Pressemitteilung mit SPD: Sachverständigenanhörung lobt zukünftige gesetzliche Regelungen im Polizeigesetz

Zur Sachverständigenanhörung des Innenausschusses zur Änderung des Polizeigesetzes des Landes Nordrhein-Westfalen und des Polizeiorganisationsgesetzes erklären der stellvertretende Vorsitzende der SPD-Landtagsfraktion, Hans-Willi Körfges, und die innenpolitische Sprecherin und stellvertretende Vorsitzende der Fraktion von Bündnis 90/DIE GRÜNEN im Landtag NRW, Verena Schäffer:

„Die anwesenden Experten waren einhellig der Auffassung, dass mit den vorgeschlagenen Regelungen ein guter Kompromiss zwischen der Wahrung der allgemeinen Sicherheit und dem Schutz der Freiheit des Einzelnen erzielt wird.

Im vorliegenden Gesetzentwurf sollen im Wesentlichen zwei Änderungen vorgenommen werden:

Zum einen soll die Regelung zur Videobeobachtung öffentlicher Plätze durch die Polizei zur Verhütung von Straftaten verlängert werden. Derzeit wird diese Regelung in NRW nur in Düsseldorf und Mönchengladbach angewandt. Die Sachverständigen betonten, dass NRW weit entfernt ist von einer flächendeckenden Überwachung und die Regelung in einem verhältnismäßigen Rahmen genutzt wird.

Zum anderen soll ein bisher schon von der Polizei auf Grundlage der Generalklausel durchgeführter Abruf von Telekommunikations- und Telemediendaten zur Ortung von Personen nun explizit im Polizeigesetz geregelt werden. Fallkonstellationen sind dabei u.a. die Suche nach vermissten, hilflosen und suizidgefährdeten Personen sowie Amokandrohungen und Geiselnahmen. Durch die Gesetzesänderung werden der Polizei keine neuen Eingriffsbefugnisse gegeben, die bisherige Regelung wird aber klarer gefasst. Außerdem schaffen wir Eingriffshürden und Löschfristen, um die Grundrechte der Betroffenen zu schützen.“

Meine Rede zum „Smart Borders“-Paket der Europäischen Kommission

Meine Rede zum Antrag der Piratenfraktion (Landtagsdrucksache 16/2584):

Verena Schäffer (GRÜNE): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau von Boeselager, die „Smart Borders“-Pakete der Europäischen Kommission bedeuten vor allen Dingen, zukünftig alle ein- und ausreisenden Nicht-EU-Bürgerinnen und -Bürger schärfer als bisher zu kontrollieren. Zum einen sollen zukünftig Ort und Datum des Grenzübertritts gespeichert werden. Zum anderen sollen die Fingerabdrücke in einer zentralen EU-Datenbank erfasst werden. Bei jedem Übertritt der EU-Außengrenzen sowie bei allen Polizei- und Ausweiskontrollen innerhalb der EU sollen diese Daten überprüft und abgeglichen werden.

Das ist meiner Ansicht nach eine elektronische Überwachung aller Nicht-EU-Bürgerinnen und -Bürger, die sich in einem Mitgliedsland in der EU aufhalten. Damit, liebe Kolleginnen und Kollegen, kommt die Festung Europa endgültig auch im digitalen Zeitalter an: Es werden nicht nur Grenzzäune hochgezogen, sondern auch die virtuellen Mauern entsprechend erhöht. Das entspricht nicht dem, was wir als Grüne von einem freien und solidarischen Europa erwarten, einem Europa, in dem die Bürger- und Freiheitsrechte aller gewährleistet und geschützt werden.

(Beifall von den GRÜNEN und den PIRATEN)

Aber es ist nicht nur das, sondern mit dem „Smart Borders“-Paket soll auch ein sehr teures, nutzloses und bürokratisches Überwachungssystem aufgebaut werden, das gerade unter Datenschutzgesichtspunkten hochproblematisch ist. Ich sage Ihnen, warum ich das meine: „Smart Borders“ ist – erstens – sehr teuer. Die Europäische Kommission rechnet bis zum Jahr 2020 damit, dass es Kosten von mehr als 1 Milliarde € verursacht. Die EU-Mitgliedstaaten müssen selber auch noch einmal ins Portemonnaie greifen und für einen erheblichen Teil der Kosten aufkommen.

Zweitens ist „Smart Borders“ aus unserer Sicht völlig nutzlos und ineffektiv. Ziel ist es ja, illegale Migration aus Drittstaaten in die EU zu verhindern. Das wird meines Erachtens nicht geschehen, da der aktuelle Aufenthaltsort einer Person – hat sie erst einmal die Grenze überschritten – nicht festgehalten wird. Das heißt: Die Kommission weiß, wann wer einreist und wann wer ausreist, erfasst bei der Gelegenheit auch die Fingerabdrücke. Aber die EU-Kommission weiß nicht, wo sich die Person aufhält. Deshalb kann die EU-Kommission diese Person – wenn Sie sich nach Ablauf der Aufenthaltsbefristung noch in der EU aufhält – gar nicht aufspüren und dann ausweisen. Das soll ja das eigentliche Ziel dieses Systems sein. Ganz unabhängig davon, wie man zum Umgang der EU mit Angehörigen aus Drittstaaten steht, wird dieses System seinen Zweck so niemals erfüllen können.

(Beifall von den GRÜNEN und den PIRATEN)

Aber es gibt auch verschiedene Datenschutzgründe, aus denen heraus man „Smart Borders“ ablehnen kann und sogar muss: Das ist zum Beispiel die anlasslose Speicherung biometrischer Daten sämtlicher Nicht-EU-Bürgerinnen und -Bürger, also von Personen, die EUStaatsangehörigkeit haben. Das ist ein unverhältnismäßiger Eingriff in deren Grundrechte auf informationelle Selbstbestimmung. Das widerspricht auch dem EU-Datenschutzgrundrecht. Die Speicherung ist diskriminierend. Sie unterstellt Drittstaatenangehörige einem Generalverdacht und weicht ihre Persönlichkeitsrechte auf. Schon jetzt plant die Kommission eine Zweckentfremdung dieser Datenbank. Wenige Jahre nach Einführung des Systems dieser Datenbank soll geprüft werden, ob die Polizei einen Zugriff auf die Datenbank bekommen soll, ob Fingerabdrücke von Nicht-EU-Angehörigen dann in Zukunft auch mit Tatorten abgeglichen werden sollen.

Aus unserer Sicht ist es sehr offensichtlich, dass die EU-Kommission schon heute damit plant, dass Polizei und Strafverfolgungsbehörden auch einen Zugriff auf die Datenbank erhalten sollen. Für uns bedeutet das Generalverdacht und Rasterfahndung, ohne nachweisen zu können, ob es wirklich einen Zugewinn bei der Bekämpfung von Terrorismus und Kriminalität gibt. Das bringt gerade auch aus Bürgerrechtsperspektive dann das Fass zum Überlaufen.

(Beifall von den GRÜNEN und den PIRATEN)

So weit, so gut. Sie sehen, dass wir zumindest die meisten Punkte, die in dem Antrag genannt werden, sehr richtig finden. Nichtsdestotrotz muss man einfach sagen: Vom Verfahren her kommt dieser Antrag der Piratenfraktion schlichtweg zu spät. Denn dieses Thema ist ja bereits im Bundesratsinnenausschuss diskutiert worden. Es ist leider anders diskutiert worden, als ich mir das inhaltlich hier wünschen würde. Insofern finde ich es unehrlich, jetzt noch, nachdem die Beratung im Bundesrat schon gelaufen ist, einen Antrag zu beschließen, in dem gefordert wird, dass sich der Bundesrat entsprechend verhält. Aus diesem Grund werden wir den Antrag ablehnen, sprich: nicht inhaltlich, sondern insbesondere aus Verfahrensgründen. – Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN – Lachen von den PIRATEN – Verena Schäffer [GRÜNE]: Ja, es ist so!)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Frau Kollegin.

Meine Rede zur Auswahl der Polizeipräsidentinnen und Polizeipräsidenten in NRW

 (Landtagsdrucksache 16/2336)

Verena Schäffer (GRÜNE): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Bevor ich auf den Inhalt des Gesetzentwurfs eingehen will, möchte ich dann doch noch ein paar Worte zu dem Titel des Gesetzentwurfs sagen, Herr Orth, weil ich ihn problematisch finde. Sie sprechen hier von einer „Entpolitisierung der Polizei“. Das heißt ja im Umkehrschluss, dass Sie davon ausgehen, dass wir eine politische Polizei haben, eine Polizei, die sich nicht nach Recht und Gesetz richtet, sondern die politisch gesteuert sei.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD – Christian Lindner [FDP]: Ein bisschen absurd!)

– Nein, das ist nicht absurd. Denn entpolitisierte Polizei heißt nun einmal im Umkehrschluss politische Polizei.

Ich will hier für die nordrhein-westfälische Polizei klarstellen, dass wir eine rechtsstaatlich handelnde und eben keine politische Polizei haben.

(Zuruf von Christian Lindner [FDP])

In der deutschen Geschichte mussten viele Menschen unter Willkür und Verfolgung durch politische Polizei leiden. Das ist heute zum Glück anders, weil wir in einem demokratischen Rechtsstaat leben

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD – Christian Lindner [FDP]: Das wollen Sie uns nicht allen Ernstes hier vorwerfen? Das ist Unsinn!)

und weil die nordrhein-westfälische Polizei demokratisch legitimiert ist und weil sie nach rechtsstaatlichen Prinzipien arbeitet. Gerade weil sie dem Rechtsstaat verpflichtet ist, kann sie den Schutz der Grund- und Freiheitsrechte der Bürgerinnen und Bürger gewährleisten.

Insofern sollten Sie etwas vorsichtiger sein bei der Wahl Ihrer Überschrift.

(Beifall von den GRÜNEN – Christian Lindner [FDP]: Nur wenn man sie böswillig verzerrt!)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Frau Kollegin, würden Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Dr. Orth zulassen?

Verena Schäffer (GRÜNE): Ja, werde ich.

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Dann bitte schön.

Dr. Robert Orth (FDP): Erst einmal herzlichen Dank, dass Sie die Zwischenfrage zulassen.

Frau Kollegin, sind Sie denn bereit, zur Kenntnis zu nehmen, und wie bewerten Sie es dann, dass ein politischer Beamter – und das ist der Polizeipräsident – qua Gesetz verpflichtet ist, die Ziele der Landesregierung bei seinen Entscheidungen zu beachten? Was kann denn politischer sein als diese Formulierung, wenn sie so im Gesetz steht?

Verena Schäffer (GRÜNE): Dann möchte ich doch noch einmal differenzieren zwischen den beiden unterschiedlichen Ebenen. Sie reden hier über das Amt der Polizeipräsidenten. Das ist nicht mit dem gleichzusetzen, was ich gerade zu dem Titel ausgeführt habe. Denn „entpolitisiert“ heißt für mich im Umkehrschluss, dass wir von einer politischen Polizei insgesamt reden. Sie reden hier von einer Entpolitisierung der Polizei.

(Zuruf von Christian Lindner [FDP])

Das finde ich an dem Titel problematisch.

Nichtsdestotrotz – das ist mir auch klar – gibt es den Begriff des politischen Beamten. Dazu werde ich jetzt auch etwas sagen, und zwar hat man sich in Nordrhein-Westfalen für die sogenannte zivile Führung entschieden, also für Personen ohne polizeiliche Sozialisation als Polizeibeamtinnen und -be­amte. In den Städten sind das die Polizeipräsidentinnen und -präsidenten, im kreisangehörigen Raum früher die Oberkreisdirektoren, heute die Landräte. Dieses Prinzip wird auch weiterhin in Nordrhein-Westfalen – eben mit einer Ausnahme bei den Polizeipräsidenten – angewandt.

Natürlich gibt es qualifizierte Polizeibeamte, die in der Lage wären, die Aufgabe als Behördenleitung eines Polizeipräsidiums zu übernehmen. Aber gerade die sogenannten zivilen Behördenleiterinnen und -leiter stehen eben für die Durchsetzung des Rechtsstaatsprinzips im Handeln der Polizei. Ich finde, es geht auch darum, dass ein Blick von außen gerade an dieser Schnittstelle von Polizei und Ministerium, an der Schnittstelle von Polizei und Bürgerinnen und Bürgern ein reflektiertes Handeln durch die Behördenleitung möglich macht. Genau diese zivile Führung wollen Sie mit Ihrer Gesetzesänderung abschaffen. Das halte ich für falsch.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

In einem Punkt gebe ich Ihnen allerdings Recht. Eignung, Befähigung, fachliche Leistung müssen natürlich Kriterien bei der Einsetzung und Beförderung von Beamtinnen und Beamten sein, selbstverständlich eben auch bei den sogenannten – da kommt der Begriff – politischen Beamten. Sie können aber unbesorgt sein an dieser Stelle, dass diese Kriterien in Nordrhein-Westfalen berücksichtigt werden.

(Lachen von Dr. Robert Orth [FDP])

– Ja, da können Sie jetzt lachen. Aber Sie hatten ja gerade in Ihrem Redebeitrag angesprochen, dass das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in die Polizei schwinden würde, wenn diese Beamtinnen und Beamten entsprechend ernannt würden. Das finde ich schon bemerkenswert. Ich habe nicht gemerkt, dass das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in die Polizei nach fünf Jahren Schwarz-Gelb und der entsprechenden Ernennung der Polizeipräsidentinnen und -präsidenten wirklich gelitten hätte.

Worauf meine Kollegin Frau Düker gerade schon eingegangen ist, ist die Rolle der Landräte. Wenn man eine politische Einflussnahme sieht, dann müsste man sich in der Tat ehrlicherweise einmal die Landräte anschauen. Dann bin ich sehr gespannt auf die Diskussion, Herr Kruse. Denn ein Landrat, der sich zur Wiederwahl stellen will, ist naturgemäß – ich denke, das ist jedem nachvollziehbar – eher gefährdet, das Amt der Polizeiführung zu politisieren.

(Zuruf von Dr. Robert Orth [FDP])

Ausgerechnet an dieser Stelle fordern Sie keine Reform und nehmen das noch nicht einmal in die Argumentation Ihres Gesetzentwurfs auf. Ich finde das sehr dünn. Ich finde das viel zu kurz gesprungen und bin deshalb gespannt auf die Diskussion im Ausschuss.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Meine Rede zum Gesetz zur Neuausrichtung des Verfassungsschutzes in Nordrhein-Westfalen

Drucksache 16/2148

Verena Schäffer (GRÜNE): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir wissen, dass die Sicherheitsbehörden im Falle der menschenverachtenden Mord- und Anschlagsserie des NSU eklatant versagt haben. Gerade die Angehörigen der Ermordeten haben ihr Vertrauen in unseren Rechtsstaat verloren, auch weil sie lange Zeit von den Behörden selbst verdächtigt wurden.

Der Verfassungsschutz steht in der Diskussion, die wir über die Neuausrichtung der Sicherheitsbehörden führen, im Fokus, wobei ich auch noch einmal betonen will, dass wir die Debatte nicht nur auf den Verfassungsschutz begrenzen dürfen.

Die katastrophalen Fehler haben unbestreitbar zu einem massiven Vertrauensverlust in der Bevölkerung geführt, befeuert unter anderem noch durch das Schreddern von Akten, das Zurückhalten von Informationen gegenüber den Untersuchungsausschüssen. Deshalb ist es aber unsere Aufgabe, als Politikerinnen und Politiker, als Abgeordnete die Arbeit der Sicherheitsbehörden wirklich zu hinterfragen und zu diskutieren, was sich ändern muss.

Mein Fazit bei dieser Debatte ist, dass wir mehr Kontrolle brauchen, dass wir aber auch mehr Transparenz brauchen, um dieses verloren gegangene Vertrauen wiederzuerlangen.

Die Debatte eben zum Thema Salafismus hat eines gezeigt: Wir brauchen ein Frühwarnsystem, um die gefährlichen, gewaltorientierten Bestrebungen und Personen, die sich klar gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung richten, bereits im Vorfeld zu beobachten und damit auch Straftaten verhindern zu können. Diese Gefahr – das wird Sie nicht wundern – sehe ich derzeit vor allen Dingen im rechtsextremistischen und im islamistischen Bereich. Da geht es mir nicht darum zu sagen, wir machen das linke Auge zu, sondern wir müssen dorthin blicken, wo tatsächlich eine Gefahr für unsere freiheitliche Gesellschaft droht.

(Beifall von den GRÜNEN)

Deshalb ist dieser Gesetzentwurf an dieser Stelle auch richtig. Er sagt nämlich, dass die Kapazitäten des Verfassungsschutzes und der Einsatz von nachrichtendienstlichen Mitteln zukünftig genau auf die Bereiche konzentriert werden müssen, in denen eine Gefahr für unsere demokratische Gesellschaft durch gewaltorientierte Gruppierungen droht.

Derzeit ist es so, dass das Parlamentarische Kontrollgremium nicht öffentlich tagt. Das heißt im Klartext, dass Herr Körfges, Herr Kruse, Herr Orth und ich und die weiteren Mitglieder des Parlamentarischen Kontrollgremiums Ihnen nicht sagen dürfen, wann wir tagen, wie lange wir tagen, wo wir uns treffen, welche inhaltlichen Schwerpunkte wir setzen und so weiter und so fort. Diese Geheimniskrämerei trägt aus meiner Sicht nicht wirklich zur Vertrauensbildung bei, sondern verschärft im Gegenteil das Misstrauen gegenüber dem Verfassungsschutz.

Natürlich werden wir auch in Zukunft die Öffentlichkeit dann ausschließen müssen, wenn Geheimhaltungsgründe das erfordern. Dennoch glaube ich, dass wir mit den Mitteln dieses neuen Gesetzes, wonach wir die Sitzungen des Parlamentarischen Kontrollgremiums öffentlich durchführen können, einen wichtigen Schritt gehen, und zwar einen Schritt hin zu mehr Transparenz, um Vertrauen wiederzugewinnen, aber auch zu mehr Kontrolle, denn Öffentlichkeit schafft auch Kontrolle.

Herr Biesenbach, Sie haben gerade gesagt, dieses Gesetz sei schön sortiert, es schaffe Klarheit. Das ist gut. Ich finde aber, diese Klarheit an sich hat auch einen Wert. Denn diese Klarheit bedeutet Transparenz. Natürlich haben wir hier keine Generalklausel eingebaut, denn gerade beim Verfassungsschutz bewegen wir uns in einem Bereich, der weit ins Vorfeld rückt. Wir bewegen uns in einem Bereich, in dem es noch keine Straftaten gibt. Es ist ein sehr sensibler Bereich für einen demokratischen Rechtsstaat.

Dass wir hier keine Generalklausel haben, sondern sehr genau überlegen, welche Befugnisse wir dem Verfassungsschutz geben wollen, welche nachrichtendienstlichen Mittel wir ihm zur Verfügung stellen wollen, das halte ich für eine Selbstverständlichkeit. Es ist auch selbstverständlich, dass diese klar definiert sein und immer wieder diskutiert werden müssen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Gerade im Bereich des Einsatzes von V-Leuten werden wir gesetzliches Neuland betreten und damit aus meiner Sicht eine Vorreiterrolle insgesamt auch für andere Bundesländer einnehmen. Gerade der Einsatz von V-Leuten ist eine sehr sensible Maßnahme. Der demokratische Rechtsstaat bewegt sich immer auf einem sehr schmalen Grat, wenn er sich der Maßnahme des Einsatzes von V-Leuten bedient. Denn der Staat arbeitet mit Verfassungsfeinden zusammen und bezahlt sie für Informationen, die zum Schutze unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung beitragen sollen. Aber es sind Verfassungsfeinde, von denen wir die Informationen bekommen.

Nichtsdestotrotz halte ich diese Informationen für zu relevant, als dass wir auf sie verzichten können. Aber umso wichtiger ist es, dass wir hier eindeutige Kontrollmechanismen und klare Kriterien zur Verhältnismäßigkeit beim Einsatz von V-Leuten schaffen.

Die gesetzlichen Regelungen haben neben der Klarheit und der Verbindlichkeit auch noch einen weiteren Vorteil. Bisher sind Regelungen in Geheim­­akten festgehalten worden. Das heißt, dass die Öffentlichkeit, aber dass auch die Abgeordneten, also Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen, im Prinzip nicht wirklich darüber diskutieren können, welchen Freiraum wir dem Verfassungsschutz beim Einsatz von V-Leuten genehmigen wollen.

Das jetzt öffentlich zu machen und eine öffentliche Auseinandersetzung darüber zu führen, was wir eigentlich wollen und welche Kriterien wir anlegen wollen, wenn wir uns der V-Leute bedienen, halte ich für einen sehr wichtigen Schritt in Richtung Transparenz und um verloren gegangenes Vertrauen zurückgewinnen zu können.

Ich sage noch einmal: Geheimniskrämerei trägt nicht zum Vertrauen bei, sondern schafft eher Legendenbildung. Das kann aus meiner Sicht nicht in unserem Interesse sein, sondern wir müssen hierbei für Transparenz sorgen, damit das Vertrauen in die Arbeit des Verfassungsschutzes – denn es gibt diese verfassungsfeindlichen Bestrebungen – wieder gestärkt wird.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)

Vizepräsident Oliver Keymis: Danke schön, Frau Schäffer. – Nun spricht für die Piratenfraktion Herr Kollege Schatz.

Big Brother is watching you? – Besuch an der holländischen Grenze

Gemeinsam mit meinen Grünen Landtagskollegen Matthi Bolte und Stefan Engstfeld habe ich vergangene Woche den niederländischen Grenzübergang bei Venlo besucht. Hintergrund war die Einrichtung eines Videoüberwachungssystems und zahlreiche Fragen dazu. Hier ist unser Bericht:

Vergangenen Sommer sorgte die niederländische Regierung mit der Installation eines neuen Videoüberwachungssystems an ihren Grenzübergängen für Irritationen. Aus unserer Sicht untergraben die niederländischen Videokontrollen an innereuropäischen Grenzen den Geist des Schengener Abkommens. Was passiert mit den gesammelten Daten, welches Ziel verfolgt die niederländische Regierung mit der Einführung des Überwachungssystems und wie effektiv ist es tatsächlich, um die angestrebten Ziele zu erreichen? Um diesen Fragen nachzugehen, besuchten Mitglieder des Europa- und des Innenausschusses von SPD und GRÜNEN den niederländischen Grenzposten in Venlo.

Auf Einladung des niederländischen Generalkonsulats in NRW informierten wir uns bei der Venloer Koninklijke Marechaussee (KMAR) vor Ort über das System der Grenzüberwachungskameras (@migo boras) und dessen genaue Funktionsweise. Unsere Bilanz fällt gemischt aus. Positiv zu bemerken ist die Bereitschaft der niederländischen Regierung zum offenen Dialog und zur Beantwortung vieler Fragen. Negativ, dass gerade beim Thema Datenschutz die Antworten nicht überzeugend waren.

So bleibt weiter bedenklich, dass der Kreis der Zugangsberechtigten zum System nicht fest definiert ist und die Sicherung der gesammelten Daten gegen unbefugte Zugriffe – auch von außen – im Gespräch nicht abschließend dargestellt werden konnte. Auch in rechtlicher Hinsicht bleiben Fragen offen. So regelt die Charta der Grundrechte der EU in Artikel 8, dass der Schutz der personenbezogenen Daten erfordert, dass Daten nur mit Einwilligung der betroffenen Person oder nur auf einer gesetzlich geregelten legitimen Grundlage verarbeitet werden dürfen. Die niederländische Regierung entgegnet auf derartige Befürchtungen, dass die Daten größtenteils (außer im Falle gezielter Fahndungen bei Notfällen oder Großeinsätzen) anonym erhoben werden und das System normalerweise keine Speicherung der Kraftfahrzeugkennzeichen von PKW oder LKW vorsehe, die Rückschlüsse auf Personen zulassen würde. Außerdem stehe das System unter ständiger Kontrolle der CBP (College Bescherming Persoonsgegevens, niederländische Datenschutzaufsicht). Die erhobenen Daten würden für einen Zeitraum von 5 Jahren gespeichert und es stehe jeder Bürgerin und jedem Bürger das Recht zu, sich über seine personenbezogenen Daten im System zu informieren.

Dennoch: Die Einführung einer flächendeckenden Überwachung der großen Grenzanlagen stellt Reisende unter Generalverdacht. Zwar findet sie nur stichprobenartig statt, weil die Einsatzzeit auf maximal 6 Stunden pro Tag und insgesamt max. 90 Stunden im Monat begrenzt ist. Für die Reisenden ist es allerdings nicht klar ersichtlich, ob und wann sie überwacht werden. Eine solche Transparenz ist für uns GRÜNE die Mindestanforderung an staatliche Überwachungsmaßnahmen. Auch die zeitliche Begrenzung der Überwachung ist kein Zugeständnis an den Datenschutz, sondern Folge eines niederländischen Gerichtsurteils, durch das überhaupt erst die Vereinbarkeit mit dem Schengener Abkommen hergestellt wurde.

Das Ziel des Grenzüberwachungssystems ist die Bekämpfung von Menschenhandel, illegaler Einwanderung und grenzüberschreitender, insbesondere migrationsbezogener, Kriminalität. Nach einem halben Jahr seit der Inbetriebnahme stehen noch keine belastbaren Zahlen hinsichtlich der Effizienz des Systems zur Verfügung. Dennoch ist es aus unserer Sicht zweifelhaft, ob die stichprobenartige Videoüberwachung tatsächlich der Kriminalitätsbekämpfung effektiv dient oder ob nicht Grenzschutzkräfte mit ihrer klassischen Arbeit vor Ort mehr bewirken.

Unsere Bedenken konnten durch die nichtsdestotrotz sehr informativen Gespräche mit der KMAR nicht ausgeräumt werden. Unser Resultat nach dem Besuch:

Big Brother is still watching you – und wir bleiben dran.