morde und haben daher im Bundestag für die Einrichtung des Untersuchungsausschuss gesorgt. Auch in Nordrhein?Westfalen hat es Fehler der Sicherheitsbehörden gegeben. Deshalb werden wir den Untersuchungsausschuss nutzen, um zur weiteren Aufklärung der NRW?Fälle beizutragen.

Im Mittelpunkt des Untersuchungsausschusses zur Aufklärung des NSU?Terrors in Nordrhein?Westfalen stehen folgende Tatkomplexe:
1. Anschlag in der Probsteigasse am 21. Dezember 2000 / 19. Januar 2001 
2. Anschlag in der Keupstraße am 09. Juni 2004 
3. Mord an Mehmet Kuba?ik am 04. April 2006 
4. Tod und Rolle des V?Mannes Corelli des Bundesamtes für Verfassungsschutz 

Die herausgehobene und bisher unbeantwortete Frage bei den beiden Anschlägen in Köln wie auch dem Mord in Dortmund ist, ob der NSU durch Einzelpersonen oder einem Netzwerk in Nordrhein?Westfalen unterstützt wurde. Um ein mögliches Unterstützernetzwerk aufzudecken, muss sich der Untersuchungsausschuss mit den zentralen Akteuren und Netzwerken der rechtsextremistischen Szene im Zusammenhang mit dem NSU ab den 1990er Jahren beschäftigen. Dazu gehören insbesondere die Fragen, welche organisatorischen Netzwerke ins benachbarte Ausland und nach Ostdeutschland und welche Strategien und Vorbereitungen zur Durchsetzung ideologischer Ziele mittels Gewalt sich in Nordrhein?Westfalen herausgebildet haben sowie zu welchen Gewaltanwendungen es durch rechtsextremistische Gruppierungen und Einzelpersonen gekommen ist.

Als Beginn des Untersuchungszeitraumes ist der Oktober 1991 vorgesehen. In der Nacht vom 2. auf den 3. Oktober 1991 verübten Rechtsextreme einen Anschlag auf ein Haus in Hünxe, in dem rund 50 Flüchtlinge untergebracht waren. Dabei wurden zwei Mädchen im Alter von sechs und sieben Jahren schwer verletzt. Die rechtsextremen Täter waren zwischen 18 und 19 Jahre alt und kamen aus Hünxe. Auch der NSU?Untersuchungsausschuss des Deutschen Bundestages hat festgestellt, dass die rassistische Stimmungslage in der Gesellschaft zu Beginn der 1990er Jahre zu einer Radikalisierung der rechtsextremistischen Szene in Thüringen und im Umfeld des NSU geführt hat. Für die rechtsextremistische Szene in Nordrhein?Westfalen kann der Anschlag in Hünxe als ein herausgehobenes Ereignis zur weiteren Radikalisierung benannt werden und wird deshalb als Untersuchungsbeginn dienen.

Die Mord? und Anschlagsserie des NSU hat ein eklatantes strukturelles Versagen der Sicherheitsbehörden offenbart. In Nordrhein?Westfalen wurden bereits erste Konsequenzen gezogen, dazu gehört die Verfassungsschutzreform, mit der u.a. öffentliche PKG?Sitzungen und gesetzliche Regelungen zum Einsatz von V?Personen beschlossen wurden.

Ähnlich wie in Berlin müssen Schlussfolgerungen für Struktur, Befugnisse und Qualifizierung aller nordrhein?westfälischen Sicherheits? und Justizbehörden sowie Maßnahmen zur Rechtsextremismus?Prävention erarbeitet werden. Dabei wollen wir GRÜNE die bereits umgesetzten Maßnahmen bewerten, Vorschläge zur Umsetzung der Schlussfolgerungen des Deutschen Bundestages auf der Landesebene machen sowie eigene Handlungsempfehlungen erarbeiten.

Die Stärke des Untersuchungsausschusses im Deutschen Bundestag lag darin, dass alle Fraktionen gemeinsam an der Aufklärung und der Erarbeitung von Handlungsempfehlungen gearbeitet haben. Auf diese Gemeinsamkeit setzen wir auch im nordrhein?westfälischen Landtag.

Was sind die Schlussfolgerungen des NSU Untersuchungsausschusses im Bundestag?
Der Untersuchungsausschuss stellte in seinen Schlussfolgerungen fest, dass die Ausschussmitglieder über viele Fragen, insbesondere zum Verfassungsschutz oder zum Einsatz von V-Personen, unterschiedlicher Auffassung sind. Gleichwohl kamen die Ausschussmitglieder überein, dass eine Reihe von Korrekturen und Reformen dringend geboten sind. Zu folgenden Bereichen gibt der Abschlussbericht des Untersuchungsausschusses insgesamt 47 gemeinsame Empfehlungen:
1. Empfehlungen für den Bereich der Polizei;
2. Empfehlungen für den Bereich der Justiz;
3. Empfehlungen für den Bereich der Verfassungsschutzbehörden;
4. Empfehlungen für den Bereich Vertrauensleute der Sicherheitsbehörden.

Darüber hinaus sprach sich der Untersuchungsausschuss mit Nachdruck für eine Neuordnung der Förderung zivilgesellschaftlichen Engagements gegen Rassismus, Antisemitismus und Rechtsextremismus aus, die für Verlässlichkeit sorgt und Planungssicherheit bietet. Der Abschlussbericht des Untersuchungsausschusses des Deutschen Bundestags findet sich hier.

Die Fälle aus Nordrhein?Westfalen finden sich auf den Seiten: Sprengfallenanschlag Probsteigasse/Köln, Seite 663 – 669; Nagelbombenanschlag Keupstraße/Köln, Seite 670 – 713; Mord an Mehmet Kuba??k/Dortmund, Seite 494 – 495.

Pressemitteilung: Von rechter Szene geht weiterhin große Gefahr aus

 Hier meine Pressemitteilung zur politisch rechts motivierten Kriminalität im ersten Halbjahr 2014 in NRW.

Die Antwort des NRW Innenministeriums auf meine Anfrage finden Sie/findet Ihr hier, eine Auflistung nach Orten in NRW hier und eine Vergleichstabelle zur politisch rechts motivierten Kriminalität in NRW seit 2011 hier.

Die Antwort auf eine Anfrage der GRÜNEN Fraktion zur Zahl der von Rechts motivierten Straftaten in Nordrhein-Westfalen im ersten Halbjahr 2014 liegt nun vor (s. Anhang). Die Statistik zeigt einen leichten Rückgang der Straftaten im Vergleich zum ersten Halbjahr 2013. Im Anhang aufgeführt sind die Zahlen für das erste Halbjahr 2014, differenziert nach Delikten und Orten in NRW. Zum Vergleich haben wir zudem die Zahlen seit 2011 für ganz NRW dargestellt. Dazu erklärt Verena Schäffer, stellvertretende Fraktionsvorsitzende und Sprecherin für Strategien gegen Rechtsextremismus der GRÜNEN Fraktion im Landtag NRW:

„Die Zahl der politisch rechts motivierten Straftaten in Nordrhein-Westfalen ist erfreulicherweise leicht gesunken – von 1.418 Straftaten im ersten Halbjahr 2013 auf 1.307 Straftaten im ersten Halbjahr 2014. Auch die Anzahl der Gewaltdelikte ist gegenüber dem ersten Halbjahr 2013 von 82 auf 79 Delikte leicht gesunken, bleibt aber weiterhin auf einem besorgniserregend hohen Niveau. Die Straftaten im Bereich der Allgemeinkriminalität, die von bekannten Rechtsextremen begangen wurden, sind von 379 Straftaten im ersten Halbjahr 2013 auf 657 Straftaten im zweiten Halbjahr 2014 deutlich gestiegen. Hinzu kommt, dass die Dunkelziffer rechter Gewalt wahrscheinlich um etwa ein Drittel höher ist, und die Dimensionen alltäglicher Diskriminierung nicht durch die Statistik abgebildet werden können.

Erneut zeigt sich Dortmund als eine der Hochburgen des gewaltbereiten Rechtsextremismus. Dort wurden im ersten Halbjahr dieses Jahres bereits 115 politisch rechts motivierte Straftaten registriert. Im ersten Halbjahr 2013 waren es noch 89 Straftaten. Damit bleibt Dortmund mit Abstand die Stadt mit der höchsten rechten Kriminalitätsrate in NRW. Unter den 115 Straftaten in Dortmund waren zehn Fälle von Körperverletzung. Das zeigt, welche Gefahr von der Szene ausgeht. Hohe Zahlen wurden auch für die Städte Köln (67 Straftaten), Düsseldorf (62), Essen (48) und Duisburg (46) sowie in der Städteregion Aachen (52), erfasst.

Insgesamt 402 Straftaten wurden dem Themenfeld der Hasskriminalität zugeordnet. Im Bereich der Hasskriminalität ist damit zwar insgesamt ein leichter Rückgang zum ersten Halbjahr 2013 (416 Straftaten) zu verzeichnen, bei genauerem Hinsehen zeigt sich jedoch, dass die Zahlen für die Phänomene „Fremdenfeindlichkeit“ (I/2014: 324; I/2013: 323), „Rassismus“ (I/2014: 61, I/2013: 49), „Religion“ (I/2014: 32, I/2013: 26) gestiegen sind. Diese Entwicklung verdeutlicht, dass Hass gegen anderen Menschen nach wie vor eine der vorherrschenden Motivationen neben der NS-Verherrlichung für rechtsextreme Straftaten ist.

 Erfreulicherweise ist die Anzahl für antisemitische Straftaten von 104 im ersten Halbjahr 2013 auf 84 im ersten Halbjahr 2014 gesunken. Dennoch ist nicht damit zu rechnen, dass die Zahlen für das gesamte Jahr 2014 rückläufig sein werden, da die antisemitischen Vorfälle vom Sommer dieses Jahres erst in der Statistik für das zweite Halbjahr 2014 auftauchen werden. Die überwiegende Anzahl der antisemitischen Straftaten wurden von rechten Täterinnen und Tätern begangen.

Auch drei Jahre nach dem Aufdecken des rechtsterroristischen NSU wird deutlich, dass rechtsextremistische Einzelpersonen und Gruppierungen Menschen immer wieder bedrohen und einschüchtern. Aber auch über die verzeichneten Straftaten hinaus gibt es täglichen Rassismus in dieser Gesellschaft. Denn den alltäglichen Rassismus und Diskriminierung kann eine polizeiliche Statistik nicht abbilden. Eine demokratische Gesellschaft muss immer wieder deutlich machen, dass hier kein Platz für rassistische, menschenfeindliche und antidemokratische Kräfte ist. Deshalb erarbeitet die rot-grüne Landesregierung derzeit ein Landesprogramm gegen Rassismus und Rechtsextremismus. Das ist ein wichtiger Schritt zur nachhaltigen Bekämpfung rechtsextremer Einstellungen und Aktivitäten.“

Hintergrund-Information:

Verstöße gegen §§ 86 und 86a StGB sind sogenannte Propagandadelikte, also verfassungswidrige Handlungen durch Parolen und Grußformeln oder das Verwenden von verfassungswidrigen Symbolen, zum Beispiel auf Fahnen, Abzeichen und Uniformstücken.