Meine Rede zur Polizeilichen Kriminalstatistik 2013

Text und Video meiner Rede  zum Antrag der CDU Drucksache 16/5269

Verena Schäffer (GRÜNE): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Golland, auch wenn Sie das nicht wahrhaben möchten, eines ist dann doch festzustellen: Es gibt positive Entwicklungen.

Das zeigt die Kriminalstatistik für das Jahr 2013, und das hatte der Kollege von der SPD gerade auch schon gesagt. Die Kinder- und Jugendkriminalität ist auf dem niedrigsten Stand seit zehn Jahren. Die Zahl der schweren und der gefährlichen Körperverletzungen ist erneut zurückgegangen, und die Gesamtzahl der Straftaten – auch das möchte ich hier noch mal sagen – ist zurückgegangen um 2,2 %, um rund 33.000 Fälle. Ich finde, das sind sehr positive Signale, die von dieser Statistik ausgehen. Auch das, finde ich, müssen Sie zur Kenntnis nehmen.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Nichtsdestotrotz – ich will die Entwicklung ja gar nicht nur schönreden –: Natürlich ist die Aufklärungsquote nicht zufriedenstellend. Mit 48,9 % ist sie nahezu unverändert im Vergleich zu den Aufklärungsquoten in den Vorjahren.

Zwar mag die Aufklärungsquote jetzt statistisch etwas zurückgegangen sein, aber anders als die CDU es hier präsentiert – da bitte ich Sie auch darum, sich die Zahlen einfach noch mal anzuschauen – war es unter Schwarz-Gelb nicht exorbitant besser. Ob sich die Stelle hinter dem Komma jetzt um 3 Punkte nach vorne oder nach hinten verschiebt – es tut mir leid, wenn ich das so sage –, hat das für das Sicherheitsempfinden der Bürgerinnen und Bürger keine Auswirkungen.

Vor dem Kontext, dass die Zahl der Straftaten insgesamt zurückgegangen ist, kann man nicht von einem Versagensbericht der rot-grünen Landesregierung sprechen.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Ich möchte auf die beiden Punkte eingehen, die Sie in Ihrem Antrag erwähnen.

Das ist zum einen die Wohnungseinbruchskriminalität. In der Tat haben wir insofern wieder eine Zunahme der Fallzahlen von ungefähr 1,5 %. Aber auch hier möchte ich noch einmal sagen: Wir sprechen über ein bundesweites Phänomen. Wir haben das hier schon häufig diskutiert. Wir haben es auch im Ausschuss auch in der Anhörung diskutiert. Wir haben hier ein bundesweites Phänomen.

Man muss sich auch die Struktur unseres Bundeslandes vor Augen führen. Wir leben in einem Land mit sehr guten Verkehrsanbindungen, mit Ballungsräumen, in denen es sich natürlich für Täterinnen und Täter lohnt, Einbrüche zu begehen.

Die Tatsache, dass die Aufklärungsquote bei Wohnungseinbrüchen nur bei 13,6 % liegt, muss man in den Kontext der Straftaten stellen. Wir haben es hier mit sehr mobilen Banden zu tun, die entsprechend schnell unterwegs sind, sodass eine Aufklärung schwierig ist.

Aber – und auch das ist wichtig – die Landesregierung reagiert auf diese Phänomene, indem sie ihnen zum Beispiel mit dem Konzept „Riegel vor! Mobile Täter im Visier“ begegnet. Dadurch steigt der Fahndungs- und Ermittlungsdruck, und auch das zeigt ja erste Wirkungen.

Man muss auch noch einmal einige Sätze zur Aufklärungsquote sagen: Schauen Sie sich an, wie hoch die Aufklärungsquote in den anderen Bundesländern ist. Gerade Sie, Herr Golland, haben dazu ja eine sehr umfangreiche Kleine Anfrage gestellt. Auf der letzten Seite der Antwort, Seite 70, ist eine hochinteressante Statistik zu den Aufklärungsquoten in den einzelnen Ländern zu sehen.

Man muss einfach feststellen, dass wir in Nordrhein-Westfalen im Mittelfeld liegen. Es stimmt also nicht, dass wir uns am unteren Ende befinden. Wir haben natürlich noch Potenzial nach oben – das will ich überhaupt nicht schönreden –, aber es stimmt einfach nicht, dass wir, wie Sie sagen, besonders schlecht sind.

Sie haben darauf hingewiesen, dass ungefähr 40 % der Wohnungseinbrüche scheitern, weil Türen und Fenster gut gesichert sind. Auch das ist ein wichtiger Hinweis, weil dies zeigt, dass Prävention in diesem Bereich wichtig ist und das Konzept „Riegel vor! Mobile Täter im Visier“ funktioniert.

Ich komme zum Thema „Cybercrime“. Auch das ist, wie ich finde, ein wichtiges Thema. Es ist interessant, dass die CDU jetzt doch darauf kommt, es hier einmal anzusprechen. In der Großen Anfrage, die Sie gestellt und über die wir ja in einer der letzten Plenarsitzungen diskutiert haben, hat das Thema noch völlig gefehlt. Das Thema Cybercrime hatten Sie in Ihrer Großen Anfrage überhaupt nicht auf dem Schirm.

Wenn sich mehr Menschen im Internet aufhalten, dann werden natürlich auch mehr Straftaten im Internet begangen und dann verlagert sich die Kriminalität in einem gewissen Umfang ins Internet.

Im Gegensatz zu Ihnen von der CDU hat die Landesregierung hier aber sehr frühzeitig reagiert und im LKA das Landeskompetenzzentrum zum Thema Internetkriminalität eingerichtet und mit hundert spezialisierten Polizeibeamtinnen und -beamten, Wissenschaftlerinnen und Technikerinnen, also Personen, die sich damit auskennen, besetzt. Im Gegensatz zu Ihnen gehen wir hier mit entsprechenden Konzepten nach vorne.

Ein anderes Thema im Bereich Cybercrime ist die Prävention, über die ich ja gerade schon in Bezug auf die Wohnungseinbruchskriminalität geredet habe. Ich möchte hier noch einmal sagen, dass ich es gut und wichtig finde, dass es gerade in Bezug auf die Prävention eine entsprechende Kooperation mit der Verbraucherschutzstelle gibt, um die Bürgerinnen und Bürger fit zu machen, sodass sie keine E-Mails öffnen, deren Absenderadresse zum Beispiel sparkasse@gmx.de lautet und mit denen meistens Schaddateien versandt werden. Das ist eines der großen Phänomene im Bereich der Internetkriminalität, das wieder häufiger auftritt. Insofern ist es wichtig, dass wir auch hier Prävention betreiben und die Bürgerinnen und Bürger aufklären.

Ganz im Gegensatz zu Ihnen von der CDU finde ich, dass man hier nicht von einem Versagensbericht der rot-grünen Landesregierung sprechen kann.

Präsidentin Carina Gödecke: Die Redezeit.

Verena Schäffer (GRÜNE): Ich komme zum Ende. – Dieser Antrag ist wieder einmal – und das ist schade – Ausdruck des Versagens bei der CDU, wirklich Konzepte und Ideen in den Vordergrund zu rücken, wie wir die Kriminalität in Nordrhein-Westfalen bekämpfen können.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Meine Rede zu polizeilichen Meldeauflagen

Text und Video meiner Rede zum Gesetzentwurf der CDU Drucksache 16/5038

Verena Schäffer (GRÜNE): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte vorab eine Selbstverständlichkeit festhalten: Wenn wir über das Thema „Gewalt im Fußball“ diskutieren, was wir in letzter Zeit des Öfteren getan haben, dann sprechen wir über einige wenige Personen, die den Sport für ihre Zwecke missbrauchen, die gewalttätige Auseinandersetzungen mit Fangruppierungen anderer Vereine gezielt suchen. Wir sind uns wohl einig, dass Gewalt im Stadion und im Umfeld von Spielen nicht zu tolerieren ist, dass es unterschiedliche Mittel und Maßnahmen sowohl präventiv als auch repressiv geben muss und dass Politik, Polizei, Vereine und Fans eine gemeinsame Verantwortung dafür tragen, dass Fußballspiele friedlich ablaufen. – Das vorab.

Zum Thema „Meldeauflagen“: Auch Meldeauflagen können durchaus ein Instrument der repressiven Seite sein. Allerdings – das ist gerade schon ausgeführt worden – werden schon heute Meldeauflagen angewandt und verordnet. Wir reden also nicht über ein neues Instrument. Bereits heute ist die Anwendung von Meldeauflagen durch die Generalklausel im Polizeigesetz möglich.

Die Überlegung der CDU, dafür einen Paragrafen zu schaffen, finde ich von der Gesetzessystematik her nicht verkehrt. Darüber kann man diskutieren.

Ich glaube, wir sind gut beraten, Maßnahmen, die aus der Generalklausel im Polizeigesetz abgeleitet werden und schon heute zum Instrumentenkasten der Polizei gehören, transparent und nachvollziehbar im Polizeigesetz zu regeln – zum einen aus Bürgerrechtsperspektive, zum anderen aber auch aus der Perspektive einer bürgernahen Polizei, die für Transparenz steht. Das ist eine spannende Debatte, die wir auch im Ausschuss führen sollten.

Nur – das möchte ich hier auch festhalten –, diese eigenständige Regelung im Polizeigesetz ist rechtlich nicht zwingend notwendig, weil das Instrument schon heute auf Grundlage der Generalklausel angewandt werden kann.

Wir Grüne stehen dafür, dass diese Regelung in der Generalklausel auch nicht abgesenkt werden darf. Die Hürden sind zu Recht hoch, weil wir hier über einen Grundrechtseingriff sprechen.

Der CDU – das hat Herr Kruse in seiner Rede sehr deutlich gemacht – geht es vor allen Dingen darum, das Instrument der Meldeauflagen auszuweiten. Das finde ich auch aus Bürgerrechtsperspektive problematisch.

(Beifall von den GRÜNEN)

Meldeauflagen sind kein Allheilmittel; das wurde gerade schon gesagt. Es gibt auch andere polizeiliche Maßnahmen wie die Bereichsbetretungsverbote, die viel häufiger zum Einsatz kommen. Meldeauflagen werden wirklich kaum verhängt, eben weil die Hürden so hoch sind. Sie brauchen eine Gefahrenprognose für die jeweilige Einzelperson, um die Meldeauflage überhaupt erteilen zu können. Herr Wehe hatte im Innenausschuss ausgeführt, dass die Polizei ungefähr einen Zeitraum von 14 Tagen einrechnen muss, um das Instrument der Meldeauflagen überhaupt anwenden zu können. Insofern reden wir über eine Maßnahme, die gar nicht häufig genutzt wird.

Herr Kruse, ich finde an dieser Stelle auch Ihre Begründung schwierig, sowohl die, die Sie hier mündlich vorgebracht haben, als auch die aus Ihrem Gesetzentwurf.

Sie führen das Beispiel Köln an. In Köln hat es am 18. Januar eine verabredete Auseinandersetzung zwischen Hooligangruppen gegeben. Wir haben diesen Fall, weil er uns alle aufgrund der angewandten Gewalt so fassungslos gemacht hat, im Innenausschuss sehr intensiv nachbereitet. Und im Innenausschuss ist auch deutlich geworden, dass die Polizei vorher gar keine Erkenntnisse darüber hatte, dass sich gewalttätige Personen verabredet haben, sich in Köln zu schlagen.

(Zuruf von Theo Kruse [CDU])

Insofern hätte das Instrument der Meldeauflagen hier gar nicht gegriffen. Es konnte nicht greifen, weil das einfach viel zu kurzfristig war. Daher ist Ihr Beispiel Köln völlig fehl am Platz.

(Zuruf von Theo Kruse [CDU])

Ihre Begründung stimmt also nicht so ganz.

An Ihrem Gesetzentwurf finde ich außerdem problematisch, dass Sie ihn allein aus dem Bereich Fußball begründen. Das Polizeigesetz gilt aber nicht nur für diesen einen Bereich, sondern umfassend. Wir müssen uns im Ausschuss auch angucken, in welchen anderen Bereichen möglicherweise Meldeauflagen genutzt werden könnten, damit wir nicht zu Fallkonstellationen kommen, in denen wir sie gar nicht wollen. Sie können keine reine „Lex Fußball“ machen.

Wir müssen auch über die Hürden sprechen, die Sie hier angeführt haben, und darüber, ob der Regelungsort richtig ist; Sie haben § 10 vorgeschlagen.

Ich glaube, dass wir noch viel zu diskutieren haben, finde die Debatte aber durchaus interessant. Ich freue mich auf Diskussionen im Ausschuss und auf eine hoffentlich sehr spannende Anhörung. – Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN und Daniela Jansen [SPD])

Meine Rede zur Großen Anfrage der Fraktion der Piraten zur Videoüberwachung

Text und Video meiner Rede zur zur Großen Anfrage der Fraktion der Piraten Drucksache 16/3573

Verena Schäffer (GRÜNE): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Große Anfrage liefert zwar eine Menge an Daten – das kann man nicht bestreiten –, aber sie gibt dann doch nicht so viel her, weil sie die Kameras im privaten Bereich nicht dabei hat. Ich glaube, wir haben eher das Problem, dass Private die Kameras aufstellen.

Die Anfrage stellt auch keinen Zeitverlauf dar, das heißt, wir wissen gar nicht: Wie war es vor fünf Jahren, wie war es vor zehn Jahren, hat es zugenommen oder nicht?

Ich glaube sehr wohl, wenn man heute durch die Innenstädte läuft, wenn man mit der Straßenbahn fährt, dass Videoüberwachung insgesamt eher zunimmt. Ich denke, das ist auch nicht verwunderlich, denn die Technik wird immer billiger.

Jede und jeder von uns – dessen müssen wir uns immer bewusst sein – wird hundertfach am Tag gefilmt. Wer jetzt sagt: „Wer nichts zu verbergen hat, der hat auch nichts zu befürchten“, der hat es nicht verstanden. Wir haben sehr wohl etwas zu befürchten, nämlich dass wir unsere Freiheit verlieren, wenn wir ständig überwacht werden.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)

Das Recht auf die informationelle Selbstbestimmung, darauf, dass man sich im öffentlichen Raum frei und unbeobachtet bewegen kann, ist, wie ich finde, ein sehr hohes Gut, das es immer wieder zu verteidigen gilt. Es gilt auch deshalb immer wieder zu verteidigen, wenn man sich anschaut, wie die Diskussionen mittlerweile laufen: Es gibt zum Beispiel das EU-Forschungsprojekt INDECT, das mit nicht unerheblichen Mittel ausgestattet ist und sehr gut aufzeigt, wohin die Reise schon längst geht. Dieses Projekt erforscht, wie potenzielle Gefährderinnen und Gefährder frühzeitig erkannt werden können.

Wer sich nicht normgerecht – was auch immer „normgerecht“ in diesem Zusammenhang bedeuten mag – in der Öffentlichkeit verhält, droht Gefahr zu laufen, dass er verdächtigt wird, potenziell eine Straftat begehen zu können oder eine Straftat zu planen.

Diese Technik ist jetzt schon in hohem Maße darauf ausgerichtet, unsere Freiheitsrechte einzuschränken. Gleichzeitig bringt es aber unserer Sicherheit nicht wirklich viel Nutzen. Ein gutes Beispiel dafür ist der geplante und zum Glück fehlgeschlagene Anschlag am Bonner Hauptbahnhof, als der salafistische Terrorist einen Sprengstoff zünden wollte. Das zeigt sehr deutlich: Ein Terrorist, der einen Sprengstoffanschlag begehen will, lässt sich nicht von einer Videokamera davon abhalten. Der Glaube, dass man mit Videotechnik Terroranschläge oder aber auch schwere Körperverletzungen, die unter Alkoholeinfluss und im Affekt geschehen, verhindern könnte, ist ein einfach nur naiv. Eine absolute Sicherheit wird es niemals geben. Dieses Versprechen kann man den Bürgerinnen und Bürgern nicht geben. Das wäre absolut nicht redlich. Das wird man auch nicht einhalten können.

Das Sicherheitsgefühl ist gerade angesprochen worden. Es mag sein, dass das subjektive Sicherheitsgefühl in U-Bahn-Tunneln erhöht wird, wenn dort Videokameras hängen. Das ist aber nur subjektiv. Objektiv wird sich nicht viel ändern. Wenn nämlich niemand hinter den Kameras sitzt und guckt, was gerade im U-Bahn-Tunnel passiert, wird es nicht wirklich helfen, wenn ein Übergriff stattfindet.

Die Anfrage zielte auf den öffentlichen Raum bzw. die öffentlichen Gebäude. Je nachdem, wo man sich bewegt – im Kaufhaus, am Bahnhof, in der Straßenbahn oder eben auf dem Marktplatz –, gelten sehr unterschiedliche gesetzliche Regelungen, beispielsweise gilt das Bundespolizeigesetz, das Bundesdatenschutzgesetz, die jeweiligen Landespolizeigesetze. Im nordrhein-westfälischen Polizeigesetz haben wir im § 15a eine Regelung zur Videoüberwachung. Wir haben in NRW eine sehr strenge Regelung gefunden, die nur die Überwachung an sogenannten Kriminalitätsschwerpunkten zur Verhütung von Straftaten vorsieht.

Diese Einschränkung im Polizeigesetz führt momentan dazu, dass wir nur an zwei Standorten in NRW – zum einen in Düsseldorf und zum anderen in Mönchengladbach – eine Videoüberwachung des öffentlichen Raumes haben. An diesen beiden Stellen kann man das begründen, wenn man sich die Situation vor Ort anschaut und vergegenwärtigt, wie Videoüberwachung dort eingesetzt und kontrolliert wird. Ich finde, dass diese Einschränkung im Polizeigesetz verhältnismäßig ist und richtig ist, weil es um nichts anderes als um unsere Freiheitsrechte geht, die wir damit schützen. – Herzlichen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Meine Rede zur Schwerpunktsetzung bei der Polizeiarbeit

Text und Video meiner Rede zur Großen Anfrage der CDU zur Situation der Polizei und Kriminalitätsbekämpfung in Nordrhein-Westfalen/ Drucksache 16/2248 /Antwort der Landesregierung  Drucksache 16/4253.

Verena Schäffer (GRÜNE): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Lieber Herr Kruse, ich erkenne durchaus an, dass Sie sich mit dieser Großen Anfrage viel Mühe gegeben haben. Schließlich formuliert man 113 Fragen nicht einfach so nebenbei. Aber trotzdem sei die Frage erlaubt: Was hat uns diese Große Anfrage – bis auf eine Menge Arbeit für das Innenministerium – eigentlich gebracht? Ich meine, dass der Erkenntnisgewinn aus dieser Großen Anfrage relativ dünn ist, und das hat offensichtlich auch die Presse nach Ihrer Pressekonferenz so gesehen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Überhaupt nicht nachvollziehen kann ich Ihre Vorbemerkung und Ihr Pressestatement, dass den Kreispolizeibehörden aufgrund falscher Schwerpunktbildung seitens der Landesregierung Polizeikräfte genommen würden. Ja, es stimmt: Es gibt das System der belastungsbezogenen Kräfteverteilung, wonach die einzelnen Polizeikräfte auf die Polizeibehörden verteilt werden, und es gibt einen Vorwegabzug für die drei Landesoberbehörden LKA, LZPD und LAFP. Es stimmt auch, dass gerade auf kommunaler Ebene die Kreispolizeibehörden immer wieder daran Kritik üben.

Es gibt allerdings – und diesen vernehme ich auch nicht von Ihnen – keinen Alternativvorschlag, der beschreibt, wie man das ändern könnte. Insofern ist Ihre Kritik an der Verteilung, aber auch an der Schwerpunktsetzung, reiner Klamauk, populistisch und inakzeptabel. Das kann ich auch an Beispielen festmachen.

Punkt 1: Sie kritisieren hier die Schwerpunktsetzung auf den Bereich der Bekämpfung des Rechtsextremismus. Ich möchte noch einmal an die Debatte vor zwei Jahren erinnern, die wir kurz nach der Aufdeckung des NSU führten. Damals haben wir alle gesagt, dass dies ein Schwerpunkt der politischen Arbeit insbesondere der Sicherheitsbehörden, aber auch im Präventionsbereich sein muss. Denn es gibt in NRW Schwerpunkte von rechtsextremen Strukturen insbesondere in Dortmund, in Wuppertal und im Raum Aachen. Daher finde ich es richtig, dass die Polizei einen Schwerpunkt auf diesen Bereich setzt, dass sie Druck auf die Szene ausübt und dass Straftaten entsprechend verfolgt werden.

Jeden zweiten Tag wird in Nordrhein-Westfalen ein Mensch Opfer von rechter Gewalt. Diesen Menschen müssen Sie einmal erklären, dass hier ein falscher Schwerpunkt seitens der Polizei gesetzt wird.

(Beifall von den GRÜNEN)

Punkt 2: Sie kritisieren, dass es eine falsche Schwerpunktsetzung auf den Bereich des islamistischen Terrorismus geben würde. Dabei sind Sie es doch, die immer sagen, dass wir in diesem Bereich mehr Repression brauchen. Sie äußern sich also widersprüchlich. Ich meine, dass wir beides brauchen, also Repression und Prävention. Aber auf jeden Fall – und ich glaube, da sind wir uns einig – haben wir es hier mit einer ernstzunehmenden Bedrohungslage für die innere Sicherheit zu tun. Ich frage mich wirklich, ob Sie allen Ernstes behaupten wollen, hier sei ein falscher Schwerpunkt gesetzt.

(Beifall von den GRÜNEN)

Punkt 3, den ich ansprechen möchte, ist das Themenfeld „Cybercrime“. Seit einiger Zeit ist ein entsprechendes Kompetenzzentrum beim Landeskriminalamt angesiedelt, weil die Internetkriminalität stetig wächst. Angesichts der verschiedenen Delikte und der Komplexität im Bereich „Cybercrime“ brauchen wir beim LKA Expertinnen und Experten sowie eine Verstärkung der Verankerung des Themas in der Aus- und Fortbildung. Hier wird bereits ein richtiger Schwerpunkt gesetzt.

In Ihrer Anfrage – das finde ich interessant – streifen Sie diesen Punkt „Cybercrime“ nur am Rande. Er wird gar nicht richtig behandelt. Vielleicht ist dies auch ein Ausdruck dafür, dass Sie die Partei sind, für die das Internet nach wie vor Neuland ist.

(Daniel Sieveke [CDU]: Neuland?)

Daher verwundert es mich auch nicht wirklich, dass dieses Thema in Ihrer Anfrage nicht vorkommt.

(Beifall von den GRÜNEN – Daniel Sieveke [CDU]: Das haben Ihre Abstimmungsergebnisse gezeigt!)

– Meinen Sie die Umfrage zu den Spitzenkandidaten, oder worauf bezieht sich Ihre Anspielung? – Ja, aber immerhin sind wir eine Partei, die auch neue Wege geht,

(Daniel Sieveke [CDU]: Neue Wege? Aha!)

ausprobiert und die Menschen zum Mitmachen anregt. Insofern passt der Zuruf nicht richtig.

Das Thema „Cybercrime“ spielt bei der CDU offensichtlich keine Rolle.

(Daniel Sieveke [CDU]: Gibt es auch einen deutschen Begriff dafür?)

Sie sprechen nur über Wohnungseinbrüche, über Diebstähle. Das ist in Ordnung, aber wir müssen auch darüber reden, was im Internet passiert und welche Delikte dort begangen werden.

(Beifall von den GRÜNEN)

Ich will aber noch etwas zum Thema „Wohnungseinbruchskriminalität“ sagen. Das ist ja ein Punkt, auf den Sie immer herumreiten. Es stimmt, wir haben hier einen Anstieg der Kriminalität. Bundesweit ist sie um 8,7 %, in Nordrhein-Westfalen übrigens nur um 7,5 % angestiegen. Nichtsdestotrotz erkenne ich an: Wir haben hier ein Problem.

Auf eine interessante Entwicklung, die ersichtlich wird, wenn man sich die Kriminalstatistik anschaut, möchte ich dann doch noch hinweisen: Nicht jeder Wohnungseinbruch kann erfolgreich durchgeführt werden. Ungefähr 40 % der Wohnungseinbrüche sind nicht erfolgreich, sondern scheitern, weil zum Beispiel Fenster und Türen gesichert sind, weil die Nachbarschaft darauf aufmerksam wird und die Polizei ruft.

Trotzdem zu sagen, dass Präventionskampagnen wie „Riegel vor!“ nicht funktionieren, finde ich populistisch. Ich finde, die Zahlen sind ein Ausweis dafür, dass Präventionskampagnen sehr wohl funktionieren können. In dem Zusammenhang dann auch noch von Personalverschwendung zu sprechen, finde ich wirklich völlig daneben.

(Zuruf von Daniel Sieveke [CDU])

Es wird auch nicht denjenigen Polizistinnen und Polizisten gerecht, die vor Ort aufklären und beraten, wenn es darum geht, Wohnungen und Häuser zu sichern. Ich finde, die Zahlen geben uns da durchaus recht.

(Zuruf von Daniel Sieveke [CDU])

– Wissen Sie, Herr Sieveke, Sie können hier hereinrufen, wie Sie wollen. Sie machen aber keine Verbesserungsvorschläge! Man kann so viel kritisieren, wie man will,

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

aber dann muss man auch konstruktive Vorschläge machen.

(Zuruf von Daniel Sieveke [CDU])

Und genau das, Herr Sieveke, tun Sie nicht. Aber das erwarte ich von Ihnen.

(Beifall von den GRÜNEN – Daniel Sieveke [CDU]: Sie haben nur ein Thema! – Sigrid Beer [GRÜNE]: Reden Sie doch von vorn, oder machen Sie eine Kurzintervention!)

Meine Rede zur Vorratsdatenspeicherung

Meine Rede zum Antrag der Piratenfraktion (Drucksache 16/4436).

Es gilt das gesprochene Wort.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen!

Ich möchte meine Rede mit einem Zitat beginnen:

„Dass die Freiheitswahrnehmung der Bürgerinnen und Bürger nicht total erfasst wird und registriert werden darf, gehört zur verfassungsrechtlichen Identität der Bundesrepublik Deutschland, für deren Wahrung sich die Bundesrepublik in europäischen und internationalen Zusammenhängen einsetzen muss.“

Wer meint, dieses Zitat wäre im Zusammenhang mit der anlasslosen und massenhaften Überwachung unserer Daten durch die amerikanische NSA oder den britischen GCHQ gefallen, der irrt. Das Zitat stammt vom Bundesverfassungsgericht im Rahmen seines Urteils vom 02. März 2010 zur Vorratsdatenspeicherung. Gegen das Gesetz hat es eine breite bürgerrechtliche Bewegung gegeben. Über 34.000 Menschen hatten Verfassungsbeschwerde eingelegt und letztendlich Recht bekommen. Denn die anlasslose und massenhafte Vorratsdatenspeicherung ist ein tiefer Eingriff in unsere Privatsphäre.

Mit der anlasslosen Vorratsdatenspeicherung werden alle Bürgerinnen und Bürger unter Generalverdacht gestellt, obwohl sie zu dem Zeitpunkt der Datenerhebung und -speicherung keine Straftaten begangen haben. Unsere Daten sollen also präventiv erhoben und gespeichert werden, weil es denkbar wäre, dass wir alle zu Kriminellen oder Terroristinnen und Terroristen werden. Damit wird die Unschuldsvermutung praktisch ausgehebelt; das halten wir Grüne nicht für verhältnismäßig und haben uns deshalb immer gegen eine anlasslose Bevorratung von Daten ausgesprochen!

Es stimmt zwar, dass keine Daten über die Inhalte der Kommunikation gespeichert werden sollen, sondern „nur“ die Verkehrsdaten. Aber allein mit den Verkehrsdaten kann rekonstruiert werden, war wann wie lange mit wem und von wo aus kommuniziert hat. Damit lassen sich bereits Bewegungsprofile von jedem von uns erstellen, denn wir alle kommunizieren ständig und produzieren Mengen an Daten.

Der Satz „ich habe nichts zu verbergen“ ist fatal, denn schon mit der Speicherung der Verkehrsdaten kann die Ausübung unserer Freiheitsrechte beeinträchtigt werden oder um es mit den Worten des Bundesverfassungsgerichts auszudrücken:

„Die anlasslose Speicherung von Telekommunikationsverkehrsdaten ist geeignet, ein diffus bedrohliches Gefühl des Beobachtetseins hervorzurufen, das eine unbefangene Wahrnehmung der Grundrechte in vielen Bereichen beeinträchtigten kann.“

Dieser Einschätzung des Bundesverfassungsgerichts ist nichts hinzuzufügen.

Nach den schrecklichen Anschlägen vom 11. September 2001 hat es eine Reihe von Verschärfungen in den Sicherheitsgesetzen gegeben. Die EU-Richtlinie zur Einführung der Vorratsdatenspeicherung war eine konkrete Reaktion auf die Terroranschläge in Madrid im März 2004. Allerdings kann eine Bevorratung von Daten keine Terroranschläge verhindern so wie eine Videobeobachtung im öffentlichen Raum ebenfalls keine Straftaten verhindern kann, sondern allenfalls Informationen für die Ermittlungen liefern. Man darf den Bürgerinnen und Bürger keine angebliche Sicherheit vorgaukeln, die man letztendlich nicht einlösen kann, und im gleichen Atemzug die Bürgerrechte mit einem nicht einzuhaltenden Versprechen einschränken.

Derzeit sind noch zwei Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof anhängig, in denen die Vereinbarkeit der EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung mit den Grundrechten in der Europäischen Union überprüft werden. Wir warten gespannt auf die Entscheidung des Gerichtshofs. Diese Entscheidung des EuGH sollte abgewartet werden, bevor neue Pläne zur Vorratsdatenspeicherung in Deutschland gemacht werden.

Sowohl über die Videoüberwachung als auch über die Vorratsdatenspeicherung hat dieses Parlament in der Vergangenheit mehrfach diskutiert und wird es voraussichtlich auch zukünftig tun. Der Standpunkt der Grünen ist dabei klar: Wir lehnen eine anlasslose Regelung zur Vorratsdatenspeicherung als unverhältnismäßigen Eingriff in unsere Freiheitsrechte ab. Dass wir damit einen Dissens mit unserem Koalitionspartner haben, ist allgemein bekannt. Bekannt ist aber auch, wie Koalitionen in solchen Fällen abstimmen und entsprechend werden wir uns verhalten.

In Richtung Piraten will ich aber auch noch einmal betonen, dass die Piraten mit diesem verkürzten Antrag offensichtlich keine qualifizierte inhaltliche Debatte führen wollten, die es aus meiner Sicht bedarf, sondern einzig allein die Koalition über eine Bundesfrage spalten.

Meine Rede zur Gesundheitsprävention bei der Polizei

Große Anfrage der Piraten, Drucksache 16/763, Zwischenbericht der Landesregierung Drucksache 16/1570, Antwort der Landesregierung Drucksache 16/3389

Verena Schäffer (GRÜNE): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Kollegin Monika Düker, meine Vorvorgängerin im Amt als innenpolitische Sprecherin, hat den Krankenstand bei der Polizei ja bereits im Jahr 2009 hier im Landtag bereits auf die Tagesordnung mit einer Kleinen Anfrage und einem Antrag gehoben. Die Kleine Anfrage wird ja auch in der Großen Anfrage zitiert.

Angesichts der hohen Anzahl von Polizeibeamtinnen und -beamten, die länger als sechs Wochen im Jahr arbeitsunfähig waren, halte ich es nach wie vor auch für wichtig, dass wir uns hier als Parlament mit diesem Thema offen beschäftigen.

Man kann zwar einen gewissen Rückgang im Zeitraum von 2008 bis 2009 erkennen – und zwar ist die Anzahl der länger als sechs Wochen erkrankten Beschäftigten um 9 % gesunken –, aber es sind eben immer noch 6.900 Personen, die länger als sechs Wochen erkrankt waren.

Das finde ich nach wie vor eine erschreckende Zahl, die uns als Abgeordnete alarmieren sollte, weil wir eine Verantwortung gegenüber den Polizeibeamtinnen und -beamten haben. Wir wissen, dass der Polizeiberuf ein sehr verantwortungsvoller Beruf ist und die Polizistinnen und Polizisten im Dienst hohen physischen und psychischen Belastungen ausgesetzt sind.

Wir haben es zwar geschafft, die Einstellungsermächtigung für den Polizeidienst zu erhöhen – im nächsten Jahr werden erstmals 1.400 Beamtinnen und Beamte ihre Ausbildung abgeschlossen haben, was auch im Haushaltsplan 2014 berücksichtigt ist ?, nichtsdestotrotz steigt das Durchschnittsalter in den Kreispolizeibehörden. Das werden wir durch die Neueinstellungen zwar abmildern, aber nicht komplett aufhalten können. Man kann sich ausrechnen, dass wir es tendenziell mit mehr kranken Beschäftigten bei der Polizei zu tun haben werden, wenn die Beschäftigten älter werden. Deshalb ist es wichtig, dass wir uns des Themas annehmen.

Außerdem fällt gerade bei der Polizei die Arbeit nicht weg, wenn Beschäftigte krank sich, sondern die Aufgaben sind nach wie vor vorhanden. Das heißt, andere Polizeibeamtinnen und -beamte müssen diese Aufgaben auffangen. Aus diesem Grund und weil die Arbeitsbelastung sowieso schon hoch ist und weil wir die Steigerung des Durchschnittsalters haben, müssen wir uns die Aufgaben der Polizei ansehen und in die Aufgabenkritik einsteigen, aber wir müssen uns auch die bisherigen Organisationsstrukturen der Polizei anschauen. Ziel muss sein, dass die Polizei ihren Aufgaben weiterhin nachkommen kann und auf der Straße präsent ist.

Wir haben im Koalitionsvertrag mit der SPD deutlich gemacht, dass wir ein umfassendes Gesundheitsmanagement für alle Bereiche der Landesbehörden haben und die Wiedereingliederung von kranken Beamtinnen und Beamten im Innendienst verbessern wollen. Das betriebliche Eingliederungsmanagement für Beschäftigte, die innerhalb eines Jahres länger als sechs Wochen arbeitsunfähig waren, ist für den Arbeitgeber, also auch für das Land, gesetzlich vorgegeben. Wir sind gesetzlich dazu verpflichtet. Auch jenseits der gesetzlichen Verpflichtung ist es jedoch sinnvoll, Beschäftigten nach einer längeren Krankheit den Weg zurück in den Dienst zu begleiten, ihnen zu helfen, um erneuten Erkrankungen vorzubeugen.

Nicht nur die Wiedereingliederung ist ein Thema, sondern auch die Gesundheitsprävention. Man muss sich die Frage stellen: Welche Strukturen, welche Aufgaben bei der Polizei machen eigentlich krank? Auch diesen Aspekt dürfen wir nicht völlig aus den Augen verlieren.

Der Antwort auf die Große Anfrage kann man entnehmen, dass derzeit an einer landeseinheitlichen Dienstvereinbarung über die Ausgestaltung des betrieblichen Eingliederungsmanagements bei der Polizei gearbeitet wird. Dieses Thema sollten wir uns, wenn die Vereinbarung fertig ist, noch einmal in den Innenausschuss und in den Unterschuss „Personal“ holen, um es dort intensiv zu diskutieren. – Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der CDU)