Antrag der GRÜNEN im Landtag zu Rassismus bei der Polizei

Zu Rassismus bei der Polizei

Rede zum Antrag der GRÜNEN im Landtag zu Rassismus bei der Polizei

Verena Schäffer (GRÜNE): Vielen Dank. – Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die rechten Verdachtsfälle in der Polizei haben uns alle sowohl aufgrund der Qualität als auch der Quantität erschüttert. Wir haben in vielen Sitzungen darüber diskutiert, hier im Plenum und im Innenausschuss.

Ich bin einerseits sehr erschrocken über die Inhalte, die in diesen Chats, über die wir meistens geredet haben, geteilt wurden. Andererseits bin ich froh darüber, dass jetzt eine Debatte in Gang gesetzt wurde, die aus meiner Sicht längst überfällig war. Denn ich glaube, spätestens nach dem Bekanntwerden der Drohschreiben, die mit „NSU 2.0“ unterzeichnet wurden und offenbar aus Polizeibehörden stammen, oder nach dem Bekanntwerden des rechtsextremen Netzwerks „Nordkreuz“ muss jedem, der im Innenausschuss sitzt, eigentlich klar gewesen sein, dass es sehr wahrscheinlich rechte Einzelpersonen oder womöglich auch Netzwerke in der Polizei in Nordrhein-Westfalen geben muss.

Ich möchte hier noch mal ganz klar betonen, dass ich damit nicht die gesamte Polizei unter Generalverdacht stelle. Ganz Im Gegenteil: Aus meiner Sicht ist es im Interesse aller demokratischen Polizeibeamtinnen und -beamten, wenn solche Fälle aufgedeckt werden und alles dafür getan wird, dass Rassismus und anderen menschenfeindlichen Einstellungen gerade bei der Polizei entgegengewirkt wird. Denn – und das ist mir wirklich wichtig – die nordrhein-westfälische Polizei ist eine bürgernahe Polizei, eine Polizei, die für alle Menschen da ist, egal, welcher Herkunft, Hautfarbe oder welchen Alters sie sind.

(Beifall von den GRÜNEN)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir Grüne haben den Innenminister in verschiedenen Debatten unterstützt, als er den Sonderbeauftragten für rechtsextremistische Tendenzen in der Polizei eingerichtet hat. Das ist Herr Reichel-Offermann aus dem Innenministerium, den ich seit vielen Jahren aus dem Bereich des Verfassungsschutzes kenne. Ich habe überhaupt keinen Zweifel an seiner Expertise zum Themenfeld „Rechtsextremismus“. Wir Grüne wollen die Arbeit dieses Sonderbeauftragten unterstützen, und deshalb wollen wir ihm einen Beirat an die Seite stellen, der aus Expertinnen und Experten aus der Wissenschaft und aus der Zivilgesellschaf besteht.

(Zuruf von Gregor Golland [CDU])

Denn wir sind davon überzeugt, dass seine Arbeit von diesen Perspektiven außerhalb der Sicherheitsbehörden nur profitieren kann.

Aus unserer Sicht soll dieser Beirat die Arbeit des Sonderbeauftragten kontinuierlich begleiten. Er soll Zwischenergebnisse kritisch reflektieren und auch eigene Vorschläge für Handlungsempfehlungen unterbreiten.

Ich hoffe sehr, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass Sie sich diesem Vorschlag nicht verschließen, nur weil er von uns Grünen kommt. Bitte seien Sie offen für solche Vorschläge.

(Beifall von den GRÜNEN – Zuruf von Gregor Golland [CDU])

Der zweite Teil des Antrags sieht die Erweiterung des Aufgabenspektrums der Extremismusbeauftragten vor. Die Extremismusbeauftragten wurden von Herrn Reul ins Leben gerufen, und zwar nach dem Fall eines Verwaltungsbeamten im Polizeipräsidium Hamm, der der rechtsterroristischen Gruppe um Werner S. zugerechnet wird.

Im Kern ist die Aufgabe der Extremismusbeauftragten in den Polizeibehörden die Entgegennahme von Hinweisen mit extremistischem Bezug zu Personen und Sachverhalten.

Aus meiner Sicht setzen die Extremismusbeauftragten hier aber ein Stück weit zu spät an. Dass sie diese Hinweise entgegennehmen, ist absolut richtig. Daran gibt es keine Kritik. Aber meines Erachtens setzen wir hier zu spät an; denn extremistisches Gedankengut stellt nicht erst dann ein Problem für die Polizei dar, wenn es sich zu einem verfassungsfeindlichen Weltbild verfestigt hat. Auch Rassismus, Sexismus, Antisemitismus und andere Ungleichwertigkeitsvorstellungen sind ein Problem und können zudem auch massive Auswirkungen auf die Arbeit der Polizei haben.

Deshalb – das haben wir in Debatten auch schon mehrfach gefordert – wollen wir die Aufgaben der Extremismusbeauftragten entsprechend erweitern. Sie sollen bereits bei Ungleichwertigkeitsvorstellungen ansprechbar sein und sollen frühzeitig und niedrigschwellig für solche Einstellungen in den Polizeibehörden sensibilisieren.

Herr Reul, Sie haben uns als Opposition aufgefordert, durchaus auch eigene Vorschläge zu machen und eigene Ideen in die Diskussion einzubringen. Sie haben gesagt, Sie seien offen für solche Debatten und Vorschläge. Wir liefern hiermit. Ich denke, das ist ein Antrag, dem man auch vonseiten der Koalitionsfraktionen durchaus zustimmen kann.

(Gregor Golland [CDU]: Nein!)

Es ist nicht der Riesenaufriss. Das behaupten wir auch gar nicht, und das geben wir hier auch gar nicht vor. Vielmehr bietet der Antrag zwei kleine Erweiterungen und damit weitere Möglichkeiten, die die Arbeit noch verbessern können.

Ich bitte Sie sehr, dem Antrag zuzustimmen und ihn nicht einfach abzulehnen, nur weil es sich um einen Antrag der Opposition handelt. – Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN)

Zum Antrag der GRÜNEN im Landtag für Maßnahmen gegen Rassismus

Maßnahmen gegen Rassismus

Meine Rede zum Antrag der GRÜNEN im Landtag für Maßnahmen gegen Rassismus

Verena Schäffer (GRÜNE): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Tod von George Floyd hat in den USA und weltweit Demonstrationen unter dem Motto „Black Lives Matter“, Solidaritätsaktionen, aber eben auch gesellschaftliche Debatten über Rassismus und seine Folgen ausgelöst.

Ich bin mir sehr bewusst, dass weder die gesellschaftspolitische Situation noch die Polizei in den USA mit Deutschland vergleichbar sind. Dennoch gingen und gehen auch hier Tausende auf die Straße, um auf Rassismus und Diskriminierung aufgrund von Hautfarbe, Religion oder Herkunft aufmerksam zu machen.

Seit einigen Wochen berichten schwarze Menschen und People of color – also Menschen, die aufgrund der eben genannten Merkmale von Diskriminierung betroffen sind – von ihren Rassismuserfahrungen, die sie in Deutschland und auch in Nordrhein-Westfalen gemacht haben. Ich finde, das Mindeste ist, diesen Menschen – darunter sind auch viele junge Menschen – zuzuhören und Rassismus als ein Problem auch in unserer Gesellschaft wahrzunehmen. So verstehe ich auch die Debatte, die wir zu dem vorherigen Tagesordnungspunkt hatten; das wurde da noch einmal sehr deutlich.

(Beifall von den GRÜNEN)

Rassismus kann sich sehr unterschiedlich äußern. Er kann sich als individuelle Einstellung äußern, die in weiten Teilen der Bevölkerung leider vorhanden ist, wie das in den letzten Jahren verschiedene Studien gezeigt haben. Wir alle wachsen mit Stereotypen, mit Vorurteilen auf. Manche rassistischen Äußerungen werden auch unbedacht getätigt. Für die Betroffenen – das ist mir ganz wichtig, zu sagen – ist das aber immer, egal ob es sich um eine bewusste oder eine unbedachte Äußerung handelt, verletzend.

Ich bin froh, dass es zunehmend ein Bewusstsein in der Gesellschaft und einen gesellschaftlichen Konsens gegen Rassismus und Diskriminierung gibt; auch hier im Parlament.

(Beifall von den GRÜNEN)

Schwieriger ist die Debatte um einen strukturellen oder institutionellen Rassismus. Um Missverständnissen vorzubeugen, möchte ich diesbezüglich gerne die Definition der Antidiskriminierungsstelle des Bundes zitieren.

„Struktureller oder auch institutioneller Rassismus ist in den Organisationsstrukturen einer Gesellschaft verankert. Dabei geht es um ein regelmäßiges – bewusstes oder unbewusstes – Verhalten von Beschäftigten in Behörden, in der Polizei, an Schulen usw., das die Auslegung und Anwendung von Vorschriften gegenüber bestimmten Bevölkerungsgruppen betrifft.“

Ich will hier noch einmal deutlich sagen: Mit strukturellem Rassismus ist eben nicht gemeint, dass es ein rechtsextremes Netzwerk oder eine Unterwanderung durch Rechtsextreme in Behörden gibt. Es stellt auch niemand bewusst Polizeibeamtinnen und -beamte unter einen Generalverdacht; das tun auch wir Grüne ausdrücklich nicht.

Struktureller Rassismus meint, dass Menschen aufgrund bestimmter Merkmale durch Behördenhandeln diskriminiert werden. Es ist nicht der einzelne Polizeibeamte bzw. die einzelne Polizeibeamtin rassistisch, sondern das Handeln, die Mechanismen sind ein Problem. Ich glaube, wir haben das insbesondere bei den Ermittlungen zu den NSU-Verbrechen in der Keupstraße, aber auch bei den Ermittlungen in Dortmund gesehen.

Es ist gerade der Staat in der Pflicht, alle Menschen gleich zu behandeln, und zwar unabhängig von Aussehen, Herkunft, Geschlecht, Religion oder anderen Merkmalen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Deshalb wollen wir die Betroffenen vor Diskriminierung schützen. Wir wollen ein eigenes Landesantidiskriminierungsgesetz für Nordrhein-Westfalen schaffen und die Beratungsangebote im Falle von Diskriminierungen verstärken.

Solidaritätsbekundungen – auch die, die wir eben wieder gehört haben – sind wichtig, aber sie reichen nicht aus. Wir müssen endlich über konkrete Maßnahmen sprechen und diese beschließen.

Eine sehr wichtige Forderung der Bewegung „Black Lives Matter“ ist, dass die Kolonialgeschichte Deutschlands aufgearbeitet wird. Auch in den Städten Nordrhein-Westfalens finden sich bestimmte Straßennamen oder Denkmäler mit positiven Bezügen zum deutschen Kolonialismus. Wir wollen, dass es hier eine kritische Auseinandersetzung und eine Aufarbeitung deutscher Geschichte sowie ein stärkeres Bewusstsein in der Gesellschaft für unsere Vergangenheit gibt. Ich bin mir sicher, dass das ein wichtiger Beitrag zur Auseinandersetzung mit Rassismus in unserer Gesellschaft wäre.

(Beifall von den GRÜNEN)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Forderungen unseres Antrags werden bereits seit vielen Jahren diskutiert. Deshalb haben wir uns auch dazu entschieden, diesen Antrag direkt abzustimmen. Ich fände es wichtig, wenn wir heute ein gemeinsames Zeichen gegen Rassismus setzten. Das tun wir zwar schon durch die heutige Diskussion, allerdings finde ich es vor allem wichtig, dass wir endlich konkrete Maßnahmen beschließen. Diese werden zu Recht gefordert, und wir als Politik sind gefragt, Antworten darauf zu finden. Wir haben Vorschläge vorgelegt. Ich würde mich freuen, wenn Sie sich diesen anschließen könnten. – Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN)

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Frau Kollegin Schäffer. –

Der zweite Redebeitrag zu diesem Tagesordnungspunkt von

Verena Schäffer (GRÜNE): Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Herr Lürbke, Sie hatten gerade gesagt, dass es eine sachliche Debatte bräuchte, und ich kann Ihnen da nur zustimmen. Leider war Ihr Beitrag kein sachlicher Beitrag zu dieser Debatte; das bedaure ich sehr.

(Beifall von den GRÜNEN)

Ich möchte auch gerne etwas zu dem Vorwurf des Generalverdachts gegen unsere Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten sagen, weil ich glaube, dass wirklich ein inhaltliches Missverständnis bezüglich der Definition vorliegt. Um es noch einmal deutlich zu sagen:

Erstens. Es gibt rassistische Einstellungen in dieser Gesellschaft; ich glaube, da sind wir uns einig.

Zweitens. Es gibt so etwas wie einen strukturellen Rassismus, der auch institutioneller Rassismus genannt wird. Das meint eben gerade nicht, dass alle Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte oder andere Behördenmitarbeiterinnen und -mitarbeiter als Individuen rassistisch sind, sondern die Definition von strukturellem Rassismus lautet, dass Vorurteile und Stereotype in Behörden zu bestimmten Handlungsweisen führen.

Ich möchte ganz kurz zwei Beispiele von Behördenhandeln nennen:

Erstens: Polizei. Das Beispiel Ermittlung bei NSU.

Zweitens: Schule. Warum landen so wenige Kinder mit Migrationshintergrund auf dem Gymnasium?

Sie werfen uns vor, bei unserem Antrag ginge viel durcheinander. Ich will Ihnen deutlich sagen, dass die Antwort auf Rassismus und wie wir damit umgehen …

Ich weiß, wie schwer die Debatten sind. Deshalb ist es wichtig, sie gut, sachlich und nah an der Definition zu führen. Hier geht nicht viel durcheinander, sondern das Thema ist extrem komplex. Wir machen einige Vorschläge. Aus meiner Sicht zeigt das, wie blank die FDP in dieser Diskussion ist.

Ich finde es traurig, gerade auch für die jungen Menschen, die von ihren Rassismuserfahrungen berichten. Ich denke, die dürften von der Politik ein bisschen mehr erwarten.

(Beifall von den GRÜNEN)