Zukunftsvertrag für NRW – Kurzauswertung

„Zukunftsvertrag für Nordrhein-Westfalen“

Kurzauswertung für den Bereich Innenpolitik, Demokratie und Rechtspolitik

Die Vertreter*innen von GRÜNEN und CDU haben am 27. Juni den Koalitionsvertrag unterzeichnet. Mit dem Zukunftsvertrag stellen wir die Weichen für ein sozial gerechteres, nachhaltiges, modernes und wirtschaftlich starkes Nordrhein-Westfalen und übernehmen dafür gemeinsam Verantwortung. Mit dieser Kommunalinfo möchten wir Euch über die Vereinbarungen in unserem Koalitionsvertrag zu den Themen Innenpolitik, Demokratie und Rechtspolitik informieren. Wir – Verena Schäffer, İlayda Bostancıeri, Dorothea Deppermann und Julia Höller – durften in dieser Facharbeitsgruppe für die Grünen verhandeln.

Für eine bürgernahe und grundrechtsorientierte Innenpolitik
Unsere Polizei leistet jeden Tag gute Arbeit für die Menschen in NRW. Es kann aber auch zu Konfliktsituationen kommen. In diesen Fällen soll die*der unabhängige Polizeibeauftragte für Bürger*innen sowie auch für die Beschäftigten in der Polizei ansprechbar sein. Den Bezirksdienst wollen wir ausbauen und damit auch die Präsenz und die Vernetzung der Polizei vor Ort stärken. Wir stehen für eine grundrechtsorientierte Sicherheitspolitik und die konsequente Durchsetzung des Recht. Die Quellen-Telekommunikationsüberwachung bedeutet tiefe Grundrechtseingriffe und ein Sicherheitsrisiko für alle durch das Offenhalten von IT-Sicherheitslücken. Softwarelücken wollen wir schließen und werden von ihrer Nutzung absehen. Der „Taser“ wird bis 2024 unabhängig, wissenschaftlich und ergebnisoffen evaluiert – hiervon hängt der weitere Fortgang ab. Nur hierfür fortgebildete Beamt*innen dürfen ihn nutzen, zudem soll dabei immer die Bodycam eingeschaltet werden. Das Versammlungsgesetz haben auch wir kritisiert. Das Gesetz wird nun unabhängig und wissenschaftlich evaluiert. Jede Evaluation bietet den Anlass für mögliche Änderungen. Die Handlungsempfehlungen der Stabsstelle „rechtsextremistische Tendenzen in der Polizei NRW“ werden wir umsetzen und weiterentwickeln. Zudem wollen wir eine deutliche Stärkung der Kriminalpolizei erwirken.

Stärkung des Katastrophenschutzes
Wir machen Katastrophenschutz zu einem Schwerpunkt unserer Innenpolitik. Dazu werden wir u.a. die Handlungsfähigkeit des Landes im Katastrophenfall in einer zentralen Landesstelle im Innenministerium stärken. Sowohl das Land als auch die Kreise und kreisfreien Städten werden zukünftig Katastrophenschutzbedarfspläne für unterschiedliche Katastrophenszenarien erstellen, um zukünftig besser vorbereitet zu sein. Die Kritische Infrastruktur wollen wir besser schützen, zudem wollen wir Sirenen und barrierefreie Warnmechanismen ausbauen.

Wir stärken unsere Demokratie und verteidigen sie vor ihren Feinden
Wir werden das aktive Wahlrecht ab 16 Jahren einführen und den Anteil von Frauen in den Parlamenten durch eine verfassungskonforme Änderung des Wahlrechts erhöhen. Mit einem Lobbyregister und dem legislativen Fußabdruck schaffen wir mehr Transparenz. Bürger*innen können sich so ein besseres Bild über den Einfluss von Interessensgruppen auf die Gesetzgebung verschaffen. Der Rechtsextremismus ist derzeit die größte Gefahr für unsere Demokratie. Deshalb werden wir die Erkenntnislage mit einem Lagebild Rechtsextremismus, Dunkelfeldstudien und einem NRW-Monitor verbessern. Zudem werden wir die Vollstreckung offener Haftbefehle, den Entzug von Waffenberechtigungen und der Aufklärung von Geldflüssen weiter vorantreiben.

Wir sorgen für eine moderne Rechtspolitik
In einem neuen Landesresozialisierungs- und Opferschutzgesetz werden wir einheitliche Standards und Strukturen für die Resozialisierung von Inhaftierten schaffen und die Rechte von Opfern bündeln und weiter stärken. Wir können auf Landesebene die Ersatzfreiheitsstrafe oder den Straftatbestand „Schwarzfahren“ zwar nicht abschaffen, werden uns aber bemühen, Ersatzfreiheitsstrafen weitestgehend zu vermeiden, u.a. durch Modellprojekte und eine Zusammenarbeit mit den Verkehrsverbünden. Wir werden die Situation für Inhaftierte und Bedienstete in den Justizvollzugsanstalten unter anderem durch Modernisierungen, eine bessere Versorgung physisch und psychisch kranker Menschen und eine angemessene Personalausstattung verbessern. Digitalisierung ist das große Thema der kommenden Jahre in der Justiz. Wir werden die Digitalisierung der Justiz in allen Bereichen vorantreiben und dabei einen Schwerpunkt auf die Zuverlässigkeit und Sicherheit der technischen Dienste legen. Wir werden den Universitäten die Möglichkeit geben, für Jurastudierende einen integrierten Bachelor einzuführen.

Diese Punkte sind nur ein kleiner Ausschnitt der Dinge, die wir im Koalitionsvertrag vereinbart haben. Wer sich für die Details interessiert, findet hier den Vertrag in voller Länge.

Einladung zum Grünen Polizeikongress

Einladung: Digitaler Polizeikongress der GRÜNEN Landtagsfraktion NRW – Gute Polizeiarbeit von morgen

am 12. November 2021 von 15.30 Uhr bis 20.30 Uhr

Sehr geehrte Damen und Herren,

liebe Freundinnen und Freunde,

die Polizei ist die Trägerin des Gewaltmonopols des Staates, sie sorgt für unsere Sicherheit und den Schutz unserer Grundrechte. Um dieser Aufgabe gerecht zu werden, um bürgerorientiert, professionell und rechtsstaatlich arbeiten zu können, sind eine gute Aus- und Fortbildung sowie eine personell und technisch gute Ausstattung essentiell. Eine ebenso wichtige Grundlage für gute Polizeiarbeit ist außerdem das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger.

Nicht zuletzt durch wachsende Aufgaben bei der Arbeit in der Gefahrenabwehr, aber auch in der Kriminalitätsbekämpfung steht die Polizei vielfältigen Erwartungen und Herausforderungen gegenüber. Wir wollen mit Expertinnen und Experten aus Polizei, Wissenschaft und Zivilgesellschaft sowie mit Ihnen und Euch darüber ins Gespräch kommen, wie gute Polizeiarbeit von morgen aussieht und wie diese gewährleistet werden kann. Aus den Ergebnissen unserer Gespräche wollen wir Forderungen erarbeiten und diese parlamentarisch in die weitere Diskussion im Landtag einbringen.

Dazu laden wir Sie und Euch herzlich zum digitalen Polizeikongress der GRÜNEN Landtagsfraktion NRW am 12. November 2021 von 15.30 Uhr bis 20.30 Uhr ein.

Ablauf:

15.30 Uhr:        Begrüßung

Verena Schäffer MdL, Fraktionsvorsitzende, Sprecherin für Innenpolitik und Strategien gegen Rechtsextremismus

15.45 Uhr:        Keynote

Dr. Daniela Hunold, Gastdozentin für Kriminologie und interdisziplinäre Kriminalprävention an der Deutschen Hochschule der Polizei

16.00 Uhr:        Talk

Ingo Wünsch, Direktor des LKA NRW und Verena Schäffer MdL

16.15 Uhr:        Inputvideos der Gewerkschaft der Polizei, der Deutschen Polizeigewerkschaft und des Bundes Deutscher Kriminalbeamter

16.25 Uhr:        Panelphase I

Panel 1: Bessere Organisation der Polizei

Moderation:
Monika Düker MdL, Sprecherin für Haushalts- und Finanzpolitik

Gäste:
Armin Bohnert, Vorsitzender von PolizeiGrün e.V.
Oliver Huth, stv. Vorsitzender des Bundes Deutscher Kriminalbeamter NRW
Michael Mertens, Vorsitzender der Gewerkschaft der Polizei NRW

Panel 2: Rechtsterrorismus: 10 Jahre nach der Selbstenttarnung des NSU – Wie ist die Polizei personell und fachlich aufgestellt?

Moderation:
Verena Schäffer MdL, Fraktionsvorsitzende, Sprecherin für Innenpolitik und Strategien gegen Rechtsextremismus

Gäste:
Andrea Röpke, Politologin, freie Journalistin und Buchautorin mit dem Schwerpunkt Rechtsextremismus
Sebastian Striegel MdL, Parlamentarischer Geschäftsführer und Sprecher für Demokratie, Innen, Recht, Gleichstellung, Digitales Leben und Religion der Grünen Faktion im Landtag von Sachsen-Anhalt

17.40 Uhr:        Lightning Talks

Lightning Talk I
Anforderungen aus der Zivilgesellschaft an die Polizei
Michelle Scherka, Initiative Schwarze Menschen in Deutschland e.V.

Lightning Talk II
Anforderungen aus der Zivilgesellschaft an die Polizei
Martin Herrnkind, Kriminologe, Mitglied in der Arbeitsgruppe „Polizei und Menschenrechte“ von Amnesty International e.V.

Lightning Talk III
Anforderungen aus Sicht der psychosozialen Unterstützung und  Polizeiseelsorge
Dietrich Bredt-Dehnen, Leitender Landespfarrer für Polizeiseelsorge der Evangelischen Kirche im Rheinland

17.50 Uhr:        Politische Rede

Dr. Irene Mihalic MdB, Sprecherin für Innenpolitik (19. WP)

18.00 Uhr:        Aus den parlamentarischen Untersuchungsausschüssen

PUA I (Fall Amri) – Monika Düker MdL, Sprecherin für Haushalts- und Finanzpolitik und Sprecherin im Untersuchungsausschuss I
PUA II (Hackerangriff/Stabsstelle) – Norwich Rüße MdL, Sprecher für Landwirtschaft, Natur-, Umwelt-, Tier- und Verbraucherschutz und Sprecher im Untersuchungsausschuss II
PUA III (Kleve (Ahmad A.)) – Stefan Engstfeld MdL, Sprecher für Rechtspolitik und Sprecher im Untersuchungsausschuss III
PUA IV (Kindesmissbrauch) – Verena Schäffer MdL, Fraktionsvorsitzende, Sprecherin für Innenpolitik und Strategien gegen Rechtsextremismus und Sprecherin im Untersuchungsausschuss IV

18.10 Uhr:        Panelphase II

Panel 3: Bürgernahe Polizei

Moderation:
Berivan Aymaz MdL, Sprecherin für Integrationspolitik, Flüchtlingspolitik und Internationales/Eine Welt

Gäste:
Udo Behrendes, Leitender Polizeidirektor a.D.
Michael Mertens, Vorsitzender der Gewerkschaft der Polizei NRW
Felix Sengespeik, PolizeiGrün e.V.

Panel 4: Cybercrime – Schutz öffentlicher Einrichtungen vor Cyber-Angriffen

Moderation:
Matthi Bolte MdL, Sprecher für Wissenschaft, Innovation, Digitalisierung und Datenschutz

Gäste:
Hans-Josef Lemper, Leiter des Cybercrime Kompetenzzentrums, LKA NRW
Manuel Atug, Diplominformatiker, Applied IT Security (M.Sc.), Sprecher der AG KRITIS

19.25 Uhr:        Abschlusspodium

Moderation:
Verena Schäffer MdL, Fraktionsvorsitzende, Sprecherin für Innenpolitik und Strategien gegen Rechtsextremismus

Gäste:
Irene Mihalic MdB, Sprecherin für Innenpolitik (19. WP)
Michael Frücht, Direktor des Landesamts für Ausbildung, Fortbildung und Personalangelegenheiten der Polizei NRW
Philipp Krüger, Sprecher der Gruppe Polizei und Menschenrechte bei Amnesty International V.

20.25 Uhr:        Dank und Verabschiedung

20.30 Uhr:        Ende

Gerne können Sie sich/könnt Ihr Euch hier für den digitalen Polizeikongress anmelden.

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Weitere Infos zum Format „Online-Veranstaltung“

Diese Veranstaltung findet digital statt. Nach der Anmeldung wird automatisch per E-Mail ein Einwahllink an die angegebene E-Mail-Adresse verschickt. Mit diesem kann man per PC, Laptop oder per Tablet an der Veranstaltung teilnehmen. Über ein iPad/Android-Tablet und Smartphone iPhone/Android ist die Teilnahme ebenfalls möglich.

Falls der Einwahllink am Tag der Online-Veranstaltung trotz Anmeldung noch nicht zugeschickt wurde oder es Rückfragen gibt, bitte an meine Mitarbeiterin, Hasret Karaçuban, wenden (Tel.: 0211/884-4321, E-Mail: hasret.karacuban@landtag.nrw.de).

Viele Grüße aus dem Landtag in Düsseldorf

Verena Schäffer MdL

Rede zum Antrag der Fraktionen von CDU und FDP zur Kriminalpolizei

„Sie drücken sich seit vier Jahren um das Thema herum, auch das gehen Sie nicht an“

Zur Räumung des Hambacher Waldes

Verena Schäffer (GRÜNE): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich finde, ehrlich gesagt, dass der Antrag ein ziemliches Armutszeugnis ist. Ich finde es gut, wenn Sie Punkte aus Anhörungen aufgreifen, und ich finde es gut, wenn Sie sich Gedanken über die Kriminalpolizei und darüber machen, wie man die Kripo stärken kann. Aber ehrlich gesagt erwarte ich von zwei Regierungsfraktionen, die im Austausch auch auf die Kompetenzen des Ministeriums zurückgreifen können, mehr. Sieben Monate vor einer Landtagswahl mit so einem Antrag aufzuwarten, halte ich, ehrlich gesagt, für eine ziemlich große Peinlichkeit.

(Sven Wolf [SPD]: Bis wann soll das Gutachten vorliegen? Bis September!)

– Das wird auch nicht mehr umgesetzt werden. Das ist eine Schlagzeile in einer Zeitung, die man damit generiert hat.

(Beifall von den GRÜNEN)

So war es übrigens auch schon bei diesem Spezialistenprogramm. Da hat man eine Schlagzeile gemacht, und dann kam erst mal sehr lange gar nichts. Genauso ist es hier auch. Und sieht man es sich näher an, zeigt sich, dass da, ehrlich gesagt, wenig drinsteht.

Wenn man weiß, wie die Problemlagen in der Kripo sind – das hat die Anhörung doch gezeigt –, und dann diesen Antrag sieht, dann muss man ganz ehrlich sagen: Der Dimension der Probleme, die wir haben, wird dieser Antrag in keinster Weise gerecht. Darin sind ein paar interessante Punkte enthalten, die man diskutieren muss. Sie sind nur überhaupt nicht ausgearbeitet. Das ist auch meine Hauptkritik.

Dann haben Sie das Thema „Abgänge“ angesprochen und dass mit der Pensionierung natürlich auch Fachwissen verloren geht. Das ist richtig. Ich finde es dann aber immer ein bisschen schwierig, sich für die hohen Einstellungszahlen zu loben. Die sind gut; wir brauchen die hohen Einstellungszahlen. Im zweiten Satz müssen Sie aber auch sagen, dass wir eine Abbrecherquote von 20 % haben. Das ist ein riesengroßes Problem. Die Leute kommen doch überhaupt nicht an. Das wird hier immer verschwiegen.

Aber ich will auf den Antrag eingehen, weil Ausbildung und Abbrecherquoten heute gar nicht das große Thema sind. Es geht um das Thema „Kriminalpolizei“.

Erster Punkt: Forschungsaufträge zur Belastungssituation. Ich finde Forschung immer großartig. Machen Sie Forschungsaufträge. Das finde ich super. Ich verspreche mir allerdings nicht sehr viel davon, weil die Belastungen und die Herausforderungen aus meiner Sicht eigentlich ziemlich klar benannt sind. Das darf nicht dazu führen, dass bis zum 30. September 2022 in diesem Bereich nichts passiert. Ich erwarte da also nicht sonderlich viel, aber gegen Forschung kann man nichts haben.

Punkte 2 bis 4: 10 % in die Kripo. Herr Katzidis konnte mir gerade nicht wirklich erläutern, wie Sie auf die 10 % kommen. Themen wie die Werbekampagne für „Spezialisten zu Polizisten“ sind alles schöne Sachen. Man muss darüber diskutieren, genauso wie über die Frage, ob wir feste Zuweisungen im Rahmen eines bestimmten Prozentsatzes brauchen. – Ich bin total offen für die Diskussion. Ich weiß auch nicht, wo man genau sagt, wie viele man nehmen soll. Aber wenn man von 10 % spricht, dann muss man das auch begründen können. Das ist hier nicht gemacht worden.

(Marc Lürbke [FDP]: Mindestens 10 %!)

Aber der Punkt ist doch – darauf hat insbesondere der Bund Deutscher Kriminalbeamter immer wieder hingewiesen –: Wenn wir Werbekampagnen machen, wenn wir dieses Spezialistenprogramm machen, das auch für diese 10 % gilt, dann muss man den jungen Leuten doch vor Beginn des Studiums zusagen können, dass sie, wenn sie eingestellt werden, zur Kripo kommen.

Diese Zusage kann nicht erst erfolgen, wenn die Leute schon im Studium sind. Der Punkt ist doch – und das wollen Sie auch mit der Werbekampagne erreichen –, dass die Leute sich explizit bei der Polizei bewerben, damit sie zur Kripo gehen können. Dann müssen Sie die Zusage aber auch vorher machen. Das ist hier auf jeden Fall nicht enthalten. Vielleicht haben Sie das vor, es geht aus dem Antrag aber in keinster Weise hervor.

Ausbildung und Fortbildung war ein Riesenthema in der Anhörung. Kein Wort dazu in diesem Antrag! Zum Thema „Einführungsfortbildung Kripo“ wurde in der Anhörung deutlich gesagt, dass das extrem viele Ressourcen kostet, weil die Leute erst mal ausgebildet werden, dann gehen sie in den Wach- und Wechseldienst und in die Bereitschaftspolizei, und dann kriegen sie die Einführungsfortbildung.

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Entschuldigung, Frau Kollegin …

Verena Schäffer (GRÜNE): Deshalb wurde gesagt: Einführungsfortbildung in die reguläre Ausbildung integrieren. – Kein Wort davon findet sich hier im Antrag.

(Zuruf von der CDU)

Auch das halte ich für ein absolutes Defizit. Sie müssen auch über das Studium und die Ausbildung sprechen. – Aber es gab eine Nachfrage, meine ich.

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Ganz genau, es gibt den Wunsch nach einer Zwischenfrage, und zwar bei Herrn Kollegen Lürbke.

Verena Schäffer (GRÜNE): Ja, bitte, gerne.

Marc Lürbke (FDP): Frau Präsidentin, vielen Dank. – Vielen Dank, Frau Kollegin, dass Sie die Zwischenfrage zulassen. Ich bin etwas irritiert, Frau Kollegin Schäffer, weil all das, was wir vorschlagen, Ihrer Einschätzung nach anscheinend nicht zielführend oder nicht richtig ausgearbeitet ist.

Die Probleme bei der Kripo sind nicht gestern vom Himmel gefallen. Ich will den Blick nicht zu sehr zurückwenden, weil wir schon seit 2017 regieren, sich viel verändert hat und wir auch jetzt wieder eine ganze Palette von Vorschlägen haben. Aber da Sie alles in Bausch und Bogen verdammen, würde mich, weil die Probleme nicht vom Himmel gefallen sind, interessieren, was Sie in den Jahren 2012 bis 2017 konkret für die Stärkung der Kriminalpolizei in Nordrhein-Westfalen erreicht und gemacht haben. – Vielen Dank.

(Beifall von Martina Hannen [FDP] und Franziska Müller-Rech [FDP])

Verena Schäffer (GRÜNE): Vielen Dank. – Herr Lürbke, diese Vergangenheitsbewältigung können wir machen; darüber kann man diskutieren. Aber ich finde nicht, dass das der Punkt ist.

(Marc Lürbke [FDP]: Das kann ich mir vorstellen!)

Wir haben Sachen gemacht. Wir haben zum Beispiel in der Ausbildung den Bereich der Kripo gestärkt. Wir haben Inhalte gestärkt. Wir haben die Einführungsfortbildung eingeführt. Ich finde, das war ein total wichtiger Schritt, um die Kriminalpolizei auch fachlich zu stärken. Das war eingefordert worden, und das haben wir auch gemacht. Aber jetzt geht es doch um eine Weiterentwicklung.

Im Übrigen habe ich den Antrag bzw. all seine Punkte nicht in Bausch und Bogen verdammt. Da haben Sie mir nicht richtig zugehört, das muss man leider sagen. Ich habe gesagt: Über einzelne Punkte und so etwas wie feste Zuweisungen von Quoten muss man diskutieren. Ich sehe das genauso, aber Sie legen sieben Monate vor einer Landtagswahl mal eben einen Antrag vor, ohne sich all das überleget zu haben und ohne ein ausgereiftes Konzept zu haben. Ich finde das einfach peinlich für zwei Regierungsfraktionen. Ich erwarte da mehr von Ihnen, und ich meine, dass auch die Polizei mehr von Ihnen erwarten kann.

(Zuruf von Dr. Christos Georg Katzidis [CDU])

Ich meine außerdem, dass da auch in den nächsten sieben Monaten nicht mehr viel passieren wird.

Auf wesentliche Inhalte der Anhörung sind Sie überhaupt nicht eingegangen. Zum Thema „Ausbildung“ steht hier zum Beispiel gar nichts drin.

(Zuruf von Sven Wolf [SPD])

Ich finde, man muss darüber diskutieren – das haben wir damals unter Rot-Grün begonnen –, inwiefern man Ausbildungsinhalte bei der Polizei im Bereich der Kripo weiter stärkt und mit einer gewissen Ausdifferenzierung schon in der Ausbildung beginnt. Es war übrigens damals immer Ihr Kollege von der CDU, der die Y-Ausbildung gefordert hat. Ich meine, das steht sogar im Wahlprogramm; das müsste ich nachschauen. Jedenfalls war es Theo Kruse, der immer gesagt hat: Wir brauchen die Y-Ausbildung. – Ich würde so weit gar nicht gehen, weil ich möchte, dass es in der Polizei eine Durchlässigkeit gibt und man auch zwischen Direktionen wechseln kann.

(Sven Wolf [SPD]: Das macht den Beruf ja auch spannend!)

Das hat nämlich auch etwas damit zu tun, dass sich Polizeibeamtinnen und -beamte fortentwickeln können.

Das Thema „Ausbildung“ halte ich, wie gesagt, für einen wesentlichen Punkt. Ich meine, dass wir dahin kommen müssen, weiter zu differenzieren, auch in der Ausbildung.

– Ich habe noch gar nicht geguckt, aber es ist in Ordnung, ich habe noch eine Minute.

Ich finde, das Thema der Ausbildung muss man angehen. Davon ist in diesem Antrag nichts zu finden. Ich würde mich freuen, wenn das weiter diskutiert würde, aber selbst das lassen Sie nicht zu, weil Sie den Antrag gleich direkt abstimmen lassen. Das heißt, diese Diskussionsmöglichkeiten werden wir nicht mehr haben.

Ich will noch einmal …

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Frau Kollegin Schäffer, Entschuldigung, dass ich Sie erneut unterbreche. Ich muss einmal nachfragen: War das der zweite Wunsch nach einer Zwischenfrage?

(Marc Lürbke [FDP]: Nein!)

– Okay. – Dann können Sie jetzt in aller Ruhe fortfahren, und Sie haben auch ausreichend Zeit, obwohl Sie eben angenommen haben, dass wir sie bei Ihnen zu früh wieder eingeschaltet haben.

Verena Schäffer (GRÜNE): Ich würde gerne auf den letzten Punkt eingehen. Da schreiben Sie davon, Regierungsbeschäftigte stärker in den Bereichen IT oder Finanzermittlung einzusetzen. – Mehr Regierungsbeschäftigte finde ich gut, um die Kripo zu entlasten. Aber ich sehe, ehrlich gesagt, gerade beim Thema „Finanzermittlung“ gewisse Fragezeichen dahin gehend, ob es im gesetzlichen Rahmen möglich ist, dass Regierungsbeschäftigte hoheitliche Aufgaben wahrnehmen. Das muss man zumindest im Hinterkopf behalten, und man kann auch nicht unbegrenzt Regierungsbeschäftigte einsetzen.

Ich will noch einen oder zwei wichtige Punkte ansprechen, die Sie nicht im Antrag haben. Da ist das Thema „Beförderungsstellen“; Fluktuation war auch ein Riesenthema in der Anhörung. Auch dazu steht kein einziges Wort im Antrag.

(Marc Lürbke [FDP]: Weil wir das längst machen!)

Ein letzter Punkt betrifft die Äußere Aufbauorganisation der Polizei, auch das war Thema in der Anhörung. Sie drücken sich seit vier Jahren um das Thema herum, auch das gehen Sie nicht an.

(Marc Lürbke [FDP]: Sind Sie auch nicht! – Christian Dahm [SPD]: Können wir ja demnächst!)

Mein Fazit ist, dass man über einzelne Aspekte diskutieren kann, diskutieren muss. Aber das, was Sie hier vorlegen, ist alles andere als ein ausgereiftes Konzept dazu, wie Sie die Kriminalpolizei in Nordrhein-Westfalen stärken und weiterentwickeln wollen.

Ich finde, es ist ein Offenbarungseid, dass man nach viereinhalb Jahren Regierungszeit beim Thema „Kripo“ quasi fast blank ist und kein Konzept vorlegen kann, wie man hier in der nächsten Legislaturperiode weiter vorgehen will. Ich finde: Das ist zu dünn, das ist zu wenig. Deshalb werden wir den Antrag ablehnen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Zur Großen Anfrage der SPD-Fraktion zur Situation der Polizei

“Wir brauchen regelmäßige Dunkelfeldstudien, um abschätzen zu können, wie es um die Kriminalitätsentwicklung in Nordrhein-Westfalen bestellt ist”

Zur Großen Anfrage der SPD-Fraktion zur Situation der Polizei

Verena Schäffer (GRÜNE): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Golland, Sie haben eine Wahl gewonnen, gerade in der Innenpolitik, weil Sie unglaublich viel Stimmung gemacht haben, weil Sie Populismus verbreitet haben, weil Sie nicht an sachlichen Diskussionen und Auseinandersetzungen interessiert waren. Damit haben Sie die Wahl gewonnen. Ob das für die innere Sicherheit und unsere Debattenkultur in diesem Land gut war, das bezweifele ich, ehrlich gesagt.

Herr Lürbke ist offenbar schon im Wahlkampfmodus, vielleicht auch im internen Wahlkampfmodus. Keine Ahnung, was bei Ihnen gerade abgeht. Ich finde es wirklich unredlich und unsachlich, wie Sie hier argumentieren.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Ich finde es unglaublich, dass Sie sagen: Alles, was wir machen, ist super gut und toll; Rot-Grün hat ja überhaupt nichts hinbekommen. – Ganz ehrlich, Herr Lürbke, vier Jahre nach dem Regierungswechsel kann ich es nicht mehr hören.

(Beifall von Josefine Paul [GRÜNE] – Christian Dahm [SPD]: Selbstherrlich!)

Kommen Sie doch mal zurück zu einer sachlichen Fachpolitik, zu einer Sachebene. Dann kommen wir vielleicht weiter. Ich wollte mich bei diesem Tagesordnungspunkt eigentlich gar nicht aufregen, aber ich kann es einfach nicht mehr hören.

Zu Beginn der Rede möchte ich den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Innenministeriums für die Arbeit danken, die sie sich bei der Beantwortung der Großen Anfrage gemacht haben. Sie haben auf rund 400 Seiten unglaublich viele Daten zusammengetragen. Dafür ein ganz herzliches Dankeschön.

(Christian Dahm [SPD]: So macht man das!)

Ich danke aber auch der SPD-Fraktion für den Versuch, eine Art Bestandsaufnahme zum Thema „Kriminalitätsentwicklung in Nordrhein-Westfalen“ hinzubekommen. Die SPD hat sehr viele Bereiche abgefragt, die die Polizei als Organisation selbst betreffen, aber auch die Kriminalitätsbekämpfung.

Aus der Antwort der Landesregierung wird deutlich, wie groß das Aufgabenspektrum der Polizei in Nordrhein-Westfalen ist, wie viele Bereiche von Beschäftigten es in den einzelnen Dezernaten, in den Referaten, auf den jeweiligen Leitungsebenen der Dienststellen, in den Landesoberbehörden, im Innenministerium gibt. Es wird deutlich, was alles zum Thema „innere Sicherheit“, zum Thema „Polizei“ dazugehört.

Ich will heute gar nicht auf die vielen verschiedenen Aspekte eingehen, sondern vor allen Dingen auf eines hinweisen: Die Antwort der Landesregierung zum Thema „Kriminalitätsentwicklung“ macht sehr deutlich, dass wir einen periodischen Sicherheitsbericht brauchen, der sich nicht nur aus der Datenquelle der Polizeilichen Kriminalstatistik speist.

Wir haben schon häufig darüber diskutiert, und wir hatten dazu auch eine sehr gute Anhörung. Ist der Antrag schon abgelehnt worden? – Ich glaube, nicht. Ich meine, er ist noch im Verfahren und wird in einer der nächsten Innenausschusssitzungen aufgerufen. Dann gäbe es seitens CDU und FDP noch die Chance, dem zuzustimmen.

Das wäre sehr wichtig und notwendig. Denn die Daten der Polizeilichen Kriminalstatistik sind allein, ohne wissenschaftlich fundierte Einordnung, wenig brauchbar. Die PKS, die Polizeiliche Kriminalstatistik, ist – das ist hinlänglich bekannt – eine Eingangsstatistik. Das heißt, dort werden nur ermittelte Tatverdächtige aufgeführt, aber die Statistik sagt rein gar nichts darüber aus, ob eine Tat am Ende auch nachgewiesen wird, ob es zu einem Urteil kommt. Insofern hilft es leider auch nicht, nur die abgefragten Zahlen zu den Verurteilten in den verschiedenen Jahren danebenzulegen, weil Sie ja gar nicht wissen, ob sich die Taten und die Fälle aufeinander beziehen.

Ich habe mich gerade beim Innenministerium für die Beantwortung der Anfrage auf über 300 Seiten bedankt. Insofern tut es mir ein bisschen leid für die viele Arbeit, die Sie sich damit gemacht haben. Aber, wie gesagt, eigentlich brauchen wir andere Instrumente, um die Kriminalitätsentwicklung zu betrachten und zu beurteilen.

(Beifall von Josefine Paul [GRÜNE])

Das hat auch die Anhörung in Innenausschuss sehr deutlich gemacht. Wir brauchen einerseits eine Verlaufsstatistik aus PKS und aus den Justizstatistiken, um überhaupt beurteilen zu können, wie effektiv die Kriminalitätsbekämpfung ist. Wir brauchen andererseits auch mehr Dunkelfeldstudien. Wir Grüne haben immer wieder Dunkelfeldstudien für die einzelnen Kriminalitätsfelder gefordert.

Herr Reul, es wurde gerade von einer Kollegin darauf hingewiesen, dass der Beginn dieser Legislaturperiode schon fast vier Jahre her ist. Ganz zu Beginn dieser Legislaturperiode saß ich noch im Rechtsausschuss, und wir hatten damals nachgefragt, wann denn die Verlaufsstatistiken kommen würden, das Aufeinanderabstimmen von PKS und Justizstatistiken. Damals wurde uns aus dem Justizministerium gesagt, dass man das Projekt von Rot-Grün, eine Verlaufsstatistik einzuführen, fortführen möchte und angeblich das Innenministerium dabei federführend sei. Entweder ist seitdem nicht nichts passiert – das fände ich sehr bedauerlich –, oder es ist etwas passiert, aber bisher nicht präsentiert worden. Das wäre auch sehr schade.

Ich will noch mal dafür werben, dass wir da weiterkommen und vorangehen. Es ist immerhin gut, dass es jetzt schon eine erste Dunkelfeldstudie zum Thema „Sicherheit und Gewalt in Nordrhein-Westfalen“ gegeben hat, vorgestellt von Herrn Reul und Frau Scharrenbach. Aber wir müssen über solche punktuellen Studien hinausgehen. Wir brauchen regelmäßige Dunkelfeldstudien, um abschätzen zu können, wie es um die Kriminalitätsentwicklung in Nordrhein-Westfalen bestellt ist.

Das wäre für uns Innenpolitikerinnen und Innenpolitiker sehr wichtig, um bemessen zu können: Welche Instrumente brauchen wir? Wie viele Haushaltsmittel müssen wir bereitstellen? Denn es geht hier um die Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger. Das ist ein herausgehobenes Feld, für das wir einfach mehr brauchen, auch mehr Hintergrundwissen.

Ich will sehr dafür werben, dass wir unsere Sicherheitspolitik, unsere Innenpolitik auf ein verlässlicheres Fundament stellen als die reine Polizeiliche Kriminalstatistik oder das objektive Sicherheitsgefühl von Herrn Lürbke. Wir brauchen da einfach mehr. Dafür möchte ich gern werben. Lassen Sie uns das bitte gemeinsam angehen. – Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)

Antrag der GRÜNEN im Landtag zu Rassismus bei der Polizei

Zu Rassismus bei der Polizei

Rede zum Antrag der GRÜNEN im Landtag zu Rassismus bei der Polizei

Verena Schäffer (GRÜNE): Vielen Dank. – Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die rechten Verdachtsfälle in der Polizei haben uns alle sowohl aufgrund der Qualität als auch der Quantität erschüttert. Wir haben in vielen Sitzungen darüber diskutiert, hier im Plenum und im Innenausschuss.

Ich bin einerseits sehr erschrocken über die Inhalte, die in diesen Chats, über die wir meistens geredet haben, geteilt wurden. Andererseits bin ich froh darüber, dass jetzt eine Debatte in Gang gesetzt wurde, die aus meiner Sicht längst überfällig war. Denn ich glaube, spätestens nach dem Bekanntwerden der Drohschreiben, die mit „NSU 2.0“ unterzeichnet wurden und offenbar aus Polizeibehörden stammen, oder nach dem Bekanntwerden des rechtsextremen Netzwerks „Nordkreuz“ muss jedem, der im Innenausschuss sitzt, eigentlich klar gewesen sein, dass es sehr wahrscheinlich rechte Einzelpersonen oder womöglich auch Netzwerke in der Polizei in Nordrhein-Westfalen geben muss.

Ich möchte hier noch mal ganz klar betonen, dass ich damit nicht die gesamte Polizei unter Generalverdacht stelle. Ganz Im Gegenteil: Aus meiner Sicht ist es im Interesse aller demokratischen Polizeibeamtinnen und -beamten, wenn solche Fälle aufgedeckt werden und alles dafür getan wird, dass Rassismus und anderen menschenfeindlichen Einstellungen gerade bei der Polizei entgegengewirkt wird. Denn – und das ist mir wirklich wichtig – die nordrhein-westfälische Polizei ist eine bürgernahe Polizei, eine Polizei, die für alle Menschen da ist, egal, welcher Herkunft, Hautfarbe oder welchen Alters sie sind.

(Beifall von den GRÜNEN)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir Grüne haben den Innenminister in verschiedenen Debatten unterstützt, als er den Sonderbeauftragten für rechtsextremistische Tendenzen in der Polizei eingerichtet hat. Das ist Herr Reichel-Offermann aus dem Innenministerium, den ich seit vielen Jahren aus dem Bereich des Verfassungsschutzes kenne. Ich habe überhaupt keinen Zweifel an seiner Expertise zum Themenfeld „Rechtsextremismus“. Wir Grüne wollen die Arbeit dieses Sonderbeauftragten unterstützen, und deshalb wollen wir ihm einen Beirat an die Seite stellen, der aus Expertinnen und Experten aus der Wissenschaft und aus der Zivilgesellschaf besteht.

(Zuruf von Gregor Golland [CDU])

Denn wir sind davon überzeugt, dass seine Arbeit von diesen Perspektiven außerhalb der Sicherheitsbehörden nur profitieren kann.

Aus unserer Sicht soll dieser Beirat die Arbeit des Sonderbeauftragten kontinuierlich begleiten. Er soll Zwischenergebnisse kritisch reflektieren und auch eigene Vorschläge für Handlungsempfehlungen unterbreiten.

Ich hoffe sehr, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass Sie sich diesem Vorschlag nicht verschließen, nur weil er von uns Grünen kommt. Bitte seien Sie offen für solche Vorschläge.

(Beifall von den GRÜNEN – Zuruf von Gregor Golland [CDU])

Der zweite Teil des Antrags sieht die Erweiterung des Aufgabenspektrums der Extremismusbeauftragten vor. Die Extremismusbeauftragten wurden von Herrn Reul ins Leben gerufen, und zwar nach dem Fall eines Verwaltungsbeamten im Polizeipräsidium Hamm, der der rechtsterroristischen Gruppe um Werner S. zugerechnet wird.

Im Kern ist die Aufgabe der Extremismusbeauftragten in den Polizeibehörden die Entgegennahme von Hinweisen mit extremistischem Bezug zu Personen und Sachverhalten.

Aus meiner Sicht setzen die Extremismusbeauftragten hier aber ein Stück weit zu spät an. Dass sie diese Hinweise entgegennehmen, ist absolut richtig. Daran gibt es keine Kritik. Aber meines Erachtens setzen wir hier zu spät an; denn extremistisches Gedankengut stellt nicht erst dann ein Problem für die Polizei dar, wenn es sich zu einem verfassungsfeindlichen Weltbild verfestigt hat. Auch Rassismus, Sexismus, Antisemitismus und andere Ungleichwertigkeitsvorstellungen sind ein Problem und können zudem auch massive Auswirkungen auf die Arbeit der Polizei haben.

Deshalb – das haben wir in Debatten auch schon mehrfach gefordert – wollen wir die Aufgaben der Extremismusbeauftragten entsprechend erweitern. Sie sollen bereits bei Ungleichwertigkeitsvorstellungen ansprechbar sein und sollen frühzeitig und niedrigschwellig für solche Einstellungen in den Polizeibehörden sensibilisieren.

Herr Reul, Sie haben uns als Opposition aufgefordert, durchaus auch eigene Vorschläge zu machen und eigene Ideen in die Diskussion einzubringen. Sie haben gesagt, Sie seien offen für solche Debatten und Vorschläge. Wir liefern hiermit. Ich denke, das ist ein Antrag, dem man auch vonseiten der Koalitionsfraktionen durchaus zustimmen kann.

(Gregor Golland [CDU]: Nein!)

Es ist nicht der Riesenaufriss. Das behaupten wir auch gar nicht, und das geben wir hier auch gar nicht vor. Vielmehr bietet der Antrag zwei kleine Erweiterungen und damit weitere Möglichkeiten, die die Arbeit noch verbessern können.

Ich bitte Sie sehr, dem Antrag zuzustimmen und ihn nicht einfach abzulehnen, nur weil es sich um einen Antrag der Opposition handelt. – Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN)

Zu extremistischen Tendenzen der Sicherheitsbehörden in NRW

Extremistische Tendenzen der Seicherheitsbehörden in NRW

Meine Rede zu extremistischen Tendenzen der Sicherheitsbehörden in NRW

 

Verena Schäffer (GRÜNE): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bin sehr froh, dass in die Diskussion über wissenschaftliche Studien zu Einstellungen in der Polizei endlich ein bisschen Bewegung kommt, auch wenn der Minister jetzt nur Teilaspekte untersuchen will.

Ich möchte gerne noch einmal an die Debatte in der letzten Plenarrunde erinnern. Da sagte der Innenminister – Zitat –:

„Ich denke nur nicht, dass es eine große weltumfassende Studie bringt – am besten noch von einem Professor, der vorher schon weiß, was nachher herauskommt, und bei der es wahrscheinlich nur darum geht, sie zu finanzieren.“

Herr Minister, ich finde, das war nicht nur wissenschaftsfeindlich, sondern Sie haben sich da ganz offenbar in etwas verrannt, aus dem Sie jetzt gesichtswahrend wieder herauskommen müssen. Wir kennen das ja.

(Beifall von den GRÜNEN)

Herr Minister, wir helfen Ihnen da sehr gerne. Die Fraktionen von CDU und FDP müssen einfach unserem Antrag zustimmen. Dann gibt es einen sehr klaren Handlungsauftrag vom Parlament. Dann sind Sie raus. Dann können Sie sagen: Das Parlament hat mich beauftragt. – Und dann können wir diese Studie machen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Bitte stimmen Sie deshalb dem Antrag zu. Helfen Sie damit auch dem Minister.

Wenn es Aussagen gibt, denen in Studien von Befragten zugestimmt wird, wenn Aussagen wie – Zitat – „Die Weißen sind führend in der Welt“ eine Zustimmung von über 10 % bekommen, wenn die Aussage – Zitat – „Juden haben in Deutschland zu viel Einfluss“ über 8 % Zustimmung erhält oder wenn die Aussage „Muslimen sollte die Zuwanderung nach Deutschland untersagt werden“ über 17 % Zustimmung in Studien erfährt, dann muss man festhalten, dass wir ein Problem mit rassistischen, mit antisemitischen, mit islamfeindlichen Einstellungen in der Gesellschaft haben.

Man könnte das noch mit weiteren Aussagen fortführen. Ich will darauf hinweisen, dass diese Ergebnisse aus der letzten Einstellungsstudie von Andreas Zick, Beate Küpper und vielen anderen mit dem Titel „Verlorene Mitte – feindselige Zustände …“ stammt.

Das ist übrigens genau die Studie, die von vielen jetzt zum Thema „Einstellungen in der gesamten Gesellschaft“ gefordert wird. Diese Studien gibt es seit vielen Jahren. Wir wissen, dass wir ein Problem in der Mitte der Gesellschaft haben.

Dass rassistische und andere Ungleichwertigkeitsvorstellungen nicht mit dem Einloggen mit dem Chip von behördlichen Zeiterfassungssystemen morgens an der Behördentür abgelegt werden, sondern in den öffentlichen Dienst und auch in die Sicherheitsbehörden mitgenommen werden, muss jedem klar sein.

Das Problem ist allerdings: Gerade der öffentliche Dienst ist an unsere Verfassung gebunden. Der Staat darf niemanden diskriminieren. Er muss aktiv für einen Diskriminierungsschutz sorgen.

Gerade bei den Sicherheitsbehörden – bei der Polizei, beim Verfassungsschutz – können rassistische und rechtsextreme Einstellungen zu fatalen Fehleinschätzungen führen. Wenn Einstellungen Einfluss auf Ermittlungen nehmen und Opfer kriminalisiert werden, wie wir es am Fall des NSU erlebt haben, wenn rassistisch oder antisemitisch motivierte Straftaten nicht als solche erkannt werden, wenn rassistische Positionen möglicherweise zu einer Blindheit führen, die eine Verharmlosung der rechtsextremen Szenen zur Folge hat, schwächt das das Vertrauen in die Sicherheitsbehörden. Das führt dann auch dazu, dass sich bestimmte Gruppen nicht mehr an die Polizei wenden.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, das darf nicht sein, weil alle Menschen darauf vertrauen können müssen, dass sie unabhängig von Herkunft, Hautfarbe und anderen Merkmalen von unserer Polizei geschützt werden. Deshalb sind diese Einstellungen in der Polizei und im Verfassungsschutz unter keinen Umständen zu dulden.

(Beifall von den GRÜNEN)

Sie sind auch nicht zu dulden – das möchte ich noch einmal explizit benennen –, weil es um den Diskriminierungsschutz innerhalb der Behörde geht, weil es darum geht, dass Beschäftigte innerhalb der Behörde, die selbst einer Minderheit angehören, nicht diskriminiert werden dürfen.

Unsere Polizei wirbt um Vielfalt. Sie wirbt damit, dass sie die Vielfalt dieser Gesellschaft abbildet. Das muss so bleiben, weil wir diese Vielfalt der Gesellschaft auch in den Behörden brauchen und dafür werben müssen.

Ja, Herr Minister, selbstverständlich wird und kann eine Studie zu Einstellungsmustern in der Polizei keine Zauberlösung sein. Das sagt auch niemand. Aber eine Studie kann wichtige Erkenntnisse liefern, auf denen wir Gegenmaßnahmen aufbauen können und nachsteuern können, um Gegenmaßnahmen zu verbessern.

Meines Erachtens zeigen die bekannt gewordenen Fälle beim Verfassungsschutz auch, dass wir die ganze Diskussion nicht allein auf die Polizei verengen dürfen. Das passiert mir hier gerade viel zu sehr. Wir fokussieren hier immer auf die Polizei. Wir müssen auch über Einstellungen und über Mechanismen im Verfassungsschutz als Sicherheitsbehörde sprechen; denn es darf nicht sein, dass es ein Klima gibt, in dem menschenverachtenden Aussagen nicht widersprochen wird.

(Beifall von den GRÜNEN)

Deshalb haben wir unseren Antrag auch durch einen Neudruck verändert. Wir haben ihn noch einmal verändert und gesagt: Eine Studie darf sich nicht nur auf die Polizei beziehen, sondern wir brauchen eine Studie für beide Behörden; wir müssen die Sicherheitsbehörden insgesamt in den Blick nehmen.

Herr Minister, als grüne Fraktion haben wir in unserer Fraktionssitzung vorgestern einen Vorschlag für weitergehende Forderungen verabschiedet. Es sind zehn Punkte geworden. Es hätten auch mehr oder weniger werden können. Aber wir haben zehn Punkte. Wir erheben gar nicht den Anspruch, dass das irgendwie der Weisheit letzter Schluss ist. Sicherlich gibt es auch noch andere Forderungen. Wir sind sehr gerne bereit, über unsere Punkte auch kritisch und kontrovers zu diskutieren.

Ich möchte hier nur einige Punkte nennen.

Thema „Beirat/Sonderbeauftragter“: Wir unterstützen Sie darin, dass Sie einen Sonderbeauftragten für rechtsextremistische Tendenzen in der Polizei eingerichtet haben. Das finden wir richtig; da unterstützen wir Sie. Aber wir wollen, dass diesem Sonderbeauftragten ein Beirat mit Personen aus Wissenschaft und Zivilgesellschaft, die auch einen Blick von außen in die Arbeit des Sonderbeauftragten einbringen können, an die Seite gestellt wird.

Wir wollen, dass es auch innerbehördliche Maßnahmen wie zum Beispiel das Thema „Rotation“ gibt. Ich glaube, dass wir über das Grundprinzip „Rotation“ sprechen müssen. So etwas existiert bislang nicht. Meines Erachtens ist das aber wichtig, und zwar in beiden Behörden, in der Polizei und im Verfassungsschutz, damit sich so etwas wie ein falsch verstandener Korpsgeist nicht entwickeln kann.

Wir brauchen verpflichtende Fortbildungsmaßnahmen. Wir brauchen die Verankerung von Supervision auch als Maßnahme der Verantwortung und Fürsorgepflicht des Dienstherrn gegenüber seinen Beschäftigten.

Das sind nur wenige Beispiele, weil die Redezeit einfach nicht ausreicht. Aber ich erwarte von dieser Regierungskoalition, dass sie sich unsere Vorschläge anschaut, dass sie sie prüft und dass sie sie einbezieht.

Herr Reul, Sie haben in der letzten Debatte an die Gemeinsamkeit appelliert. Wir sind sehr gerne bereit, mitarbeiten. Das haben wir Ihnen schon gesagt. Aber ich erwarte dann auch, dass unsere Vorschläge mindestens genauso ernsthaft überprüft werden und Sie sie mit in die Überlegungen einbeziehen. – Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN)

Der zweite Redebeitrag zu diesem Tagesordnungspunkt von

Verena Schäffer (GRÜNE): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich finde, ein bisschen Streit ist doch eigentlich ganz gut. Die Debatte ist doch ein Wesenskern der Demokratie; insofern sehe ich darin überhaupt kein Problem.

Herr Sieveke, es gibt zwei Grundprobleme, weshalb wir in diesen Diskussionen so häufig aneinander vorbeireden:

Das erste Grundproblem ist, dass Sie uns Grünen immer dann, wenn wir im Innenausschuss Themen angemeldet haben, bei denen wir Probleme innerhalb der Polizei gesehen haben – und zwar im besten Sinne einer konstruktiven Fehlerkultur, die Sie jetzt übrigens anmahnen – sofort Generalverdacht unterstellt haben.

Das war absolut schädlich für die Diskussion, die wir hier schon viel eher hätten konstruktiv führen müssen. Ich mache Ihnen zum Vorwurf, dass Sie solche Debatten in den letzten Jahren verhindert haben.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)

Das zweite Grundproblem ist, dass Sie häufig gar nicht verstehen, worüber wir reden. Sie verstehen nicht den Unterschied zwischen Rechtsextremismus als Sammelbegriff für verschiedene Einstellungsmuster und Rassismus als eine Einstellung wie Antisemitismus, Antiziganismus, Islamfeindlichkeit.

Diese Unterscheidung ist wichtig, um festzustellen, dass wir ein strukturelles Problem in unserer Gesellschaft haben, dass es rassistische, fremdenfeindliche, antisemitische usw. Einstellungen in der Mitte der Gesellschaft gibt. Das heißt Rassismus. Natürlich macht das nicht vor der Behördentür halt; darüber müssen wir reden.

Ferner müssen wir darüber reden, was es mit den Betroffenen macht. Die Betroffenenperspektive fehlt in Ihrem Entschließungsantrag komplett; die taucht überhaupt nicht auf, aber darum geht es doch.

Es geht doch nicht nur darum, abstrakt den Staat vor Rassismus zu schützen, sondern darum, die Betroffenenperspektive einzubeziehen und aufzuzeigen, was es eigentlich mit Menschen macht, die Opfer von rassistischer Gewalt oder von rassistischer Diskriminierung werden.

(Beifall von den GRÜNEN)

Dass Sie diese Perspektive in Ihre Überlegungen nie einbeziehen, macht mich immer wieder fassungslos; das muss ich wirklich sagen. – Ich versuche, auf die einzelnen Themen einzugehen:

Das Thema „Brennpunkte“ wurde angesprochen. Herr Lürbke, natürlich ist Polizeiarbeit belastend; dem widerspricht in der Diskussion auch niemand. Das ist aber doch noch lange kein Grund dafür, rassistisch zu werden. Ich finde, Sie müssen aufpassen, welche Schuldzuweisungen Sie machen und welche Erklärungsmuster Sie verwenden. Dieses Erklärungsmuster finde ich brandgefährlich.

(Beifall von den GRÜNEN – Christian Dahm [SPD]: Das ist genau der Punkt!)

Zum Thema „Lagebild und Studie“. Beides möchte ich ein bisschen voneinander trennen; zunächst zum Lagebild.

Herr Lürbke, machen Sie Ihr Lagebild. Ein Lagebild zeigt aber doch in erster Linie Symptome auf; das ist eine Problembeschreibung.

Eine Studie hingegen untersucht Ursachen. Eine Studie ist die Grundlage zum Handeln. Ich verstehe nicht, warum CDU und FDP immer ein Problem damit haben, evidenzbasiert Politik zu betreiben.

(Beifall von den GRÜNEN – Zurufe von der CDU und der FDP)

Wir brauchen doch Grundlagen. Es ist leider so, Herr Ministerpräsident: Hören Sie Ihrem eigenen Minister Reul einmal zu. Ich habe vorhin einige Zitate gebracht. Das kann man noch einmal nachlesen. Ich verstehe einfach nicht, wie man sich so dermaßen gegen unabhängige Wissenschaft wehren kann.

Zum Thema „Extremismusbeauftragte“. Herr Lürbke, ich finde es total gut, dass Sie sagen, wir brauchen Extremismusbeauftragte vielleicht auch in anderen Behörden, sodass sich jemand an einen Beauftragten in einer anderen Behörde wenden kann, um eine gewisse Unabhängigkeit sicherzustellen.

Ich finde es schön, dass Sie die Notwendigkeit von unabhängigen Stellen anerkennen, frage mich dann aber: Warum haben Sie unseren Gesetzentwurf zum Polizeibeauftragten, der unabhängig gewesen wäre, abgelehnt? Da hätten Sie eine unabhängige Stelle einrichten können. Das wollten Sie aber leider nicht.

(Beifall von den GRÜNEN)

Dann noch einmal zu der Frage, worüber wir eigentlich reden: Reden wir über ein strukturelles Problem? Reden wir über Einzelfälle?

Ich habe gestern in der Haushaltsdebatte gezuckt, als Herr Löttgen sagte, wir müssten endlich eine Sprachregelung finden. Dazu muss ich Ihnen ganz klar sagen: Nein, wir müssen keine Sprachregelung finden, sondern wir müssen Probleme benennen. Darum geht es.

Es geht nicht um Kommunikation, sondern darum, dass wir seit Langem nicht mehr von Einzelfällen in der Polizei reden. Ja, der allergrößte Teil der Polizei ist natürlich demokratisch orientiert und steht auf dem Boden unserer Verfassung.

Ich habe eine sehr hohe Wertschätzung gegenüber unserer Polizei, die mit einem Topstudium wahrscheinlich die am besten ausgebildete Polizei ist, die wir derzeit haben. Wir haben supergute Leute, denen ich sehr vertraue. Nichtsdestotrotz muss man doch klar benennen, dass wir hier ein Problem haben, um es angehen zu können.

Wir werden – das haben Sie sich sicherlich schon gedacht – den Entschließungsantrag der CDU ablehnen. Es sind ein paar wichtige Punkte drin, über die ich auch froh bin, wie Supervision und Fortbildung. Dass Sie das aufgreifen, will ich ausdrücklich loben.

Es fehlen auch Sachen Dinge wie die Betroffenenperspektive, die Wissenschaft fehlt und der Verfassungsschutz als eine Sicherheitsbehörde sogar komplett.

Es tut mir leid: Eigentlich wollte ich mich in dieser Diskussion nicht so aufregen. Leider passiert es immer wieder.

Ich würde mich wirklich freuen, wenn wir auch weiter eine konstruktive Diskussion führen würden. Die Probleme sind zu groß, um sich nur zu streiten, aber Ihrem Antrag können wir leider nicht folgen.

(Beifall von den GRÜNEN und Andreas Bialas [SPD])