Meine Rede zu polizeilichen „Eilbefugnissen“ von Zollbeamtinnen und Zollbeamten

Drucksache 16/4157

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Es mag für meine Fraktion ungewöhnlich sein. Normalerweise bin ich nicht sosehr dafür bekannt, nur Realpolitik zu betreiben.

(Heiterkeit von Hans-Willi Körfges [SPD])

Aber dieses Mal kann ich sagen: Uns geht es nicht um Parteipolitik, sondern wirklich um Realpolitik, denn wir sehen keine Notwendigkeit dafür. Warum sollen wir polizeiliche Befugnisse auf andere Personenkreise übertragen, wenn es keine Defizite gibt? Weder hier noch in der ersten Lesung noch in der Anhörung ist wirklich dargestellt worden, dass es Defizite bei der Zusammenarbeit von Polizei und Zoll gibt. Insofern frage ich mich: Wenn wir dafür keine ausreichende Begründung haben, warum sollten wir den Kreis derjenigen, die bestimmte Eilbefugnisse haben – es sind polizeiliche Befugnisse –, ausweiten, noch dazu auf Beamtinnen und Beamte des Bundesfinanzministeriums? Warum sollen wir hier sozusagen Länderrechte ausweiten, wenn wir gar keine Defizite sehen?

Ein Argument in der ganzen Debatte ist immer: Ja, in den unterschiedlichen Ländern gibt es unterschiedliche Regelungen. Dazu muss ich sagen: Ja, das liegt aber auch daran, dass Polizeirecht Ländersache ist. Insofern werden Sie immer in allen möglichen polizeilichen Fragen unterschiedliche Regelungen zwischen den Ländern haben. Das ist in diesem Themenbereich relativ normal, und damit müssen wir umgehen.

Meines Wissens haben bisher nur die Bundesländer Bayern, Baden-Württemberg, Brandenburg, Sachsen und Schleswig-Holstein, also fünf Länder die Eilbefugnisse für Zollbeamte. Das ist nicht einmal die Hälfte der Bundesländer. Es hat vom Bundesfinanzministerium schon mehrfach Anfragen an die Landesinnenminister gegeben, die auch schon mehrfach geprüft haben, ob es hier ein Problem gibt, ob es hier Defizite in der Zusammenarbeit gibt. Bisher ist es immer verneint worden, zumindest von mehr als der Hälfte der Landesinnenminister. Insofern sehen wir hier keinen Grund einer Ausweitung von polizeilichen Befugnissen. Aus dem Grund werden wir den Gesetzentwurf ablehnen.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Pressemitteilung: Rechtsextreme und rassistische Straftaten besser erfassen

Zum Landtagsbeschluss zur Erfassung der politisch rechts motivierten Kriminalität (siehe Antrag) erklärt Verena Schäffer, Sprecherin für Innenpolitik und Strategien gegen Rechtsextremismus der GRÜNEN Fraktion im Landtag NRW:

„Die polizeiliche Statistik zu rechtsextremistisch und rassistisch motivierten Straftaten belegt: an jedem zweiten Tag wird ein Mensch in Nordrhein-Westfalen Opfer rechter Gewalt. Die Dunkelziffer liegt wahrscheinlich um ein Drittel höher. Das liegt zum einen daran, dass nicht alle Straftaten zur Anzeige gebracht werden. Zum anderen kann die politische Motivation einer Straftat nicht immer erkannt bzw. nachgewiesen werden. Eine grundlegende Überarbeitung der Erfassung ist deshalb dringend notwendig.

Antimuslimische Straftaten werden – anders als zum Beispiel antisemitische, rassistische oder homophobe Straftaten – bisher nicht gesondert erfasst. Das wollen wir mit dem nun vorliegenden Landtagsbeschluss ändern, denn die Hetze von Neonazis auf dem Rücken von Musliminnen und Muslimen hat sich in den letzten Jahren deutlich verstärkt. Sollte eine Einigung hierzu in der Innenministerkonferenz nicht möglich sein, ist die Landesregierung aufgefordert, eine eigene Erfassung vorzunehmen.

Für eine bessere Lageeinschätzungen und zur Beobachtung gesellschaftlicher Entwicklungen im Bereich des Rechtsextremismus und Rassismus ist es wichtig, die Realität der politisch rechts motivierten Kriminalität möglichst genau abzubilden. Dazu gehört auch eine verstärkte Kooperation von Polizei mit den spezialisierten Beratungsstellen für Opfer rechtsextremer und rassistischer Gewalt, ein Austausch von Polizei und den Mobilen Beratungsteams gegen Rechtsextremismus und die Verankerung der Aus- und Fortbildung der Polizei zum Themenkomplex Rechtsextremismus. Das sind wichtige Bausteine zur Weiterentwicklung der Polizeiarbeit im Bereich Rechtsextremismus.“

Meine Rede zu den Anträgen von Piraten und CDU zu den Ereignissen in Dortmund

Text und Video meiner Rede zu den Anträgen von Piraten und CDU „Betreibt das Ministerium des Inneren NRW gezielt Desinformation um Demokraten zu verunglimpfen?“ Drucksache 6120 beziehungsweise „Schwere Vertrauenskrise zwischen regierungstragenden Fraktionen und Innenminister Jäger belastet die Polizei in Nordrhein-Westfalen“ Drucksache 16/6190.

Verena Schäffer (GRÜNE): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich dachte, dass es nach dem Beitrag von Herrn Kruse nicht schlimmer werden könnte. Aber, Herr Orth, das geht gar nicht. Sie verdrehen die Tatsachen.

(Beifall von den GRÜNEN, der SPD und den PIRATEN)

Sie erheben ungeheuerliche Unterstellungen. Das ist peinlich für dieses Haus. Es ist auch peinlich, dass FDP und CDU kein Wort über den Bericht, über das Thema „Rechtsextremismus“ verlieren. Auf Sie wartet man bei Demonstrationen gegen Rechtsextremismus immer vergeblich.

(Beifall von den GRÜNEN, der SPD und den PIRATEN)

Ich würde mir wünschen, dass Sie mal mit uns auf der Straße stehen!

Wir haben in Dortmund eine der gewaltbereitesten Neonaziszene in Nordrhein-Westfalen, aber auch bundesweit. In dieser Stadt sind Menschen ermordet worden. Es hat den Angriff auf die DGB-Demo im Jahr 2009 gegeben. Die Aufmärsche am 1. Mai, am 1. September sind mittlerweile von bundesweiter Bedeutung für die rechtsextremistische Szene. Es ist uns vor zwei Jahren gelungen, diese Gruppierung, diese autonomen Nationalisten zu verbieten: als nationaler Widerstand nach dem Vereinsgesetz. Das hat durchaus dazu geführt, dass sich Personen im Umfeld dieser Szene zum Ausstieg bewegen ließen.

Aber zur Wahrheit gehört auch – das muss man hier auch mal selbstkritisch ansprechen –, dass sich viele Mitglieder des Nationalen Widerstands Dortmund in der rechtsextremistischen Partei Die Rechte wiederfinden, die jetzt unter dem Deckmantel einer Partei neu agieren.

Ich finde es besonders erschreckend, dass genau diese Partei jetzt in Hamm und in Dortmund im Rat sowie in mehreren Bezirksvertretungen vertreten ist. Das ist doch das eigentliche Problem, über das wir diskutieren müssen. Von Ihnen dazu kein Wort, Herr Kruse.

(Beifall von den GRÜNEN, der SPD und den PIRATEN)

Denn das gemeinsame Ziel von Demokratinnen und Demokraten muss sein, dass wir es schaffen, 2020 die rechtsextremen Parteien wieder aus den Stadträten herauszuwählen.

(Beifall von Minister Ralf Jäger)

Bis 2020 – das ist eine lange Strecke von sechs Jahren – brauchen wir einen Umgang damit. Aber für uns Grüne ist klar: Es darf keine Zusammenarbeit mit Rechtspopulisten, mit Neonazis geben. Das, was in Köln-Porz abgelaufen ist, ist peinlich für die Demokratie und geht so gar nicht.

(Beifall von den GRÜNEN, der SPD und den PIRATEN)

Laut Polizei hat es im Vorfeld des Wahlabends keine Hinweise darauf gegeben, dass die Neonazis zur Wahlparty im Dortmunder Rathaus kommen würden. Dennoch stellt sich die Frage: Warum hat der Staatsschutz den Dortmunder Stadtteil Dorstfeld verlassen, um zum Rathaus zu fahren, statt an den Neonazis dranzubleiben? Diese Fehleinschätzung – als solche würde ich sie bezeichnen – hat dazu geführt, dass 30 Neonazis noch am späten Abend unbeobachtet losziehen konnten. Aus meiner Sicht hätte man annehmen können und auch müssen, dass eine Gruppe betrunkener Rechtsextremisten an so einem Abend noch loszieht, um Menschen zu bedrohen.

Im Innenausschuss haben die Vertreter des Innenministeriums ihr Bedauern darüber ausgesprochen. Ich meine aber, es schwächt Polizei nicht, sondern stärkt sie eigentlich, an solch einer Stelle auch mal zu sagen, dass man einen Fehler gemacht hat. Das hätte in dem Bericht auch so auftauchen müssen.

(Beifall von den GRÜNEN, der SPD und den PIRATEN)

Durch den Bericht selbst sind Menschen, die sich gegen Rassismus, gegen Rechtsextremismus positionieren und engagieren, mit Formulierungen wie „betrunkenen Politikern“ diffamiert worden.

In dem Bericht wird nicht deutlich, dass von Neonazis Gewalt gegen Demokratinnen und Demokraten ausgeübt wurde. Der alte Duktus von angeblichen Rechts-Links-Auseinandersetzungen, der meist zur Verharmlosung von rechtsextremer Gewalt geführt hat, lebt in diesem Bericht leider wieder auf.

Und die Darstellungen über die Gefährderansprache mit einem bekannten Neonazikader klingen leider so, als hätte man sich auf diese Aussagen berufen.

Solche Formulierungen sind fatal, weil sie das Vertrauen von demokratischen Bürgerinnen und Bürgern in Polizeiarbeit beschädigen, weil sie Fronten aufmachen zwischen Demonstrantinnen und Demonstranten auf der einen und Polizei auf der anderen Seite.

Das eigentlich Erschreckende dieses Berichtes und dieser ganzen Diskussion darüber ist, dass wir in der Diskussion, die wir in den letzten Jahren geführt haben, zurückgeworfen sind, weil es diese Empörung gibt, die zu Recht da ist. Ich meine, wir müssen jetzt wieder nach vorne arbeiten gemeinsam mit der Zivilgesellschaft, weil die Gefahr durch Rechtsextremismus für unsere demokratische Gesellschaft vorhanden ist und wir alles daran setzen müssen, dieses Phänomen zu bekämpfen.

Der Kampf gegen den Rechtsextremismus kann aber nur gemeinsam, kann nur mit Zivilgesellschaft gelingen. Wir können die Polizeiarbeit stärken. Wir können den Verfassungsschutz entsprechend ausrichten. Wir können den Opferschutz stärken – das haben wir auch durch die Beratungsstellen gemacht. Wir können Präventionsmaßnahmen auflegen. Wir können Aussteigerprojekte fördern. Aber demokratische Werte und das tägliche Einstehen für Demokratie, für Rechtsstaatlichkeit muss durch die Bürgerinnen und Bürger, durch uns alle jeden Tag auch gelebt werden.

(Beifall von den GRÜNEN)

Gerade in Dortmund haben wir so eine aktive Zivilgesellschaft, die sich am Wahlabend mutig vor das Rathaus in Dortmund gestellt hat.

Die rechtliche Lage ist im Innenausschuss dargestellt worden. Ja, die Neonazis hatten das Recht, an diesem Abend die Wahlparty zu betreten, weil es eine öffentliche Veranstaltung war. Ja, das ist so. Man hätte sich vielleicht im Rathaus früher auch einmal Gedanken darüber machen können, inwiefern man beispielsweise eine nichtöffentliche Veranstaltung durch die Fraktionen macht, aber das ist etwas anderes.

Klar ist: Die rechtliche Situation ist so, wie ich sie gerade geschildert habe. Natürlich ist es so, dass durch das Hindern am Betreten der Wahlparty der Straftatbestand der Nötigung erfüllt sein kann. Das ist die rechtliche Ebene. Es gibt aber noch eine andere Ebene, es gibt eine politische, es gibt eine moralische Ebene.

(Zurufe von der FDP)

Die politische Ebene ist,

(Weitere Zurufe von der FDP – Unruhe – Glocke)

dass es meiner Meinung nach richtig war, dass sich Menschen schützend vor dieses Rathaus gestellt haben. Ich kann sagen – ich glaube, da spreche ich zumindest für einige Kolleginnen und Kollegen auf der linken Seite des Parlamentes –: Viele von uns hätten sicherlich dasselbe getan, wenn Rechtsextreme versucht hätten, in das Rathaus in der eigenen Heimatstadt hineinzukommen.

(Beifall von den GRÜNEN, der SPD und den PIRATEN)

Ich meine aber auch, dass wir in den letzten Jahren in der Polizeiarbeit im Bereich Rassismus und Rechtsextremismus viel bewegt haben. Es gibt die Sonderkommissionen. Es gibt das Kompetenzzentrum beim LKA. Es gibt die gesonderte Erfassung der Straftaten der Allgemeinkriminalität durch Neonazis. Es gibt die feste Verankerung des Themenkomplexes in der Aus- und Fortbildung.

Jetzt muss es darum gehen, zum einen aus solchen Diskussionen zu lernen, mit der Zivilgesellschaft in Kontakt zu treten und den Bericht nachzubereiten. Aber es muss zum anderen auch darum gehen, die fraktionsübergreifende Beschlussempfehlung des Bundestags-Untersuchungsausschusses zum NSU umzusetzen.

Gerade für diejenigen, die sonst nicht im Innenausschuss sind, sage ich: Wir befinden uns weder am Anfang der Debatte noch am Ende, sondern wir sind eigentlich mittendrin in der Auseinandersetzung darüber, wie Polizeiarbeit besser werden kann, gerade bezogen auf dieses Themenfeld. Daran sollten wir alle als Demokratinnen und Demokraten für die Zukunft anknüpfen.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Meine Rede zur Einbruchskriminalität in Nordrhein-Westfalen

Text und Video meiner Rede zum Antrag der CDU : „Einbruchskriminalität in Nordrhein-Westfalen auf Rekordniveau – Anteil der Kriminalpolizei am Personalbestand der Polizei muss endlich erhöht werden!“ Drucksache 16/5760

Verena Schäffer (GRÜNE): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Und täglich grüßt das Murmeltier – das kann man bei diesem Thema mittlerweile schon sagen. Täglich kommt die CDU mit Debatten zum Thema „Einbruchskriminalität“, mit falschen Behauptungen, mit Ideen- und Konzeptlosigkeit. So viel Empörung, Herr Kruse, und keine Ideen, das finde schon ein bisschen peinlich.

(Zurufe von der CDU)

Die Polizeiliche Kriminalstatistik zum Beispiel haben wir bereits ausführlich diskutiert; deshalb gehe ich darauf gar nicht mehr ein.

Klar jedoch ist – und da sind wir uns einig –, dass Einbrüche in der Tat traumatische Erfahrungen für Betroffene bedeuten können, und dass es sich um einen schwerwiegenden Eingriff in die Privatsphäre handelt, gerade an dem Ort, wo man sich eigentlich am sichersten fühlen müsste, und das ist zu Hause.

Heute Morgen bei WDR 5 ist im „Morgenecho“ berichtet worden, dass wir heute über dieses Thema debattieren. Da ist ein Beispiel genannt worden von einem sechsjährigen Jungen, der nach einem Wohnungseinbruch zu Hause nicht mehr alleine das Badezimmer betritt. Das zeigt, wie traumatisch solche Erfahrungen sein können, und dass es uns nicht nur um materielle Schäden gehen kann, sondern auch um die Auswirkungen auf die Opfer.

Natürlich bereitet uns die Kriminalitätsentwicklung bei den Wohnungseinbrüchen Sorgen. Aber man muss auch sagen: Es ist ein bundesweites Phänomen, und man muss es in den richtigen Kontext stellen. Nordrhein-Westfalen ist als ein großes Bundesland mit guten Verkehrsanbindungen und mit den Ballungsräumen sehr attraktiv für Täterinnen und Täter.

Dennoch kann die Aufklärungsquote für uns nicht zufriedenstellend sein. Aber auch das muss man in den richtigen Kontext stellen. Wir haben es hier mit mobilen Banden zu tun und damit, dass es kaum verwertbare Spuren am Tatort gibt. Das kann man nicht einfach so wegwischen, sondern das ist erst einmal Fakt.

Sie unterstellen in diesem Antrag, dass Präventionsmaßnahmen überhaupt gar keinen Effekt und keine Auswirkungen hätten. Das stimmt ja so nicht; das finde ich einfach rein populistisch. Es ist schon deshalb falsch, weil ungefähr 40 % der Wohnungseinbrüche daran scheitern, dass Türen und Fenster gut gesichert sind.

Die Anzahl der vollendeten Wohnungseinbrüche konnte in 2012 gesenkt werden. Auch darüber haben wir schon diskutiert. Insofern wirkt Prävention sehr wohl. Es wird den Beamtinnen und Beamten, die sich auf diesem Feld engagieren, nicht gerecht, wenn Sie das hier immer wieder falsch darstellen.

(Zuruf von Lutz Lienenkämper [CDU])

Aber Sie haben recht: Prävention alleine reicht eben nicht. Es muss auch andere Konzepte geben. Die gibt es jedoch schon. Aber auch das verschweigen Sie in Ihrem Antrag total. Mit dem Konzept vom Innenministerium „Mobile Täter im Visier“ gibt es bereits ein Programm, das zur verbesserten Erkenntnislage beiträgt und auch den Ermittlungsdruck auf die Banden erhöht.

Gerade das LKA übt dabei eine koordinierende, eine sehr wichtige Funktion aus. Das LKA erstellt tagesaktuelle Lagebilder und stellt diese den Kreispolizeibehörden für ihre Tätigkeiten zur Verfügung. Insofern ist beim LKA und bei der Polizei in Nordrhein-Westfalen insgesamt schon ein richtiger Schwerpunkt in diesem Themenbereich gesetzt.

In Ihrem Antrag – so verstehe ich zumindest den Beschlusspunkt 1 – wollen Sie anscheinend feste Quoten für die Kriminalpolizei in den Kreispolizeibehörden verankern. Damit unterstellen Sie, dass in allen 47 Kreispolizeibehörden in Nordrhein-West-falen eine ähnliche Problemlage herrscht.

Dem ist aber nicht so. Über das Land verteilt herrschen vor Ort unterschiedliche Situationen. Es gibt nicht nur den Bereich der Kriminalität, sondern es gibt auch andere Direktionen, die Direktionen V – Verkehr – und GE – Gefahrenabwehr/Einsatz. Auch in diesen Bereichen müssen wir entsprechende Personalkapazitäten zur Verfügung stellen. Ich finde das System richtig, dass die Polizeibehörden aufgrund ihrer Analysen der jeweiligen Sicherheitslage vor Ort selber entscheiden können, wo sie ihre Schwerpunkte setzen.

Wir werden der Überweisung natürlich zustimmen. Was die Abstimmung über den Inhalt des Antrags nachher im Ausschuss angeht, sieht das ein bisschen anders aus. Da können wir den Antrag so nicht mittragen. – Danke.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Meine Rede zur Erfassung rechter Gewalt und Strategien gegen Rechtsextremismus

Text und Video meiner Rede zum Antrag der Fraktion der Piraten  Drucksache 16/5758

Verena Schäffer (GRÜNE): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Statistisch gesehen wird in Nordrhein-Westfalen jeden zweiten Tag ein Mensch Opfer rechter oder rechtsextremer Gewalt. Das verdeutlicht, dass Rechtsextremismus und rechte Gewalt für Nordrhein-Westfalen ein Problem und Thema sind. Jeder dieser Übergriffe und die Bedrohungen, die durch Rechtsextreme erfolgen, stellen immer auch einen Angriff auf unsere vielfältige und pluralistische Gesellschaft dar. Deshalb muss jedes Opfer die Solidarität unserer Gemeinschaft und Gesellschaft und die Unterstützung durch den Staat erfahren.

Weil wir der Verantwortung des Staates für die Betroffenen rechter Gewalt nachkommen, haben wir als rot-grüne Koalition schon in den vergangenen Jahren dafür gesorgt, dass in Nordrhein-Westfalen zwei unabhängige Opferberatungsstellen mit Landesmitteln eingerichtet wurden, obwohl wir uns momentan in einer sehr angespannten Haushaltslage befinden.

(Beifall von den GRÜNEN)

Während der Bund Mittel für entsprechende Beratungsstellen für Opfer rechter Gewalt bisher nur in den ostdeutschen Bundesländern zur Verfügung stellt, muss es in den westdeutschen Bundesländern landeseigene Mittel geben. Die stellen wir in Nordrhein-Westfalen zur Verfügung. Ich will an dieser Stelle ganz deutlich sagen: Ich erwarte von der Bundesregierung und der neuen Bundesfamilienministerin, dass sie klarstellt, dass Rechtsextremismus auch in Nordrhein-Westfalen und den anderen westdeutschen Bundesländern ein Problem darstellt und die Mittel für die Opferberatungsstellen nicht – wie bisher – nur nach Ostdeutschland fließen, sondern in ganz Deutschland entsprechend gezahlt werden.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von den PIRATEN)

Allerdings wissen wir auch, wenn man sich mit der PMK-rechts befasst, dass es bei den rechtsextrem motivierten Straftaten in der polizeilichen Statistik eine hohe Dunkelziffer gibt. Ein Grund dafür ist, dass nicht alle Straftaten zur Anzeige gebracht werden. An der Stelle sehe ich einen wesentlichen Handlungspunkt für uns, das Vertrauen in die Arbeit einer bürgernahen Polizei zu stärken und gleichzeitig die Polizeibeamtinnen und -beamten im Umgang mit den Opfern rechter Gewalt zu schulen.

Mir ist es ein wichtiges Anliegen, dass wir darüber diskutieren, wie man den Austausch zwischen den Kreispolizeibehörden und den Opferberatungsstellen stärkt, damit die Polizei Betroffene rechtsextremer Gewalt direkt an die Beratungsstellen verweisen kann. Im Gegensatz zu Statistiken würde das den Opfern wirklich helfen.

Das Problem der Dunkelziffer hat eine weitere Komponente, die ich hier ebenfalls benennen will. Es werden nämlich nicht alle politisch rechts motivierten Straftaten als solche eingeordnet. Übergriffe von Neonazis auf linksalternative Jugendliche werden als jugendliche Schlägereien abgetan. Es gibt momentan Diskussionen über den Prozess in Bayern, wo bei einem vorbestraften Neonazi, der einen Migranten umgebracht hat, weder von der Staatsanwaltschaft noch den Richtern ein Bezug zur rechtsextremen Ideologie hergestellt wird. Das löst, finde ich, zu Recht sehr viel Unverständnis aus.

Ich sehe sowohl die Polizei als auch die Justiz in der Pflicht, die Aus- und Fortbildungsinhalte, die wir bereits haben und über die wir im Innenausschuss schon diskutiert haben, weiterzuentwickeln und für das Thema Sensibilität zu schaffen.

Ich will es hier aber auch ganz klar sagen: Die PMK-rechts ist eben nur eine Statistik, die es als Kriminalstatistik nicht schafft, die alltäglichen Dimensionen von Rassismus, Diskriminierung wirklich abzubilden. Rassismus in der Gesellschaft ist mehr als die Anzahl der Straftaten, die nachher in der PMK-rechts auftauchen. Für viele Menschen ist das Alltag. Auch darüber müssen wir sprechen. Das fehlt mir aber in diesem Antrag.

(Beifall von den GRÜNEN)

Genauso kann die Statistik, von der Sie schreiben, sie sei ein Analyseelement, nur ein möglicher Baustein zu einer Analyse sein und Anhaltspunkte für Entwicklungen bieten. Sie kann auch vor Ort sehr hilfreich sein, wenn man in Auseinandersetzungen mit politisch Verantwortlichen tritt, die nicht wahrhaben wollen, dass man dort ein rechtsextremes Problem hat. Man kann denen dann nämlich zeigen, dass es vor Ort sehr wohl rechtsextreme Straftaten gibt.

Zu dem Zweck kann dieses Instrument hilfreich sein, ersetzt aber nicht die Analyse bei Rechtsterrorismus und Rechtsextremismus, die viel breiter angelegt sein muss: Wir brauchen Lagebilder, und zwar auch für Nordrhein-Westfalen, wie jeweils die Situation aussieht. Ich glaube, dass man für diese Lagebilder auch die Zusammenarbeit mit den Mobilen Beratungsteams, zwischen Polizei und Beratungsteams stärken könnte, um umfassende Erkenntnisse zusammenzutragen.

Für mich gehört zu den Lagebildern auch die Antwort auf die Frage nach antimuslimischen Straftaten und antiziganistischer Straftaten. Wie sind dort die Entwicklungen angesichts einer entsprechenden Stimmungslage, die wir momentan in der Gesellschaft einfach verspüren. Wir als Grüne haben es im Ausschuss bereits deutlich gemacht: Wir haben an dieser Stelle durchaus noch Diskussionsbedarf.

Etwas will ich noch sagen: Man kann uns, glaube ich, nicht vorwerfen, dass wir in den letzten Jahren untätig gewesen wären. Wir haben bei den Sicherheitsbehörden entsprechende Schwerpunkte gesetzt: Es gibt die Sonderkommissionen in Aachen, Wuppertal, Dortmund und Köln. Das finde ich sehr wichtig.

Präsidentin Carina Gödecke: Ihre Redezeit!

Verena Schäffer (GRÜNE): Es gibt das Kompetenzzentrum beim LKA. Wir haben im Verfassungsschutzgesetz den Schwerpunkt ganz klar auf gewaltorientierte Bestrebungen gesetzt, zu denen auch der Rechtsextremismus gehört.

– Letzter Satz, dann höre ich auf zu reden: Wir brauchen mehr als nur eine Statistik, sondern wir brauchen ein Zusammenspiel von einer starken Zivilgesellschaft, verlässlicher Finanzierung von Opferberatung und Mobiler Beratung, Aussteigerprogramme. Außerdem brauchen wir eine Schwerpunktsetzung bei den Sicherheitsbehörden. Nur dann können wir auch den Kampf gegen den Rechtsextremismus gewinnen.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)