Pressemitteilung: Reichsbürger stärker in den Fokus nehmen

Die Reichsbürger-Szene in Nordrhein-Westfalen wächst, auch die Straftaten nehmen zu. Das geht aus einer Antwort der Landesregierung auf zwei kleine Anfragen der GRÜNEN Fraktion im Landtag NRW hervor. (Die Antworten finden Sie/findest du hier und hier.) Dazu erklärt Verena Schäffer, innenpolitische Sprecherin:

„Bei den Reichsbürgern handelt es sich neben der Identitären Bewegung um eine weitere neue Entwicklung im rechten Spektrum. Ihre Ideologie ist im Kern rechtsextremistisch, sie vertreten geschichtsrevisionistische, rassistische, antisemitische und völkische Positionen. Während der Verfassungsschutz im Oktober 2016 noch von einer niedrigen dreistelligen Zahl ausging, zählt er inzwischen etwa 2.000 Reichsbürger allein in Nordrhein-Westfalen. Dieser scheinbar sprunghafte Anstieg hängt auch mit der Aufhellung des Dunkelfelds zusammen. Offenbar sind die Behörden heute stärker sensibilisiert. Dennoch ist der Zulauf besorgniserregend.

In der Antwort der Landesregierung werden erstmals die Zahlen der politischen motivierten Kriminalität durch Reichsbürger veröffentlicht. Allein im ersten Halbjahr 2017 wurden 20 Straftaten verzeichnet. Von diesen richteten sich 12 Straftaten gegen Angehörige der Polizei sowie gegen Amts- und Mandatsträger. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des öffentlichen Dienste sind also in einem besondere Maße von Straftaten der Reichsbürger betroffen. Es kam unter anderem zu Beleidigungen, Nötigungen und in einem Fall sogar zu einer vorsätzlichen einfachen Körperverletzung. Dies lässt sich unter anderem mit der Ablehnung rechtsstaatlicher Strukturen erklären, die für die Reichsbürger identitätsstiftend ist.

Die Reichsbürger sind in Nordrhein-Westfalen sehr heterogen aufgestellt. Die verschiedenen Gruppierungen sind teils bundesweit vernetzt und aktiv. Oftmals stehen hinter ihren kriminellen Absichten wirtschaftliche Interessen. Die hohe Anzahl von 143 Personen mit waffenrechtlichen Erlaubnissen belegt zudem die Waffenaffinität der Reichsbürger. Damit geht eine hohe Gefahr von der Reichsbürgerbewegung aus.

Noch in der Zeit der rot-grünen Landesregierung wurden die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Behörden auf Landes- und kommunaler Ebene umfassend informiert und geschult. Diese Informationspolitik muss die neue Landesregierung fortführen und weiter ausbauen. Neben der polizeilichen Statistik über die Straftaten, sollte es auch eine Statistik der Justiz über Strafverfahren gegen die Reichsbürger geben. Hier sind Innenminister Reul und Justizminister Biesenbach gefordert, eine entsprechende Verlaufsstatistik vom Aufnehmen der Straftat bis zur tatsächlichen Verurteilung einzuführen.“

 

Newsletter: Aktivitäten gegen Rechtsextremismus Mai 2017

Rechte Straftaten in NRW und Abschlussbericht PUA NSU

Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Freundinnen und Freunde,

nach der Landtagswahl am Sonntag ändert sich Vieles: Wir GRÜNE gehen in die Opposition, die AfD gehört in der neuen Legislaturperiode dem Landtag an. Die Arbeit gegen Rechtsextremismus und Rassismus bleibt also ein wichtiges Themenfeld. Das zeigen auch neue Zahlen aus dem Innenministerium zur politisch motivierten Kriminalität – Rechts (PMK Rechts). Darüber und über den Abschlussbericht des Untersuchungsausschusses NSU möchte ich in diesem Kommunalinfo berichten.

Rechtsextreme und rassistische Straftaten in NRW weiter gestiegen

Seit Jahren ist ein kontinuierlicher Anstieg der politisch rechts motivierten Straftaten in NRW zu beobachten. Zeitgleich zum Aufkommen von HoGeSa und Pegida sowie der Radikalisierung der AfD ist die Zahl der rechten Straftaten deutlich gestiegen: Im Jahr 2014 wurden insgesamt 3.286 Straftaten in NRW registriert, im Jahr 2015 waren es 4.437 und im Jahr 2016 wurde mit 4.700 Straftaten ein neuer trauriger Höchststand erreicht. Wir haben die Zahlen des Innenministeriums in einem Blogbeitrag auf der Seite der Landtagsfraktion ausführlich ausgewertet. Die Entwicklung der Straftaten von 2011 bis 2016 findet sich in dieser Tabelle.

Wir haben auch die Entwicklung der rechtsextremen Straftaten aufgeschlüsselt nach Orten beim Innenministerium abgefragt. Unter den Städten mit den meisten rechten Straftaten über den gesamten Zeitraum 2014 bis 2016 befinden sich Köln, Dortmund, Duisburg, Düsseldorf, Wuppertal, Essen und die Städteregion Aachen. Köln stand im Jahr 2016 mit 455 Straftaten an erster Stelle. Dahinter folgten Duisburg (332), Dortmund (308), Düsseldorf (182), Wuppertal (168), Essen (153) und die Städteregion Aachen (143). Im Jahr 2015 zeichnete sich ein ähnliches Bild ab, wobei dort Dortmund mit 424 Straftaten die meisten aufwies. Es folgten Köln (291), Wuppertal (276), Düsseldorf (258), Essen (177), Duisburg (175) und die Städteregion Aachen (136). Unter den genannten Städten sind sowohl Orte mit einer aktiven rechtsextremen Szene als auch Orte, an denen zentrale rechtsextreme Veranstaltungen stattfanden.

Erstmals haben wir auch flüchtlingsfeindliche Straftaten abgefragt. Die Anzahl der Angriffe auf Flüchtlingsunterbringungen ist von 25 politisch rechts motivierten Angriffen im Jahr 2014 auf 222 Angriffe im Jahr 2015 hochgeschnellt. Im Jahr 2016 wurden sogar 484 solcher Straftaten erfasst. Außerhalb der PMK-Statistik werden auch weitere Straftaten gegen Geflüchtete gesammelt. Die entsprechenden Daten haben wir ebenfalls erfragt. Im Jahr 2015 wurden insgesamt 243 und im Jahr 2016 501 Straftaten gegen Flüchtlingsunterbringungen und Geflüchtete verzeichnet. Die Zahlen von 2015 und 2016 sind nur bedingt vergleichbar, da seit dem 1. Januar 2016 auch Angriffe gegen Geflüchtete selbst und nicht nur Angriffe auf Flüchtlingsunterbringungen erfasst werden. Bereits im letzten Jahr machten die Sicherheitsbehörden darauf aufmerksam, dass die Straftaten gegen Flüchtlingsunterkünfte in rund 75 Prozent der Fälle von Personen aus der unmittelbaren Umgebung der Unterkünfte begangen worden seien. Darüber hinaus sei der Großteil (ebenfalls rund 75 Prozent) der Täter*innen der Polizei nicht als Akteur*innen der rechtsextremen Szene bekannt.

Abgefragt haben wir auch die Entwicklung der antisemitischen Straftaten. Hier stieg die Zahl der Straftaten von 270 in 2015 auf 297 in 2016. Die Anzahl der Gewalttaten sank von acht Fällen in 2015 auf zwei Fälle in 2016. Der größte Teil der antisemitischen Straftaten hatte einen rechtsextremen Hintergrund. 2015 waren es 227 von 270 Straftaten. Für 2016 liegt uns leider keine Aufschlüsselung der antisemitischen Straftaten nach Phänomen-Bereichen (PMK-Rechts, PMK-Links oder PMK-Ausländer) vor.

Eine neue Landesregierung wird sich daran messen lassen müssen, welche Bedeutung für sie die Bekämpfung von Rechtsextremismus und Rassismus hat. Neben der Fortführung und Weiterentwicklung des von uns initiierten integrierten Handlungskonzepts muss sie die 30 gemeinsamen Handlungsempfehlungen aller Fraktionen im NSU-Untersuchungsausschuss zügig umsetzen.

NSU-Untersuchungsausschuss legt Abschlussbericht vor

Der Landtag NRW hatte im Oktober 2014 einen Parlamentarischen Untersuchungsausschuss eingesetzt, um die NSU-Verbrechen in Nordrhein-Westfalen aufzuarbeiten. Im April 2017 hat der Untersuchungsausschuss seinen Abschlussbericht vorgelegt. Der Bericht kann hier heruntergeladen werden, auf den Seiten 776-782 finden Sie / findet Ihr das Grüne Sondervotum und hier meine Plenarrede.

Hier ist eine kurze Bewertung der Ergebnisse des Untersuchungsausschusses aus Grüner Sicht, die (fast) gleichlautend auch als Gastbeitrag in der Frankfurter Rundschau vom 8. April 2017 erschienen ist:

Bei allen NSU-Verbrechen wurde trotz verschiedener Hinweise nie ernsthaft in Richtung Rechtsextremismus ermittelt. Den Opfern wurden Verstrickungen in die organisierte Kriminalität, ins Drogenmilieu und zu Schutzgelderpressungen unterstellt. Insbesondere beim Anschlag in der Kölner Keupstraße wurde das vorurteilsbehaftete Bild der Polizei deutlich, die offenbar diese migrantisch geprägte Straße mit Kriminalität gleichsetzte. Den Abgeordneten aller Fraktionen war es deshalb wichtig,die Opfer zu hören. Gamze Kuba??k, die Tochter des ermordeten Mehmet Kuba??k, schilderte eindrücklich: „Es ist ja schon schlimm, wenn man den Vater verliert. Aber dass man uns dann auch noch den Stolz wegnimmt, das war das Schlimmste für mich.“

Die Kette von Ermittlungsfehlern kann nicht unter der Kategorie Pleiten, Pech und Pannen abgetan werden. Die Ursachen liegen tiefer. Es geht um institutionellen Rassismus, der sich auch in „Einstellungen und Verhaltensweisen“ zeigt, die durch „unwissentliche Vorurteile, Ignoranz und Gedankenlosigkeit zu Diskriminierung führen“ (so die britische Macpherson-Kommission). Die Ermittlungen zu den NSU-Verbrechen bringen diesen institutionellen Rassismus zum Ausdruck. Wir wollen deshalb eine Kommission zur Untersuchung von möglichen diskriminierenden Handlungsweisen der Polizei einrichten. Sie soll konkrete Maßnahmen zur Verhinderung diskriminierender Polizeiarbeit entwickeln. Es wäre ein wichtiger Schritt, um Fehleinschätzungen zu rassistischen Motiven von Täterinnen und Tätern zukünftig zu verhindern.

Auch fünf Jahre nach Bekanntwerden des NSU sind viele Fragen rund um die rechtsterroristischen Verbrechen ungeklärt. Der Ausschuss hat etwa deutliche Zweifel an der Täterschaft von Uwe Mundlos oder Uwe Böhnhardt beim Anschlag in der Kölner Probsteigasse formuliert. Die Opferzeugen konnten keinen der beiden als den Mann identifizieren, der im Dezember 2000 die Sprengfalle im Laden des iranstämmigen Inhabers platzierte. Nur aufgrund des Bekennervideos wird der Anschlag heute dem NSU zugerechnet, dabei enthält dieses keinerlei Täterwissen. Es liegt nahe, dass mindestens eine weitere Person als Mitglied oder Unterstützer des NSU an dem Anschlag beteiligt war. Möglichweise gibt es sogar einen Zusammenhang zu Sprengfallen-Anschlägen 1992/1993 in Köln, die noch immer nicht aufgeklärt sind. In den polizeilichen Ermittlungen zur Probsteigasse spielen diese aber bis heute keine Rolle.

Ein konkretes Unterstützernetzwerk des NSU in NRW konnte der Ausschuss trotz intensiver Befassung mit der gewaltbereiten Neonaziszene nicht nachweisen. Wir GRÜNE sehen die These eines Unterstützernetzwerks durch die Untersuchungsergebnisse allerdings noch gestützt. Die Morde an Mehmet Kuba??k am 4. April 2006 in Dortmund und an Halit Yozgat zwei Tage später in Kassel liegen nicht nur zeitlich und räumlich nah beieinander. Auch zwischen den Neonaziszenen in beiden Städten bestehen enge Verbindungen. Anfang der 2000er-Jahre bildete sich um die Dortmunder Neonazi-Band Oidoxie die „Oidoxie Streetfighting Crew“, die als Security bei Konzerten diente. Mitglieder waren Rechtsextremisten aus Dortmund und Kassel, geführt wurden sie von einem Kasseler Neonazi. Die Band Oidoxie bewegte sich im Netzwerk „Blood and Honour“ und propagierte die Ideen seines gewaltbereiten Arms „Combat 18“. Aus den Akten und Zeugenvernehmungen wurden zudem Bestrebungen erkennbar, aus der „Oidoxie Streetfighting Crew“ eine „Combat 18“-Zelle in Dortmund zu bilden – ausgerechnet als verschiedene „Combat 18“ zugerechnete Magazine die Strategie des „führerlosen Widerstandes“ verbreiteten.

Bisher gänzlich ungeklärt ist die Tatortauswahl des NSU. Bemerkenswert nah liegen die Tatorte zweier dem NSU zugerechneter Taten in NRW an Orten, an denen in den 30er-Jahren „Blutzeugen“ ermordet wurden. Als „Blutzeugen“ verehrten die Nationalsozialisten Anhänger ihrer Partei, die bei Auseinandersetzungen mit dem politischen Gegner getötet wurden. Einer dieser „Blutzeugen“ war der SA-Mann Walter Spangenberg, der 1933 in unmittelbarer Nähe zum späteren Tatort des Bombenanschlags in der Kölner Probsteigasse erschossen wurde. Die lokale Kameradschaft benannte sich nach diesem SA-Mann und hielt jahrelang „Heldengedenken“ für ihn ab. In Dortmund wurde Mehmet Kuba??k nur 600 Meter von jenem Ort ermordet, an dem 1930 der Nazi Adolf Höh getötet wurde. Aus den Akten des NRW-Verfassungsschutzes geht hervor, dass sich die dortige Kameradschaft bereits 2002 den Beinamen „Sturm 11 / Adolf Höh“ gab. In Kassel finden sich ganz ähnliche Parallelen. Möglicherweise ist es Zufall. Denkbar ist aber auch, dass der NSU Unterstützer mit Ortskenntnissen hatte oder aber ein Signal an die örtliche Szene senden wollte. Die These eines möglichen Unterstützernetzwerks muss jedenfalls endlich Eingang in die Ermittlungen finden.

Ich möchte mich ganz herzlich für die gute Zusammenarbeit im Untersuchungsausschuss bei meiner Kollegin Monika Düker, meinem Kollegen Arif Ünal sowie meinen Mitarbeitern, insbesondere Hendrik Puls, bedanken.

Für Nachfragen stehen unsere wissenschaftliche Mitarbeiterin für Strategien gegen Rechtsextremismus, Hasret Karacuban (Hasret.Karacuban@landtag.nrw.de, 0211 884 4321), und ich gerne zur Verfügung.

Herzliche Grüße aus dem Landtag

Verena Schäffer MdL

Stellvertretende Fraktionsvorsitzende

Sprecherin für Innenpolitik und Strategien gegen Rechtsextremismus

Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Landtag NRW
Platz des Landtags 1 * 40221 Düsseldorf

Tel: 0211 – 884 – 4305

Fax: 0211 – 884 – 3334

www.verena-schaeffer.de

www.gruene-fraktion-nrw.de

 

 

Pressemitteilung: Rechtsextremistische Ideologie muss weiter bekämpft werden

Zum gescheiterten NPD-Verbotsverfahren erklärt Verena Schäffer, stellvertretende Vorsitzende und Sprecherin für Strategien gegen Rechtsextremismus der GRÜNEN Fraktion im Landtag NRW:

„Auch wenn das Bundesverfassungsgericht ein Verbot abgelehnt hat, bleibt die NPD eine rechtsextreme, menschenverachtende und verfassungsfeindliche Partei. Der Urteilsspruch ist weniger ein Erfolg für die eng mit der Neonaziszene verwobene Partei, sondern vielmehr Ausdruck ihrer Bedeutungslosigkeit. Sie ist finanziell wie personell marginalisiert. Ihre Ideologie bleibt aber nach wie vor gefährlich.

Auch wenn der grassierende Rechtspopulismus und der Umgang mit ihm die politisch notwendige Debatte beherrscht, dürfen wir den gewaltbereiten Rechtsextremismus nicht aus den Augen verlieren. Rechtsextremistische Übergriffe, Anschläge, Einschüchterungen und Bedrohungen sind auch in Nordrhein-Westfalen auf der Tagesordnung. Wir müssen weiter mit aller Kraft gemeinsam mit der demokratischen Zivilgesellschaft gegen Rechtsextremismus und Rassismus und für eine vielfältige demokratische Gesellschaft kämpfen.“

Schikanierung durch sogenannte „Reichsbürger“

Verena Schäffer (GRÜNE): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Reichsbürger sind ja ein Sammelbecken für Verschwörungstheoretiker, für Rechtsextreme. Ich würde noch weitergehen. Ich würde sagen, dass die Ideologie der Reichsbewegung eigentlich im Kern rechtsextremistisch ist.

(Beifall von den GRÜNEN)

Sie ist antisemitisch, sie ist geschichtsrevisionistisch, sie ist rassistisch. Man könnte noch andere Merkmale aufrufen. Vor allen Dingen aber ist sie auch gewaltbereit. Das hat der Fall am 19. Oktober dieses Jahres in Bayern gezeigt, der tödlich geendet ist.

Deshalb bin ich froh, dass Bewegung in die Sache gekommen ist, was die Beobachtung der Reichsbürgerbewegung durch das Bundesamt für Verfassungsschutz angeht. Ich glaube, dass wir das brauchen und man die Reichsbürger hier sehr ernst nehmen muss, auch was ihre Gewaltbereitschaft angeht.

(Beifall von den GRÜNEN)

Die Reichsbürger – ich hatte gerade schon auf ideologische Merkmale hingewiesen – erkennen auch rechtsstaatliche Strukturen und unseren demokratischen Rechtsstaat, unsere Behörden nicht an. Das führt zum Teil zu Situationen, die man vielleicht als kurios bezeichnen könnte, dass sie sich beispielsweise eigene Pässe, eigene Dokumente schaffen, sie keine Steuern zahlen wollen, sie keine Bußgelder akzeptieren und zahlen. Auf jeden Fall machen sie damit den Behörden, aber auch den Gerichten sehr viel Arbeit. Das ist auch bei der sogenannten „Malta-Masche“ der Fall, die für die betroffenen Personen sehr belastend ist.

Herr Optendrenk hatte gerade schon darauf hingewiesen, wie diese „Malta-Masche“ funktioniert. Da werden Schadenersatzforderungen im Prinzip frei erfunden, man trägt das dann in ein Online-Handelsregister in den USA ein. Dann werden die Forderungen an ein Inkassounternehmen auf Malta abgetreten, das von „Reichsbürgern“ gegründet wurde. Das ist, wie gesagt, für die betroffenen Personen sehr belastend, und das betrifft insbesondere – das hat Herr Optendrenk gesagt – Personen, die selber für den Staat arbeiten und bei denen es besonders wichtig ist, politische Unterstützung zu geben und zu gewährleisten.

Deshalb kann ich für uns als grüne Fraktion sagen, dass wir froh sind, dass im Bereich „Reichsbürger“, aber vor allem auch hinsichtlich der „Malta-Masche“, schon einiges geschehen ist. Das Auswärtige Amt hat sich mit den maltesischen Behörden in Kontakt gesetzt und ihnen klargemacht, dass diese frei erfundenen, unrechtmäßigen Forderungen nicht vollstreckt werden dürfen. Außerdem bin ich froh darüber, dass gerade auch die NRW-Behörden in Abstimmung mit den kommunalen Spitzenverbänden – das ist vielleicht ebenfalls wichtig – sehr schnell auf Landesebene reagiert haben, dass sie die kommunalen Behörden informiert und ihnen eine Handreichung gegeben haben. Das Landesamt für Verfassungsschutz, das in NRW im Innenministerium angesiedelt ist, hat auch einen Ansprechpartner für die kommunale Ebene genannt, damit genau solche Fälle gemeldet werden können und man sich in Verbindung setzen und das klären kann.

Ehrlich gesagt hätte ich mir gewünscht, dass wir bei diesem wichtigen Punkt, bei dem wir politisch hier im Haus gar nicht so weit auseinanderliegen, einen gemeinsamen Antrag mit der CDU hinbekommen. Wir haben uns ja an die CDU-Fraktion mit Formulierungsvorschlägen zu ihrem Antrag gewandt, die aus meiner Sicht durchaus einigungsfähig gewesen wären. Leider haben wir von Ihnen ohne Begründung nur die Rückmeldung bekommen: Da machen wir leider nicht mit. – Das finde ich persönlich sehr schade, da wir gerade bei diesem Thema „Reichsbürgerbewegung“ eigentlich fraktionsübergreifend – die anderen beiden Fraktionen haben noch nicht geredet, aber ich vermute es …

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Frau Kollegin, es gibt eine Zwischenfrage von Herrn Dr. Optendrenk.

Verena Schäffer (GRÜNE): Ja, natürlich. – Gerne.

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Bitte schön.

Dr. Marcus Optendrenk (CDU): Wären Sie in der Sache etwas nachsichtiger mit uns, wenn wir Ihnen sagen würden, dass es nicht um die inhaltlichen Formulierungen des eigentlichen Textes, sondern um das Schönreden der Situation in den Beschlusspunkten ging? Aus meiner Sicht haben wir keinen Dissens bei der Beschreibung im Textteil, sondern – wie ich eben in meiner Rede deutlich gemacht habe – eher im Beschlussteil.

Verena Schäffer (GRÜNE): Auch da wäre man trotzdem zusammengekommen, weil wir ja dasselbe Anliegen haben. – Aus unserer Sicht machen die Behörden schon sehr viel, und das ist auch gut so. Aber man wäre zum Beispiel an dem Punkt zusammengekommen, zu sagen, dass man dranbleiben muss und gucken muss, wo es noch weitere Bedarfe gibt, etwas zu tun.

Deshalb finde ich es schon schade, dass auf unsere Mail hin, ob man etwas Gemeinsames machen kann, nur „nein“ geantwortet wird, ohne irgendeinen Versuch zu starten, zu gemeinsamen Formulierungen zu kommen. Das bedaure ich, denn das politische Signal, dass wir hier als Parlament gemeinsam gegen die „Reichsbürger“ vorgehen und insbesondere auch bei der „Malta-Masche“ tätig werden und die Betroffenen unterstützen, hätte ich politisch wichtig und sinnvoll gefunden.

Jetzt ist es so, dass wir zwei Anträge haben. Wir werden den CDU-Antrag natürlich ablehnen – etwas anderes haben Sie wahrscheinlich nicht erwartet – und unseren Entschließungsantrag entsprechend annehmen. – Herzlichen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Newsletter Aktivitäten gegen Rechtsextremismus Juli 2016

Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Freundinnen und Freunde,

in diesem Newsletter möchte ich über Aktuelles aus der Arbeit gegen Rechtsextremismus und Rassismus im Landtag NRW berichten.

In der vergangenen Woche wurde der Verfassungsschutzbericht des Landes für das Jahr 2015 veröffentlicht. Dieser macht auf äußerst problematische Entwicklungen aufmerksam. Angesichts der dort beschriebenen Problemlagen wird nochmal deutlich, wie wichtig die Erstellung des integrierten Handlungskonzepts gegen Rechtsextremismus und Rassismus war, über das wir in unserer vergangenen Kommunalinfo berichtet haben. Inzwischen ist das Interessenbekundungsverfahren für die Teilnahme am Förderprogramm für lokale Handlungskonzepte gegen Rechtsextremismus und Rassismus gestartet. Auch hierzu wollen wir in diesem Newsletter informieren.

Herzliche Grüße aus dem Landtag!

Verena Schäffer

 

Inhalt des Newsletters:

  • Förderprogramm für lokale Handlungskonzepte gegen Rechtsextremismus und Rassismus
  • Verfassungsschutzbericht des Landes NRW 2015

Förderprogramm für lokale Handlungskonzepte gegen Rechtsextremismus und Rassismus

Im Rahmen der Erstellung des integrierten Handlungskonzepts gegen Rechtsextremismus und Rassismus des Landes NRW wurde der Bedarf an Unterstützungsangeboten für die Kommunen deutlich. Deshalb haben wir gemeinsam mit der SPD-Fraktion bereits im vergangenen Jahr Haushaltsmittel für diese Aufgabe bereitgestellt. In unserem Kommunalinfo hatten wir angekündigt, dass bald ein entsprechendes Förderprogramm für Kommunen, die sich in der Arbeit gegen Rechtsextremismus und Rassismus bereits engagieren oder entsprechendes Engagement planen, starten würde. Nun ist es so weit. Das Interessenbekundungsverfahren ist in dieser Woche gestartet worden. Bis zum 7. Oktober 2016 können Kreise und kreisfreie Städte Interessenbekundungen über eine maximale Fördersumme von 70.000 Euro beim Ministerium für Familie, Kinder, Jugend, Kultur und Sport des Landes NRW einreichen. Voraussetzung ist neben einem der Umsetzung bzw. der Entwicklung eines Handlungskonzepts auch ein Rats- bzw. Kreistagsbeschluss. Wir hoffen, dass viele Kommunen dieses Angebot annehmen und die Arbeit gegen Rechtsextremismus und Rassismus vor Ort gestärkt werden kann.

Weitere Informationen zum Förderprogramm und Interessenbekundungsverfahren sind hier zu finden.

 

Verfassungsschutzbericht des Landes NRW 2015

Der Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen für das Jahr 2015 bestätigt, was sich bereits in der Berichterstattung der vergangenen Monate gezeigt hat: Konflikte und Radikalisierung nehmen zu. Sowohl das rechtsextreme, als auch das neosalafistische Spektrum sind heute stärker ideologisiert und vor allem auch gewaltbereiter als zuvor. Auch von der linken Szene gehen mehr Straftaten aus als im Vorjahr.

Im Laufe der vergangenen Jahre sind die politisch rechts motivierten Straftaten in Nordrhein-Westfalen kontinuierlich angestiegen. Dieser Trend hat sich auch im Jahr 2015 fortgesetzt. Im Jahr 2015 wurden 4.437 (2014: 3.286) rechte Straftaten registriert. Das ist ein Anstieg um 35 Prozent im Vergleich zum Vorjahr.

Gegen diese Radikalisierung geht die Landesregierung sowohl mit  repressiven Mitteln, als auch mit gestärkter Präventionsarbeit vor.

Staatliche Maßnahmen können aber nur dann wirklich Wirksamkeit gegen Radikalisierung entfalten, wenn sie von der demokratischen Zivilgesellschaft getragen werden. Das friedliche Zusammenleben unterschiedlicher gesellschaftlicher Gruppen braucht das Engagement und Eintreten aller Demokratinnen und Demokraten gegen menschenverachtende und antidemokratische Kräfte. Dieses Engagement ist groß in NRW. Es verdient unsere Anerkennung und Unterstützung, damit es weiter wachsen kann.

Wir haben die Ergebnisse aus dem Verfassungsschutzbericht kurz zusammengefasst und in einem Blog aus unserer Sicht bewertet. Er kann hier nachgelesen werden.

Meine Rede zur Aktuellen Stunde über den Verfassungsschutzbericht kann hier angeschaut und hier nachgelesen werden.

Bei Fragen und Anmerkungen stehen Hasret Karacuban, meine Mitarbeiterin und Referentin für Strategien gegen Rechtsextremismus (hasret.karacuban@landtag.nrw.de; Tel.: 0211 884 4321), und ich gerne zur Verfügung.