Newsletter: Aktivitäten gegen Rechtsextremismus Mai 2017

Rechte Straftaten in NRW und Abschlussbericht PUA NSU

Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Freundinnen und Freunde,

nach der Landtagswahl am Sonntag ändert sich Vieles: Wir GRÜNE gehen in die Opposition, die AfD gehört in der neuen Legislaturperiode dem Landtag an. Die Arbeit gegen Rechtsextremismus und Rassismus bleibt also ein wichtiges Themenfeld. Das zeigen auch neue Zahlen aus dem Innenministerium zur politisch motivierten Kriminalität – Rechts (PMK Rechts). Darüber und über den Abschlussbericht des Untersuchungsausschusses NSU möchte ich in diesem Kommunalinfo berichten.

Rechtsextreme und rassistische Straftaten in NRW weiter gestiegen

Seit Jahren ist ein kontinuierlicher Anstieg der politisch rechts motivierten Straftaten in NRW zu beobachten. Zeitgleich zum Aufkommen von HoGeSa und Pegida sowie der Radikalisierung der AfD ist die Zahl der rechten Straftaten deutlich gestiegen: Im Jahr 2014 wurden insgesamt 3.286 Straftaten in NRW registriert, im Jahr 2015 waren es 4.437 und im Jahr 2016 wurde mit 4.700 Straftaten ein neuer trauriger Höchststand erreicht. Wir haben die Zahlen des Innenministeriums in einem Blogbeitrag auf der Seite der Landtagsfraktion ausführlich ausgewertet. Die Entwicklung der Straftaten von 2011 bis 2016 findet sich in dieser Tabelle.

Wir haben auch die Entwicklung der rechtsextremen Straftaten aufgeschlüsselt nach Orten beim Innenministerium abgefragt. Unter den Städten mit den meisten rechten Straftaten über den gesamten Zeitraum 2014 bis 2016 befinden sich Köln, Dortmund, Duisburg, Düsseldorf, Wuppertal, Essen und die Städteregion Aachen. Köln stand im Jahr 2016 mit 455 Straftaten an erster Stelle. Dahinter folgten Duisburg (332), Dortmund (308), Düsseldorf (182), Wuppertal (168), Essen (153) und die Städteregion Aachen (143). Im Jahr 2015 zeichnete sich ein ähnliches Bild ab, wobei dort Dortmund mit 424 Straftaten die meisten aufwies. Es folgten Köln (291), Wuppertal (276), Düsseldorf (258), Essen (177), Duisburg (175) und die Städteregion Aachen (136). Unter den genannten Städten sind sowohl Orte mit einer aktiven rechtsextremen Szene als auch Orte, an denen zentrale rechtsextreme Veranstaltungen stattfanden.

Erstmals haben wir auch flüchtlingsfeindliche Straftaten abgefragt. Die Anzahl der Angriffe auf Flüchtlingsunterbringungen ist von 25 politisch rechts motivierten Angriffen im Jahr 2014 auf 222 Angriffe im Jahr 2015 hochgeschnellt. Im Jahr 2016 wurden sogar 484 solcher Straftaten erfasst. Außerhalb der PMK-Statistik werden auch weitere Straftaten gegen Geflüchtete gesammelt. Die entsprechenden Daten haben wir ebenfalls erfragt. Im Jahr 2015 wurden insgesamt 243 und im Jahr 2016 501 Straftaten gegen Flüchtlingsunterbringungen und Geflüchtete verzeichnet. Die Zahlen von 2015 und 2016 sind nur bedingt vergleichbar, da seit dem 1. Januar 2016 auch Angriffe gegen Geflüchtete selbst und nicht nur Angriffe auf Flüchtlingsunterbringungen erfasst werden. Bereits im letzten Jahr machten die Sicherheitsbehörden darauf aufmerksam, dass die Straftaten gegen Flüchtlingsunterkünfte in rund 75 Prozent der Fälle von Personen aus der unmittelbaren Umgebung der Unterkünfte begangen worden seien. Darüber hinaus sei der Großteil (ebenfalls rund 75 Prozent) der Täter*innen der Polizei nicht als Akteur*innen der rechtsextremen Szene bekannt.

Abgefragt haben wir auch die Entwicklung der antisemitischen Straftaten. Hier stieg die Zahl der Straftaten von 270 in 2015 auf 297 in 2016. Die Anzahl der Gewalttaten sank von acht Fällen in 2015 auf zwei Fälle in 2016. Der größte Teil der antisemitischen Straftaten hatte einen rechtsextremen Hintergrund. 2015 waren es 227 von 270 Straftaten. Für 2016 liegt uns leider keine Aufschlüsselung der antisemitischen Straftaten nach Phänomen-Bereichen (PMK-Rechts, PMK-Links oder PMK-Ausländer) vor.

Eine neue Landesregierung wird sich daran messen lassen müssen, welche Bedeutung für sie die Bekämpfung von Rechtsextremismus und Rassismus hat. Neben der Fortführung und Weiterentwicklung des von uns initiierten integrierten Handlungskonzepts muss sie die 30 gemeinsamen Handlungsempfehlungen aller Fraktionen im NSU-Untersuchungsausschuss zügig umsetzen.

NSU-Untersuchungsausschuss legt Abschlussbericht vor

Der Landtag NRW hatte im Oktober 2014 einen Parlamentarischen Untersuchungsausschuss eingesetzt, um die NSU-Verbrechen in Nordrhein-Westfalen aufzuarbeiten. Im April 2017 hat der Untersuchungsausschuss seinen Abschlussbericht vorgelegt. Der Bericht kann hier heruntergeladen werden, auf den Seiten 776-782 finden Sie / findet Ihr das Grüne Sondervotum und hier meine Plenarrede.

Hier ist eine kurze Bewertung der Ergebnisse des Untersuchungsausschusses aus Grüner Sicht, die (fast) gleichlautend auch als Gastbeitrag in der Frankfurter Rundschau vom 8. April 2017 erschienen ist:

Bei allen NSU-Verbrechen wurde trotz verschiedener Hinweise nie ernsthaft in Richtung Rechtsextremismus ermittelt. Den Opfern wurden Verstrickungen in die organisierte Kriminalität, ins Drogenmilieu und zu Schutzgelderpressungen unterstellt. Insbesondere beim Anschlag in der Kölner Keupstraße wurde das vorurteilsbehaftete Bild der Polizei deutlich, die offenbar diese migrantisch geprägte Straße mit Kriminalität gleichsetzte. Den Abgeordneten aller Fraktionen war es deshalb wichtig,die Opfer zu hören. Gamze Kuba??k, die Tochter des ermordeten Mehmet Kuba??k, schilderte eindrücklich: „Es ist ja schon schlimm, wenn man den Vater verliert. Aber dass man uns dann auch noch den Stolz wegnimmt, das war das Schlimmste für mich.“

Die Kette von Ermittlungsfehlern kann nicht unter der Kategorie Pleiten, Pech und Pannen abgetan werden. Die Ursachen liegen tiefer. Es geht um institutionellen Rassismus, der sich auch in „Einstellungen und Verhaltensweisen“ zeigt, die durch „unwissentliche Vorurteile, Ignoranz und Gedankenlosigkeit zu Diskriminierung führen“ (so die britische Macpherson-Kommission). Die Ermittlungen zu den NSU-Verbrechen bringen diesen institutionellen Rassismus zum Ausdruck. Wir wollen deshalb eine Kommission zur Untersuchung von möglichen diskriminierenden Handlungsweisen der Polizei einrichten. Sie soll konkrete Maßnahmen zur Verhinderung diskriminierender Polizeiarbeit entwickeln. Es wäre ein wichtiger Schritt, um Fehleinschätzungen zu rassistischen Motiven von Täterinnen und Tätern zukünftig zu verhindern.

Auch fünf Jahre nach Bekanntwerden des NSU sind viele Fragen rund um die rechtsterroristischen Verbrechen ungeklärt. Der Ausschuss hat etwa deutliche Zweifel an der Täterschaft von Uwe Mundlos oder Uwe Böhnhardt beim Anschlag in der Kölner Probsteigasse formuliert. Die Opferzeugen konnten keinen der beiden als den Mann identifizieren, der im Dezember 2000 die Sprengfalle im Laden des iranstämmigen Inhabers platzierte. Nur aufgrund des Bekennervideos wird der Anschlag heute dem NSU zugerechnet, dabei enthält dieses keinerlei Täterwissen. Es liegt nahe, dass mindestens eine weitere Person als Mitglied oder Unterstützer des NSU an dem Anschlag beteiligt war. Möglichweise gibt es sogar einen Zusammenhang zu Sprengfallen-Anschlägen 1992/1993 in Köln, die noch immer nicht aufgeklärt sind. In den polizeilichen Ermittlungen zur Probsteigasse spielen diese aber bis heute keine Rolle.

Ein konkretes Unterstützernetzwerk des NSU in NRW konnte der Ausschuss trotz intensiver Befassung mit der gewaltbereiten Neonaziszene nicht nachweisen. Wir GRÜNE sehen die These eines Unterstützernetzwerks durch die Untersuchungsergebnisse allerdings noch gestützt. Die Morde an Mehmet Kuba??k am 4. April 2006 in Dortmund und an Halit Yozgat zwei Tage später in Kassel liegen nicht nur zeitlich und räumlich nah beieinander. Auch zwischen den Neonaziszenen in beiden Städten bestehen enge Verbindungen. Anfang der 2000er-Jahre bildete sich um die Dortmunder Neonazi-Band Oidoxie die „Oidoxie Streetfighting Crew“, die als Security bei Konzerten diente. Mitglieder waren Rechtsextremisten aus Dortmund und Kassel, geführt wurden sie von einem Kasseler Neonazi. Die Band Oidoxie bewegte sich im Netzwerk „Blood and Honour“ und propagierte die Ideen seines gewaltbereiten Arms „Combat 18“. Aus den Akten und Zeugenvernehmungen wurden zudem Bestrebungen erkennbar, aus der „Oidoxie Streetfighting Crew“ eine „Combat 18“-Zelle in Dortmund zu bilden – ausgerechnet als verschiedene „Combat 18“ zugerechnete Magazine die Strategie des „führerlosen Widerstandes“ verbreiteten.

Bisher gänzlich ungeklärt ist die Tatortauswahl des NSU. Bemerkenswert nah liegen die Tatorte zweier dem NSU zugerechneter Taten in NRW an Orten, an denen in den 30er-Jahren „Blutzeugen“ ermordet wurden. Als „Blutzeugen“ verehrten die Nationalsozialisten Anhänger ihrer Partei, die bei Auseinandersetzungen mit dem politischen Gegner getötet wurden. Einer dieser „Blutzeugen“ war der SA-Mann Walter Spangenberg, der 1933 in unmittelbarer Nähe zum späteren Tatort des Bombenanschlags in der Kölner Probsteigasse erschossen wurde. Die lokale Kameradschaft benannte sich nach diesem SA-Mann und hielt jahrelang „Heldengedenken“ für ihn ab. In Dortmund wurde Mehmet Kuba??k nur 600 Meter von jenem Ort ermordet, an dem 1930 der Nazi Adolf Höh getötet wurde. Aus den Akten des NRW-Verfassungsschutzes geht hervor, dass sich die dortige Kameradschaft bereits 2002 den Beinamen „Sturm 11 / Adolf Höh“ gab. In Kassel finden sich ganz ähnliche Parallelen. Möglicherweise ist es Zufall. Denkbar ist aber auch, dass der NSU Unterstützer mit Ortskenntnissen hatte oder aber ein Signal an die örtliche Szene senden wollte. Die These eines möglichen Unterstützernetzwerks muss jedenfalls endlich Eingang in die Ermittlungen finden.

Ich möchte mich ganz herzlich für die gute Zusammenarbeit im Untersuchungsausschuss bei meiner Kollegin Monika Düker, meinem Kollegen Arif Ünal sowie meinen Mitarbeitern, insbesondere Hendrik Puls, bedanken.

Für Nachfragen stehen unsere wissenschaftliche Mitarbeiterin für Strategien gegen Rechtsextremismus, Hasret Karacuban (Hasret.Karacuban@landtag.nrw.de, 0211 884 4321), und ich gerne zur Verfügung.

Herzliche Grüße aus dem Landtag

Verena Schäffer MdL

Stellvertretende Fraktionsvorsitzende

Sprecherin für Innenpolitik und Strategien gegen Rechtsextremismus

Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Landtag NRW
Platz des Landtags 1 * 40221 Düsseldorf

Tel: 0211 – 884 – 4305

Fax: 0211 – 884 – 3334

www.verena-schaeffer.de

www.gruene-fraktion-nrw.de

 

 

Meine Rede zum Abschlussbericht des NSU-Untersuchungsausschuss

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Abschlussbericht NSU-Untersuchungsausschuss

Verena Schäffer (GRÜNE): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Vorgestern jährte sich zum elften Mal der Tag, an dem eine junge Frau in meinem Alter ihren Vater verlor. Am 4. April 2006 wurde Mehmet Kuba?ik grausam ermordet. Er war das achte Mordopfer des rechtsterroristischen NSU.

Heute jährt sich der Todestag von Halit Yozgat. Wir werden Mehmet Kuba?ik und Halit Yozgat und auch die anderen Mordopfer des NSU niemals vergessen.

(Allgemeiner Beifall)

Bereits 2001 und 2004 wurden insgesamt 23 Menschen bei Bombenanschlägen in Köln verletzt, einige von ihnen schwer. Mehmet Kuba?ik und die anderen Opfer wurden deshalb ermordet und verletzt, weil sie nicht in das rassistische Weltbild der Neonazis passten. Doch erst mit der Selbstenttarnung des rechtsterroristischen NSU wurde klar, wer hinter diesen Verbrechen steckte.

Es macht mich ehrlich gesagt nach wie vor fassungslos, dass eine solche Gruppierung über 13 Jahre im Untergrund agieren und morden konnte, ohne dass sie von den Sicherheitsbehörden aufgedeckt und gestoppt wurde. Den Behörden ist nicht nur die Nichtermittlung des NSU vorzuwerfen, sondern vor allem auch, dass sie die Opfer jahrelang verdächtigten. Das Verhalten der Polizei führte zu einer erneuten Viktimisierung der Opfer, und deshalb spreche ich auch ganz bewusst von einem staatlichen Versagen, das beispiellos ist.

Unser Untersuchungsausschuss war der erste bundesweit, der auch den Opfern eine Stimme gegeben hat. Ich will hier auch noch einmal den Opfern aus der Keupstraße und aus Dortmund danken, dass sie vor unserem Untersuchungsausschuss ausgesagt haben. Gamze Kuba?ik hat sehr eindrücklich von den Folgen der polizeilichen Ermittlungen für ihre Familie berichtet, und ich möchte sie gern zitieren.

– Zitat –: Ich muss sagen, es ist ja schon schlimm, wenn man den Vater verliert. Aber dass man uns dann auch noch den Stolz wegnimmt, das war das Schlimmste für mich.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, auch ich möchte mich hier noch einmal für die gute Zusammenarbeit bedanken. Dieser Dank gilt den Kolleginnen und Kollegen der Fraktionen, aber besonders den Kolleginnen und Kollegen aus meiner Fraktion, die mich vor allem in der Mutterschutzzeit, aber auch darüber hinaus sehr unterstützt haben. Außerdem möchte ich mich bei den Referentinnen und Referenten bedanken. Vielen Dank für die großartige Arbeit.

(Allgemeiner Beifall)

Das gemeinsame Aufklärungsinteresse aller Fraktionen im Untersuchungsausschuss ist von enormer Bedeutung. Wir konnten gemeinsam die zahlreichen Fehler der Behörden sowohl bei den Ermittlungen vor der Selbstenttarnung als auch bei den Nachermittlungen herausarbeiten.

Bei dem Anschlag in der Probsteigasse bestehen erhebliche Zweifel daran, dass Mundlos und Böhnhardt die Täter waren. Es gibt zahlreiche Aspekte, die auf eine weitere Person als Mitglied oder als Unterstützer des NSU hindeuten, und dem sind die Behörden aus meiner Sicht bisher nicht ausreichend nachgegangen.

Die Ermittlungen zum Anschlag in der Keupstraße waren faktisch von einer großen Einseitigkeit geprägt. Anhaltspunkte und Hinweise, die auf einen rassistischen Tathintergrund deuteten, wurden kaum verfolgt. Die Hinweise auf Parallelen zum Anschlag in Köln mit der Anschlagserie des David Copeland in London wurden schlicht ignoriert, und auch Zeugenaussagen, die eine Verbindung zur Ceska-Mordserie herstellten, wurde nicht ausreichend nachgegangen.

Auch bei den Ermittlungen zum Mord an Mehmet Kuba?ik in Dortmund müssen wir leider feststellen, dass es keine konkreten Ermittlungsmaßnahmen in Richtung Rechtsextremismus gab. Die Aussage einer Zeugin, die Junkies oder Nazis gesehen hatte, wurde in puncto Nazis ignoriert.

Ich finde, wir konnten ein wichtiges Ergebnis in Bezug auf Dortmund herausarbeiten. Die zeitliche und räumliche Nähe der Morde an Mehmet Kuba?ik in Dortmund und Halit Yozgat in Kassel ist bemerkenswert. Wir haben hier auch die sehr enge Vernetzung und die Militanz der Neonazi-Szene in Dortmund und Kassel Mitte der 2000er-Jahre nachgewiesen. Das nährt aus grüner Sicht die These, dass es sehr wohl ein lokales Unterstützernetzwerk gegeben hat.

Am haarsträubendsten – das will ich hier noch einmal sagen – waren aus meiner Sicht die Untersuchungen zum Tod des V-Mannes Corelli. Die Verwaltungshaltung des Bundesamts für Verfassungsschutz trägt alles andere als zur Vertrauensbildung bei.

(Vereinzelt Beifall von der SPD, der FDP und den PIRATEN)

Noch schlimmer aber waren die Aussagen der Zeugen. Man wollte Corelli anonym und ohne Nachricht an die Angehörigen bestatten – ganz offenbar, um den unbequemen Fragen aus der Öffentlichkeit auszuweichen. Dazu will ich noch mal sagen, dass ich das Verhalten des Bundesamts für Verfassungsschutz wirklich unglaublich finde.

(Beifall von den GRÜNEN, der SPD und der FDP)

Bei allen Gemeinsamkeiten gibt es – und auch das ist schon deutlich geworden – bei der Bewertung der Ermittlungen eben auch Differenzen unter den Fraktionen. Dass die Ermittlungen in jedem Fall immer nach demselben Muster geführt wurden, dass trotz der verschiedenen Hinweise nicht – oder zumindest nicht ernst zu nehmend – in Richtung Rechtsextremismus ermittelt wurde, dass man immer die Opfer als Mitglieder der organisierten Kriminalität oder verstrickt in Drogenmilieu und Schutzgelderpressung sah – und das, obwohl jegliche Ermittlungen in diese Richtung keine Ergebnisse brachten –, kann ich nicht als eine Aneinanderreihung von Fehlern, Pech, Pleiten und Pannen abtun.

Aus meiner Sicht lässt sich das eben auch nicht dadurch erklären, dass es ein mangelndes Wissen bei den Behörden über rechtsterroristische Konzepte und Organisationen gab. Nach der Definition der britischen Macpherson-Kommission kann ein institutioneller Rassismus in Einstellungen und Verhaltensweisen gesehen und aufgedeckt werden, die durch unwissentliche Vorurteile, Ignoranz und Gedankenlosigkeit zur Diskriminierung führen.

Genau dieser institutionelle Rassismus kommt aus grüner Sicht bei den Ermittlungen zu den NSU-Verbrechen zum Ausdruck. Ich bin der Meinung, dass wir dieses strukturelle Problem thematisieren müssen, damit es nie wieder zu solchen fatalen Fehleinschätzungen im Hinblick auf die Motive der Täter kommen kann.

(Beifall von den GRÜNEN und den PIRATEN)

Die Tatsache, dass Konsequenzen aus dem Versagen der Behörden gezogen werden müssen, eint uns. Ich bin froh, dass wir es geschafft haben, 30 gemeinsame Handlungsempfehlungen zu erarbeiten – und das sehe ich wirklich als großen Wert dieses Untersuchungsausschusses. Die Handlungsempfehlungen reichen von der Unterstützung des Parlamentarischen Kontrollgremiums bei der Kontrolle des Verfassungsschutzes bis hin zur Finanzierung der Beratungsstruktur gegen Rechtsextremismus und Rassismus.

Es ist unsere gemeinsame Aufgabe in der kommenden Legislaturperiode, genau diese Handlungsempfehlungen auch umzusetzen. Denn das Problem des Rechtsextremismus, des Rassismus, ist in den letzten zweieinhalb Jahren ja nicht kleiner geworden – im Gegenteil, es ist größer geworden. Ich hoffe und erwarte von uns allen hier, dass die gute Zusammenarbeit, die wir im Untersuchungsausschuss hatten, Bestand hat, und zwar über den Wahltermin hinaus, und dass wir gemeinsam daran arbeiten, diese Handlungsempfehlungen umzusetzen, um gemeinsam gegen Rechtsextremismus und Rassismus auch hier in Nordrhein-Westfalen vorzugehen. – Herzlichen Dank.

(Allgemeiner Beifall)

Einladung: »Rechtsterrorismus: Entwicklung und Ideologie«, 3.2.17, 14:00 -19:15 Uhr, Landtag NRW

Die Einladung als pdf finden Sie/findest Du hier.

Bis zur Selbstenttarnung des rechtsextremen „Nationalsozialistischen Untergrunds“ (NSU) vor fünf Jahren wurde die Existenz rechtsterroristischer Gruppen von Seiten der Sicherheitsbehörden in der Regel bestritten. Rechtsextreme Gewalttaten wurden als singuläre Ereignisse gewertet. Dass Personen aus der rechtsextremen Szene mit einer zielgerichteten Strategie der Gewaltanwendung versuchen würden, Angst unter Menschen mit Migrationsgeschichte zu verbreiten, war kaum vorstellbar.

Doch auch vor dem Bekanntwerden des NSU wusste man von ideologischen Grundlagen des Rechtsterrorismus, die beispielsweise in den sogenannten Turner Diaries nachzulesen sind. Der Neonazi David Copeland, der 1999 in London eine Serie von Nagelbombenanschlägen mit rassistischem Hintergrund verübte, bezog sich beispielsweise auf die Turner Diaries. Auch die rechtsextreme Szene in Deutschland diskutierte rechtsterroristische Strategien in den 1990er Jahren. Zur gleichen Zeit gründeten sich auf Gewalt abzielende Gruppen wie Blood & Honour und eben auch der NSU.

Diese Entwicklung rechtsextremer Radikalisierung muss aus unserer Sicht auch vor dem Hintergrund der politischen Debatten um die Themen Migration und Flucht betrachtet werden. Auch heute ist eine Gleichzeitigkeit von Migrationsdebatten und massiv zunehmender rassistischer Gewalt zu beobachten. Der Aufbau neuer rechtsterroristischer Gruppen kann zurzeit nicht ausgeschlossen werden. Gegen die „Gruppe Freital“ aus Sachsen ist bereits Klage wegen der Gründung einer rechtsterroristischen Vereinigung erhoben worden. In unserer Veranstaltung wollen wir über die ideologischen Grundlagen des Rechtsterrorismus, seiner Entwicklung in Deutschland sowie über seinen Zusammenhang mit gesellschaftlichen Debatten über Minderheiten diskutieren.

Verena Schäffer

Sprecherin für Innenpolitik und Strategien gegen Rechtsextremismus

 

PROGRAMM

14:00 UHR KAFFEE UND ANKOMMEN

14:30 UHR BEGRÜSSUNG

Verena Schäffer MdL

14:50 UHR VORTRAG I: ENTWICKLUNG DES RECHTSTERRORISMUS

Prof. Dr. Fabian Virchow, FORENA

15:40 UHR VORTRAG II: EINFLUSS VON MIGRATIONSPOLITISCHEN

DISKURSEN AUF RASSISTISCHE UND

RECHTSEXTREME GEWALT

Anne Broden,

Rassismuskritikerin

 

16:30 UHR KAFFEEPAUSE

 

17:00 UHR VORTRAG III: SITUATION RASSISTISCHER

UND RECHTSEXTREMER GEWALT IN NRW

Dr. Karsten Wilke

Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus

im Regierungsbezirk Detmold

 

17:30 UHR PODIUMSDISKUSSION

  • Irene Mihalic MdB,

innenpolitische Sprecherin der Grünen Bundestagsfraktion

  • Heiko Hausmann,

LKA NRW

  • Anne Broden,

Rassismuskritikerin

  • Danilo Starosta,

Kulturbüro Sachsen

 

19:00 UHR ZUSAMMENFASSUNG UND SCHLUSSWORTE

Verena Schäffer MdL

 

ENDE GEGEN 19.15 UHR

 

 

ANMELDUNG

Bitte per E-Mail bis zum 1. Februar 2017 bei Hasret Karacuban, Mitarbeiterin von Verena Schäffer MdL,

hasret.karacuban@landtag.nrw.de, Telefon 0211/884-4321.

Für den Einlass in den Landtag werden ein Lichtbildausweis und diese Einladung benötigt. Für die Einfahrt in die Tiefgarage

bitte vorher das Kennzeichen mitteilen.

 

ANFAHRT

Mit den Straßenbahnlinien 708 und 709 ab Düsseldorf-Hauptbahnhof, Haltestelle Landtag/Kniebrücke

Wegbeschreibung auf Google Maps

 

Veranstalterin: Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Landtag NRW, Platz des Landtags 1, 40221 Düsseldorf

 

Hinweis: Die Veranstalterin macht von ihrem Hausrecht Gebrauch. Personen, die der rechtsextremen Szene angehören oder durch rassistische Äußerungen auffallen, werden von der Veranstaltung ausgeschlossen.

www.gruen-gegen-rechts.de

 

Pressemitteilung: Rechtsextremistische Ideologie muss weiter bekämpft werden

Zum gescheiterten NPD-Verbotsverfahren erklärt Verena Schäffer, stellvertretende Vorsitzende und Sprecherin für Strategien gegen Rechtsextremismus der GRÜNEN Fraktion im Landtag NRW:

„Auch wenn das Bundesverfassungsgericht ein Verbot abgelehnt hat, bleibt die NPD eine rechtsextreme, menschenverachtende und verfassungsfeindliche Partei. Der Urteilsspruch ist weniger ein Erfolg für die eng mit der Neonaziszene verwobene Partei, sondern vielmehr Ausdruck ihrer Bedeutungslosigkeit. Sie ist finanziell wie personell marginalisiert. Ihre Ideologie bleibt aber nach wie vor gefährlich.

Auch wenn der grassierende Rechtspopulismus und der Umgang mit ihm die politisch notwendige Debatte beherrscht, dürfen wir den gewaltbereiten Rechtsextremismus nicht aus den Augen verlieren. Rechtsextremistische Übergriffe, Anschläge, Einschüchterungen und Bedrohungen sind auch in Nordrhein-Westfalen auf der Tagesordnung. Wir müssen weiter mit aller Kraft gemeinsam mit der demokratischen Zivilgesellschaft gegen Rechtsextremismus und Rassismus und für eine vielfältige demokratische Gesellschaft kämpfen.“