Für demokratische Werte einstehen – Gedanken zu den Correctiv-Recherchen

Rechtsextreme Ideologien bedeuten in ihrer Konsequenz Ausgrenzung, Gewalt und Vernichtung. Einige Gedanken zu den wichtigen Recherchen von Correctiv:

Die AfD ist eine rechtsextreme Partei, die ihre rassistischen Ziele durchsetzen will und konkrete Konzepte dafür entwirft. Daran arbeitet sie gemeinsam mit rechtsextremen Intellektuellen. Sie wird dabei von finanzstarken Unternehmer*innen unterstützt. Das ist schon lange klar. Wie gezielt das rassistische Projekt „Remigration“ verfolgt wird und wie weit rechtsextreme Netzwerke vorangeschritten sind, ist erschreckend. Es ist nach der Gruppe um Prinz Reuß die Aufdeckung des zweiten rechtsextremen Netzwerks, an dem Führungspersonen aus der AfD beteiligt sind. Die AfD ist eine ernste Gefahr für unsere Demokratie!

Dieser Gefahr müssen wir entschieden entgegentreten. Die Sicherheitsbehörden müssen hier sehr genau hinsehen und bei strafrechtlich relevantem Handeln konsequent einschreiten. Die AfD muss bundesweit als gesichert rechtsextreme Bestrebung vom Verfassungsschutz beobachtet werden, damit auch nachrichtendienstliche Mittel eingesetzt werden können.

Beobachtung durch den Verfassungsschutz, Strafverfahren gegen einzelne Personen oder Verbote allein werden die rechtsextremen Netzwerke in Deutschland und NRW jedoch nicht aufhalten können. In den vergangenen Jahren hat eine deutliche Diskursverschiebung nach rechts eingesetzt und schreitet immer weiter voran. Es bereitet mir schlaflose Nächte,

… wenn ich daran denke, dass die Zustimmung zu rassistischen, antisemitischen und andere menschenverachtenden Einstellungen so stark angestiegen ist

… wenn ich daran denke, dass der Widerspruch zu rassistischen Aussagen zu oft ausbleibt und auch Politiker*innen der CDU oder der FW immer mehr Repression in der Flüchtlingspolitik fordern

… wenn ich daran denke, dass Rechtsextreme sich gezielt vernetzen, um Vertreibungsfantasien in konkrete Pläne zu gießen.

Wir dürfen diese Angriff auf unsere vielfältige Gesellschaft nicht dulden! Es ist höchste Zeit, die Diskursverschiebung wieder zurückzudrehen und noch deutlicher für Minderheitenrechte und demokratische Werte einzustehen!

Zu extremistischen Tendenzen der Sicherheitsbehörden in NRW

Extremistische Tendenzen der Seicherheitsbehörden in NRW

Meine Rede zu extremistischen Tendenzen der Sicherheitsbehörden in NRW

 

Verena Schäffer (GRÜNE): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bin sehr froh, dass in die Diskussion über wissenschaftliche Studien zu Einstellungen in der Polizei endlich ein bisschen Bewegung kommt, auch wenn der Minister jetzt nur Teilaspekte untersuchen will.

Ich möchte gerne noch einmal an die Debatte in der letzten Plenarrunde erinnern. Da sagte der Innenminister – Zitat –:

„Ich denke nur nicht, dass es eine große weltumfassende Studie bringt – am besten noch von einem Professor, der vorher schon weiß, was nachher herauskommt, und bei der es wahrscheinlich nur darum geht, sie zu finanzieren.“

Herr Minister, ich finde, das war nicht nur wissenschaftsfeindlich, sondern Sie haben sich da ganz offenbar in etwas verrannt, aus dem Sie jetzt gesichtswahrend wieder herauskommen müssen. Wir kennen das ja.

(Beifall von den GRÜNEN)

Herr Minister, wir helfen Ihnen da sehr gerne. Die Fraktionen von CDU und FDP müssen einfach unserem Antrag zustimmen. Dann gibt es einen sehr klaren Handlungsauftrag vom Parlament. Dann sind Sie raus. Dann können Sie sagen: Das Parlament hat mich beauftragt. – Und dann können wir diese Studie machen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Bitte stimmen Sie deshalb dem Antrag zu. Helfen Sie damit auch dem Minister.

Wenn es Aussagen gibt, denen in Studien von Befragten zugestimmt wird, wenn Aussagen wie – Zitat – „Die Weißen sind führend in der Welt“ eine Zustimmung von über 10 % bekommen, wenn die Aussage – Zitat – „Juden haben in Deutschland zu viel Einfluss“ über 8 % Zustimmung erhält oder wenn die Aussage „Muslimen sollte die Zuwanderung nach Deutschland untersagt werden“ über 17 % Zustimmung in Studien erfährt, dann muss man festhalten, dass wir ein Problem mit rassistischen, mit antisemitischen, mit islamfeindlichen Einstellungen in der Gesellschaft haben.

Man könnte das noch mit weiteren Aussagen fortführen. Ich will darauf hinweisen, dass diese Ergebnisse aus der letzten Einstellungsstudie von Andreas Zick, Beate Küpper und vielen anderen mit dem Titel „Verlorene Mitte – feindselige Zustände …“ stammt.

Das ist übrigens genau die Studie, die von vielen jetzt zum Thema „Einstellungen in der gesamten Gesellschaft“ gefordert wird. Diese Studien gibt es seit vielen Jahren. Wir wissen, dass wir ein Problem in der Mitte der Gesellschaft haben.

Dass rassistische und andere Ungleichwertigkeitsvorstellungen nicht mit dem Einloggen mit dem Chip von behördlichen Zeiterfassungssystemen morgens an der Behördentür abgelegt werden, sondern in den öffentlichen Dienst und auch in die Sicherheitsbehörden mitgenommen werden, muss jedem klar sein.

Das Problem ist allerdings: Gerade der öffentliche Dienst ist an unsere Verfassung gebunden. Der Staat darf niemanden diskriminieren. Er muss aktiv für einen Diskriminierungsschutz sorgen.

Gerade bei den Sicherheitsbehörden – bei der Polizei, beim Verfassungsschutz – können rassistische und rechtsextreme Einstellungen zu fatalen Fehleinschätzungen führen. Wenn Einstellungen Einfluss auf Ermittlungen nehmen und Opfer kriminalisiert werden, wie wir es am Fall des NSU erlebt haben, wenn rassistisch oder antisemitisch motivierte Straftaten nicht als solche erkannt werden, wenn rassistische Positionen möglicherweise zu einer Blindheit führen, die eine Verharmlosung der rechtsextremen Szenen zur Folge hat, schwächt das das Vertrauen in die Sicherheitsbehörden. Das führt dann auch dazu, dass sich bestimmte Gruppen nicht mehr an die Polizei wenden.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, das darf nicht sein, weil alle Menschen darauf vertrauen können müssen, dass sie unabhängig von Herkunft, Hautfarbe und anderen Merkmalen von unserer Polizei geschützt werden. Deshalb sind diese Einstellungen in der Polizei und im Verfassungsschutz unter keinen Umständen zu dulden.

(Beifall von den GRÜNEN)

Sie sind auch nicht zu dulden – das möchte ich noch einmal explizit benennen –, weil es um den Diskriminierungsschutz innerhalb der Behörde geht, weil es darum geht, dass Beschäftigte innerhalb der Behörde, die selbst einer Minderheit angehören, nicht diskriminiert werden dürfen.

Unsere Polizei wirbt um Vielfalt. Sie wirbt damit, dass sie die Vielfalt dieser Gesellschaft abbildet. Das muss so bleiben, weil wir diese Vielfalt der Gesellschaft auch in den Behörden brauchen und dafür werben müssen.

Ja, Herr Minister, selbstverständlich wird und kann eine Studie zu Einstellungsmustern in der Polizei keine Zauberlösung sein. Das sagt auch niemand. Aber eine Studie kann wichtige Erkenntnisse liefern, auf denen wir Gegenmaßnahmen aufbauen können und nachsteuern können, um Gegenmaßnahmen zu verbessern.

Meines Erachtens zeigen die bekannt gewordenen Fälle beim Verfassungsschutz auch, dass wir die ganze Diskussion nicht allein auf die Polizei verengen dürfen. Das passiert mir hier gerade viel zu sehr. Wir fokussieren hier immer auf die Polizei. Wir müssen auch über Einstellungen und über Mechanismen im Verfassungsschutz als Sicherheitsbehörde sprechen; denn es darf nicht sein, dass es ein Klima gibt, in dem menschenverachtenden Aussagen nicht widersprochen wird.

(Beifall von den GRÜNEN)

Deshalb haben wir unseren Antrag auch durch einen Neudruck verändert. Wir haben ihn noch einmal verändert und gesagt: Eine Studie darf sich nicht nur auf die Polizei beziehen, sondern wir brauchen eine Studie für beide Behörden; wir müssen die Sicherheitsbehörden insgesamt in den Blick nehmen.

Herr Minister, als grüne Fraktion haben wir in unserer Fraktionssitzung vorgestern einen Vorschlag für weitergehende Forderungen verabschiedet. Es sind zehn Punkte geworden. Es hätten auch mehr oder weniger werden können. Aber wir haben zehn Punkte. Wir erheben gar nicht den Anspruch, dass das irgendwie der Weisheit letzter Schluss ist. Sicherlich gibt es auch noch andere Forderungen. Wir sind sehr gerne bereit, über unsere Punkte auch kritisch und kontrovers zu diskutieren.

Ich möchte hier nur einige Punkte nennen.

Thema „Beirat/Sonderbeauftragter“: Wir unterstützen Sie darin, dass Sie einen Sonderbeauftragten für rechtsextremistische Tendenzen in der Polizei eingerichtet haben. Das finden wir richtig; da unterstützen wir Sie. Aber wir wollen, dass diesem Sonderbeauftragten ein Beirat mit Personen aus Wissenschaft und Zivilgesellschaft, die auch einen Blick von außen in die Arbeit des Sonderbeauftragten einbringen können, an die Seite gestellt wird.

Wir wollen, dass es auch innerbehördliche Maßnahmen wie zum Beispiel das Thema „Rotation“ gibt. Ich glaube, dass wir über das Grundprinzip „Rotation“ sprechen müssen. So etwas existiert bislang nicht. Meines Erachtens ist das aber wichtig, und zwar in beiden Behörden, in der Polizei und im Verfassungsschutz, damit sich so etwas wie ein falsch verstandener Korpsgeist nicht entwickeln kann.

Wir brauchen verpflichtende Fortbildungsmaßnahmen. Wir brauchen die Verankerung von Supervision auch als Maßnahme der Verantwortung und Fürsorgepflicht des Dienstherrn gegenüber seinen Beschäftigten.

Das sind nur wenige Beispiele, weil die Redezeit einfach nicht ausreicht. Aber ich erwarte von dieser Regierungskoalition, dass sie sich unsere Vorschläge anschaut, dass sie sie prüft und dass sie sie einbezieht.

Herr Reul, Sie haben in der letzten Debatte an die Gemeinsamkeit appelliert. Wir sind sehr gerne bereit, mitarbeiten. Das haben wir Ihnen schon gesagt. Aber ich erwarte dann auch, dass unsere Vorschläge mindestens genauso ernsthaft überprüft werden und Sie sie mit in die Überlegungen einbeziehen. – Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN)

Der zweite Redebeitrag zu diesem Tagesordnungspunkt von

Verena Schäffer (GRÜNE): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich finde, ein bisschen Streit ist doch eigentlich ganz gut. Die Debatte ist doch ein Wesenskern der Demokratie; insofern sehe ich darin überhaupt kein Problem.

Herr Sieveke, es gibt zwei Grundprobleme, weshalb wir in diesen Diskussionen so häufig aneinander vorbeireden:

Das erste Grundproblem ist, dass Sie uns Grünen immer dann, wenn wir im Innenausschuss Themen angemeldet haben, bei denen wir Probleme innerhalb der Polizei gesehen haben – und zwar im besten Sinne einer konstruktiven Fehlerkultur, die Sie jetzt übrigens anmahnen – sofort Generalverdacht unterstellt haben.

Das war absolut schädlich für die Diskussion, die wir hier schon viel eher hätten konstruktiv führen müssen. Ich mache Ihnen zum Vorwurf, dass Sie solche Debatten in den letzten Jahren verhindert haben.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)

Das zweite Grundproblem ist, dass Sie häufig gar nicht verstehen, worüber wir reden. Sie verstehen nicht den Unterschied zwischen Rechtsextremismus als Sammelbegriff für verschiedene Einstellungsmuster und Rassismus als eine Einstellung wie Antisemitismus, Antiziganismus, Islamfeindlichkeit.

Diese Unterscheidung ist wichtig, um festzustellen, dass wir ein strukturelles Problem in unserer Gesellschaft haben, dass es rassistische, fremdenfeindliche, antisemitische usw. Einstellungen in der Mitte der Gesellschaft gibt. Das heißt Rassismus. Natürlich macht das nicht vor der Behördentür halt; darüber müssen wir reden.

Ferner müssen wir darüber reden, was es mit den Betroffenen macht. Die Betroffenenperspektive fehlt in Ihrem Entschließungsantrag komplett; die taucht überhaupt nicht auf, aber darum geht es doch.

Es geht doch nicht nur darum, abstrakt den Staat vor Rassismus zu schützen, sondern darum, die Betroffenenperspektive einzubeziehen und aufzuzeigen, was es eigentlich mit Menschen macht, die Opfer von rassistischer Gewalt oder von rassistischer Diskriminierung werden.

(Beifall von den GRÜNEN)

Dass Sie diese Perspektive in Ihre Überlegungen nie einbeziehen, macht mich immer wieder fassungslos; das muss ich wirklich sagen. – Ich versuche, auf die einzelnen Themen einzugehen:

Das Thema „Brennpunkte“ wurde angesprochen. Herr Lürbke, natürlich ist Polizeiarbeit belastend; dem widerspricht in der Diskussion auch niemand. Das ist aber doch noch lange kein Grund dafür, rassistisch zu werden. Ich finde, Sie müssen aufpassen, welche Schuldzuweisungen Sie machen und welche Erklärungsmuster Sie verwenden. Dieses Erklärungsmuster finde ich brandgefährlich.

(Beifall von den GRÜNEN – Christian Dahm [SPD]: Das ist genau der Punkt!)

Zum Thema „Lagebild und Studie“. Beides möchte ich ein bisschen voneinander trennen; zunächst zum Lagebild.

Herr Lürbke, machen Sie Ihr Lagebild. Ein Lagebild zeigt aber doch in erster Linie Symptome auf; das ist eine Problembeschreibung.

Eine Studie hingegen untersucht Ursachen. Eine Studie ist die Grundlage zum Handeln. Ich verstehe nicht, warum CDU und FDP immer ein Problem damit haben, evidenzbasiert Politik zu betreiben.

(Beifall von den GRÜNEN – Zurufe von der CDU und der FDP)

Wir brauchen doch Grundlagen. Es ist leider so, Herr Ministerpräsident: Hören Sie Ihrem eigenen Minister Reul einmal zu. Ich habe vorhin einige Zitate gebracht. Das kann man noch einmal nachlesen. Ich verstehe einfach nicht, wie man sich so dermaßen gegen unabhängige Wissenschaft wehren kann.

Zum Thema „Extremismusbeauftragte“. Herr Lürbke, ich finde es total gut, dass Sie sagen, wir brauchen Extremismusbeauftragte vielleicht auch in anderen Behörden, sodass sich jemand an einen Beauftragten in einer anderen Behörde wenden kann, um eine gewisse Unabhängigkeit sicherzustellen.

Ich finde es schön, dass Sie die Notwendigkeit von unabhängigen Stellen anerkennen, frage mich dann aber: Warum haben Sie unseren Gesetzentwurf zum Polizeibeauftragten, der unabhängig gewesen wäre, abgelehnt? Da hätten Sie eine unabhängige Stelle einrichten können. Das wollten Sie aber leider nicht.

(Beifall von den GRÜNEN)

Dann noch einmal zu der Frage, worüber wir eigentlich reden: Reden wir über ein strukturelles Problem? Reden wir über Einzelfälle?

Ich habe gestern in der Haushaltsdebatte gezuckt, als Herr Löttgen sagte, wir müssten endlich eine Sprachregelung finden. Dazu muss ich Ihnen ganz klar sagen: Nein, wir müssen keine Sprachregelung finden, sondern wir müssen Probleme benennen. Darum geht es.

Es geht nicht um Kommunikation, sondern darum, dass wir seit Langem nicht mehr von Einzelfällen in der Polizei reden. Ja, der allergrößte Teil der Polizei ist natürlich demokratisch orientiert und steht auf dem Boden unserer Verfassung.

Ich habe eine sehr hohe Wertschätzung gegenüber unserer Polizei, die mit einem Topstudium wahrscheinlich die am besten ausgebildete Polizei ist, die wir derzeit haben. Wir haben supergute Leute, denen ich sehr vertraue. Nichtsdestotrotz muss man doch klar benennen, dass wir hier ein Problem haben, um es angehen zu können.

Wir werden – das haben Sie sich sicherlich schon gedacht – den Entschließungsantrag der CDU ablehnen. Es sind ein paar wichtige Punkte drin, über die ich auch froh bin, wie Supervision und Fortbildung. Dass Sie das aufgreifen, will ich ausdrücklich loben.

Es fehlen auch Sachen Dinge wie die Betroffenenperspektive, die Wissenschaft fehlt und der Verfassungsschutz als eine Sicherheitsbehörde sogar komplett.

Es tut mir leid: Eigentlich wollte ich mich in dieser Diskussion nicht so aufregen. Leider passiert es immer wieder.

Ich würde mich wirklich freuen, wenn wir auch weiter eine konstruktive Diskussion führen würden. Die Probleme sind zu groß, um sich nur zu streiten, aber Ihrem Antrag können wir leider nicht folgen.

(Beifall von den GRÜNEN und Andreas Bialas [SPD])

Zur Aktuellen Stunde auf Antrag der GRÜNEN im Landtag zu rechtsextremen Gruppen

Rechtsextreme Gruppen

Rede zur Aktuellen Stunde auf Antrag der GRÜNEN im Landtag zu rechtsextremen Gruppen

Verena Schäffer (GRÜNE): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist erschreckend, wenn am Tag der Deutschen Einheit Hunderte von Neonazis durch Berlin marschieren und offen rassistische und antisemitische Parolen skandieren und zu Gewalttaten aufrufen. Das ist erschreckend. Dennoch – und das ist das eigentlich Erschreckende – ist es nicht überraschend, dass Neonazis aus Nordrhein-Westfalen in Berlin mitdemonstriert haben.

Schon seit Monaten laufen selbst ernannte Bürgerwehren in nordrhein-westfälischen Städten Patrouille. Die Akteure aus rechtsextremer Szene, rechtsgerichteten Hooligans und Rockern geben vor, für unsere Sicherheit sorgen zu wollen. Aber in Wahrheit geht es ihnen um die Verunsicherung von Teilen der Gesellschaft. Diese Bürgerwehren erhöhen nicht die öffentliche Sicherheit. Nein, ganz im Gegenteil! Sie hetzen gegen Minderheiten und erhöhen das Sicherheitsrisiko für bestimmte Personen im öffentlichen Raum. Das dürfen wir ihnen nicht durchgehen lassen.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD – Vereinzelt Beifall von der CDU und der FDP)

Diese Bürgerwehren in Essen, in Herne, in Mönchengladbach, in Düsseldorf, in Köln werden zu Recht als Mischszenen bezeichnet, weil sie sich aus einschlägig bekannten Rechtsextremen, rechtsoffenen Hooligans und Rockern zusammensetzen. Ich persönlich finde es nicht verwunderlich, dass sich zentrale Führungspersonen aus der extremen Rechten, aus rechts- extremen Parteien und Organisationen, an diesen Demonstrationen beteiligen.

(Unruhe)

Präsident André Kuper: Frau Schäffer, darf ich Sie kurz unterbrechen? – Liebe Kolleginnen und Kollegen, es wäre nett, wenn wir den Geräuschpegel bitte einmal herunterfahren und der Rednerin Aufmerksamkeit zollen würden. – Bitte schön, Frau Schäffer.

Verena Schäffer (GRÜNE): Vielen Dank. – Ich finde es nicht verwunderlich, dass diese Personen aus dem rechtsextremen Lager an diesen Demonstrationen teilnehmen. So richtig verwunderlich finde ich es noch nicht einmal, dass auch Mitglieder der AfD an diesen Demonstrationen teilgenommen haben.

Klar ist aber – das will ich hier ganz deutlich festhalten –: Jeder, wirklich jeder, der bei diesen Demonstrationen mitläuft, nimmt die rechtsextreme, rassistische Motivation so hin. – Das ist für mich völlig inakzeptabel. Diese Personen verabschieden sich mit ihrer Teilnahme von unseren demokratischen Werten.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD – Vereinzelt Beifall von der FDP)

Ich will auch noch einmal sagen, warum von diesen Gruppierungen, von diesen selbsternannten Bürgerwehren, wirklich eine Gefahr ausgeht:

Erstens. Die expliziten Gewaltandrohungen, wie wir sie zuletzt in Berlin gehört haben, sind für mich eine neue Qualität der Einschüchterung – auch in Nordrhein-Westfalen.

Zweitens. Es geht um ein enorm breites Spektrum vom rechtsoffenen bis zum geschlossenen rechtsextremen Weltbild, also um einen breiten Zusammenschluss von verschiedenen Szenen, die Gewaltandrohungen und Gewalttaten zumindest dulden. Das erhöht meines Erachtens massiv die Gefahr, dass daraus auch Straftaten und Gewaltdelikte resultieren.

Wir haben in den letzten Monaten schon gesehen, dass es immer mehr Städte gibt, in denen sich diese Gruppierungen bilden. Deshalb müssen wir alles dafür tun, dass diesem Phänomen Einhalt geboten wird.

Daher müssen wir sowohl die vorhandenen Szenen zurückdrängen als auch dafür sorgen, dass in Nordrhein-Westfalen keine neuen Gruppierungen entstehen.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)

Ich erkenne durchaus an, Herr Reul, dass das Innenministerium die Gefahr benennt und erkannt hat. Ich finde es auch sehr gut, dass wir in diesem Parlament an verschiedenen Stellen eine Mehrheit zum Thema „Rechtsextremismus“ hatten und hier gemeinsam Resolutionen und Anträge zu Rechtsextremismus und Rechtsterrorismus beschlossen haben.

Aber die Frage ist natürlich, was daraus folgt. Wenn der Innenminister richtigerweise in der WDR-Sendung „Westpol“ erklärt, dass Rechtsextreme die treibende Kraft bei diesen Bürgerwehren sind – Herr Reul, Sie haben, glaube ich, gesagt, dass diese Veranstaltungen von Rechtsextremen dirigiert werden –, dann irritiert es mich schon, wenn es im selben Bericht heißt – das können Sie ja vielleicht gleich aufklären –, dass diese Gruppierungen nicht vom Verfassungsschutz nachrichtendienstlich beobachtet werden.

Ich glaube, dass kein Zweifel an der verfassungsfeindlichen Ausrichtung, an der Gewaltbereitschaft und an der Steuerung durch Rechtsextreme besteht. Meines Erachtens liegt hier die Voraussetzung für eine Beobachtung vor. Da bin ich sehr gespannt auf Ihre Erläuterungen, Herr Reul.

Es geht aber nicht nur um die Beobachtung durch den Verfassungsschutz. Der Verfassungsschutz beobachtet erst einmal. Meines Erachtens braucht es allerdings mehr.

Erstens: den Informationsaustausch. Die Analysen und die Informationen müssten vom Verfassungsschutz an die Polizei weitergegeben werden.

Zweitens: die Vernetzung unter den Polizeibehörden. Ich halte eine enge Vernetzung der Polizeibehörden der betroffenen Städte für enorm wichtig. Das heißt auch, dass man sich zum Beispiel über Auflagen bei Demonstrationen unterhält und austauscht, um bestimmte Sprüche und menschenverachtende Parolen zu unterbinden.

Drittens geht es meines Erachtens auch um Polizeipräsenz – natürlich bei den Demonstrationen, aber auch in den Stadtteilen, vielleicht auch durch die Bezirksbeamten, die vor Ort ansprechbar sind, um der Bedrohung durch die Präsenz von Bürgerwehren im Stadtteil entgegenzuwirken.

(Beifall von den GRÜNEN)

Viertens will ich auch noch einmal das Thema „Uniformierungsverbot“ ansprechen. Wir hatten hier vor einigen Jahren eine hitzige Debatte zum Thema „Scharia-Polizei“. Danach gab es Urteile. Aus meiner Sicht muss geprüft werden, ob das Auftreten mit gleichen T-Shirts zum Zweck der Einschüchterung nicht unter das Uniformierungsverbot fällt. Da muss jetzt eine rechtliche Klärung erfolgen.

Ich denke zwar, dass das klar ist, will es aber trotzdem noch einmal sagen: Natürlich steht Rechtsextremen und Verfassungsfeinden das hohe Gut Versammlungsfreiheit in unserer Demokratie zu. Das ist völlig unbestritten. Aber: Diese Demokratie ist wehrhaft. Es ist die Aufgabe des Staates, diese Demokratie mit allen rechtsstaatlichen Mitteln zu schützen. Deshalb braucht es hier entsprechende Maßnahmen vonseiten der Polizei und des Verfassungsschutzes.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)

Aber auch die Zivilgesellschaft – das ist mir ebenfalls besonders wichtig – hat einen hohen Anteil; denn es geht darum, was man gesellschaftlich hinnimmt, was gesagt werden darf und was nicht, zu welchen Inhalten und zu welchen Positionen Widerspruch erfolgen muss.

Ich bin froh, dass wir in Nordrhein-Westfalen eine Zivilgesellschaft haben, die diese besorgniserregende Entwicklung der Bürgerwehren eben nicht hinnimmt, sondern immer wieder auf die Straße geht und dagegen demonstriert.

Ich durfte selbst am 14. September 2019 – Frank Müller, der Kollege von der SPD, war auch die gesamte Zeit da – bei der Demonstration in Essen-Steele sein. Ich habe mir das kurz angeschaut, weil es mich interessiert hat. Ich finde es einfach großartig, wenn Menschen sagen: Das nehmen wir nicht hin; dagegen gehen wir auf die Straße.

Es geht für uns politisch darum, dafür zu sorgen, dass diese Zivilgesellschaft gestärkt und gestützt wird. Das ist unsere Aufgabe als Demokratinnen und Demokraten.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)

Pressemitteilung: NSU-Urteil ist wichtiges Signal

Zum Urteil im Münchener NSU-Prozess erklärt Verena Schäffer, innenpolitische Sprecherin und Sprecherin für Strategien gegen Rechtsextremismus

„Die lebenslange Haftstrafe für Beate Zschäpe unter Feststellung einer besonderen Schwere der Schuld ist ein deutliches Signal an die rechtsextreme Szene in Deutschland, dass unser Rechtsstaat konsequent handelt.

Dennoch müssen wir festhalten, dass es auch sieben Jahre nach der Selbstenttarnung des NSU, mehreren parlamentarischen Untersuchungsausschüssen im Bundestag und in den Landtagen und fünf Jahren Gerichtsprozess bis heute keine vollständige Aufklärung gibt. In dem Münchener Prozess wurde lediglich über die Schuld von fünf Personen entschieden. Es gibt allerdings stichhaltige Hinweise auf ein weitaus größeres Netzwerk von Unterstützerinnen und Unterstützern, die dem NSU bei der Vorbereitung und Durchführung ihrer Verbrechen geholfen haben. Möglich ist auch, dass es noch weitere Verbrechen des NSU gab, die bisher nicht ermittelt wurden. Auch das Versagen der Sicherheits- und Ermittlungsbehörden ist bisher nur unzureichend aufgeklärt. Durch die vorurteilsbehafteten Ermittlungen wurden die Opfer und ihre Angehörigen zu Tätern gemacht und damit eines zweites Mal viktimisiert.

Die Aufarbeitung der rechtsterroristischen Taten im nordrhein-westfälischen NSU-Untersuchungsausschuss mündete in klaren Handlungsempfehlungen, die solche Fehler in Zukunft verhindern können und für eine bessere Prävention von Rechtsextremismus und Rassismus sorgen. Der heutige Tag sollte der schwarz-gelben Landesregierung eine Mahnung sein, diese Handlungsempfehlungen nun endlich umzusetzen.“

Pressemitteilung: Verfassungsschutzbericht gibt keine Entwarnung

Zur Vorstellung des Verfassungsschutzberichtes für 2017 erklärt Verena Schäffer, innenpolitische Sprecherin der GRÜNEN Fraktion im Landtag NRW:

„Die heute vorgelegten Zahlen belegen, dass unsere Gesellschaft nach wie vor von demokratiefeindlichen Bestrebungen bedroht ist.

Der Rückgang der rechtsextremen Straftaten im Jahr 2017 im Vergleich zum Vorjahr darf kein Grund sein, sich zurückzulehnen. Seit dem zweiten Halbjahr 2014 – mit den Pegida-Demonstrationen in NRW und der sich immer stärker rassistisch positionierenden AfD – gab es einen sprunghaften Anstieg politisch rechts motivierter Straftaten, die ihren Höhepunkt 2016 fanden. Die Zahlen für das Jahr 2017 bewegen sich weiterhin über dem Niveau von 2014. Rechte Äußerungen in der Öffentlichkeit führen auch zu rechtsextremen Straftaten, denn rechte Straftäter nehmen sie als Legitimation für Gewalt. Die rechtsextreme Szene in NRW ist auch mit Rechtsextremen bundes- und europaweit vernetzt, wie die Kampfsportveranstaltung im Kreis Olpe oder die Demonstration in Dortmund Mitte April gezeigt haben. Auch die Akteure der Neuen Rechten, wie etwa die Identitäre Bewegung, stellen eine zunehmende Gefahr für unsere Demokratie dar. Angesichts der zunehmenden Radikalisierung der AfD in den letzten Wochen und Monaten halte ich die Beobachtung zumindest von Teilen der AfD für geboten.

Im Neosalafismus gibt es weiterhin eine leicht wachsende Szene und eine anhaltende Anschlagsgefahr. Zudem wird erwartet, dass viele Frauen und Kinder aus den ehemaligen IS-Gebieten nach NRW zurückkehren, die hier von einem Netzwerk stark ideologisierter Frauen empfangen werden. Wir stehen also auch vor der Herausforderung, vor allem junge Frauen und Kinder vor weiterer Radikalisierung zu schützen und sie für die demokratische Gesellschaft zurückzugewinnen. Hierfür hat die Landesregierung bisher keinerlei Konzepte vorzuweisen. Die Beobachtung von Kindern und Jugendlichen durch den Verfassungsschutz ist die falsche Antwort auf die Problemlage. Die Landesregierung muss stattdessen gemeinsam mit der Jugendhilfe, den Schulen und anderen Akteuren der Zivilgesellschaft das von rot-grün angestoßene Handlungskonzept weiterentwickeln.

Grundsätzlich ist der verzeichnete Rückgang der politisch links motivierten Straftaten eine erfreuliche Nachricht. Für uns GRÜNE ist klar, dass Gewalt niemals Mittel der politischen Auseinandersetzung sein darf.

Über den Verfassungsschutzbericht ist eine ausführliche öffentliche Debatte notwendig. Daher sollte er in einer öffentlichen Sitzung des Parlamentarischen Kontrollgremiums diskutiert werden. Die Möglichkeit, öffentlich zu tagen, hat das Gremium seit der Verfassungsschutzreform 2013 – auch als Reaktion auf das NSU-Behördenversagen. In dieser Legislaturperiode hat es bisher keine einzige öffentlichen Sitzung gegeben.“

Zum Antrag der Fraktionen von CDU und FDP zum Thema Salafismus

Verena Schäffer (GRÜNE): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich hatte mir eigentlich vorgenommen, gerade bei diesem wichtigen Thema den konstruktiven Austausch mit Ihnen zu suchen. Das habe ich anhand des Antrags der Grünen ja auch getan. Ehrlich gesagt, machen mich Ihr Antrag und diese Debatte aber einfach fassungslos und sprachlos.

(Beifall von den GRÜNEN)

Wie sagte meine Mitarbeiterin so schön in der Vorbesprechung, als sie den Antrag gelesen hatte? Das ist der Diskussionsstand von 2012!

Wir sind aber im Jahr 2018 angekommen. Wir sind sechs Jahre weiter. Es gibt ganz viele Debatten und Fachbeiträge darüber. Das, was Sie in dem Antrag produziert haben, ist alles nichts Neues. Das wissen wir seit Jahren. Wir sind doch in der Diskussion eigentlich schon viel weiter. Deshalb macht mich das sprachlos.

Das einzige Thema, das in dem Antrag vielleicht neu aufgeführt wird, ist die Kindeswohlgefährdung. Darüber muss man diskutieren. Dazu komme ich später auch noch. Der Punkt ist aber, dass Sie keine einzige konkrete Antwort auf diese Frage liefern.

(Beifall von den GRÜNEN – Beifall von Marc Herter [SPD] und Sarah Philipp [SPD])

Sie bringen hier eine Problembeschreibung ohne Antworten ein. Ich muss ehrlich sagen, dass ich das für eine Regierungskoalition sehr schwach finde.

Sie hätten es so einfach haben können. Wir haben doch einen Antrag hier eingebracht. Nach einer sehr guten Anhörung – Herr Lübke hat im Plenum im März dieses Jahres ebenfalls bestätigt, dass die Anhörung sehr gut war – bin ich auf Sie zugekommen und habe gesagt: Lassen Sie uns gemeinsam einen Entschließungsantrag stellen. Ich bin bereit, viele Teile unseres Antrags herauszustreichen; Hauptsache, wir bekommen bei diesem wichtigen Thema der Präventionsarbeit gegen Salafismus einen Konsens hin. – Nein, das wollten Sie nicht.

Stattdessen schreiben Sie weniger als drei Monate später einen dermaßen dünnen Antrag. Ich finde es beschämend, dass Sie hier nicht mehr vorlegen.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)

Herr Panske, ich würde Sie gerne zitieren. In der Debatte im März 2018, als Sie unseren Antrag abgelehnt haben, haben Sie hier im Plenum gesagt:

„Ein intelligentes, abgestimmtes Zusammenspiel von Aufklärung, von Ermittlung von Strafverfolgung, von Prävention und verlässlicher und nachhaltiger Ausstiegshilfe orientiert an praktischer Arbeit: Genau das ist der Ansatz der CDU, und das sind die Ziele der NRW-Koalition.“

Da würde ich Ihnen sogar zustimmen. Nur: Warum schreiben Sie das nicht auch in Ihren Antrag hinein?

(Beifall von den GRÜNEN und Sarah Philipp [SPD])

Sie schreiben fett über Ihren Antrag: „Prävention und Repression … Gesamtstrategie“. Das, was Sie hier vorlegen, ist aber keine Gesamtstrategie.

Im Übrigen steht in dem Antrag auch nichts zum Thema „Repression“. Das Einzige, was darin zur Repression steht, sind die Gefährderansprachen seitens der Polizei. Die gibt es doch schon längst. Es ist Aufgabe der Polizei, Gefährderansprachen durchzuführen.

Wenn Sie dies als Gesamtstrategie bezeichnen, ist das – Entschuldigung – wirklich ein schlechter Witz.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)

Ich schwanke im Hinblick auf diesen Antrag zwischen Resignation und Fassungslosigkeit. Das tue ich auch deshalb – und deshalb rege ich mich so auf –, weil mir dieses Thema immens wichtig ist; denn wir haben eine Bedrohungslage durch den Salafismus und wissen alle, dass wir mehr Präventionsarbeit brauchen. Aber dann muss man eben auch etwas dafür tun und darf nicht solche Anträge schreiben.

Ich gehe gerne auf die einzelnen Inhalte ein, um meine Meinung zu verdeutlichen.

Zum Thema „Frauen“: Ja, es stimmt, Herr Lürbke; das ist ein wichtiges Thema. Sie sprechen es in dem Antrag sogar an. Sie reduzieren aber hier die Rolle der Frauen komplett auf die Mutterrolle und stellen sie als diejenigen dar, die für die Erziehung zuständig sind. Das stimmt auch. Aber es stimmt eben nur zum Teil.

Wir wissen, dass der Anteil der Frauen an den Gefährdern zwar nur bei 4 % liegt. Das ist total wenig. Aber an den relevanten Personen, also denjenigen, die zum Umfeld der Gefährder gehören, haben sie einen Anteil von 25 %. Jede vierte in Bezug auf die Salafisten relevante Person ist in Nordrhein-Westfalen eine Frau.

Angesichts dessen muss man sich doch Gedanken darüber machen, wie man diese Frauen ansprechen und aus der Szene herausholen kann. Es handelt sich immerhin um diejenigen, die rekrutieren und netzwerken. Also muss man doch gezielt Maßnahmen auf Frauen und Mädchen zuschneiden.

Davon ist in Ihrem Antrag überhaupt nicht die Rede. So weit denken Sie überhaupt nicht. Das finde ich fatal.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)

Nun zum Thema „ Kindeswohlgefährdung“: Ich finde es begrüßenswert, dass wir hier nicht darüber diskutieren, ob wir die Altersgrenze im Verfassungsschutzgesetz, ab der der Verfassungsschutz Personen beobachten darf, auf null absenken sollte. Immerhin führen wir die Diskussion darüber parallel zu dieser Debatte bereits. Ich finde es schon einmal gut, dass das in diesem Antrag nicht vorkommt und wir jetzt über die Frage der Kindeswohlgefährdung sprechen.

Wir als Grüne sehen auch, dass dahin gehend Handlungsbedarf besteht. Man muss aber wissen, dass es in Deutschland sehr schwierig ist, Kinder aus Familien herauszuholen, wenn nicht Gewalt oder Missbrauch im Spiel ist, sondern es – ich sage das wirklich in Anführungsstrichen – „nur“ um die Ideologie geht. Es hat in Deutschland historische Gründe, warum das schwierig ist.

Ich bin offen dafür, diese Diskussion zu führen. Der Punkt ist aber, dass Sie Sie lediglich eine Problembeschreibung vornehmen, ohne eine konkrete Antwort darauf zu geben. Sie sagen nur, dass wir die Jugendamtsmitarbeiter schulen müssen.

Das ist sicherlich richtig, aber was heißt das denn in Bezug auf die Kindeswohlgefährdung?

Man muss noch einen Schritt weitergehen. Es geht nicht nur um den Salafismus. Eine Frage ist zum Beispiel auch: Wie geht man mit Kindern aus rechtsextremistischen Familien um? – Auch diese Debatte führen wir seit Jahren, im Prinzip seit Jahrzehnten.

Wir führen also gern eine Diskussion darüber. Wir Grüne sind durchaus offen dafür. Man muss wissen, dass das in Deutschland schwierig ist – zu Recht. Lassen Sie uns also eine Diskussion darüber führen; aber dann lassen Sie uns auch zu konkreten Ergebnissen kommen.

Der dritte Punkt ist das Thema „Jugend und Schule“. Das sprechen Sie in Ihrem Antrag auch an; das finde ich richtig. Das ist ein wichtiges Thema, aber auch hier fehlen die konkreten Vorschläge. Das Einzige, was Sie anführen, ist die Einführung einer Taskforce an Schulen. Das ist nichts Neues. Das steht in dem Bericht der interministeriellen Arbeitsgruppe, die vor drei oder vier Jahren von Rot-Grün gegründet wurde. Das ist also nichts Neues.

Wir haben einen eigenen Antrag vorgelegt. Ich kann Ihnen sagen: Wir haben vier ganz konkrete Vorschläge gemacht. Wir haben erstens gesagt, wir brauchen die Qualifizierung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Jugendarbeit und in der Jugendsozialarbeit.

Wir haben zweitens gesagt, das Thema Neosalafismus muss in der Fortbildung für Lehrerinnen und Lehrer und andere pädagogische Fachkräfte verankert sein. Da ist beispielsweise die Schulministerin in der Pflicht.

Drittens. Wir haben gesagt, wir brauchen eine flächendeckende Sozialarbeit an den Schulen und die Qualifizierung der Fachkräfte.

Und viertens haben wir gesagt, wir brauchen Streetworker. Wir brauchen für die Jugendlichen, die in Gegenden wohnen, wo sie besonders gefährdet sind, von Salafisten angesprochen zu werden, Streetworker, die konkret auf sie zugehen.

Diese vier Punkte sind in der Anhörung von den Expertinnen und Experten bestätigt und begrüßt worden. Davon findet sich nichts in Ihrem Antrag. Auch hier sind wir in der Debatte wesentlich weiter.

(Marc Lürbke [FDP]: Das steht doch drin!)

Nein, es steht nicht drin. Es steht etwas über das Thema Taskforce drin. Ja, es stimmt, Sie haben auch etwas zu dem Thema „Wir müssen jetzt mehr Angebote machen“ geschrieben. Das ist aber etwas anderes als eine verpflichtende Verankerung in dem Fortbildungsprogramm für Lehrerinnen und Lehrer. Das ist doch ein Unterschied, Herr Lürbke.

(Beifall von der SPD – Zuruf von Marc Lürbke [FDP])

– Ja, Ihnen ist immer alles zu kleinteilig. „Kleinteilig“ kann man es nennen, wenn man zwar zu Problemen konkrete Vorschläge hat, aber stattdessen irgendeine Soße auskippt – etwas, in dem nichts Konkretes steht, aber alles Mögliche angesprochen wird, ohne eine Lösung zu suchen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Ich will es zum Schluss noch einmal sagen – ich glaube, das ist jetzt auch deutlich geworden –: Mir ist das Thema wichtig. Deshalb besteht mein Angebot und das meiner Fraktion weiterhin: Lassen Sie uns gemeinsam an dem Thema Salafismus arbeiten. Wir haben viel Streit, was Repression und polizeiliche Befugnisse angeht. Es ist auch richtig, diesen Streit auszutragen und die politische Diskussion darüber zu führen. Aber lassen Sie uns im Sinne der Sache doch wenigstens bei dem Punkt Präventionsarbeit versuchen, zusammenzukommen; denn es ist wichtig für die Sicherheit der Menschen in diesem Land, dass wir gemeinsam an diesen Themen arbeiten.

Noch einmal das Angebot – auch von mir –: Setzen wir uns zusammen und lassen Sie uns gemeinsam überlegen, wie wir weitergehen und gemeinsam zu einer Gesamtstrategie kommen können, die auch wir wollen. Ich glaube, damit wäre vieles gewonnen. – Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN)