Zu unserem grünen Antrag zur Finanzierung von Förderprojekten gegen Rechtsextremismus und Rassismus

Verena Schäffer (GRÜNE): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sie wissen, wir wissen, Nordrhein-Westfalen ist ein Einwanderungsland. Unsere Gesellschaft ist geprägt von Vielfalt. Etwa 25 % der Bürgerinnen und Bürger in Nordrhein-Westfalen haben eine Migrationsgeschichte. Wenn wir uns nur die Zeit der Arbeitsmigration nach 1945 anschauen, dann sehen wir, dass Menschen ganz unterschiedlicher ethnischer, kultureller und religiöser Hintergründe selbst über einem halben Jahrhundert zusammen leben, arbeiten, lernen, feiern. Auch schon davor hat es Migrationsbewegungen gegeben, die unsere Gesellschaft ganz entscheidend geprägt haben.

Aber nicht alle sehen Vielfalt und Zuwanderung so positiv und als Chance für unsere Gesellschaft. Rassismus und auch andere menschenfeindliche Einstellungen kommen aus der Mitte der Gesellschaft, und sie richten sich nicht nur gegen diejenigen, die schon vor einiger Zeit oder eben auch neu zugewandert sind, sondern diese menschenfeindlichen Einstellungen richten sich auch gegen andere Minderheiten in unserem Land.

In den letzten Jahren hat es bei den politisch rechtsmotivierten Straftaten einen kontinuierlichen Anstieg gegeben. Es ist erschreckend. In den Jahren 2015 und 2016 stieg die Zahl der rechten Straftaten sprunghaft an. Verantwortlich dafür ist auch die rassistische Stimmungsmache von rechtspopulistischen Akteuren. Denn man muss sich immer vor Augen führen, dass rassistische und rechtspopulistische Äußerungen als Legitimation von Rechtsextremen genutzt werden, um Meinungen, um Einstellungen in Handeln umzusetzen und Menschen anzugreifen.

(Beifall von den GRÜNEN und Prof. Dr. Rainer Bovermann [SPD])

Da kann man eigentlich noch nicht so sehr klatschen, denn ich finde, vielmehr ist die Aussage wichtig, was das denn überhaupt bedeutet. Diese Feststellung ist erst einmal wichtig, aber ich meine, es gilt hier genauso wie bei der Debatte zum Thema „Antisemitismus“, dass jeder Angriff auf einen Menschen, jeder Angriff auf eine Person aufgrund von äußeren Merkmalen, aufgrund seiner Religion, seines Geschlechts ein Angriff auf unsere demokratische, auf unserer rechtstaatliche Gesellschaft ist. Dem müssen wir uns als Demokratinnen und Demokraten entgegenstellen.

(Beifall von Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE])

Um dieser Entwicklung entgegentreten zu können, brauchen wir so etwas wie ein abgestimmtes Konzept. Es gibt ja sehr viel im Land. Es gibt die verschiedenen Beratungsstellen, es gibt die Beratungsstellen gegen Rechtsextremismus, es gibt die Beratungsstellen für Opfer rechter Gewalt, es gibt auch Aussteigerprogramme. Wir haben also bereits eine breite Beratungslandschaft in Nordrhein-Westfalen. Es ist aber wichtig, dass diese verschiedenen Maßnahmen aufeinander abgestimmt sind und dass die Kommunen und die Zivilgesellschaft mit in die Arbeit gegen Rassismus und Rechtsextremismus einbezogen werden.

Deshalb haben wir als rot-grüne Koalition in der letzten Legislaturperiode auf Landesebene ein integriertes Handlungskonzept auf den Weg gebracht. Darüber hinaus haben wir gesagt das war ein Ergebnis des Handlungskonzeptes –, dass wir auch ein Förderprogramm für die Kommunen brauchen. Es gibt inzwischen 25 Kreise und kreisfreie Städte, die vom Land dafür gefördert werden, dass sie vor Ort Handlungskonzepte entwickeln und umsetzen.

Ich will hier einmal Dankeschön sagen an diejenigen, die das vor Ort machen. Zum einen bedanke ich mich bei den Kommunen, die sich beteiligen und gesagt haben, sowohl Geld zu beantragen als auch eigenes Geld hierfür aufzuwenden, obwohl die kommunale Haushaltslage überall sehr schwierig ist. Andererseits möchte ich mich bei denen in der Zivilgesellschaft bedanken, die konkret vor Ort diese Arbeit umsetzen.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)

Klar ist, und das ist meines Erachtens auch heute Morgen in der Debatte zum Antisemitismus sehr deutlich geworden, dass die Arbeit gegen Rechtsextremismus, gegen Rassismus eine Daueraufgabe demokratischer Gesellschaften ist und nachhaltig gestaltet werden muss.

Allerdings läuft das kommunale Förderprogramm „NRWeltoffen“, das Programm, aus dem die Kommunen gefördert werden, Ende dieses Jahres aus. Und das integrierte Handlungskonzept, das wir geschaffen haben, läuft Ende des nächsten Jahres aus. Deshalb brauchen wir so dringend die konkrete Aussage der Landesregierung darüber, ob sie denn diese Förderprogramme fortführen will. Es geht meiner Meinung nach nicht nur um die Fortführung, sondern es geht auch darum, dass die Kommunen, die bisher nicht daran teilnehmen – es sind bisher, wie gesagt, 25; da ist also noch Luft nach oben –, die Möglichkeit bekommen, sich zu bewerben, sodass das Programm landesweit ausgeweitet wird.

Gerade die Menschen, die haupt- und ehrenamtlich die Arbeit machen, brauchen eine Perspektive für ihre Arbeit und müssen wissen, ob es denn eigentlich danach weitergeht. Die Landesregierung hat gesagt, dass sie gerade dieses kommunale Förderprogramm evaluiert und danach entscheidet. Es läuft aber in einem halben Jahr aus. Ich finde, die Zeit ist zu kurz, um im Herbst eine Entscheidung zu treffen. Die Entscheidung brauchen wir jetzt. Wir brauchen jetzt die Zusage an die Kommunen, an die Projektträger, ob es weitergeht oder nicht. Das ist gerade unter dem Eindruck der aktuellen Stimmungsmache im Land, wenn ich an die Debatte denke, die wir heute Morgen zum Thema „Antisemitismus“ geführt haben und an die wir hier anknüpfen können, wichtig. Gerade unter dem Eindruck der derzeitigen Situation, ist es mehr als dringend geboten, dass die wichtige Arbeit gegen Rassismus und Rechtsextremismus fortgesetzt wird.

Zum Antrag der Fraktion der „AfD“ zum Thema „Heimat“

Verena Schäffer (GRÜNE): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich finde, dass dieser Antrag der AfD eines mal wieder ganz deutlich zeigt, und zwar dass das Gesellschaftsbild dieser Partei ganz offensichtlich nicht die Realitäten in diesem Lande widerspiegelt. Sie machen Heimat bzw. den Heimatbegriff hier zu einer Abstimmungsfrage. Ihr Kultur- und Heimatbegriff grenzt ganz gezielt Menschen aus, die seit Jahrzehnten bzw. Generationen hier leben und längst Bürgerinnen und Bürger dieses Landes sind. Wenn Sie Heimat als „kollektives, materielles und immaterielles Erbe, das Orientierung, Halt, Identität und Stärke verleiht“ bezeichnen, dann ist auch klar, dass Sie Muslimas und Muslime, die seit Generationen in Deutschland bzw. in Nordrhein-Westfalen leben, ganz offensichtlich hiervon ausgrenzen. Für Sie gehören diese Menschen nicht dazu.

(Beifall von den GRÜNEN)

Das wurde, wie ich finde, ja gerade in Ihrer Rede auch noch einmal sehr deutlich. Man muss hier auch noch einmal deutlich sagen, dass in dieser Rede auch der offene Rassismus, den es in der AfD gibt, noch einmal sehr stark zutage getreten ist.

(Beifall von den GRÜNEN)

Ich meine, Sie sollten endlich anerkennen, dass sich diese Gesellschaft laufend verändert, dass Minderheiten einen wichtigen Beitrag für unsere Gesellschaft leisten und im Übrigen auch maßgeblich zum Wohlstand unserer Gesellschaft beitragen.

(Zuruf von der AfD: Sie kennen wohl die Zahlen nicht!)

Natürlich verdient das Anerkennung. Dazu gehört auch staatliche Förderung von muslimischen Vereinen.

Man könnte ja fast Mitleid mit der AfD haben, weil sie sich so verzweifelt an der Vorstellung einer vermeintlich guten alten Zeit klammert, weil sie sich an Bräuche und Traditionen, die unverändert bleiben sollen, klammert und weil sie eine völlig eindimensionale Definition von kollektiver Identität hat. Man könnte also fast Mitleid mit Ihnen haben, wenn Sie nicht so feindselig und menschenverachtend wären. Ich glaube, man kann die Formulierung von einer staatlich finanzierten Islamisierung gar nicht anders verstehen. Es geht hier aber lediglich darum, dass muslimische Vereine natürlich auch das Recht auf eine staatliche Förderung haben.

(Beifall von den GRÜNEN)

Es ist schon interessant, wenn Sie in Ihrem Antrag eine Umfrage des Instituts für Demoskopie Allensbach umdeuten.

Präsident André Kuper: Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Beckkamp?

Verena Schäffer (GRÜNE): Klar!

Roger Beckamp (AfD): Vielen Dank, Frau Schäffer, für das Zulassen der Frage. Viele Dank auch für Ihr Mitleid in unsere Richtung. Ihren Rassismus-Vorwurf weisen wir zurück. Mich würde aber Folgendes interessieren: Im Rahmen einer in letzter Zeit durchgeführten Allensbach-Umfrage sagen 70 % der Menschen, dass sie ihre Heimat durch Zuwanderung als bedroht ansehen. Finden Sie das richtig? Und berücksichtigen Sie das irgendwie bei Ihren Überlegungen zum Begriff „Heimat“?

Verena Schäffer (GRÜNE): Auf genau diese Umfrage, die Sie in Ihrem Antrag zitieren, wollte ich gerade in meiner Rede zu sprechen kommen. – Eines ist aber eben auch ganz klar: Sie deuten hier die Zahlen auch ein Stück weit um. Die „FAZ“, die diese Studie in Auftrag gegeben hat, stellt fest, dass 78 % der Befragten die größte Gefahr für die Heimat darin sehen, dass alteingesessene Geschäfte schließen und große Ketten ihre Filialen eröffnen.

Erst danach kommt der Wert der Ängste aufgrund von Zuwanderung. Und ja, es stimmt, es ist keine kleine Zahl, wenn 69 % der Befragten Angst vor Zuwanderung angeben. Das ist nichts, worüber Politik hinwegsehen kann. Damit muss man sich auseinandersetzen, das ist völlig klar. In Ihrem Antrag erwecken Sie aber ganz bewusst den Eindruck, dass Migration die größte Sorge der Menschen sei.

(Dr. Christian Blex [AfD]: Sie ist es!)

Das mag auf Sie zutreffen, das mag auf die AfD und ihr Klientel zutreffen, aber das trifft eben nicht auf die gesamte Gesellschaft zu.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Es ist der typische Umgang der AfD mit Studien und mit Fakten, dass Sie für Ihre Zwecke alles umdeuten und instrumentalisieren und Studien umbiegen.

(Roger Beckamp [AfD]: Nur 70 %!)

Das finde ich gerade in diesem Kontext fatal, weil Sie damit Ängste und Vorurteile gegenüber Minderheiten schüren. Dazu werden Sie von uns als demokratische Abgeordnete in diesem Hause immer wieder deutlichen Widerspruch hören.

(Beifall von den GRÜNEN – Dr. Christian Blex [AfD]: In vier Jahren nicht mehr!)

Aber, Frau Scharrenbach und Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU, ich kann auch Ihnen ein paar Sätze zu Ihrer Heimatpolitik nicht ersparen. Ja – das sage ich offen und deutlich –, ich finde es redlich, dass Sie einen so offenen, integrativen und solidarischen Heimatbegriff vertreten wollen, aber ich finde, dass diese Debatte auch zeigt, welche Auswirkungen eine solche kopflose Einrichtung eines Heimatsressorts hat. Die Idee aus Bayern, mit einem Heimatsministerium auf eine Diskursverschiebung nach rechts zu reagieren, um Teile der Wählerklientel zurückzugewinnen, funktioniert aus meiner Sicht nicht.

(Beifall von den GRÜNEN)

Sie haben sowohl im Bund als auch hier in Nordrhein-Westfalen ein Ressort geschaffen, von dem Sie überhaupt nicht wissen, was es eigentlich tun soll.

Ich habe mir die Vorlage aus dem Ausschuss vom 15. März 2018 noch einmal durchgelesen. Darin finden sich eine Menge Maßnahmen, die ich gar nicht schlecht finde. Zum Beispiel ist es eine gute Sache, dass man das Ehrenamt fördern will. Aber diese ganzen geplanten Förderprojekte haben doch mit Heimat in dem Sinne nichts zu tun. Dieses Förderprojekt könnte genauso gut in den Bereichen „Kultur“, „politische Bildung“, „Integration“ oder „Kommunales“ angesiedelt werden. Dafür, Frau Scharrenbach, braucht man doch kein Heimatsministerium.

(Beifall von den GRÜNEN – Beifall von Carina Gödecke [SPD] – Zuruf von Daniel Sieveke [CDU])

Ich will für meine Fraktion klarstellen, dass Sie in Ihren anderen Zuständigkeitsbereichen, Frau Scharrenbach, Heimat zerstören, zum Beispiel im Hinblick auf die Heimat für Menschen mit Behinderung

(Daniel Sieveke [CDU]: Bitte?)

oder auch im Zusammenhang mit dem Kiesabbau, der durch den LEP bald wieder verschärft werden soll. Auch da werden Natur und Heimat zerstört. Ich finde, dass Ihre Politik, Frau Scharrenbach, hier nicht konsistent ist.

(Beifall von den GRÜNEN)

Um noch einmal auf das Heimatsressort zurückzukommen: Sie haben es eben nicht geschafft, ein Querschnittsthema daraus zu machen, es klar zu definieren und Maßnahmen zu bündeln. Sie haben mit diesem Ressort letztendlich ein diffuses Gefühl von Heimat geschaffen, das Sie jetzt krampfhaft zu füllen versuchen. Offenbar erweckt genau das bei den Falschen Erwartungen. Ehrlich gesagt: Ich glaube, dass man damit hätte rechnen können. Ich finde es fatal, dass Sie ein Ministerium mit diesem Titel einrichten, Sie es aber nicht schaffen, den Begriff auszufüllen. Es ist klar, dass andere versuchen, das für ihre Zwecke zu instrumentalisieren.

(Beifall von den GRÜNEN – Beifall von Carina Gödecke [SPD] und Stefan Kämmerling [SPD])

 

 

Zum Demokratie-Fördergesetz

Verena Schäffer (GRÜNE): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Antrag der SPD greift ein sehr elementares Thema auf, und zwar die langfristige und nachhaltige Förderung von Demokratie- und Präventionsprojekten.

Wenn man sich die Geschichte dieser Bundesprogramme anschaut – denn darüber diskutieren wir; wir reden nicht über politische Bildung seitens der Landes- oder Bundeszentrale für politische Bildung oder Ähnliches, sondern wir reden über die Bundesprogramme, die es derzeit schon gibt, und die einen sehr langen Vorlauf haben – dann stellt man fest, dass die ersten Präventionsprojekte in den 90er-Jahren gegründet wurden, und zwar aus einem ganz einfachen Anlass.

Anfang der 90er-Jahre mussten wir eine Serie von rassistischen Anschlägen erleben, auch hier in Nordrhein-Westfalen. In der Konsequenz haben sich daraus Präventionsprojekte entwickelt. Namentlich möchte ich das Programm „IDA-NRW“ nennen, das nach dem Anschlag in Solingen entwickelt worden ist. Das Land hat eine Förderung zugesagt, und es wird auch heute noch gefördert.

2001 hat dann die damalige rot-grüne Bundesregierung das erste Bundesprogramm „Jugend für Toleranz und Demokratie“ ins Leben gerufen. Diese Bundesprogramme wurden immer weiterentwickelt; das aktuelle Programm lautet „Demokratie leben“. Alle drei Jahre gibt es ein neues Bundesprogramm, und genau das ist der Kern des Problems.

In der Zwischenzeit hat sich sehr viel entwickelt. In Nordrhein-Westfalen haben wir nicht nur einzelne Projekte, sondern inzwischen gibt es hier eine ganze Beratungsstruktur und Beratungslandschaft, die fest verankert ist. Ich möchte beispielhaft die Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus, die Aussteigerberatung und seit 2011 auch die Beratung von Opfern rechtsextremer und rassistischer Gewalt anführen. Diese Programme werden vom Land gefördert, aber auch aus dem Bundesprogramm. Diese Träger- und leistet eine extrem wichtige Arbeit. Daneben gibt es auch eine Menge Modellprojekte.

Im Übrigen – das möchte noch in Reaktion auf den Redebeitrag von Herrn Hagemeier anführen – haben diese Bundesprogramme nicht nur den Fokus, Rassismus und Rechtsextremismus zu bekämpfen. Der Fokus ist inzwischen viel breiter geworden. Man hat gesagt: Wir müssen auch andere demokratiefeindliche und verfassungsfeindliche Phänomene angehen und bekämpfen, indem wir Prävention betreiben und indem wir Aussteigerberatungen anbieten. All das gehört zu den Bundesprogrammen dazu.

Die Tatsache, dass diese Bundesprogramme immer weitergeführt wurden – und das nicht nur unter einer rot-grünen Regierung, sondern auch unter Schwarz-Gelb und in der Großen Koalitionen –, macht sehr deutlich, dass alle Bundesregierungen, gleich welcher Konstellation, die Notwendigkeit dieser Bundesprogramme anerkannt und sie deshalb weitergeführt und weiterentwickelt haben. Das bestätigt die Notwendigkeit und die politische Akzeptanz dieser Bundesprogramme ebenso wie deren Evaluation. Alle Programme werden regelmäßig evaluiert, und sie erhalten regelmäßig gute Noten. Auch das macht die Notwendigkeit dieser Programme sehr deutlich.

Jetzt komme ich zum Problem mit der Programmlogik der Bundesprogramme. Die Programme haben – das hatte ich schon eingangs gesagt – immer eine dreijährige Laufzeit, und die Träger solcher Programme müssen jedes Mal einen neuen innovativen Ansatz wählen. Sie müssen jedes Mal sagen: Wir haben ein neues Projekt; wir haben einen neuen Fokus; wir sind wieder innovativ, und wir machen wieder ein neues Modell.

Das ist natürlich – wenn ich das, mit Verlaub, so sagen darf – Blödsinn. Wir alle wissen, dass die Träger die gute Arbeit, die sie vorher gemacht haben, auch weiterhin machen werden und sollen. Es ist eine Farce, zu glauben, dass es immer wieder etwas Neues gibt, wenngleich selbstverständlich auf neue Entwicklungen reagiert wird.

Es ist ja auch politisch gewollt, dass die Arbeit fortgeführt wird. Diese Form der Projektförderung führt jedoch dazu, dass jedes Jahr neue Förderanträge gestellt werden müssen, dass die Arbeitsverträge befristet sind, dass Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter immer eine gewisse Unsicherheit haben und sich zum Teil in Jobs wegbewerben, wo ihnen mehr Sicherheit geboten wird. Das bedeutet zudem – auch das ist in der Anhörung sehr klar gesagt worden –, dass es für die Beratungsnehmerinnen und -nehmer sowie für die Projektpartner immer eine Unsicherheit gibt, weil nicht klar ist, ob das Projekt danach noch weiterläuft oder nicht.

Es gibt also eine Menge Probleme, die damit zusammenhängen. Insofern glaube ich, dass ein Demokratiefördergesetz ein geeignetes Mittel ist, um hier für Nachhaltigkeit zu sorgen und Sicherheit zu schaffen. Frau Freimuth und Herr Hagemeier, das bedeutet im Übrigen nicht, dass es nicht auch eine Flexibilität geben kann. Ich gebe Ihnen recht: Es darf nicht zu mehr Bürokratie kommen. Wir brauchen aber die nachhaltige Struktur und Absicherung solcher Projekte, weil sie einfach elementar wichtig sind.

(Beifall von den GRÜNEN)

Ich erinnere daran, dass es den NSU-Untersuchungsausschuss nicht nur hier im Lande gab, sondern auch zwei auf Bundesebene. Dort wurde sehr deutlich gesagt: Wir brauchen diese langfristige Finanzierung. Das haben alle im Deutschen Bundestag vertretenen Fraktionen so anerkannt; es ist aber leider nicht umgesetzt worden.

Da muss ich leider auch in Richtung SPD sagen: Wenn man sich den aktuellen Koalitionsvertrag anschaut, dann stellt man im Vergleich zu dem Koalitionsvertrag von 2013 eine Abschwächung hinsichtlich dieser Vereinbarung fest. 2013 war man aus meiner Sicht zwar sehr schwammig – das ging mehr in Richtung Prüfauftrag –, aber man war doch einen Schritt weiter. Ich persönlich finde es sehr enttäuschend, dass man hier offenbar einen Schritt zurück gemacht hat.

Zur Wahrheit – das will ich hier ebenfalls so klar benennen – gehört aber auch: Die SPD hat im Kabinett schon längst einen Gesetzentwurf vorgelegt. Wer da im Deutschen Bundestag blockiert, ist die CDU. Das gehört hier ganz klar benannt.

Gerade weil wir in Nordrhein-Westfalen solche demokratiefeindlichen Bestrebungen und Organisationen erleben, will ich die Zahlen nennen: Jeden zweiten Tag wird in Nordrhein-Westfalen ein Mensch Opfer von rechter Gewalt, oft sogar noch häufiger. Dabei rede ich jetzt nur über das Phänomen „Rechtsextremismus“; ich bin da noch gar nicht beim Phänomen „Salafismus“.

Gerade wir Nordrhein-Westfalen müssen klar sagen, dass wir diese Programme brauchen.

Ich will aber nicht nur alles auf den Bund schieben, sondern – Frau Pfeiffer-Poensgen wird gleich noch reden – auch das Land muss in die Pflicht genommen werden. Auch das hat die Anhörung noch einmal sehr deutlich gemacht.

(Beifall von den GRÜNEN)

Frau Pfeiffer-Poensgen, Sie hören mir jetzt leider gerade nicht zu, aber vielleicht einer Ihrer Mitarbeiter, und Sie können mir dann gleich die Frage beantworten. Das Förderprogramm für die kommunalen Handlungskonzepte läuft Ende dieses Jahres aus. Ich habe von der Landesregierung bisher noch nicht gehört, ob es fortgeführt wird oder nicht. Auch das Handlungskonzept gegen Rassismus und Rechtsextremismus läuft Ende 2019 aus. Auch da, Frau Pfeiffer-Poensgen, bin ich sehr gespannt auf Ihre Äußerungen, was die Landesregierung hier plant.

Denn auch hier ist es so: Die Programme laufen aus, und Sie sind in der Pflicht, diese weiter- zuführen. Eigentlich müssten wir noch einen Schritt weitergehen; denn auch das hat die Anhörung erbracht: Wir brauchen eigentlich ein Landesfördergesetz, ein Landesprogramm.

Das hat der NSU-Untersuchungsausschuss bei uns im Landtag in der letzten Legislaturperiode einstimmig als Handlungsempfehlung beschlossen. Noch einmal zur Erinnerung: Mehrere Mitglieder des NSU-Untersuchungsausschusses sitzen jetzt in der Regierung: Frau Gebauer, Herr Biesenbach, Herr Stamp und Frau Güler. Alle vier waren Mitglieder des NSU-Untersuchungsausschusses hier im Landtag. Wir haben das dort einstimmig als Handlungsempfehlung beschlossen, und ich erwarte und gehe davon aus, dass diese Landesregierung das, was vom NSU-Untersuchungsausschuss in der letzten Legislaturperiode noch empfohlen wurde, jetzt auch umsetzt. Ich bin wirklich gespannt darauf, was Sie machen werden. Wir werden das sehr genau beobachten.

Noch eine letzte Bemerkung. Ich weiß, die Redezeit ist gleich vorbei. Heute ist der Internationale Tag gegen Rassismus. Ich hätte es für ein gutes und sehr starkes Signal gehalten, wenn wir gerade an einem solchen Tag ein derart wichtiges Thema gemeinsam beschlossen hätten. Ich finde es sehr schade, dass das nicht der Fall ist. Das wäre ein wichtiges Signal gewesen. Die Baustellen sind riesig. Wir müssen gegen Demokratiefeindlichkeit und Rassismus vorgehen. Da sind wir alle miteinander gefragt. – Herzlichen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)

Pressemitteilung: Rechte Straftaten im Ennepe-Ruhr-Kreis erneut stark gestiegen

Aus aktuellen Statistiken des NRW-Innenministeriums zu den Kleinen Anfragen der Wittener Landtagsabgeordneten und innenpolitischen Sprecherin der Landtagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen, Verena Schäffer MdL, geht hervor, dass die Zahl rechten Straftaten landesweit von 4.700 im Jahr 2016 auf 3.764 im Jahr 2017 gesunken ist.

Dazu erklärt Verena Schäffer MdL:
„Ende 2014 begann mit dem Aufkommen der Pegida-Demonstrationen und der beginnenden Radikalisierung der AfD der massive und sprunghafte Anstieg rechtsextremer Gewalttaten. Der aktuelle Rückgang kann also nicht darüber hinwegtäuschen, dass wir in Nordrhein-Westfalen weiterhin ein deutliches Problem mit Rechtsextremismus und Rassismus haben.

Alarmierend ist, dass im Gegensatz zur landesweiten Entwicklung die Anzahl politisch rechts motivierter Straftaten im Ennepe-Ruhr-Kreis von 65 Straftaten in 2016 auf 77 Straftaten 2017 gestiegen ist. Besonders stark gestiegen sind die Zahlen in Witten von 25 in 2016 auf 35 in 2017 sowie in Hattingen von 8 in 2016 auf 14 in 2017. Ein Anstieg ist auch in Wetter von 3 Straftaten in 2016 auf 7 in 2017 zu verzeichnen. In Ennepetal ist glücklicherweise ein Rückgang zu verzeichnen. Das muss für uns weiterer Ansporn sein, uns aktiv gegen Rechtsextremismus und Rassismus vor Ort zu engagieren.

Die Landesregierung ist in der Pflicht, die Kommunen dabei zu unterstützen. Deshalb muss sie die kommunalen Handlungskonzepte gegen Rechtsextremismus und Rassismus im Programm NRWeltoffen auch über das Jahr 2018 hinaus weiter fördern. Der Ennepe-Ruhr-Kreis erhält Gelder aus dem Landesprogramm. Wir fordern von der schwarz-gelben Landesregierung, dass es fortgesetzt werden kann.“

Zum Hintergrund die Straftaten in den einzelnen Städten des Ennepe-Ruhr-Kreises:

Breckerfeld: 2017: 0 (davon 0 Gewaltdelikte); 2016: 0 (davon 0 Gewaltdelikte);
Ennepetal: 2017: 2 (davon 0 Gewaltdelikte); 2016: 5 (davon 1 Gewaltdelikt);
Gevelsberg: 2017: 3 (davon 0 Gewaltdelikte); 2016: 2 (davon 0 Gewaltdelikte);
Hattingen: 2017: 14 (davon 0 Gewaltdelikte); 2016: 8 (davon 0 Gewaltdelikte);
Herdecke: 2017: 2 (davon 0 Gewaltdelikte); 2016: 2 (davon 0 Gewaltdelikte);
Schwelm: 2017: 11 (davon 3 Gewaltdelikte); 2016: 8 (davon 0 Gewaltdelikte);
Sprockhövel: 2017: 3 (davon 0 Gewaltdelikte); 2016: 3 (davon 0 Gewaltdelikte);
Wetter: 2017: 7 (0 davon Gewaltdelikte); 2016: 3 (davon 0 Gewaltdelikte);
Witten: 2017: 35 (davon 0 Gewaltdelikte); 2016: 25 (davon 0 Gewaltdelikte);

Kommunalinfo: Rechte Straftaten im Jahr 2017

08Liebe Freundinnen und Freunde,
sehr geehrte Damen und Herren

wir fragen regelmäßig die aktuellen Zahlen zu politisch rechts motivierten Straftaten ab und haben nun die Zahlen für das Jahr 2017 vorliegen.

Politisch motivierte Kriminalität Rechts im Jahr 2017

Wie wir bereits anhand der Zahlen zur politisch motivierten Kriminalität im ersten Halbjahr 2017 ablesen konnten, ist mit 3.764 Straftaten im Jahr 2017 ein Rückgang zu verzeichnen. Nachdem die Zahlen seit der zweiten Jahreshälfte 2014 sprunghaft angestiegen waren, kann die aktuelle Entwicklung kaum beruhigen. Denn wir befinden uns weiterhin deutlich über dem Niveau von 2014 mit 3.286 Straftaten (2015: 4.437; 2016: 4.700). Auch die Zahl der rechtsextrem motivierten Gewalttaten befindet sich mit 206 Straftaten und darunter 172 Körperverletzungsdelikten weiterhin auf einem sehr hohen Niveau.

Die meisten Straftaten wurden erneut in Dortmund begangen (250). Auch in Köln (220), Wuppertal (188), Düsseldorf (171) und Essen (148) wurden sehr viele Straftaten verübt.

Im Themenfeld Hasskriminalität wurden 1.563 Straftaten im Jahr 2017 erfasst, was deutlich über dem Niveau von 2014 mit 1.020 Straftaten liegt. Die Straftaten im Themenfeld Hasskriminalität stehen weiterhin an zweiter Stelle hinter dem Themenfeld Nationalsozialismus/Sozialdarwinismus (2.430). Jedoch ist bei Betrachtung der Verteilung der Gewalttaten nach Themenfeldern festzustellen, dass hier die Hasskriminalität mit 154 Fällen sehr deutlich vor dem Themenfeld Nationalsozialismus/Sozialdarwinismus (48) steht. Insgesamt sind 1.544 „fremdenfeindliche“, 294 „antisemitische“, 219 „islamfeindliche“ und 181 „rassistische“ Straftaten verübt worden.

Antisemitische Straftaten

Die Zahl der antisemitischen Straftaten ist mit 324 Fällen im Vergleich zu 2016 (297) sichtbar gestiegen. 294 dieser Straftaten hatten einen rechtsextremen Hintergrund, 17 wurden dem Phänomen „Ausländische Ideologie“ und 6 dem Themenfeld „Religiöse Ideologie“ zugeordnet. Die meisten antisemitischen Straftaten wurden in Köln (20), Essen (19), Dortmund (18), Düsseldorf (17) und Wuppertal (14) verübt.

Islamfeindliche Straftaten

Da die islamfeindlichen Straftaten erst seit dem 1. Januar 2017 gesondert erfasst werden, kann hier noch keine wirkliche Entwicklung nachgezeichnet werden. Jedoch lässt sich festhalten, dass in der zweiten Jahreshälfte 2017 mehr Straftaten verzeichnet wurden, als in der ersten. Im ersten Halbjahr waren es 93 Straftaten, im gesamten Jahr 2017 waren es 239. Einen rechtsextremen Hintergrund hatten 219 Straftaten. Bei 15 Straftaten war der Hintergrund nicht zuzuordnen. 2 Straftaten wurden der politisch motivierten Kriminalität – Links und 2 Straftaten der politisch motivierten Kriminalität – Religiöse Ideologie zugeordnet. Die meisten islamfeindlichen Straftaten wurden in Köln (26), Duisburg (24), Wuppertal (21), Dortmund (20) und Remscheid (13) begangen.

Flüchtlingsfeindliche Straftaten

Die flüchtlingsfeindlichen Straftaten sind mit 181 Straftaten auf einen Wert unter dem des Jahres 2015 (243) gesunken, sind aber deutlich über dem Niveau von 2014 (25). Hinter der Zahl von 181 Straftaten stehen 38 Gewaltdelikte sowie 30 Körperverletzungsdelikte mit 71 Geschädigten.

Schwarz-Gelb muss Handlungskonzept und Förderprogramm gegen Rechtsextremismus fortsetzen

Trotz des Rückgangs der politisch rechts motivierten Straftaten im Jahr 2017 im Vergleich zum Vorjahr, ist es wichtig zu sehen, dass sich diese Taten sehr gezielt aufgrund von Merkmalen wie Hautfarbe, ethnischer Herkunft oder Religion gegen Menschen gerichtet haben. Eine vielfältige demokratische Gesellschaft kann sich hier also nicht zurücklehnen, sondern muss sich aktiv gegen rechte Hassreden und Gewalt einsetzen. Ebenso ist aber auch die Politik in der Pflicht gegen Rechtsextremismus und Rassismus vorzugehen. In der rot-grünen Regierungszeit haben wir die Beratungsstrukturen gegen Rechtsextremismus deutlich gestärkt. CDU und FDP müssen diese Förderung beibehalten und das Ende 2019 auslaufende Handlungskonzept gegen Rechtsextremismus und Rassismus in NRW fortführen. Zudem läuft Ende 2018 das Förderprogramm NRWeltoffen, aus dem Städte und Kreise gefördert werden, um ein kommunales Handlungskonzept gegen Rechtsextremismus und Rassismus zu erstellen, aus. Auch dieses kommunale Förderprogramm muss von der neuen Landesregierung fortgesetzt werden. Darüber hinaus müssen endlich auch die Handlungsempfehlungen des NSU-Untersuchungsausschusses des Landtags NRW aus der letzten Legislaturperiode umgesetzt werden. Die Handlungsempfehlungen wurden damals einstimmig von allen Fraktionen – CDU, SPD, GRÜNE, FDP und Piraten – beschlossen. Leider finden sie sich nicht im Koalitionsvertrag von CDU und FDP wieder. Wir GRÜNE fordern die neue Landesregierung auf, diese Handlungsempfehlungen nun auch umzusetzen.

Für Nachfragen stehen unsere wissenschaftliche Mitarbeiterin für Strategien gegen Rechtsextremismus, Hasret Karacuban (Hasret.Karacuban@landtag.nrw.de, 0211 884 4321), und ich gerne zur Verfügung.

Herzliche Grüße aus dem Landtag

Viele Grüße

Verena Schäffer

Zum Antrag der Fraktionen CDU und FDP: Antisemitismus kompromisslos bekämpfen

Verena Schäffer (GRÜNE): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Gestern war der letzte Abend des achttägigen Chanukka-Festes. Auch hier im Landtag wurde auf Einladung des Präsidenten die Entzündung der dritten Kerze der Chanukkia, des acht-bzw. neunarmigen Leuchters, gefeiert.

Chanukka ist eigentlich ein freudiges Ereignis im Judentum; denn die Jüdinnen und Juden feiern mit dem Chanukka-Fest den Sieg der Makkabäer und die Wiedereinweihung des zweiten Jerusalemer Tempels im Jahr 164 vor Christus. Aber Chanukka steht auch noch für etwas anderes. Chanukka ist auch das Symbol für ein lebendiges jüdisches Leben, das trotz Verfolgung und Pogrom seit der Antike über die furcht-bare Vernichtungspolitik in der NS-Zeit bis hin zu aktuellen Erscheinungsformen des Antisemitismus immer wieder neu aufgebaut wurde. Ich und wir – ich denke, ich darf das so sagen – sind froh, dass Nordrhein-Westfalen heute wieder Heimat von vielen Jüdinnen und Juden ist.

(Beifall von den GRÜNEN, der CDU und der SPD –Vereinzelt Beifall von der FDP)

In diesem Jahr fanden die öffentlichen Chanukka-Feierlichkeiten unter einem ganz besonderen Schutz statt. Ähnlich wie im Jahr 2014 während des Gaza-Kriegs erleben wir derzeit wieder einen offenen Antisemitismus einiger Menschen palästinensischen und arabischen Hintergrunds bei Protesten hier in Deutschland. Es ist bedauerlich, es ist aber auch verständlich, dass die Jüdische Gemeinde Duisburg-Mülheim ihre öffentliche Chanukka-Feier aus Sicherheitsbedenken abgesagt hat. Ich will aber auch deutlich machen, dass ich hohes Vertrauen in die Sicherheitsbehörden in Nordrhein-Westfalen habe. Die Sicherheitsbehörden – die Polizei und der Verfassungsschutz – tun alles dafür, dass die Einrichtungen und Feierlichkeiten der jüdischen Gemeinden geschützt werden.

(Beifall von den GRÜNEN –Vereinzelt Beifall von der CDU, der SPD und der FDP)

Bei antisemitischer Gewalt in Nordrhein-Westfalen denke ich ganz besonders an zwei Ereignisse: Einmal denke ich an den Brandanschlag von drei jungen Männern mit palästinensischem Hintergrund auf die Synagoge in Wuppertal in der Nacht vom 28. auf den 29. Juli 2014. Ich denke aber auch an den Anschlag auf Menschen jüdischen Glaubens in Düsseldorf-Wehrhahn im Jahr 2000. Dabei wurden zehn Menschen verletzt, und ein ungeborenes Kind wurde getötet. Vor zwei Wochen erst wurde Anklage gegen den mutmaßlichen Täter, einen Neonazi, erhoben. Diese beiden Beispiele machen sehr deutlich, dass der Antisemitismus in den unterschiedlichsten Erscheinungsformen und aus den unterschiedlichsten politischen Motiven auftritt. Es gibt den Antisemitismus unter einigen Menschen mit arabischem oder palästinensischem Hintergrund, der auch im Kontext des Nahostkonflikts zu sehen, aber nicht zu rechtfertigen ist. Es gibt den Antisemitismus als Kernbestandteil des Rechtsextremismus, auch wenn manche rechtspopulistischen und rechtsextremen Parteien vorgeben, sich davon zu distanzieren, um im selben Atemzug gegen Musliminnen und Muslime zu hetzen.Es gibt antisemitische Vorurteile, die mal offen und mal versteckt, zum Beispiel als Israel-bezogener Antisemitismus, in weiten Teilen der Bevölkerung – auch in linken Milieus –zutage treten.Gegen alle Formen dieses Antisemitismus müssen wir vorgehen.

(Beifall von den GRÜNEN –Vereinzelt Beifall von der CDU, der SPD und der FDP)

Aber mir ist auch wichtig: Die Berichte von Menschen jüdischen Glaubens machen deutlich, dass es nicht nur die Spitzen antisemitischer Gewalt sind. Was ihnen und auch mir Sorge bereitet, ist die Diskriminierung von Jüdinnen und Juden, die es im Alltag gibt und die zunimmt. Jüdische Schülerinnen und Schüler berichten davon, dass sie Mobbing und Beschimpfungen auf dem Schulhof ausgesetzt sind. Genau diese Erfahrungen waren ja der Anlass für die jüdische Gemeinde in Düsseldorf, vor einigen Wochen die Antidiskriminierungsstelle SABRA zu eröffnen. Diese Stelle berät in Fällen von Rassismus und Antisemitismus. Allein dass es die Notwendigkeit gibt, eine solche Stelle einzurichten, zeigt schon, wie groß der Bedarf ist. Das ist beschämend und ein Zustand, den wir nicht hinnehmen können.

(Beifall von den GRÜNEN –Vereinzelt Beifall von der CDU, der SPD und der FDP)

Um einmal vom Floskelhaften wegzukommen: Was heißt das konkret für die Politik? Das heißt, dass wir die Auseinandersetzung brauchen, die Diskussion über antisemitische, über rassistische Vorurteile und Einstellungen. Wir brauchen den Dialog zwischen den unterschiedlichen gesellschaftlichen Gruppen.Dafür gibt es Beispiele, wie seit einigen Jahren das Abrahamische Forum des Interkulturellen Rates. Es gab hier in Düsseldorf das wirklich tolle Projekt „Ibrahim trifft Abraham“ für jüdische, muslimische und christliche Jugendliche. Im nächsten Jahr soll zum 18. Mal das Abrahams-fest mit vielen Veranstaltungen für christliche, muslimische und jüdische Akteure aus Marl und Recklinghausen gefeiert werden. Wir brauchen auch mehr niedrigschwellige Angebote. Dafür gibt es Vorbilder, zum Beispiel die Kreuzberger Initiative gegen Antisemitismus, die sehr niedrigschwellig tätig ist und mit den muslimischen Communities zusammenarbeitet. Wir brauchen genau diese Einbindung der muslimischen Akteure.Ich habe die Schülerinnen und Schüler angesprochen.Natürlich müssen wir auch die Lehrerinnen und Lehrer im Umgang mit Fällen von Diskriminierung, von Antisemitismus in der Schule stärken, damit sie angemessen reagieren können. Auch müssen wir einmal hinterfragen, inwiefern die Polizeiliche Kriminalstatistik, also die Erfassung von antisemitischen Straftaten, eigentlich vollständig ist; denn wenn man sich die Zahlen der Polizeilichen Kriminalstatistik ansieht, stellt man fest, die Zahlen sind auf einem gleichbleibenden Niveau. Sie steigen leicht an, aber wir haben keine große Kurve. Insofern gehe ich davon aus, dass es eine hohe Dunkelziffer gibt. Dann müssen wir diese Dunkelziffer doch aufarbeiten und schauen, was eigentlich dahintersteckt. Was erfassen und sehen wir nicht, das aber vorhanden ist?

(Beifall von den GRÜNEN –Vereinzelt Beifall von der CDU, der SPD und der FDP)

Wichtig ist auch – vielleicht ist das sogar das Wichtigste –, dass wir verantwortlich mit dem Thema und differenziert mit dem Phänomen umgehen, dass wir ganz klar Probleme benennen, aber Minderheiten nicht gegeneinander ausspielen und nicht von einem importierten Antisemitismus sprechen, weil das Negieren würde, dass Antisemitismus und Judenhass seit Jahrhunderten in Deutschland verankert sind.

(Beifall von den GRÜNEN –Vereinzelt Beifall von der CDU, der SPD und der FDP)

Das sage ich auch mit Blick auf eine Fraktion, die gleich nach mir noch reden wird, eine Fraktion, die in diesem Parlament ist, in deren Partei Holocaustverharmloser und Wehrmachtsverehrer in höchste Ämter gewählt werden. Uns Demokratinnen und Demokraten eint doch eines: Wir sehen jüdisches Leben als festen Bestandteil unserer vielfältigen Gesellschaft an und verurteilen jegliche Form von Antisemitismus. –Herzlichen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN, der CDU, der SPD und der FDP –Markus Wagner [AfD]: Lippenbekenntnisse!)