Zum Gesetzentwurf der Landesregierung zur EU-Datenschutzverordnung

Verena Schäffer (GRÜNE): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Heute Vormittag haben wir schon über den bundesrechtlichen Rahmen diskutiert. Jetzt beschließt der Landtag in zweiter Lesung die Anpassung des Landesrechts an die Vorgaben der EU-Datenschutz-Grundverordnung.

Bei allem Verständnis für die Fleißarbeit, die in dem Gesetzentwurf ganz erkennbar steckt, ist mir wichtig, zu Beginn der Debatte zu sagen: Dieses Gesetzgebungsverfahren, das wir erlebt haben, wird diesem wichtigen Anliegen in keiner Weise gerecht. Die Landesregierung hat erst zehn Monate nach Regierungsantritt den Gesetzentwurf in das Parlament eingebracht. Der Gesetzentwurf wurde im Eilverfahren in den Ausschüssen des Landtags beraten und wird heute beschlossen.

Man kann bereits absehen, dass die Unsicherheiten, die bei der Umsetzung entstehen werden, auch einen Grund darin haben, dass es hoppla-hopp und schnell gemacht werden musste. Es wäre gut gewesen, man hätte sich für dieses wichtige Gesetzvorhaben auch als Parlament mehr Zeit nehmen können. Soweit zum Verfahren.

(Beifall von Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE])

Inhaltlich haben wir Grüne drei große Kritikpunkte. Erstens finden wir, dass dieser Gesetzentwurf von Schwarz-Gelb sehr ambitionslos gemacht worden ist. Zweitens schwächt das Gesetz die Datenschutzaufsicht und den Grundrechtsschutz. Drittens ermöglicht es eine völlig unverhältnismäßige Ausweitung der Videobeobachtung. Das finden wir falsch.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, mir ist eines sehr wichtig, eines zu Beginn meiner Rede zu sagen. Aus unserer Sicht ist die europäische Datenschutzreform ein Quantensprung für den Schutz der Privatsphäre der Bürgerinnen und Bürger. Leider nimmt die Landesregierung genau diesen Impuls nicht auf, sondern schwächt das Datenschutzniveau insgesamt deutlich ab. Das haben in der Anhörung auch zahlreiche Sachverständige bestätigt.

(Josef Hovenjürgen [CDU]: Also wollt ihr es noch schärfer machen?)

Zur EU-Datenschutz-Grundverordnung, Herr Dr. Geerlings, muss ich Ihnen ein Stück weit widersprechen. Sie haben gesagt, dass die Öffnungsklauseln und die Möglichkeiten der Landesgesetzgeber oder der nationalen Gesetzgeber nur sehr gering wären –, das stimmt so nicht ganz. Es gibt durchaus Öffnungsklauseln und Möglichkeiten für die nationalen Gesetzgeber, eigene Akzente zu setzen. Es ist nur so, dass die Landesregierung keine einzige dieser Öffnungsklauseln im Sinne des Datenschutzes nutzt, sondern im Gegenteil den Datenschutz verschlechtert und Freiheitsrechte einschränkt. Das ist aus grüner Sicht eindeutig falsch.

(Beifall von Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE])

Ich nenne Ihnen gerne ein konkretes Beispiel. Das, was dieser Gesetzentwurf nicht aufnimmt, sind zum Beispiel konkrete Vorgaben zur datenschutzkonformen Systemgestaltung und zur datenschutzgerechten Voreinstellung. Das wäre möglich gewesen im Rahmen der Datenschutzreform. Das machen Sie nicht. Das nehmen Sie nicht mit. Sie nehmen diese Chance nicht wahr. Das ist ein Punkt, an dem wir Grüne sagen: Daran kann man deutlich festmachen, dass Sie völlig ambitionslos an das Werk gegangen sind. Das ist bedauerlich für den Datenschutz, für die Bürgerinnen und Bürger. Sie nutzen ganz eindeutig die Chancen, die Sie gehabt hätten, nicht.

Es wird aber noch viel schlimmer, wenn man sich konkret die Konsequenzen des Datenschutzgesetzes anschaut. Es kommt zu einer erheblichen Schwächung der Datenschutzaufsicht. Wenn man berücksichtigt, dass Sie auf der einen Seite das Datenschutzniveau senken und auf der anderen Seite die Datenschutzaufsicht schwächen, dann kommt man zu dem Ergebnis, dass Sie im Grunde einen doppelten Raubbau an den Freiheitsrechten der Bürgerinnen und Bürger von Nordrhein-Westfalen betreiben.

So verliert die Datenschutzbeauftragte an Befugnissen. Sie darf künftig nicht mehr die Berufsgeheimnisträger beim Datenschutz kontrollieren. Gerade hier muss es doch einen sehr hohen Anspruch an den Datenschutz geben. In der Praxis existieren nicht wenige Fälle, wo Patientenakten verschwinden oder offen herumliegen. Das berücksichtigen Sie überhaupt nicht. Sie schwächen den Datenschutz, und das halten wir für falsch.

Ein weiteres Beispiel ist das Thema „Verfassungsschutz“. Dort werden Beschwerdewege abgeschafft und verbaut. Ich erinnere mich noch sehr gut an die Diskussion, die wir nach der Selbstenttarnung des NSU geführt haben. Seinerzeit standen alle Fraktionen hier und haben gesagt: Wir müssen es schaffen, dass Sicherheitsbehörden wie der Verfassungsschutz das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger wieder zurückgewinnen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Genau das, also die Möglichkeit, Vertrauen zurückzugewinnen und Beschwerdewege aufzuzeigen, verbauen Sie jedoch. Das halte ich als Konsequenz dessen, was wir den vergangenen Jahren erlebt haben, für falsch. Es ist schade, dass Sie so vorgehen. Wir haben einen entsprechenden Änderungsantrag gestellt. Ich hoffe, dass Sie sich diesem vielleicht noch anschließen können.

(Beifall von den GRÜNEN)

Für uns als Grüne ist das Schlimmste an diesem Gesetzentwurf der § 20, die Videoüberwachung. Aus unserer Sicht ist die neue Regelung, die Sie hier schaffen, völlig unverhältnismäßig und uferlos. Die aufgenommenen Überwachungszwecke sind viel zu weit gefasst. Sie sind zudem zu unbestimmt gefasst, um eine verfassungsmäßige Grundlage darstellen zu können. Ich kann mir gut vorstellen, dass diese Punkte noch einmal vor Gericht geprüft werden müssen.

Im Übrigen ändert auch Ihr Änderungsantrag nicht wirklich etwas an der uferlosen Überwachungsmöglichkeit. Insofern werden wir ihm auch nicht zustimmen. Was Sie heute hier beschließen wollen, wird zu erheblich mehr Videoüberwachung im öffentlichen Raum führen sowie in Parks, in Freibädern, an Badeseen, auf Straßen und öffentlichen Plätzen. Wir finden es unverhältnismäßig, dass damit zahllose unbescholtene Bürgerinnen und Bürger in ihrer Freiheit eingeschränkt werden. Deshalb werden wir diesen Punkt selbstverständlich ablehnen.

Mein Fazit zu Ihrem Gesetzentwurf lautet: Schwarz-Gelb will heute keine substanziellen Verbesserungen für den Datenschutz beschließen – im Gegenteil. CDU und FDP vergeben heute eine wichtige Chance. Eigentlich ist heute ein historischer Tag, an dem man die EU- Datenschutzreform in Deutschland umsetzen könnte. Das hätte ein guter Tag werden können. Leider vergeben Sie diese Chance. Das ist schade.

Ich muss zudem sagen – da schließe ich mich der SPD an –: Dass die FDP hier alles so mitmacht und einfach so durchwinkt, das verwundert nach dem Polizeigesetz, das von der FDP im Kabinett mitbeschlossen wurde, nicht mehr wirklich. Das macht es aber auch nicht besser. Vielmehr wäre es wichtig gewesen, auch im Kabinett eine wichtige bürgerrechtsfreundliche Korrektur vorzunehmen. Das ist leider nicht erfolgt. Aus diesem Grunde werden wir den Gesetzentwurf ablehnen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Zum Gesetzentwurf der Landesregierung zum Polizeiorganisationsgesetz

Verena Schäffer (GRÜNE): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Golland, das ist schlecht recherchiert. Es ist nicht an Rot-Grün gescheitert. Auch die FDP hat damals 2013 – gegen den Gesetzentwurf der CDU gestimmt. Das sollte man vielleicht der Vollständigkeit halber erwähnen.

(Vereinzelt Beifall von den GRÜNEN und der SPD) Herr Lürbke, so war es doch damals.

Das andere ist, wir reden auch nicht über unsere Sicherheitsbehörden, sondern immerhin über eine Bundesbehörde, den Zoll, der dem Bundesfinanzministerium untersteht. Das sollte man eigentlich wissen, wenn man Innenpolitik macht. Insofern muss ich Sie da leider ein Stück weit korrigieren, Herr Golland.

Ich muss aber auch ehrlicherweise sagen, dass mich der Gesetzentwurf nach wie vor nicht komplett überzeugt. Ich habe mir noch mal meine Rede aus dem Jahr 2013 herausgesucht. Damals hatte ich mir die verschiedenen Kleinen Anfragen zu diesem Thema angeschaut.

Über einen Zeitraum von fast vier Jahren wurde abgefragt – von 2008, als in Bayern Eilbefugnisse eingeführt wurden, bis 2011 –, wie oft Zollbeamte auf diese Eilbefugnisse nach dem Landespolizeigesetz zugegriffen haben. – Das war kein einziges Mal der Fall.

Insofern überzeugt es mich, ehrlich gesagt, nach wie vor nicht wirklich. Aber ich sehe auch, dass wir gerade in der Innenpolitik über ein paar andere große Baustellen – ziemlich große Umwälzungsprozesse, große Linien – zu diskutieren haben.

(Zuruf von Marc Lürbke [FDP])

Insofern muss ich ehrlicherweise sagen, auch wenn ich nicht komplett überzeugt bin, werden wir Grüne uns gleich mit voller Überzeugung enthalten.

(Zuruf von der CDU)

Insofern werden wir nicht viel tun, um das Gesetz aufzuhalten.

Ich bin gespannt – das werden wir in den nächsten Jahren sehen –, wie oft die Eilbefugnisse nach dem Landespolizeigesetz durch Zollbeamte angewandt werden. Vielleicht können wir in ein paar Jahren noch mal weiterdiskutieren. Ich freue mich dann auf jeden Fall auf die Diskussion. – Vielen Dank.

Zum Antrag der Fraktion der „AfD“ zum Thema „Heimat“

Verena Schäffer (GRÜNE): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich finde, dass dieser Antrag der AfD eines mal wieder ganz deutlich zeigt, und zwar dass das Gesellschaftsbild dieser Partei ganz offensichtlich nicht die Realitäten in diesem Lande widerspiegelt. Sie machen Heimat bzw. den Heimatbegriff hier zu einer Abstimmungsfrage. Ihr Kultur- und Heimatbegriff grenzt ganz gezielt Menschen aus, die seit Jahrzehnten bzw. Generationen hier leben und längst Bürgerinnen und Bürger dieses Landes sind. Wenn Sie Heimat als „kollektives, materielles und immaterielles Erbe, das Orientierung, Halt, Identität und Stärke verleiht“ bezeichnen, dann ist auch klar, dass Sie Muslimas und Muslime, die seit Generationen in Deutschland bzw. in Nordrhein-Westfalen leben, ganz offensichtlich hiervon ausgrenzen. Für Sie gehören diese Menschen nicht dazu.

(Beifall von den GRÜNEN)

Das wurde, wie ich finde, ja gerade in Ihrer Rede auch noch einmal sehr deutlich. Man muss hier auch noch einmal deutlich sagen, dass in dieser Rede auch der offene Rassismus, den es in der AfD gibt, noch einmal sehr stark zutage getreten ist.

(Beifall von den GRÜNEN)

Ich meine, Sie sollten endlich anerkennen, dass sich diese Gesellschaft laufend verändert, dass Minderheiten einen wichtigen Beitrag für unsere Gesellschaft leisten und im Übrigen auch maßgeblich zum Wohlstand unserer Gesellschaft beitragen.

(Zuruf von der AfD: Sie kennen wohl die Zahlen nicht!)

Natürlich verdient das Anerkennung. Dazu gehört auch staatliche Förderung von muslimischen Vereinen.

Man könnte ja fast Mitleid mit der AfD haben, weil sie sich so verzweifelt an der Vorstellung einer vermeintlich guten alten Zeit klammert, weil sie sich an Bräuche und Traditionen, die unverändert bleiben sollen, klammert und weil sie eine völlig eindimensionale Definition von kollektiver Identität hat. Man könnte also fast Mitleid mit Ihnen haben, wenn Sie nicht so feindselig und menschenverachtend wären. Ich glaube, man kann die Formulierung von einer staatlich finanzierten Islamisierung gar nicht anders verstehen. Es geht hier aber lediglich darum, dass muslimische Vereine natürlich auch das Recht auf eine staatliche Förderung haben.

(Beifall von den GRÜNEN)

Es ist schon interessant, wenn Sie in Ihrem Antrag eine Umfrage des Instituts für Demoskopie Allensbach umdeuten.

Präsident André Kuper: Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Beckkamp?

Verena Schäffer (GRÜNE): Klar!

Roger Beckamp (AfD): Vielen Dank, Frau Schäffer, für das Zulassen der Frage. Viele Dank auch für Ihr Mitleid in unsere Richtung. Ihren Rassismus-Vorwurf weisen wir zurück. Mich würde aber Folgendes interessieren: Im Rahmen einer in letzter Zeit durchgeführten Allensbach-Umfrage sagen 70 % der Menschen, dass sie ihre Heimat durch Zuwanderung als bedroht ansehen. Finden Sie das richtig? Und berücksichtigen Sie das irgendwie bei Ihren Überlegungen zum Begriff „Heimat“?

Verena Schäffer (GRÜNE): Auf genau diese Umfrage, die Sie in Ihrem Antrag zitieren, wollte ich gerade in meiner Rede zu sprechen kommen. – Eines ist aber eben auch ganz klar: Sie deuten hier die Zahlen auch ein Stück weit um. Die „FAZ“, die diese Studie in Auftrag gegeben hat, stellt fest, dass 78 % der Befragten die größte Gefahr für die Heimat darin sehen, dass alteingesessene Geschäfte schließen und große Ketten ihre Filialen eröffnen.

Erst danach kommt der Wert der Ängste aufgrund von Zuwanderung. Und ja, es stimmt, es ist keine kleine Zahl, wenn 69 % der Befragten Angst vor Zuwanderung angeben. Das ist nichts, worüber Politik hinwegsehen kann. Damit muss man sich auseinandersetzen, das ist völlig klar. In Ihrem Antrag erwecken Sie aber ganz bewusst den Eindruck, dass Migration die größte Sorge der Menschen sei.

(Dr. Christian Blex [AfD]: Sie ist es!)

Das mag auf Sie zutreffen, das mag auf die AfD und ihr Klientel zutreffen, aber das trifft eben nicht auf die gesamte Gesellschaft zu.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Es ist der typische Umgang der AfD mit Studien und mit Fakten, dass Sie für Ihre Zwecke alles umdeuten und instrumentalisieren und Studien umbiegen.

(Roger Beckamp [AfD]: Nur 70 %!)

Das finde ich gerade in diesem Kontext fatal, weil Sie damit Ängste und Vorurteile gegenüber Minderheiten schüren. Dazu werden Sie von uns als demokratische Abgeordnete in diesem Hause immer wieder deutlichen Widerspruch hören.

(Beifall von den GRÜNEN – Dr. Christian Blex [AfD]: In vier Jahren nicht mehr!)

Aber, Frau Scharrenbach und Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU, ich kann auch Ihnen ein paar Sätze zu Ihrer Heimatpolitik nicht ersparen. Ja – das sage ich offen und deutlich –, ich finde es redlich, dass Sie einen so offenen, integrativen und solidarischen Heimatbegriff vertreten wollen, aber ich finde, dass diese Debatte auch zeigt, welche Auswirkungen eine solche kopflose Einrichtung eines Heimatsressorts hat. Die Idee aus Bayern, mit einem Heimatsministerium auf eine Diskursverschiebung nach rechts zu reagieren, um Teile der Wählerklientel zurückzugewinnen, funktioniert aus meiner Sicht nicht.

(Beifall von den GRÜNEN)

Sie haben sowohl im Bund als auch hier in Nordrhein-Westfalen ein Ressort geschaffen, von dem Sie überhaupt nicht wissen, was es eigentlich tun soll.

Ich habe mir die Vorlage aus dem Ausschuss vom 15. März 2018 noch einmal durchgelesen. Darin finden sich eine Menge Maßnahmen, die ich gar nicht schlecht finde. Zum Beispiel ist es eine gute Sache, dass man das Ehrenamt fördern will. Aber diese ganzen geplanten Förderprojekte haben doch mit Heimat in dem Sinne nichts zu tun. Dieses Förderprojekt könnte genauso gut in den Bereichen „Kultur“, „politische Bildung“, „Integration“ oder „Kommunales“ angesiedelt werden. Dafür, Frau Scharrenbach, braucht man doch kein Heimatsministerium.

(Beifall von den GRÜNEN – Beifall von Carina Gödecke [SPD] – Zuruf von Daniel Sieveke [CDU])

Ich will für meine Fraktion klarstellen, dass Sie in Ihren anderen Zuständigkeitsbereichen, Frau Scharrenbach, Heimat zerstören, zum Beispiel im Hinblick auf die Heimat für Menschen mit Behinderung

(Daniel Sieveke [CDU]: Bitte?)

oder auch im Zusammenhang mit dem Kiesabbau, der durch den LEP bald wieder verschärft werden soll. Auch da werden Natur und Heimat zerstört. Ich finde, dass Ihre Politik, Frau Scharrenbach, hier nicht konsistent ist.

(Beifall von den GRÜNEN)

Um noch einmal auf das Heimatsressort zurückzukommen: Sie haben es eben nicht geschafft, ein Querschnittsthema daraus zu machen, es klar zu definieren und Maßnahmen zu bündeln. Sie haben mit diesem Ressort letztendlich ein diffuses Gefühl von Heimat geschaffen, das Sie jetzt krampfhaft zu füllen versuchen. Offenbar erweckt genau das bei den Falschen Erwartungen. Ehrlich gesagt: Ich glaube, dass man damit hätte rechnen können. Ich finde es fatal, dass Sie ein Ministerium mit diesem Titel einrichten, Sie es aber nicht schaffen, den Begriff auszufüllen. Es ist klar, dass andere versuchen, das für ihre Zwecke zu instrumentalisieren.

(Beifall von den GRÜNEN – Beifall von Carina Gödecke [SPD] und Stefan Kämmerling [SPD])

 

 

Zum Entwurf der Landesregierung zum Polizeigesetz – erste Lesung

Verena Schäffer (GRÜNE): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich finde, dass das Gesetz und auch die Debatte hier noch einmal sehr deutlich zeigen, wie sehr CDU und FDP doch zu Getriebenen ihrer eigenen Wahlkampfversprechen und der von ihnen ge­schürten Ängste geworden sind.

Jetzt legen Sie hier ein Gesetz vor, das unter dem Strich gesehen gar nicht mehr für mehr Sicherheit sorgt. Denn es strotzt zwar vor Symbolpolitik – die man natürlich, Herr Reul, sehr gut verkaufen kann; das ist überhaupt keine Frage. Nur: Es bringt eben nicht mehr Sicherheit, aber dafür massive Einschränkungen unserer Bürgerrechte.

(Beifall von den GRÜNEN)

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Frau Kollegin Schäffer, Entschuldigung, dass ich Sie di­rekt unterbreche. Herr Kollege Lürbke würde Ihnen gern eine Zwischenfrage stellen.

Verena Schäffer (GRÜNE): Klar, sehr gerne.

Marc Lürbke (FDP): Vielen Dank, Frau Kollegin, dass Sie Zwischenfrage zulassen. – Ich bin beim Stichwort „Symbolpolitik“ hellhörig geworden, weil das für mich nicht recht zusammenpasst. Wenn es denn so wäre, müssten Sie vielleicht auch einmal ein ernstes Gespräch mit Ihrer von den Grünen geführten Landesregierung in Baden-Württemberg führen, die ja ähnliche Maßnahmen wie die elektronische Fußfessel oder die Quellen-TKÜ längst eingeführt hat.

(Dietmar Bell [SPD]: Frage! Keine Intervention!)

In Baden-Württemberg geht man ja sogar noch weiter und ermöglicht dort eine Online-Durch­suchung.

Vor diesem Hintergrund frage ich Sie: Wie passt das denn zusammen? Ist das dann grüne Doppelmoral? Oder wie habe ich das zu verstehen?

(Beifall von der FDP und der CDU)

Verena Schäffer (GRÜNE): Herr Lübke, vielen Dank für diese Frage. Soweit ich weiß, disku­tieren wir heute über die Einbringung des Polizeigesetzes in erster Lesung in Nordrhein-West­falen. Ich kann Ihnen sehr gerne darstellen, weil Sie es ja offenbar nicht wissen, wo ich hier Symbolpolitik sehe. Das erspart mir noch ein bisschen Redezeit. Insofern bedanke ich mich für die Frage.

Symbolpolitik gibt es in diesem Gesetzentwurf an sehr vielen Stellen. Man kann zum Beispiel die Quellen-TKÜ anführen. Hier muss man sagen: Bereits nach § 100a Strafprozessordnung besteht nach der letzten Reform die Möglichkeit für die Polizei, präventiv TKÜ- und auch Quellen-TKÜ-Maßnahmen durchzuführen.

Zu nennen ist auch das Thema „Videobeobachtung“. Sie wollen, dass der Ausschluss von Verdrängungseffekten jetzt Gesetz wird. Sie haben gerade argumentiert – das fand ich sehr interessant –, Sie wollten den Terroristen auf den Füßen stehen. Dann frage ich mich doch allen Ernstes: Wo laufen denn auf dem Ebertplatz oder auf dem Neumarkt oder am Wiener Platz in Köln permanent Terroristen herum, die man jetzt per Videobeobachtung beobachten sollte? Auch das ist für mich Symbolpolitik.

Auch die von Ihnen ebenfalls angesprochene Fußfessel ist Symbolpolitik. Offenbar meinen Sie, dass Sie mit der Fußfessel Anschläge verhindern können. Sie werden mit der Fußfessel aber keinen einzigen Anschlag verhindern. Im Gegenteil: Der furchtbare Anschlag auf die Kirche in Nordfrankreich vor zwei Jahren – wir erinnern uns alle daran – hat das doch gezeigt.

Er hat sehr deutlich gemacht – dort hat ja ein Terrorist eine Fußfessel getragen –: Man wird mit der Fußfessel keinen Anschlag verhindern.

Deshalb sage ich, dass Sie hier Symbolpolitik betreiben. Sie verkaufen das groß mit viel Tam­tam. Aber es ist letztendlich Symbolpolitik. Sie versprechen den Bürgerinnen und Bürgern mehr Sicherheit, die Sie aber im Endeffekt nicht liefern können. Das ist genau meine Kritik, die ich an diesem Gesetzentwurf habe, Herr Lürbke.

(Beifall von den GRÜNEN)

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Frau Kollegin Schäffer, darf ich Sie noch einmal unterbre­chen? – Herr Kollege Katzidis, Sie hatten sich eben für eine weitere Zwischenfrage eingeloggt und haben sich jetzt wieder ausgeloggt. Soll ich Frau Schäffer fragen, ob sie eine zweite Zwi­schenfrage beantworten möchte?

Verena Schäffer (GRÜNE): Ja, sehr gerne.

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Dann schalte ich Ihnen jetzt das Mikrofon frei.

Dr. Christos Georg Katzidis (CDU): Sie haben gerade dargestellt, dass auf der Grundlage von § 100a Strafprozessordnung Telekommunikationsüberwachung möglich sei – präventiv, haben Sie gesagt. Nach Ihrer Rechtsauffassung ist TKÜ dann also ohne Vorliegen einer Straftat möglich. Ist das so korrekt?

Verena Schäffer (GRÜNE): Es ist so. Dazu gibt es Rechtsprechung vom Bundesverfas­sungsgericht. Die letzte war, glaube ich, 2005 zu dem Niedersächsischen Polizeigesetz. Dort hat das Bundesverfassungsgericht noch einmal sehr deutlich gemacht, dass die Anwen­dungsbereiche für den Landesgesetzgeber – also für uns – im Polizeigesetz sehr, sehr gering sind, weil es diese Möglichkeit im § 100a Strafprozessordnung schon gibt und dieser Paragraf in der Regel auch zuerst anzuwenden ist.

Insofern wird es in Nordrhein-Westfalen aufgrund dieser Rechtsprechung und aufgrund der Strafprozessordnung kaum Anwendungsfälle geben, die nach dem Landespolizeigesetz möglich sind.

Auch deshalb sage ich: Das ist Symbolpolitik. Wir brauchen diese Regelung in diesem Gesetz nicht, weil wir hier den § 100a Strafprozessordnung haben. Ja, das ist unsere Rechtsauffas­sung, die auch durch das Bundesverfassungsgericht gestärkt wurde. Vielen Dank für die Nachfrage, Herr Katzidis.

(Beifall von den GRÜNEN)

Ich glaube, das waren alle Zwischenfragen, die möglich waren. Das ist ein bisschen schade. Ich hätte gern noch mehr entgegengenommen. Aber dann komme ich zurück zu meiner Rede.

Ich hatte mit dem Punkt „Symbolpolitik“ aufgehört. Ich finde, das ist genau das Gefährliche an diesem Gesetzentwurf, Herr Reul: Wenn Sie diese Maßnahmen umsetzen, nehmen Sie damit auch in Kauf, dass Sie gegen die Verfassung verstoßen. Ich finde, Sie setzen dem Ganzen noch eine Krone auf, indem Sie gegenüber dem WDR erklärt haben, dass es Ihnen egal sei, ob Unschuldige in Gewahrsam sitzen.

(Gregor Golland [CDU]: Was für ein Quatsch! – Zuruf von der CDU: So ein Quatsch!)

Herr Reul, wissen Sie was? Genau weil Sie diese Gefahren auf sich nehmen und wegen dieser Äußerung sind Sie ein Risiko für unsere Freiheit und ein Risiko für unsere verbrieften Rechte.

(Zuruf von Gregor Golland [CDU])

Das Schlimme ist, Herr Lürbke, dass die FDP all das mitmacht. Die FDP ist keine Bürger­rechtspartei. Was Sie hier vorgelegt haben, ist ein Armutszeugnis für Sie.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Ich möchte nur einige Punkte herausgreifen, weil ich nur noch drei Minuten Zeit habe, und komme auf die Quellen-TKÜ zurück. – Die technischen Voraussetzungen für die Quellen-TKÜ sind derzeit noch gar nicht gegeben. Es stellen sich Fragen wie: Kann der Trojaner tatsächlich nur auf laufende Kommunikation zugreifen, oder liest er gleich das ganze Handy aus? – Wenn das so wäre, wäre das ein massiver Eingriff in das IT-Grundrecht.

(Minister Herbert Reul: Das machen wir nicht!)

– Sie sagen, das machen Sie nicht. In der Presseerklärung haben Sie selbst gesagt, dass die technischen Voraussetzungen noch gar nicht geklärt seien. Insofern haben wir hier ein Prob­lem. Auch Experten sagen, dass wir diesen Trojaner so noch gar nicht haben.

Das andere ist: Der Staat macht sich zum Hacker. Der Staat nutzt Sicherheitslücken aus. Deshalb gibt es eben auch scharfe Kritik aus der IT-Branche, zum Beispiel von dem größten Verband Bitkom, der die Quellen-TKÜ sehr scharf kritisiert. Dem schließen wir uns als Grüne an.

(Vereinzelt Beifall von den GRÜNEN)

Zum Thema „Unterbindungsgewahrsam“: Sie wollen die Dauer des Unterbindungsgewahrsams massiv ausweiten. Das ist ein schwerwiegender Grundrechtseingriff, weil er in die Frei­heit der Personen eingreift. Auch hier muss ich Ihnen widersprechen, Herr Reul. Sie haben gesagt, Sie hätten sich an das BKA-Urteil angelehnt. Das stimmt aber nicht ganz. Das BKA-Urteil besagt, der Staat darf auch im Vorfeld Maßnahmen zur Informationsgewinnung durch­führen. Es wurde aber noch nicht geurteilt, ob es auch Maßnahmen zur Gefahrenabwehr ge­ben darf. Insofern betreten Sie rechtliches Neuland. Wir haben hier ein verfassungsrechtli­ches Risiko. Ich bin gespannt, wie sich die Rechtsprechung dazu entwickelt.

Auch das ist im Übrigen ein gutes Beispiel für Symbolpolitik. Glauben Sie allen Ernstes, dass ein Gefährder nach einem Monat in einer Ausnüchterungszelle im Polizeipräsidium tatsäch­lich geläutert ist?

(Daniel Sieveke [CDU]: Es geht um was ganz anderes!)

Es ist doch wirklich an Naivität nicht zu überbieten, Herr Reul, wenn Sie das wirklich meinen.

Der dritte Punkt, den ich hier ansprechen will, ist die Identitätsfeststellung. Derzeit ist es so, dass die Polizei jemanden für zwölf Stunden zur Identitätsfeststellung mit auf die Wache neh­men darf. Das wollen Sie auf bis zu sieben Tage ausweiten,(Beifall von den GRÜNEN – Zuruf)

(Beifall von der CDU)

und das, obwohl es keine Straftat ist, sich nicht ausweisen zu können, und es in Deutschland auch nicht die Pflicht gibt, an der Klärung der eigenen Identität mitzuwirken.

(Zurufe von der CDU)

Daran ändert auch Ihr Applaus nichts. Wir reden hier von Personen, die keine Straftaten be­gangen haben und die auch nicht im Verdacht stehen, Straftaten zu begehen.

(Zurufe von der CDU)

Wir reden von der Identitätsfeststellung und von nichts anderem. Diese Personen wollen Sie für eine Woche einsperren.

Da kommen Sie nicht nur an die Grenzen des Rechtsstaats, wie es gestern Herr Laschet auf der Veranstaltung der GdP gesagt hat; CDU und FDP waren ja leider nicht da.

(Angela Freimuth [FDP]: Wir waren im Plenum!)

Man kommt hier nicht nur an die Grenzen des Rechtsstaats.

– Ja, Sie waren im Plenum, das ist schön. Herr Laschet war als Abgeordneter und Minister­präsident ebenso wie Herr Reul und andere nicht im Plenum. Insofern haben wir es uns her­ausgenommen, auch einmal die Gewerkschaft zu besuchen.

Der Punkt ist, dass hier nicht nur an die Grenzen des Rechtsstaats gegangen wird. An dieser Stelle werden die Grenzen des Rechtsstaats ganz klar überschritten. Aus meiner Sicht ist diese Regelung zur Identitätsfeststellung rechtswidrig. Sie ist verfassungswidrig. Das werden wir als Grüne nicht hinnehmen.

Es ist viel Aktionismus. Das hatte ich gerade schon ausgeführt. Es ist viel Symbolpolitik, aber kein Mehr an Sicherheit. Dafür gibt es insgesamt massive Eingriffe in die Grundrechte. Ich sage auch – das Lob von Herrn Katzidis in Richtung FDP war ja gerade sehr vergiftet –:

(Gregor Golland [CDU]: Was machen Sie sich denn Sorgen um die gute FDP?)

Für denjenigen, der wirklich einmal wegen der Bürgerrechte in diese FDP eingetreten ist, ist es jetzt aus meiner Sicht der Zeitpunkt, aus dieser Partei auszutreten. – Herzlichen Dank.

Zur Stärkung der Feuerwehrangehörigen – CDU/FDP-Antrag

Verena Schäffer (GRÜNE): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Als Allererstes möchte ich mich dem Dank an die Einsatzkräfte von Feuerwehren und Hilfsorganisationen anschließen. Der Dank geht natürlich insbesondere an die vielen ehrenamtlichen Kräfte. Man muss ja eines feststellen: Die Feuerwehren würden ohne die Freiwilligen Feuerwehren so nicht funktionieren. Der Anteil an freiwilligen Kräften in unseren Feuerwehren beträgt mehr als 90 %. Also wirklich nur ein kleiner Teil von denen macht es hauptamtlich. Ich finde, das muss man immer wieder berücksichtigen.

Die anerkannten Hilfsorganisationen funktionieren im Prinzip komplett auf Ehrenamtlichkeit. Ich finde, auch das muss man hervorheben, wenn man über das Thema spricht. Insofern verbindet uns, glaube ich, alle hier der Dank und die Anerkennung für diese vielen Ehrenamt­lichen.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der FDP)

Natürlich müssen genau diese Personen auch entsprechende Übungsmöglichkeiten haben. Das steht völlig außer Frage. Ich bin immer total beeindruckt, wenn ich beim Institut der Feu­erwehr die Übungsmöglichkeiten sehe. Wenn Sie noch nicht dort waren: Ich kann es sehr empfehlen, einmal dort hinzufahren und sich das anzuschauen. Doch Sie haben natürlich recht: Es muss auch vor Ort regional entsprechende Trainings- und Übungsmöglichkeiten geben, damit unsere Einsatzkräfte für den Ernstfall entsprechend ausgebildet und trainiert sind.

Gegen den Antrag kann man wenig einwenden. Wenn man ganz ehrlich ist: Der Antrag ent­hält viele Prüfaufträge. Sie schreiben: zu unterstützen, Anreize zu schaffen, zu prüfen, fest­zustellen, zu entwickeln. Man kann a) inhaltlich und b) betreffend die Prüfaufträge wenig da­gegen haben.

Mir sei vielleicht die kleine Spitze erlaubt, dass Regierungsfraktionen auch direkt mit der Re­gierung sprechen können und ein Herr Reul und eine Abteilungsleiterin Frau de la Chevallerie, die ich auch sehr schätze, das wahrscheinlich auch sofort umgesetzt hätten. Es hätte also nicht unbedingt des Antrags bedurft. Aber ich verstehe, dass auch CDU und FDP hier gern Anträge stellen wollen. Insofern habe ich dafür vollstes Verständnis.

Ich habe eine Frage zu dem Beschlusspunkt 5, wo Sie fordern, Musterszenarien zu entwi­ckeln. Das stimmt sicherlich. Ich glaube, dass wir durchaus ein Vorbild haben. Das sind die LÜKEX-Übungen, die sehr regelmäßig stattfinden, also diese länderübergreifenden Regelun­gen. Das stimmt. Die finden natürlich auf der Ebene der Länder, die sich daran beteiligen, statt.

Ich war bei der letzten LÜKEX-Übung im Lagezentrum des Innenministeriums. Es war außer­ordentlich spannend. Auch hier kann ich nur empfehlen, sich das, wenn die nächste Übung ansteht, einmal anzuschauen. Dort gibt es Szenarien von Großschadensereignissen. Beim letzten Mal hieß das Thema „Großflächiger Stromausfall“, also Blackout. Aber es gab in den Vorjahren auch immer spannende Themen, die dort erprobt wurden.

Man hat da schon gewisse Vorbilder, die man allerdings auf die örtliche Ebene runterbrechen muss. Wir können im Innenausschuss sicherlich noch diskutieren, wie es in der Praxis konkret umgesetzt wird. Aber wie gesagt: Auch von unserer Seite aus eine große Zustimmung zu diesem Antrag. – Herzlichen Dank.

 

 

Zum Schutz von Rettungskräften

Verena Schäffer (GRÜNE): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte zu Beginn feststellen, dass jedes Gewaltdelikt und jeder Angriff auf eine Person völlig inakzeptabel und zu verurteilen ist.

Mit den Angriffen auf Polizeibeamtinnen und -beamte, auf Rettungskräfte und Feuerwehrleute werden ausgerechnet diejenigen angegriffen, die sich für unser Gemeinwohl einsetzen. Das ist genau das, was uns alle so entsetzt, dass ausgerechnet diejenigen attackiert werden, die für unsere Sicherheit sorgen, die Menschen retten und die Brände löschen. Wir fragen uns, warum gerade diese Personengruppen zu Opfern von Angriffen werden.

(Beifall von den GRÜNEN)

Deshalb ist es meines Erachtens so wichtig, dass wir uns als Parlament immer wieder mit diesem Phänomen auseinandersetzen. Das tun wir auch. Wir wollen unseren Einsatzkräften unsere gemeinsame Unterstützung und unsere Solidarität ausdrücken und ihnen unsere Anerkennung für ihre wichtige Arbeit zeigen.

Um dieses Phänomen zu erforschen, haben wir in der rot-grünen Regierungszeit eine Studie mit dem Titel „Gewalt gegen Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte“ in Auftrag gegeben, aus der auch konkrete Maßnahmen entstanden sind.

Es gibt jetzt eine neue Studie von der Ruhr-Universität Bochum zum Thema „Gewalt gegen Einsatzkräfte der Feuerwehren und Rettungsdienste in Nordrhein-Westfalen“. Diese Studie ist ein weiterer wichtiger und guter Baustein zur Untersuchung dieses Phänomens und dient dazu, es besser zu verstehen.

Die Landesregierung hat durch Herrn Reul im Innenausschuss bereits angekündigt, dass man jetzt weitere Konsequenzen ziehen und diskutieren will. Es geht darum, nach einem bestmöglichen Schutz der Einsatzkräfte von Polizei, Rettungsdiensten und Feuerwehren zu suchen. Diese Konsequenzen werden wir diskutieren.

Ich freue mich als Mitglied der grünen Fraktion darauf, diese Debatten zu führen. Wir brauchen Bausteine wie zum Beispiel gute Ausbildung und gute Fortbildung. Wir müssen darüber sprechen, was eine notwendige, eine sinnvolle Ausrüstung ausmacht. Ja, ich weiß, darüber werden wir sicher auch kontrovers diskutieren, aber es ist eine Diskussion, die wir führen müssen. Wir brauchen auch die Diskussion darüber, welche guten Angebote wir für die Nachsorge bei solchen gewalttätigen Angriffen vorhalten wollen; denn wir müssen uns um die Menschen kümmern, die Opfer solcher Angriffe geworden sind.

Herr Golland, ehrlich gesagt hat mich Ihr Redebeitrag schon ziemlich erschreckt. Wir diskutieren hier über ein sehr wichtiges Thema. Dabei ist es geboten, diese Diskussion sachlich und differenziert zu führen, und zwar ohne Unterstellungen. Sie haben wirklich unhaltbare Vorwürfe erhoben, die ich strikt zurückweisen möchte. Ich halte es nicht für angemessen, eine derart wichtige Diskussion in solch einer Art und Weise zu führen, wie Sie es gerade getan haben.

(Beifall von der SPD)

Das finde ich wirklich falsch, und das möchte ich hier ganz deutlich sagen.

(Gregor Golland [CDU]: Wovon reden Sie?)

Nun aber zu dem Antrag der AfD. Dieser Antrag – und das ist ja leider nicht ungewöhnlich – arbeitet mal wieder mit Unterstellungen und Behauptungen. Sie unterstellen hier beispielsweise, dass aufgrund von – Zitat – „politisch-korrekten Gründen“ eine Nichtthematisierung des Migrationshintergrundes von Tätern vorgenommen würde.

Das ist schlichtweg falsch. Schauen Sie sich doch die Studie an. Was Sie sagen, das stimmt nicht.

(Beifall von Dr. Werner Pfeil [FDP])

Es wird in der Studie thematisiert und abgefragt.

Es findet hier auch keine Ausblendung statt, die Sie jedoch vorwerfen. Das ist eine weitere Unterstellung.

(Markus Wagner [AfD]: Was war denn im Ausschuss?)

Die Studie sagt aber auch, dass die befragten Einsatzkräfte allein aufgrund von äußerlichen Merkmalen eine Aussage zu einem möglichen Migrationshintergrund treffen sollten.

Ich möchte aus der Studie zitieren:

„Aussagen zur tatsächlichen Betroffenheit durch Täter mit Migrationshintergrund sind nicht möglich.“

Das heißt, der Aussagegehalt dieser Zahlen, die Sie als Grundlage für Ihren Antrag nehmen, ist sehr gering. Es ist vielmehr so – und auch das besagt die Studie –, dass andere Merkmale der Täterinnen und Täter, wie zum Beispiel das Alter, das Geschlecht oder auch Drogen- und Alkoholkonsum, einen deutlich höheren Einfluss darauf haben, ob diese Personen gewalttätig, gewaltbereit waren oder nicht.

Ich finde es wirklich bemerkenswert und außerdem erschreckend und besorgniserregend, dass die AfD ausgerechnet ein derart wichtiges Thema zum Anlass nimmt, um es für ihre Zwecke zu instrumentalisieren. Man kann hier schon sehr deutlich sagen, dass Sie versuchen, auf dem Rücken der Einsatzkräfte, die jeden Tag für uns ihren Dienst am Gemeinwohl tun, dieses Thema zu instrumentalisieren. Ich bin mir ganz sicher, dass die Einsatzkräfte ganz sicherlich nicht vor Ihren Karren gespannt werden wollen. – Herzlichen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN und von Dr. Werner Pfeil [FDP])