Zum Antrag der AfD-Fraktion zur Einrichtung einer Enquete-Kommission

Verena Schäffer (GRÜNE): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wie Sie wissen – heute Morgen haben es sicherlich alle verfolgt –, wurde heute das Urteil im NSU-Prozess verkündet.

Mit diesem Urteil ist das Kapitel NSU noch lange nicht abgeschlossen. Es ist klar, dass wir Lehren daraus ziehen müssen, dass eine Neonazigruppe über Jahre hinweg unerkannt in Deutschland morden und Anschläge begehen konnte – auch hier in Nordrhein-Westfalen.

Eine Lehre daraus ist meiner Meinung nach, dass wir die Auswirkungen von Rassismus nicht unterschätzen dürfen. Ich will an den NSU-Untersuchungsausschuss hier im Landtag erinnern. Frau Professorin Karakayali hat uns dort darauf hingewiesen, wie sehr sich Vorurteile und Stigmatisierungen gegenüber türkeistämmigen Menschen und gegenüber Musliminnen und Muslimen in Deutschland insbesondere nach „9/11“ verstärkt haben.

Sie hat darauf hingewiesen, welche politischen Debatten, Publikationen und Diskurse es in der Zeit zwischen 2002 und 2006 gegeben hat: zur doppelten Staatsbürgerschaft, zu Zwangsehen, zum Kopftuch usw. Ich glaube, dass es kein Zufall ist, dass ausgerechnet in diesen Zeitraum – 2000 bis 2006 – die Morde und die Anschläge des NSU fielen.

Wir müssen noch eine weitere Lehre aus dem NSU-Komplex ziehen: Im Untersuchungsausschuss konnten wir dezidiert an vielen Beispielen festmachen, dass die Sicherheitsbehörden gerade deshalb versagt haben, weil es bei Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in den Behörden Vorurteile gab, und dass durch Diskriminierungen, Stigmatisierungen und Vorurteile Opfer und ihre Angehörigen zu Tätern gemacht wurden.

Das, liebe Kolleginnen und Kollegen, darf nie wieder passieren! (Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)

Ich komme nun zum Antrag und will gerne auch der AfD erklären, was das eine mit dem anderen zu tun hat. Denn in Ihrer Beantragung der Enquetekommission nehmen Sie genau diese Stigmatisierung ganzer Bevölkerungsgruppen pauschal vor. Sie machen Personen zu Tätern, und Sie schüren gezielt Vorurteile gegen gesellschaftliche Minderheiten.

Wenn man den Antrag Satz für Satz durchgeht – und es geht eben nicht nur um Zitate von anderen Personen –, wird klar, dass das Rassistische, die Stereotype,

(Christian Loose [AfD]: Dann zitieren Sie doch mal!)

die Islamfeindlichkeit und die pauschalen Herabwürdigungen

(Beifall von den GRÜNEN)

in diesem Antrag keine Ausrutscher sind, sondern sie sind Programm und bewusst gesetzt. (Christian Loose [AfD]: Dann zitieren Sie doch mal, Frau Schäffer!)

Für uns ist hier ganz eindeutig eine Grenze überschritten.

(Beifall von den GRÜNEN)

Ich will mich meinen Vorrednern und meiner Vorrednerin gerne anschließen: Eine solche Enquetekommission, die die AfD für nichts anderes als für rassistische Hetze gegen Minderheiten nutzen will, können und werden wir nicht zulassen.

Denn das Ziel der AfD ist es doch, Vielfalt in unserer Gesellschaft zurückzudrängen und die Rechte von Minderheiten zu beschneiden.

Sowohl Art. 3 des Grundgesetzes als auch unser Amtseid, auf den wir hier alle verpflichtet wurden,

(Zuruf von Christian Loose [AfD])

geben uns einen klaren Handlungsauftrag: Niemand darf aufgrund bestimmter Merkmale benachteiligt werden. Wir sind als Abgeordnete – jede und jeder Einzelne von uns – darauf verpflichtet, dem Wohle des Landes Nordrhein-Westfalen und der Menschen, die in diesem Land leben, zu dienen.

Diesen Handlungsauftrag nehmen wir sehr ernst. (Beifall von den GRÜNEN)

Und, ja – es wurde schon darauf hingewiesen –: Es gibt parlamentarische Gepflogenheiten. Die finden wir wichtig, und die erkennen wir auch an. Aber es ist auch parlamentarische Gepflogenheit, Enquetekommissionen so zu beantragen und den Antrag dazu so zu formulieren, dass sie eben keine Gremien zur Instrumentalisierung bestimmter Themen sind.

(Andreas Keith [AfD]: Das stimmt nicht!)

Und es ist eine Gepflogenheit in diesem Haus, dass man solche Anträge so formuliert, dass alle Fraktionen mitgehen können. Das ist hier ganz offensichtlich nicht der Fall.

(Andreas Keith [AfD]: Denn nennen Sie doch mal eine Formulierung!)

– Herr Keith, ich könnte Ihnen viele Stellen in dem Antrag nennen.

(Andreas Keith [AfD]: Sagen Sie doch mal, welche!)

Ich habe sie alle gelb markiert. Ich werde sie hier nicht vorlesen, weil ich Ihre Hetze nicht wiederholen werde.

(Beifall von den GRÜNEN, der CDU und der SPD – Andreas Keith [AfD]: Weil es keine gibt! Sie haben das doch in den Hinterzimmern abgesprochen! – Weitere Zurufe von der AfD – Glocke)

– Entschuldigung, Herr Keith: Wenn Sie ernsthaft meinen, dieser Antrag würde keine rassistische Hetze, keine pauschalen Diffamierungen enthalten …

(Andreas Keith [AfD]: Dann lesen Sie sie vor!)

– Ich werde sie gerade nicht vorlesen; denn ich finde, dass es diesem Hohen Hause nicht angemessen ist.

(Andreas Keith [AfD]: Sie lügen!)

Ich werde solche Dinge hier nicht wiederholen.

(Beifall von den GRÜNEN, der SPD und der FDP – Vereinzelt Beifall von der CDU) Ich gebe Ihnen aber gerne – und vielleicht bewahre ich Sie damit vor dem Herzinfarkt –

(Zuruf von Andreas Keith [AfD])

mein Exemplar Ihres Antrags mit allen Markierungen von rassistischer Hetze. Es ist alles gelb, und das sind alles Punkte, an denen Menschen pauschal diskriminiert und stigmatisiert werden.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD – Andreas Keith [AfD]: Und dann lassen Sie das prüfen, und dann stimmen Sie zu!)

Präsident André Kuper: Frau Kollegin, die Redezeit bitte.

Verena Schäffer (GRÜNE): Ich will hier aber auch noch mal eines deutlich machen. Zum einen bin ich mir jetzt wirklich sicher, dass wir als Grüne die richtige Entscheidung getroffen haben, Ihren Antrag abzulehnen.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD – Andreas Keith [AfD]: Warum denn?)

Ich will aber auch noch einmal deutlich sagen, dass ich großen Respekt vor der Entscheidung aller vier Fraktionen habe, denn ich weiß, dass sowohl CDU und FDP als auch SPD und Grüne es sich mit der Entscheidung nicht leicht gemacht haben.

(Zuruf von Roger Beckamp [AfD] – Andreas Keith [AfD]: In den Hinterzimmern abgesprochen! Das ist es!)

Dass wir zu unterschiedlichen Entscheidung gekommen sind, respektiere ich. Das respektieren wir, glaube ich, alle.

(Beifall von den GRÜNEN)

Ich finde: Das ist in Ordnung. In einer Demokratie ist das so.

(Christian Loose [AfD]: Die parlamentarischen Gepflogenheiten sind Ihnen doch egal!) Wir Grüne sind da klar: Wir werden Ihren Antrag ablehnen.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD – Wolfgang Jörg [SPD]: Flache Aggressivität – mehr haben die nicht zu bieten! – Roger Beckamp [AfD]: Dann schaffen Sie uns doch ab! – Andreas Keith [AfD]: Einfach die Parteien abschaffen! Das machen Sie doch so gerne!)

Präsident André Kuper: Es gibt eine Kurzintervention seitens der AfD. Herr Wagner hat sich gemeldet.

Markus Wagner (AfD): Vielen Dank. – Herr Präsident! Frau Kollegin Schäffer! Meine Damen und Herren! Ich habe jetzt die Reden der heiligen Vierfaltigkeit gehört, und habe das gehört, was ich hier immer höre:

(Zurufe von der SPD)

Sie benutzen Worthülsen, pauschalisieren, verunglimpfen, diffamieren und diskreditieren, (Frank Müller [SPD]: Schöne Selbstbeschreibung!)

und dann kommen Sie mit dem Vorwurf der Hetze und des Rassismus, haben aber den Antrag offensichtlich nicht gelesen. Denn dann hätten Sie beispielsweise auf Seite 6 unter III. den zweiten Absatz gelesen, wo wir ganz eindeutig auf die positiven Ergebnisse der Stadt Mechelen hinweisen.

(Zuruf von der AfD: So ist es!)

Dann hätten Sie möglicherweise auf Seite 7 den zweiten Absatz gelesen, wo wir auf das dänische Aktionsprogramm „Ein Dänemark ohne Parallelgesellschaften – keine Gettos im Jahr 2030“ hinweisen. Und das ist für Sie Rassismus? Ganz offensichtlich haben Sie nicht begriffen, worum es geht. Es geht um genau das Gegenteil.

(Helmut Seifen [AfD]: Genau!)

Es geht darum, sich gettoisierende Gesellschaften wieder so zusammenzufügen, dass Gettos nicht mehr entstehen, sondern abgeschafft werden. Das geht aus unserem Antrag zur Enquetekommission hervor.

(Andreas Keith [AfD]: Das steht da drin!)

Sie finden mittlerweile in Ihrer blinden Ablehnung aller AfD-Anträge überhaupt nicht mehr zur Sachlichkeit zurück. Das zeigt übrigens auch die Tatsache, dass nicht einer dieser Vorredner hier nur ein einziges Beispiel für die abstrusen Theorien, die sie hier aufgestellt haben, nennen konnte.

(Andreas Keith [AfD]: So ist es! – Christian Loose [AfD]: Jawoll! – Zuruf von der AfD: Genau so! – Beifall von der AfD)

Präsident André Kuper: Herr Wagner, ich kann die Aufregung an dieser Stelle verstehen, aber Sie haben gerade eine Bezeichnung gegenüber der Kollegin verwendet, die überdenkenswert ist. Ich ermahne Sie an der Stelle zur Ordnung. – Bitte.

(Nic Peter Vogel [AfD]: Da haben Sie aber schon ganz andere Sachen nicht gerügt!)

Verena Schäffer (GRÜNE): Ich kann Ihre Aufregung nicht so ganz nachvollziehen. Ich glaube, dass ich gerade sehr deutlich gemacht habe, dass ich mich durch die insgesamt acht Seiten Text durchgequält habe, durchquälen musste. Ich kann Ihnen gleich gerne mein Exemplar zur Verfügung stellen, damit Sie sehen, an welchen Stellen offenbar rassistische Unterstellungen vorgenommen werden.

(Lachen von Christian Loose [AfD] – Andreas Keith [AfD]: Offenbar?)

Diese Kurzintervention, aber auch die Kurzintervention von eben machen mich, ehrlich gesagt, fassungslos. Offenbar haben Sie diesen Antrag nicht gelesen, oder Sie haben nicht verstanden, was Sie geschrieben haben. Das glaube ich aber nicht.

Ich glaube, dass Sie hier sehr bewusst und sehr klar eine Grenzüberschreitung vorgenommen haben.

(Andreas Keith [AfD]: Das glauben Sie?)

Das ist genau der Grund, warum wir Ihren Antrag ablehnen werden.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD – Andreas Keith [AfD]: Nein, das ist er nicht!)

Zum Antrag der Fraktionen von CDU und FDP zum Thema Salafismus

Verena Schäffer (GRÜNE): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich hatte mir eigentlich vorgenommen, gerade bei diesem wichtigen Thema den konstruktiven Austausch mit Ihnen zu suchen. Das habe ich anhand des Antrags der Grünen ja auch getan. Ehrlich gesagt, machen mich Ihr Antrag und diese Debatte aber einfach fassungslos und sprachlos.

(Beifall von den GRÜNEN)

Wie sagte meine Mitarbeiterin so schön in der Vorbesprechung, als sie den Antrag gelesen hatte? Das ist der Diskussionsstand von 2012!

Wir sind aber im Jahr 2018 angekommen. Wir sind sechs Jahre weiter. Es gibt ganz viele Debatten und Fachbeiträge darüber. Das, was Sie in dem Antrag produziert haben, ist alles nichts Neues. Das wissen wir seit Jahren. Wir sind doch in der Diskussion eigentlich schon viel weiter. Deshalb macht mich das sprachlos.

Das einzige Thema, das in dem Antrag vielleicht neu aufgeführt wird, ist die Kindeswohlgefährdung. Darüber muss man diskutieren. Dazu komme ich später auch noch. Der Punkt ist aber, dass Sie keine einzige konkrete Antwort auf diese Frage liefern.

(Beifall von den GRÜNEN – Beifall von Marc Herter [SPD] und Sarah Philipp [SPD])

Sie bringen hier eine Problembeschreibung ohne Antworten ein. Ich muss ehrlich sagen, dass ich das für eine Regierungskoalition sehr schwach finde.

Sie hätten es so einfach haben können. Wir haben doch einen Antrag hier eingebracht. Nach einer sehr guten Anhörung – Herr Lübke hat im Plenum im März dieses Jahres ebenfalls bestätigt, dass die Anhörung sehr gut war – bin ich auf Sie zugekommen und habe gesagt: Lassen Sie uns gemeinsam einen Entschließungsantrag stellen. Ich bin bereit, viele Teile unseres Antrags herauszustreichen; Hauptsache, wir bekommen bei diesem wichtigen Thema der Präventionsarbeit gegen Salafismus einen Konsens hin. – Nein, das wollten Sie nicht.

Stattdessen schreiben Sie weniger als drei Monate später einen dermaßen dünnen Antrag. Ich finde es beschämend, dass Sie hier nicht mehr vorlegen.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)

Herr Panske, ich würde Sie gerne zitieren. In der Debatte im März 2018, als Sie unseren Antrag abgelehnt haben, haben Sie hier im Plenum gesagt:

„Ein intelligentes, abgestimmtes Zusammenspiel von Aufklärung, von Ermittlung von Strafverfolgung, von Prävention und verlässlicher und nachhaltiger Ausstiegshilfe orientiert an praktischer Arbeit: Genau das ist der Ansatz der CDU, und das sind die Ziele der NRW-Koalition.“

Da würde ich Ihnen sogar zustimmen. Nur: Warum schreiben Sie das nicht auch in Ihren Antrag hinein?

(Beifall von den GRÜNEN und Sarah Philipp [SPD])

Sie schreiben fett über Ihren Antrag: „Prävention und Repression … Gesamtstrategie“. Das, was Sie hier vorlegen, ist aber keine Gesamtstrategie.

Im Übrigen steht in dem Antrag auch nichts zum Thema „Repression“. Das Einzige, was darin zur Repression steht, sind die Gefährderansprachen seitens der Polizei. Die gibt es doch schon längst. Es ist Aufgabe der Polizei, Gefährderansprachen durchzuführen.

Wenn Sie dies als Gesamtstrategie bezeichnen, ist das – Entschuldigung – wirklich ein schlechter Witz.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)

Ich schwanke im Hinblick auf diesen Antrag zwischen Resignation und Fassungslosigkeit. Das tue ich auch deshalb – und deshalb rege ich mich so auf –, weil mir dieses Thema immens wichtig ist; denn wir haben eine Bedrohungslage durch den Salafismus und wissen alle, dass wir mehr Präventionsarbeit brauchen. Aber dann muss man eben auch etwas dafür tun und darf nicht solche Anträge schreiben.

Ich gehe gerne auf die einzelnen Inhalte ein, um meine Meinung zu verdeutlichen.

Zum Thema „Frauen“: Ja, es stimmt, Herr Lürbke; das ist ein wichtiges Thema. Sie sprechen es in dem Antrag sogar an. Sie reduzieren aber hier die Rolle der Frauen komplett auf die Mutterrolle und stellen sie als diejenigen dar, die für die Erziehung zuständig sind. Das stimmt auch. Aber es stimmt eben nur zum Teil.

Wir wissen, dass der Anteil der Frauen an den Gefährdern zwar nur bei 4 % liegt. Das ist total wenig. Aber an den relevanten Personen, also denjenigen, die zum Umfeld der Gefährder gehören, haben sie einen Anteil von 25 %. Jede vierte in Bezug auf die Salafisten relevante Person ist in Nordrhein-Westfalen eine Frau.

Angesichts dessen muss man sich doch Gedanken darüber machen, wie man diese Frauen ansprechen und aus der Szene herausholen kann. Es handelt sich immerhin um diejenigen, die rekrutieren und netzwerken. Also muss man doch gezielt Maßnahmen auf Frauen und Mädchen zuschneiden.

Davon ist in Ihrem Antrag überhaupt nicht die Rede. So weit denken Sie überhaupt nicht. Das finde ich fatal.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)

Nun zum Thema „ Kindeswohlgefährdung“: Ich finde es begrüßenswert, dass wir hier nicht darüber diskutieren, ob wir die Altersgrenze im Verfassungsschutzgesetz, ab der der Verfassungsschutz Personen beobachten darf, auf null absenken sollte. Immerhin führen wir die Diskussion darüber parallel zu dieser Debatte bereits. Ich finde es schon einmal gut, dass das in diesem Antrag nicht vorkommt und wir jetzt über die Frage der Kindeswohlgefährdung sprechen.

Wir als Grüne sehen auch, dass dahin gehend Handlungsbedarf besteht. Man muss aber wissen, dass es in Deutschland sehr schwierig ist, Kinder aus Familien herauszuholen, wenn nicht Gewalt oder Missbrauch im Spiel ist, sondern es – ich sage das wirklich in Anführungsstrichen – „nur“ um die Ideologie geht. Es hat in Deutschland historische Gründe, warum das schwierig ist.

Ich bin offen dafür, diese Diskussion zu führen. Der Punkt ist aber, dass Sie Sie lediglich eine Problembeschreibung vornehmen, ohne eine konkrete Antwort darauf zu geben. Sie sagen nur, dass wir die Jugendamtsmitarbeiter schulen müssen.

Das ist sicherlich richtig, aber was heißt das denn in Bezug auf die Kindeswohlgefährdung?

Man muss noch einen Schritt weitergehen. Es geht nicht nur um den Salafismus. Eine Frage ist zum Beispiel auch: Wie geht man mit Kindern aus rechtsextremistischen Familien um? – Auch diese Debatte führen wir seit Jahren, im Prinzip seit Jahrzehnten.

Wir führen also gern eine Diskussion darüber. Wir Grüne sind durchaus offen dafür. Man muss wissen, dass das in Deutschland schwierig ist – zu Recht. Lassen Sie uns also eine Diskussion darüber führen; aber dann lassen Sie uns auch zu konkreten Ergebnissen kommen.

Der dritte Punkt ist das Thema „Jugend und Schule“. Das sprechen Sie in Ihrem Antrag auch an; das finde ich richtig. Das ist ein wichtiges Thema, aber auch hier fehlen die konkreten Vorschläge. Das Einzige, was Sie anführen, ist die Einführung einer Taskforce an Schulen. Das ist nichts Neues. Das steht in dem Bericht der interministeriellen Arbeitsgruppe, die vor drei oder vier Jahren von Rot-Grün gegründet wurde. Das ist also nichts Neues.

Wir haben einen eigenen Antrag vorgelegt. Ich kann Ihnen sagen: Wir haben vier ganz konkrete Vorschläge gemacht. Wir haben erstens gesagt, wir brauchen die Qualifizierung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Jugendarbeit und in der Jugendsozialarbeit.

Wir haben zweitens gesagt, das Thema Neosalafismus muss in der Fortbildung für Lehrerinnen und Lehrer und andere pädagogische Fachkräfte verankert sein. Da ist beispielsweise die Schulministerin in der Pflicht.

Drittens. Wir haben gesagt, wir brauchen eine flächendeckende Sozialarbeit an den Schulen und die Qualifizierung der Fachkräfte.

Und viertens haben wir gesagt, wir brauchen Streetworker. Wir brauchen für die Jugendlichen, die in Gegenden wohnen, wo sie besonders gefährdet sind, von Salafisten angesprochen zu werden, Streetworker, die konkret auf sie zugehen.

Diese vier Punkte sind in der Anhörung von den Expertinnen und Experten bestätigt und begrüßt worden. Davon findet sich nichts in Ihrem Antrag. Auch hier sind wir in der Debatte wesentlich weiter.

(Marc Lürbke [FDP]: Das steht doch drin!)

Nein, es steht nicht drin. Es steht etwas über das Thema Taskforce drin. Ja, es stimmt, Sie haben auch etwas zu dem Thema „Wir müssen jetzt mehr Angebote machen“ geschrieben. Das ist aber etwas anderes als eine verpflichtende Verankerung in dem Fortbildungsprogramm für Lehrerinnen und Lehrer. Das ist doch ein Unterschied, Herr Lürbke.

(Beifall von der SPD – Zuruf von Marc Lürbke [FDP])

– Ja, Ihnen ist immer alles zu kleinteilig. „Kleinteilig“ kann man es nennen, wenn man zwar zu Problemen konkrete Vorschläge hat, aber stattdessen irgendeine Soße auskippt – etwas, in dem nichts Konkretes steht, aber alles Mögliche angesprochen wird, ohne eine Lösung zu suchen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Ich will es zum Schluss noch einmal sagen – ich glaube, das ist jetzt auch deutlich geworden –: Mir ist das Thema wichtig. Deshalb besteht mein Angebot und das meiner Fraktion weiterhin: Lassen Sie uns gemeinsam an dem Thema Salafismus arbeiten. Wir haben viel Streit, was Repression und polizeiliche Befugnisse angeht. Es ist auch richtig, diesen Streit auszutragen und die politische Diskussion darüber zu führen. Aber lassen Sie uns im Sinne der Sache doch wenigstens bei dem Punkt Präventionsarbeit versuchen, zusammenzukommen; denn es ist wichtig für die Sicherheit der Menschen in diesem Land, dass wir gemeinsam an diesen Themen arbeiten.

Noch einmal das Angebot – auch von mir –: Setzen wir uns zusammen und lassen Sie uns gemeinsam überlegen, wie wir weitergehen und gemeinsam zu einer Gesamtstrategie kommen können, die auch wir wollen. Ich glaube, damit wäre vieles gewonnen. – Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN)

Zum Antrag der AfD-Fraktion zu Gewalt am Arbeitsplatz

Verena Schäffer (GRÜNE): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zu Beginn der Debatte möchte ich gerne auf einen Punkt hinweisen: Wenn man sich die Polizeiliche Kriminalstatistik anschaut, und zwar nicht nur für das letzte Jahr, sondern über einen Zeitraum von zehn Jahren, stellt man fest: Die Gewaltkriminalität in unserer Gesellschaft nimmt insgesamt ab. Im vergangenen Jahr gab es im Vergleich zum Vorjahr einen Rückgang bei der Gewaltkriminalität. Das ist eine sehr positive Botschaft, die wir auch zur Kenntnis nehmen müssen.

Nichtsdestotrotz darf das nicht darüber hinwegtäuschen, dass bestimmte Personengruppen von Gewalt betroffen sind und es Gewalt am Arbeitsplatz bzw. im Dienst gibt. Das erschüttert uns alle sehr, insbesondere wenn Beschäftigte im öffentlichen Dienst betroffen sind, die von Berufs wegen anderen helfen, also Rettungskräfte, Feuerwehrleute und andere. Darüber haben wir schon häufig diskutiert. Insofern ist die Debatte nicht ganz neu. Wir sind uns auch relativ einig darin, dass diese Gewalt nicht zu tolerieren ist und die Arbeitgeber verpflichtet sind, alles dafür zu tun, ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vor Gewalt zu schützen.

Wir als Abgeordnete und Landesparlament sind vor allem für die Beschäftigten im öffentlichen Dienst sowohl auf Landesebene als auch im Bund als auch im Dialog mit den Kommunen auf kommunaler Ebene zuständig. Als Arbeitgeber, als Land haben wir eine Fürsorgepflicht, die wir im Blick haben müssen. Meine Vorrednerinnen und Vorredner haben bereits gesagt, dass dazu in den letzten Jahren einiges auf den Weg gebracht worden ist. Wir haben bereits im Dezember 2016 und im Februar 2017 darüber diskutiert; auch in dieser Legislaturperiode gab es dazu bereits viele Diskussionen.

Ich möchte daran erinnern, was in dieser Zeit passiert ist: Das damalige MAIS – also das Ministerium für Arbeit, Integration und Soziales – hatte Konzepte für die Beschäftigten in Jobcentern und in Arbeitsagenturen erarbeitet. Das damalige MGEPA – das Ministerium für Gesundheit, Emanzipation, Pflege und Alter – hatte sich intensiv mit der Frage beschäftigt: Wie können wir unseren Rettungskräften mehr Schutz ermöglichen?

Das Justizministerium hat sich damit beschäftigt, welche Sicherheitskonzepte für Gerichte und Staatsanwaltschaften aufgestellt werden können. Das Innenministerium hat sich ebenfalls Gedanken gemacht und es umgesetzt, Polizistinnen und Polizisten – auch sachlich – entsprechend auszustatten und das Thema „Gewalt“ in Aus- und Fortbildung zu verankern, um Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte darauf vorzubereiten. All diese Maßnahmen sind schon angestoßen worden und laufen weiter. Insofern steht in dem Antrag nicht viel Neues.

Ein Punkt in der Debatte, die wir Ende 2016 geführt haben, ist mir allerdings noch wichtig. Als Parlament haben wir der Landesregierung einen Auftrag gegeben: Tretet bitte in einen Dialog mit den verschiedenen Gruppen betroffener Beschäftigter ein. Gebt gegebenenfalls Studien in Auftrag. – Ich weiß, das ist in manchen Bereichen auch geschehen. – Tauscht euch über bestehende Konzepte aus und entwickelt sie weiter.

Wir sollten uns das meiner Ansicht nach noch einmal vornehmen und uns vielleicht auch aus dem Innenministerium über den Dialog und dessen Ergebnisse – wir haben 2016 dazu einen Entschließungsantrag beschlossen – berichten lassen. Herr Minister Reul, das können Sie nicht wissen, weil Sie damals nicht dabei waren.

Das sollten wir uns auch im Ausschuss gemeinsam anschauen. Das ist kein Ding zwischen Regierung und Opposition, sondern wir haben ein gemeinsames Interesse daran, dass die Beschäftigten insbesondere im öffentlichen Dienst vor Gewalt geschützt sind; denn wir sind dafür verantwortlich.

Was den konkreten Antrag angeht, kann ich mich den Rednerinnen und Rednern der Fraktionen von SPD, CDU und FDP nur anschließen: Im Antrag steht nichts Neues.

Der AfD-Redner hat hier leider selber deutlich gemacht, dass es ihm nicht wirklich um den Antrag ging. Das finde ich schade, denn ich halte dieses Thema für sehr wichtig. Es geht uns alle an. Wir müssen hier weiter vorankommen. – Vielen Dank.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Zu unserem grünen Antrag zur Finanzierung von Förderprojekten gegen Rechtsextremismus und Rassismus

Verena Schäffer (GRÜNE): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sie wissen, wir wissen, Nordrhein-Westfalen ist ein Einwanderungsland. Unsere Gesellschaft ist geprägt von Vielfalt. Etwa 25 % der Bürgerinnen und Bürger in Nordrhein-Westfalen haben eine Migrationsgeschichte. Wenn wir uns nur die Zeit der Arbeitsmigration nach 1945 anschauen, dann sehen wir, dass Menschen ganz unterschiedlicher ethnischer, kultureller und religiöser Hintergründe selbst über einem halben Jahrhundert zusammen leben, arbeiten, lernen, feiern. Auch schon davor hat es Migrationsbewegungen gegeben, die unsere Gesellschaft ganz entscheidend geprägt haben.

Aber nicht alle sehen Vielfalt und Zuwanderung so positiv und als Chance für unsere Gesellschaft. Rassismus und auch andere menschenfeindliche Einstellungen kommen aus der Mitte der Gesellschaft, und sie richten sich nicht nur gegen diejenigen, die schon vor einiger Zeit oder eben auch neu zugewandert sind, sondern diese menschenfeindlichen Einstellungen richten sich auch gegen andere Minderheiten in unserem Land.

In den letzten Jahren hat es bei den politisch rechtsmotivierten Straftaten einen kontinuierlichen Anstieg gegeben. Es ist erschreckend. In den Jahren 2015 und 2016 stieg die Zahl der rechten Straftaten sprunghaft an. Verantwortlich dafür ist auch die rassistische Stimmungsmache von rechtspopulistischen Akteuren. Denn man muss sich immer vor Augen führen, dass rassistische und rechtspopulistische Äußerungen als Legitimation von Rechtsextremen genutzt werden, um Meinungen, um Einstellungen in Handeln umzusetzen und Menschen anzugreifen.

(Beifall von den GRÜNEN und Prof. Dr. Rainer Bovermann [SPD])

Da kann man eigentlich noch nicht so sehr klatschen, denn ich finde, vielmehr ist die Aussage wichtig, was das denn überhaupt bedeutet. Diese Feststellung ist erst einmal wichtig, aber ich meine, es gilt hier genauso wie bei der Debatte zum Thema „Antisemitismus“, dass jeder Angriff auf einen Menschen, jeder Angriff auf eine Person aufgrund von äußeren Merkmalen, aufgrund seiner Religion, seines Geschlechts ein Angriff auf unsere demokratische, auf unserer rechtstaatliche Gesellschaft ist. Dem müssen wir uns als Demokratinnen und Demokraten entgegenstellen.

(Beifall von Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE])

Um dieser Entwicklung entgegentreten zu können, brauchen wir so etwas wie ein abgestimmtes Konzept. Es gibt ja sehr viel im Land. Es gibt die verschiedenen Beratungsstellen, es gibt die Beratungsstellen gegen Rechtsextremismus, es gibt die Beratungsstellen für Opfer rechter Gewalt, es gibt auch Aussteigerprogramme. Wir haben also bereits eine breite Beratungslandschaft in Nordrhein-Westfalen. Es ist aber wichtig, dass diese verschiedenen Maßnahmen aufeinander abgestimmt sind und dass die Kommunen und die Zivilgesellschaft mit in die Arbeit gegen Rassismus und Rechtsextremismus einbezogen werden.

Deshalb haben wir als rot-grüne Koalition in der letzten Legislaturperiode auf Landesebene ein integriertes Handlungskonzept auf den Weg gebracht. Darüber hinaus haben wir gesagt das war ein Ergebnis des Handlungskonzeptes –, dass wir auch ein Förderprogramm für die Kommunen brauchen. Es gibt inzwischen 25 Kreise und kreisfreie Städte, die vom Land dafür gefördert werden, dass sie vor Ort Handlungskonzepte entwickeln und umsetzen.

Ich will hier einmal Dankeschön sagen an diejenigen, die das vor Ort machen. Zum einen bedanke ich mich bei den Kommunen, die sich beteiligen und gesagt haben, sowohl Geld zu beantragen als auch eigenes Geld hierfür aufzuwenden, obwohl die kommunale Haushaltslage überall sehr schwierig ist. Andererseits möchte ich mich bei denen in der Zivilgesellschaft bedanken, die konkret vor Ort diese Arbeit umsetzen.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)

Klar ist, und das ist meines Erachtens auch heute Morgen in der Debatte zum Antisemitismus sehr deutlich geworden, dass die Arbeit gegen Rechtsextremismus, gegen Rassismus eine Daueraufgabe demokratischer Gesellschaften ist und nachhaltig gestaltet werden muss.

Allerdings läuft das kommunale Förderprogramm „NRWeltoffen“, das Programm, aus dem die Kommunen gefördert werden, Ende dieses Jahres aus. Und das integrierte Handlungskonzept, das wir geschaffen haben, läuft Ende des nächsten Jahres aus. Deshalb brauchen wir so dringend die konkrete Aussage der Landesregierung darüber, ob sie denn diese Förderprogramme fortführen will. Es geht meiner Meinung nach nicht nur um die Fortführung, sondern es geht auch darum, dass die Kommunen, die bisher nicht daran teilnehmen – es sind bisher, wie gesagt, 25; da ist also noch Luft nach oben –, die Möglichkeit bekommen, sich zu bewerben, sodass das Programm landesweit ausgeweitet wird.

Gerade die Menschen, die haupt- und ehrenamtlich die Arbeit machen, brauchen eine Perspektive für ihre Arbeit und müssen wissen, ob es denn eigentlich danach weitergeht. Die Landesregierung hat gesagt, dass sie gerade dieses kommunale Förderprogramm evaluiert und danach entscheidet. Es läuft aber in einem halben Jahr aus. Ich finde, die Zeit ist zu kurz, um im Herbst eine Entscheidung zu treffen. Die Entscheidung brauchen wir jetzt. Wir brauchen jetzt die Zusage an die Kommunen, an die Projektträger, ob es weitergeht oder nicht. Das ist gerade unter dem Eindruck der aktuellen Stimmungsmache im Land, wenn ich an die Debatte denke, die wir heute Morgen zum Thema „Antisemitismus“ geführt haben und an die wir hier anknüpfen können, wichtig. Gerade unter dem Eindruck der derzeitigen Situation, ist es mehr als dringend geboten, dass die wichtige Arbeit gegen Rassismus und Rechtsextremismus fortgesetzt wird.

Zum Antrag der Fraktionen von GRÜNEN, CDU, SPD und CDU zum Thema Antisemitismus

Verena Schäffer (GRÜNE): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich war letzte Woche beim grünen Kinoabend meines Kollegen Arndt Klocke, der den Film „Die Unsichtbaren – Wir wollen leben“ gezeigt hat. In dem Film geht es um vier junge jüdische Menschen, die der Shoah entkommen, indem sie sich unter sehr widrigen Umständen in Berlin verstecken.

Ich kann den Film allen, die ihn noch nicht gesehen haben, nur sehr empfehlen. Denn dieser Film regt sehr zum Nachdenken an und wirft die Frage auf: Wie hätte ich mich eigentlich als Teil der Mehrheitsgesellschaft in der Zeit des Nationalsozialismus gegenüber verfolgten Minderheiten verhalten?

In der anschließenden Diskussion stand eine ältere Dame auf – selbst Jüdin – und wies darauf hin, dass aus ihrer Sicht jüdisches Leben viel zur oft nur auf die Zeit von 1933 bis1945 verkürzt würde, aber die sehr reichhaltige deutsch-jüdische Geschichte vor 1933 in Vergessenheit gerate. Ich glaube, da ist etwas dran.

Ich darf sicher auch für uns alle hier im Haus sagen, dass wir als Demokratinnen und Demokraten froh darüber sind, dass es wieder jüdisches Leben in Deutschland, in Nordrhein-Westfalen gibt. Es gibt jüdische Institutionen, von der Kita bis zum Altenheim; es gibt ein jüdisches Gymnasium hier in Düsseldorf. Jüdische Menschen gehören wieder ganz selbstverständlich zu unserer Gesellschaft.

(Beifall von den GRÜNEN, der CDU, der SPD und der FDP)

Meine Vorrednerin hat sich schon ähnlich geäußert, und auch ich würde mich freuen, wenn wir im Jahr 2018 nicht einen solchen Antrag bräuchten und wir nicht darüber nachdenken müssten, einen Antisemitismusbeauftragten einzusetzen. Die traurige Realität ist jedoch, dass Jüdinnen und Juden zum Ziel von antisemitischen Angriffen und von Alltagsdiskriminierung werden. Der Antisemitismus ist in der Mitte unserer Gesellschaft verankert.

Es gibt historische Kontinuitäten des Antisemitismus. Es gibt Neonazis, es gibt neurechte Strömungen, die die Gewaltverbrechen der Nationalsozialisten verharmlosen und eine 180- Grad-Wende in der Erinnerungskultur fordern. Es gibt einen israelbezogenen Antisemitismus, auch in linken Kreisen, der Kritik an der Politik Israels übt und diese Kritik pauschal gegen alle Jüdinnen und Juden wendet und diese für israelisches Regierungshandeln verantwortlich macht. Israelbezogen ist auch der Antisemitismus bei Menschen mit palästinensischem oder arabischem Hintergrund, der insbesondere dann, wenn sich die Situation im Nahostkonflikt wieder zuspitzt, neu entflammt.

Eines muss uns klar sein, nämlich dass wir gegen jede Spielart dieses Antisemitismus, egal aus welcher politischen Motivation er stammt, gemeinsam vorgehen müssen und ihn niemals tolerieren dürfen.

(Beifall von den GRÜNEN, der SPD und der FDP – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Aus meiner Sicht muss die oder der Antisemitismusbeauftragte Ansprechpartner sein für die vielen und unterschiedlichen Facetten: für die jüdischen Gemeinden zur Unterstützung des vielfältigen jüdischen Lebens in Nordrhein-Westfalen, vor allem aber für die Betroffenen antisemitischer Diskriminierung sowie für die vielen Institutionen und Behörden, die sich gegen Antisemitismus wenden.

Die oder der Antisemitismusbeauftragte soll die Maßnahmen gegen Antisemitismus bündeln und koordinieren. Damit es auch etwas zu bündeln und zu koordinieren gibt, dürfen wir nicht bei der Einrichtung dieser Stelle stehenbleiben, sondern wir brauchen Maßnahmen gegen Antisemitismus in vielen verschiedenen Bereichen. Ich will kurz drei Bereiche ansprechen.

Erstens: die Erfassung der Straftaten. Letztes Jahr wurden 324 antisemitische Straftaten in Nordrhein-Westfalen von der Polizei erfasst. Das ist ein Anstieg von 9 % gegenüber dem Vorjahr. Dieser Anstieg ist erschreckend. Aber wir wissen auch, dass das Dunkelfeld wahrscheinlich sehr viel höher ist, weil nicht alle Straftaten zur Anzeige gebracht werden und weil angezeigte Straftaten nicht unbedingt in der Statistik auftauchen.

Deshalb ist es aus meiner Sicht unerlässlich, dass wir eine Dunkelfeldstudie brauchen, die genau das aufarbeitet, die das wahre Ausmaß von Antisemitismus und auch die politischen Hintergründe für die Taten aufzeigt, damit es möglich ist, konkret Maßnahmen zu entwickeln und dagegen vorzugehen.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der FDP)

Zweitens: der Bereich „Schule“. Wir haben in den letzten Wochen und Monaten immer wieder von furchtbaren antisemitischen Vorfällen auf Schulhöfen lesen müssen. Das ist so nicht hin- nehmbar. Es sind vor allem die Lehrerinnen und Lehrer, die sehr konkret damit konfrontiert werden und mit diesen Situationen umgehen müssen.

Daher ist es aus meiner Sicht wichtig – das ist die Aufgabe des Schulministeriums –, Handlungsempfehlungen für Lehrerinnen und Lehrer, für pädagogische Fachkräfte in der Schule und in der Jugendarbeit zu entwickeln, um dort mit Antisemitismus und Diskriminierung ganz konkret umgehen zu können.

Ich möchte mich Frau Müller-Witt anschließen. Wir sollten nicht den Fehler machen, immer nur über Antisemitismus bei Kindern und Jugendlichen zu reden. Denn wir wissen auch aus der Einstellungsforschung, dass Antisemitismus und andere menschenverachtende Einstellungen gerade in der älteren Bevölkerung stärker vertreten sind als bei Jugendlichen. Also müssen wir alle Bevölkerungsschichten und Altersgruppen ansprechen, wenn wir in der Bekämpfung des Antisemitismus erfolgreich sein wollen.

Drittens: die Frage, wie wir Betroffene unterstützen können. Im vergangenen Herbst wurde die Antidiskriminierungsstelle Sabra der jüdischen Gemeinde Düsseldorf eröffnet. Das ist eine Antidiskriminierungsstelle, die vom Land gefördert wird. Solche Angebote sind enorm wichtig, weil sie Betroffene von Antisemitismus, Gewalt, Diskriminierung und Ausgrenzung unterstützen, beraten und ihnen zeigen, dass sie nicht alleine sind, sondern dass sie von dieser Gesellschaft unterstützt werden.

Mir ist im Gespräch mit Sabra eines deutlich geworden: Die Mitarbeiterinnen dieser Beratungsstelle sagen selbst, dass die Antidiskriminierungsarbeit insgesamt eine wichtige Bedeutung hat. Das ist der Punkt. Wir wissen aus der Einstellungsforschung, dass menschenverachtende Einstellungen sich bedingen; dass jemand, der homophob ist, eher dazu neigt, auch antisemitisch zu sein; dass jemand, der rassistisch ist, eher dazu neigt, auch islamfeindlich zu sein.

Deshalb muss uns natürlich die Bekämpfung des Antisemitismus am Herzen liegen – und sie liegt uns am Herzen. Wir müssen aber darüber hinausgehen. Wir werden Antisemitismus und andere menschenverachtende Einstellungen nur dann erfolgreich bekämpfen, wenn wir sie alle in den Blick nehmen und die Bekämpfung angehen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Aus meiner Sicht muss sich eine demokratische Gesellschaft immer auch daran messen lassen, wie wir mit den Minderheiten in unserer Gesellschaft umgehen. Jeder Angriff auf einen Menschen aufgrund seiner Religion, Herkunft, Sexualität ist ein Angriff auf diese demokratische Gesellschaft. Das dürfen und werden wir als Demokratinnen und Demokraten nicht hinnehmen.

Für mich ist die Einrichtung dieser Stelle ein wichtiger Schritt, den wir heute gemeinsam gehen. Ich bin froh, dass wir gemeinsam einen fraktionsübergreifenden Antrag stellen.

Es ist ein erster Schritt. Ich fordere Sie auf – das schaffen wir zusammen auch –, gemeinsam weitere Schritte auf dem Weg gegen Antisemitismus, gegen Diskriminierung und Ausgrenzung zu gehen, damit wir den Kampf erfolgreich führen können. – Herzlichen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN, der SPD und der FDP)

Zum Bericht der Landesbeauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit

Verena Schäffer (GRÜNE): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben ja gestern schon in zwei Diskussionen über die Umsetzung der Datenschutz-Grundverordnung diskutiert. Herr Geerlings hatte das ja auch angesprochen. Das Bild passt, finde ich, gut. Wir haben damit angefangen, und wir beenden diese Plenarwoche mit diesem wichtigen Thema, heute mit dem Bericht der Landesdatenschutzbeauftragten.

Der Berichtszeitpunkt liegt schon relativ lange zurück. Die Vorzeichen haben sich durchaus ein Stück weit verändert. Aber ich möchte die Gelegenheit noch einmal nutzen, um mich bei Frau Block, der Landesdatenschutzbeauftragten, ganz herzlich für den Bericht, aber auch für ihre Arbeit zu bedanken, die aus meiner Sicht wirklich eine wichtige Tätigkeit darstellt.

(Beifall von den GRÜNEN)

– Danke für den Applaus. Ich hätte mich gefreut, wenn sich vielleicht auch andere angeschlossen hätten, der Datenschutzbeauftragten an dieser Stelle für diese wichtige Aufgabe zu danken. Aber ich glaube, das war keine Ablehnung. – Ich nehme das Nicken als Zustimmung, und Herr Lürbke und andere haben das vor mir ja auch schon gesagt.

Ich würde gerne aus dem Vorwort des Berichts eines herausgreifen. Frau Block schreibt in dem Vorwort etwas über das Spannungsverhältnis von Privatheit und innerer Sicherheit. Ich finde, dass Frau Block sehr zutreffend schreibt – ich zitiere sie hier –:

„Staatliche Sicherheitsmaßnahmen haben Konjunktur und nach Meinung vieler auch Vorrang vor der informationellen Selbstbestimmung der Einzelnen.“

Ich glaube, da ist sehr viel dran. Darin hat mich die Rede von Herrn Geerlings auch noch einmal bestätigt. Es ist ja genau das, was wir in der Innenpolitik erleben, dass mit dem Aspekt Sicherheit argumentiert wird und damit der Datenschutz immer mehr in den Hintergrund tritt. Ich finde, das darf nicht sein. Gerade bei der Argumentation der Terrorismusbekämpfung ist das so oft der Fall, dass gesagt wird: Wir müssen die Sicherheit stärken, die Terrorismusbekämpfung stärken, und Grundrechte treten in den Hintergrund.

Das finde ich falsch, und das ist aus meiner Sicht ein großes Problem auch für unsere freiheitliche Gesellschaft. Denn natürlich verändert es das Verhältnis zwischen staatlichen Behörden und den Bürgerinnen und Bürgern. Wir Grüne werden weiterhin die Datenschutzbeauftragte darin unterstützen, ihre wichtige Aufgabe als Wächterin des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung ausüben zu können.

(Beifall von den GRÜNEN)

Ich will vor allem zum Thema Videoüberwachung noch etwas sagen. Es gab im Jahr 2016 insgesamt 660 Beschwerden von Menschen über die Videobeobachtung durch Private. Ich finde, das zeigt auch noch einmal, dass die Bürgerinnen und Bürger für dieses Thema sensibel sind. Die Tendenz der Beschwerden war ja in den letzten Jahren durchaus steigend. Ich gehe jede Wette ein, dass jetzt, nach dem Beschluss von gestern zur Umsetzung der Datenschutz-Grundverordnung auf Landesebene, die Anzahl der Beschwerden auch in Nordrhein- Westfalen noch einmal zunehmen wird.

Herr Reul, Sie hatten mich gestern dafür kritisiert, dass ich von einer uferlosen Ausweitung der Videobeobachtung gesprochen habe. Das waren übrigens nicht nur meine Worte. Es waren die Worte der Landesdatenschutzbeauftragten, die sie in der Stellungnahme zu dem Gesetzentwurf gebraucht hat und die ich gestern hier aufgegriffen habe. Das bitte ich so zur Kenntnis zu nehmen.

Ich finde, dass die Landesdatenschutzbeauftragte in ihrem Bericht sehr eingängige Argumente gegen die Videoüberwachung bringt:

Erstens. Terroranschläge können dadurch nicht verhindert werden.

Zweitens. Hilfe ist im Notfall bei Videokameras, wenn es keine Live-Beobachtung und keine Live-Auswertung gibt, nicht zu erwarten.

Drittens. Ein subjektives Sicherheitsgefühl – auch damit wird in der Innenpolitik ja häufig argumentiert: wir müssten subjektiv für Sicherheit sorgen – rechtfertigt noch lange keine Grundrechtseingriffe.

(Beifall von den GRÜNEN)

Ich meine, dass man diese Argumente auch sehr gut auf das Polizeigesetz, das wir ja in den nächsten Wochen im Landtag noch intensiv beraten werden, beziehen kann und beziehen muss. Denn auch im Polizeigesetz steht ja demnächst eine Ausweitung der polizeilichen Videobeachtung an, wenn der Gesetzentwurf der Landesregierung von CDU und FDP unverändert beschlossen werden sollte.

Ich will noch einmal deutlich machen, dass wir Grüne nicht grundsätzlich gegen Videobeobachtung sind, sei es im privaten Bereich oder durch die Polizei. Aber Ihre Ausweitungen, die Sie hier planen, sind aus unserer Sicht nicht dazu geeignet, für mehr Sicherheit zu sorgen. Sie werden zu einer Verdrängung von Kriminalität führen. Das bringt dann unter dem Strich nicht mehr Sicherheit, aber es bedeutet mehr Grundrechtseingriffe bei den Bürgerinnen und Bürgern, und das finden wir Grüne falsch.

(Beifall von den GRÜNEN)

Die Landesdatenschutzbeauftragte spricht in ihrem Bericht – das ist uns wichtig – das Thema „Transparenzgesetz“ an. Sie hat in ihrem Bericht ausgeführt, dass sie erwartet, dass es endlich eine Weiterentwicklung des Informationsfreiheitsgesetzes zu einem wirklichen Transparenzgesetzes gibt. Wir Grüne sehen das auch so. Leider ist das in der letzten Legislaturperiode nicht mehr zustande gekommen. Von Schwarz-Gelb erwarte ich, ehrlich gesagt, nicht ganz so viel. Aber ich hoffe, dass die Landesdatenschutzbeauftragte am Ball bleibt, das Thema weiter befeuert, weil ich glaube, dass es ein wichtiger Schritt und ein wichtiges Signal an die Bürgerinnen und Bürger wäre, wenn wir endlich dieses Transparenzgesetz bekommen, das wir dringend brauchen.

Präsident André Kuper: Die Redezeit.

Verena Schäffer (GRÜNE): Dabei werden wir die Landesdatenschutzbeauftragte unterstützen. – Herzlichen Dank.