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Schlagwort: Reden

Verena Schäffer: „Lassen Sie uns als Demokratinnen und Demokraten gemeinsam handeln“

Zum Antrag „Strategische Radikalisierung, digitale Mobilisierung, jugendaffine Ansprache – Die Entwicklungen aus dem Lagebild Rechtsextremismus erfordern eine klare Antwort der demokratischen Mitte“

Verena Schäffer (GRÜNE): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bin seit 15 Jahren Abgeordnete in diesem Haus. Seit 14 Jahren frage ich die Zahlen der rechtsextremen Straftaten ortsspezifisch ab. Noch nie – noch nie! – gab es in diesem Land einen so dramatischen Anstieg von rechtsextremen Straftaten.

2001 wurde das Erfassungssystem der politisch motivierten Kriminalität bundesweit eingeführt. In den letzten 25 Jahren hatten wir noch nie so viele rechtsextreme Straftaten in Nordrhein-Westfalen wie im vergangenen Jahr. Es ist ein erschreckender Befund, in welchem Zustand sich unsere Gesellschaft gerade befindet, wie viel Gewalt und rechtsextreme Kriminalität stattfinden. Das ist absolut erschreckend und dramatisch.

Es gibt Fachleute und Zeitzeugen, die aus meiner Sicht zu Recht an die sogenannten Baseballschlägerjahre erinnern und sich fragen: Sind wir heute eigentlich wieder an demselben Punkt wie damals Anfang der 1990er-Jahre, als in Deutschland Flüchtlingswohnheime brannten, als Angehörige der Familie Genç ermordet wurden, als alternativ aussehende Jugendliche und Obdachlose auf der Straße geschlagen wurden?

Neben der Gewalt ist auch die Orientierung am historischen Nationalsozialismus in der rechtsextremen Szene wieder sehr präsent. Anders als in den 1990er-Jahren sitzt aber heute eine rechtsextreme Partei in den Parlamenten, im Deutschen Bundestag und in den meisten Länderparlamenten, auch hier in Nordrhein-Westfalen.

Dass den Parlamenten Abgeordnete angehören, die sich als das „freundliche Gesicht des Nationalsozialismus“ bezeichnen, die die NS-Diktatur als „Vogelschiss der Geschichte“ abtun und die eine „erinnerungspolitische Wende um 180 Grad“ fordern, ist eine Schande für dieses Land.

(Beifall von den GRÜNEN, der CDU, der SPD und der FDP)

Man kann den Anstieg dieser rechtsextremen Straftaten nicht diskutieren, ohne gleichzeitig den Hass der AfD zu benennen. Die Wahlergebnisse der AfD, ihre hasserfüllte Sprache, ihre Provokationen, auch hier im Parlament, führen zu einer Verrohung der politischen Kultur. Die rechtsextreme Programmatik und das ständige Verschieben von sogenannten Sagbarkeitsgrenzen führen dazu,

(Zuruf von Enxhi Seli-Zacharias [AfD])

dass sich Rechtsextreme und Rassisten legitimiert fühlen, rassistische und menschenverachtende Straftaten zu begehen, Menschen anzugreifen, zu beleidigen und zu bedrohen.

Man kann diesen Anstieg der rechtsextremen Straftaten auch nicht diskutieren, ohne die Präsenz rechtsextremer Akteure in den sozialen Medien anzusprechen. Straftaten werden im digitalen Raum verübt und verlagern sich vom digitalen auch in den analogen Raum.

Die Bevorzugung des Hasses durch die Algorithmen in den sozialen Medien stellt uns als Demokratinnen und Demokraten vor Herausforderungen. Das darf aber für uns als demokratische Akteure und Parteien, auch mit Blick auf die politische Bildung, keine Ausrede sein, in den sozialen Medien weniger präsent zu sein. Wir Demokratinnen und Demokraten müssen dort sein, wo die Menschen sind, wo sie Zeit verbringen. Das ist nun einmal auch im Internet.

Wir dürfen uns als Demokratinnen und Demokraten nicht einschüchtern lassen – weder im digitalen noch im analogen Raum. Wir sind und bleiben solidarisch mit den Opfern und Betroffenen dieser Gewalt.

Der Rechtsstaat geht konsequent gegen die Täterinnen und Täter vor; denn – das ist mir wirklich wichtig – unsere Demokratie ist wehrhaft.

(Beifall von den GRÜNEN, der CDU, der SPD und Dr. Werner Pfeil [FDP])

5.641 Straftaten in einem Jahr – und das ist nur das Hellfeld; wir wissen, dass es bei solchen Straftaten auch immer ein erhebliches Dunkelfeld gibt –: Was bedeutet das konkret? Das bedeutet, dass jeden Tag 15 bis 16 solcher Straftaten begangen werden: dass es Hakenkreuzschmierereien gibt, dass schon Kinder im Grundschulalter rassistisch beleidigt werden, dass es queerfeindliche Attacken am Rande von CSDs und islamfeindliche sowie antisemitische Angriffe gibt.

Diese Taten dienen ganz klar der Einschüchterung und führen dazu, dass man seine Meinung nicht mehr äußert, dass der Davidstern unter dem Pulli getragen wird und nicht mehr offen sichtbar ist, dass sich Eltern von schwarzen Kindern oder Eltern, die zugewandert sind, Sorgen machen.

Ich muss klar sagen: Ich will in einer solchen Gesellschaft, in der Menschen Angst haben müssen, nicht leben. Ich will, dass alle Menschen hier in Sicherheit sind und keine Angst haben müssen.

(Beifall von den GRÜNEN, der CDU, der SPD und der FDP)

Spätestens dieser besorgniserregende Befund über die Straftaten muss doch jetzt ein Weckruf sein. Rechtsextreme bedrohen unsere Demokratie nicht irgendwie abstrakt, sondern jeden Tag sehr konkret mit Straftaten gegen Menschen.

Deshalb brauchen wir eine starke Struktur für eine starke Zivilgesellschaft. Wir brauchen die Beratungsstellen gegen Rechtsextremismus, die politische Bildung, die historisch-politische Bildung in den Gedenkstätten.

Für diese Strukturen braucht es auch eine starke Aufstellung des Bundesprogramms „Demokratie leben!“. Es braucht endlich ein Demokratiefördergesetz auf Bundesebene. Ich möchte denjenigen, die gerade in Berlin verhandeln, wirklich mit auf den Weg geben: Kämpfen Sie dafür!

(Beifall von den GRÜNEN, Dr. Ralf Nolten [CDU] und Elisabeth Müller-Witt [SPD])

Denn diese Programme sind wichtig. Sie verändern auch Dinge ganz konkret.

Wir wissen, dass unser haushälterischer Gestaltungsraum auf Landesebene wirklich maximal eng ist. Das ist, gerade wenn man solche Themen diskutiert, total schmerzhaft, weil wir wissen, was wir machen müssen, und die Konzepte alle vorliegen. Dennoch handeln wir in Nordrhein-Westfalen als schwarz-grüne Koalition.

Wir werden die Landeszentrale für politische Bildung nicht nur als Schwarz-Grün, sondern gemeinsam mit den anderen demokratischen Akteuren hier im Raum – dazu sind wir in Gesprächen – unabhängiger machen. Wir werden sie stärken.

Wir setzen uns für die Bekämpfung der Desinformation im Internet ein.

Unsere Sicherheitsbehörden sind wachsam. Sie sind gut aufgestellt. Sie schauen hin und verfolgen Straftaten sehr konsequent.

Ich möchte hier noch etwas sagen. Damit will ich allerdings nicht die Verantwortung vom Staat auf den Einzelnen delegieren; denn der Staat muss handeln. Es gibt aber auch eine Verantwortung eines jeden Einzelnen: die persönliche Haltung, Videos mit Verschwörungsmythen nicht per WhatsApp zu teilen, den Hass nicht zuzulassen, Hetze zu widersprechen, Opfern beizustehen, Mensch zu sein und Mensch zu bleiben.

Dass der Rechtsextremismus immer weiter um sich greift, ist doch nicht vorbestimmt. Wir können diese Entwicklung aufhalten. Davon bin ich überzeugt. Dafür müssen wir aber etwas tun. Er wird nicht von allein weggehen. Lassen Sie uns als Demokratinnen und Demokraten deshalb gemeinsam handeln. Das ist wichtig für unsere Demokratie, für unsere Gesellschaft und für die Sicherheit der Menschen in diesem Land. – Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN, der CDU und der SPD)

Rede zum Antrag „Demokratie in herausfordernden Zeiten – Stärkung der Demokratiebildung durch den Demokratiebericht“

Zum Antrag der Fraktionen von CDU, SPD, FDP und Grünen im Landtag zur Demokratiebildung

Verena Schäffer (GRÜNE): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben heute Morgen hier schon sehr leidenschaftlich darüber diskutiert, was die aktuellen rechtsextremen Straftaten und die Entwicklung in diesem Themenbereich mit unserer Gesellschaft machen. Jetzt diskutieren wir über ein anderes Thema, bei dem es auch um Demokratie geht, und zwar um den Kern der politischen Bildung.

In der politischen Bildung geht es nicht zuallererst darum, nur unsere Demokratie zu verteidigen – das ist wichtig und auch ein Kernbestandteil –, sondern es geht auch genauso darum, Menschen zu befähigen, dass sie politisch teilhaben können, dass sie sich mit ihren eigenen Meinungen, mit ihren Positionen einbringen können, dass sie sich engagieren können, dass sie an Wahlen teilnehmen, dass sie aber auch in gesellschaftlichen Prozessen ihre Stimme erheben, dass sie eine eigene Position formulieren können.

Diese politische Bildungsarbeit zu stärken, ist, glaube ich, von uns demokratischen Akteuren hier im Parlament wirklich ein sehr, sehr wichtiges Anliegen. Deshalb freue ich mich, dass wir als demokratische Fraktionen es im Hauptausschuss immer wieder schaffen, uns gemeinsam hinzusetzen und zu überlegen, wo Stellschrauben sind und wo wir Dinge noch verbessern können.

2019 – das ist gerade schon angeklungen – haben wir gesagt, dass wir einen jährlichen Demokratiebericht haben wollen. Aktuell liegt der zweite Demokratiebericht vor. Diese beiden Demokratieberichte, die es schon gibt, haben uns schon sehr wertvolle Hinweise gegeben, was wir noch verbessern können und verbessern sollten.

Ich fand den letzten Demokratiebericht wahnsinnig spannend zu lesen, und es war auch noch mal wichtig, festzustellen, dass so viele Menschen in unserem Land ganz klar demokratische Werte teilen, dass insbesondere bei jungen Menschen in unserer Gesellschaft die Zustimmung zur Demokratie und zu demokratischen Werten sehr, sehr hoch ist.

Durch diesen Demokratiebericht haben wir auch gelernt, was wir vielleicht vorher schon gefühlt haben und irgendwie wussten, dass es wichtig ist. Es ist aber gut, insbesondere die aufsuchende Arbeit in der politischen Bildung, also das, was vor allen Dingen auch unsere Demokratiewerkstätten im Land leisten, auch wissenschaftlich aufbereitet zu haben.

Ich habe in den letzten Monaten einige Demokratiewerkstätten bewusst besucht, weil ich mir die Arbeit anschauen und im Quartier mit den Leuten sprechen wollte, um sie zu fragen: Was wollt ihr denn eigentlich bei euch im Stadtteil in eurem Quartier? Was sind die Themen, die euch interessieren? Was muss vonseiten der Stadtverwaltung, von Land und Bund angegangen werden? Es ging darum, die Menschen nach ihrer Meinung zu fragen. Das ist ein Ergebnis des letzten Demokratieberichtes, dass insbesondere diese aufsuchende Arbeit in der politischen Bildungsarbeit von ganz großem Wert ist.

Warum stehen wir heute hier? Ich finde, Frau Müller-Witt hat es schon sehr gut dargestellt. Wir wollen uns gerne für diese Demokratieberichte mehr Zeit geben. Auch Herr Hagemeier hat eben schon gesagt: Die Demokratieberichte sind so wichtig, weil sie eine wissenschaftliche Aufbereitung sind. Und dafür braucht man Zeit. Man braucht insbesondere auch Zeit, um eine Auswertung dieser Berichte vorzunehmen, um dann in eine Handlung zu kommen und die Sachen vernünftig umsetzen zu können.

Es klingt vielleicht auf den ersten Blick ein bisschen komisch, wenn man sagt, man wolle diese Berichte demnächst nicht mehr jährlich haben, sondern nur noch alle zwei Jahre. Das klingt irgendwie nach einer Abschwächung. Aber genau das Gegenteil ist der Fall. Wir wollen uns intensiver mit diesen Berichten beschäftigen. Wir wollen intensiver hingucken, was wir davon umsetzen können, um die politische Bildung zu stärken, um die politische Teilhabe der Menschen in unserem Land zu stärken. Deshalb sagen wir, dass wir diese Berichte eben nicht mehr jährlich haben wollen, sondern demnächst alle zwei Jahre.

Ich glaube, dass das wirklich ein Gewinn ist und uns noch mal die Zeit verschafft, uns im Ausschuss sehr intensiv damit zu beschäftigen. Ich bedanke mich bei den Kolleginnen und Kollegen. Wie gesagt, ich finde es einen sehr guten Mehrwert, dass wir im Hauptausschuss die Kultur haben, uns auch über die Fraktionsgrenzen hinweg unter den demokratischen Akteuren immer wieder über solche zentralen Fragen wie das Thema „Demokratie“ gemeinsam Gedanken zu machen. Dafür herzlichen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der CDU und der FDP)

Verena Schäffer: „Das Vertrauen in unsere Polizei ist zu Recht sehr, sehr hoch, und wir wollen das Vertrauen weiter erhöhen“

Zum Gesetzentwurf „Gesetz über die unabhängige Polizeibeauftragte oder den unabhängigen Polizeibeauftragten des Landes Nordrhein-Westfalen“

Verena Schäffer (GRÜNE): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe heute die große Ehre, zu diesem Thema sprechen zu dürfen, was mir seit vielen, vielen Jahren ein großes Anliegen ist. Der Anlass ist nicht so schön; die Kollegin Frau Dr. Julia Höller ist leider krank. Von dieser Stelle möchte ich ihr gute Besserung wünschen und ihr, aber auch den Kollegen der CDU für diesen guten Gesetzentwurf danken.

Rechtsstaatlich, bürgerorientiert und professionell, das sind die Grundsätze der Polizei in Nordrhein-Westfalen. Mit der Einführung einer oder eines unabhängigen Polizeibeauftragten für Nordrhein-Westfalen stärken wir genau diese Grundsätze. Wir stärken die Polizei, wir stärken die Rechte der Bürgerinnen und Bürger, wir stärken das Vertrauen in den Rechtsstaat. Deshalb ist heute ein guter Tag für unsere Polizei, für die Menschen in unserem Land und für die Sicherheit.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Ein starker Rechtsstaat lebt davon, dass sich die Menschen auf ihn verlassen können, dass sie sicher sein können: Gesetze gelten für alle, immer und ohne Ausnahme. Dieses Vertrauen in den Staat ist die Grundlage für seine Legitimität. Weil die Polizei nun mal das Gewaltmonopol trägt, sind die Möglichkeit zur Kontrolle und vor allem Transparenz und Vertrauensbildung eine Selbstverständlichkeit.

Die Polizei ist bürgerorientiert und ansprechbar für die Bürgerinnen und Bürger in unserem Land. Der Polizeibeauftragte soll dieses Verhältnis zwischen Bürgerinnen und Bürgern mit und ohne Uniform weiter verbessern.

Das Vertrauen in unsere Polizei ist zu Recht sehr, sehr hoch, und wir wollen das Vertrauen weiter erhöhen. Deshalb schaffen wir eine unabhängige, niedrigschwellige Anlaufstelle für alle, die Fragen, Sorgen oder ernsthafte Hinweise auf Fehlverhalten haben, sei es aus der Bevölkerung oder aus der Polizei selbst.

Unsere Polizei ist professionell. Ihre Aus- und Fortbildung entspricht sehr hohen Standards. Ich bin stolz darauf, dass wir eine so gut aufgestellte Polizei in Nordrhein-Westfalen haben. Das Handeln in Einsätzen, die sekundenschnelle Entscheidungen erfordern, ist professionell.

Auch die Fehlerkultur ist professionell; denn ein moderner Staat misst sich nicht daran, ob Fehler passieren, sondern er misst sich daran, wie mit Fehlern umgegangen wird. Diese Fehlerkultur werden wir mit der oder dem unabhängigen Polizeibeauftragten weiter stärken. Damit stärken wir auch die innere Sicherheit; denn wir wollen, dass alle Menschen in Nordrhein-Westfalen sicher sein können.

(Beifall von den GRÜNEN und Matthias Kerkhoff [CDU])

Wir geben der oder dem unabhängigen Polizeibeauftragten die Befugnisse, die sie oder er braucht, um effektiv arbeiten zu können.

Selbstverständlich, lieber Herr Watermeier, liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, sind anonyme Eingaben möglich. Es liegt im Ermessen der oder des Polizeibeauftragten, wie sie oder er damit umgeht. Selbstverständlich gibt es Akteneinsicht in alle für den Fall relevanten Akten. Selbstverständlich können Personen befragt und Sachverständige angehört werden. Ich will noch einmal daran erinnern, dass Uli Grötsch, der Polizeibeauftragte des Bundes, unseren Gesetzentwurf in der Anhörung als State of the Art bezeichnet hat.

Das Gesetz ist ein starkes Signal für unsere Polizei. Die überwältigende Mehrheit der Polizistinnen und Polizisten in NRW versieht ihren Dienst tagtäglich professionell und im Dienst für unseren demokratischen Rechtsstaat. Gerade für sie ist es wichtig, dass Missstände benannt, mögliche strukturelle Fehlentwicklungen und Probleme identifiziert und Fehlverhalten konsequent geahndet werden. Denn das schützt auch das Ansehen der Polizei selbst.

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, Sie zählen hier die Gründe auf, warum Sie nicht zustimmen können. Ich bedauere das ehrlich gesagt sehr. Es ist sehr viel Klein-Klein dabei, und Sie hätten sich hier durchringen können. Darum will ich noch einmal appellieren und Sie auffordern: Stimmen Sie diesem Gesetzentwurf zu. Es ist ein gutes Gesetz. Lassen Sie uns jetzt starten mit der Arbeit der oder des unabhängigen Polizeibeauftragten.

Die SPD hätte die Chance, bei dieser wichtigen Entscheidung, bei der es um einen Meilenstein für unsere Polizei, für das Verhältnis von Polizei zu Bürgerinnen und Bürgern geht, heute mitzustimmen. Also geben Sie sich einen Ruck, stimmen Sie zu. Es ist ein gutes Gesetz für die Menschen in unserem Land.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Ich möchte an dieser Stelle aber auch sagen: Die SPD wird sich enthalten, sie wird nicht ablehnen. Das erkenne ich sehr wohl an. Ich freue mich, dass wir heute grundsätzlich eine breite Zustimmung aus dem demokratischen Spektrum für die oder den unabhängigen Polizeibeauftragten haben. Das freut mich sehr. Vielleicht ändert auch die FDP noch mal ihre Meinung. Das würde mich freuen.

Ich halte es wie gesagt für einen Gewinn für unsere Polizei. Ich bin überzeugt, dieses Gesetz ist ein Fortschritt. Deshalb bitte ich Sie um Zustimmung zu diesem Gesetzentwurf. – Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Verena Schäffer: „Nicht die Opfer, sondern die Täter müssen sich schämen“

Zum Antrag „Gewaltschutz für Frauen wirksam erweitern“

Verena Schäffer (GRÜNE): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir sprechen heute über ein wichtiges innenpolitisches Thema. Es geht um die Sicherheit der Hälfte der Bevölkerung. Jede dritte Frau in Deutschland erlebt mindestens einmal in ihrem Leben physische und/oder sexualisierte Gewalt. Jede vierte Frau erlebt mindestens einmal in ihrem Leben Gewalt durch ihren Partner oder ihren Ex-Partner. Jeden Tag gibt es in Deutschland drei Versuche, eine Frau zu töten. Jeder dritte Versuch gelingt. Das heißt, statistisch gesehen gibt es jeden Tag in Deutschland einen Femizid.

All diese Taten richten sich nur gegen Frauen, weil sie Frauen sind. Ich finde diese Bedrohungslage gegen Frauen und Mädchen inakzeptabel. Neben einer konsequenten Strafverfolgung und einer konsequenten Ahndung dieser Straftaten braucht es auch die Hilfeinfrastruktur, die Frauenhäuser, die Beratungsstellen; denn sie retten und schützen Menschenleben, sie helfen, ein selbstbestimmtes Leben zu führen.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)

Die eigenen vier Wände, das eigene Zuhause sollte ein Ort der Sicherheit und der Geborgenheit sein. Wir wissen, dass das für viele Frauen und ihre Kinder in unserer Gesellschaft nicht der Realität entspricht. Gewalt hinter der eigenen Haustür betrifft Frauen und Kinder im städtischen Raum und im ländlichen Raum. Sie ist unabhängig vom Alter, unabhängig vom Einkommen der Täter oder der Opfer.

Gewalt gegen Frauen findet oft in den eigenen vier Wänden statt. Aber diese Gewalt ist niemals Privatsache. Es ist Aufgabe des Staates, Frauen und Mädchen vor Gewalt zu schützen. Deshalb ist das Gewalthilfegesetz wirklich ein Meilenstein. Durch das Gesetz erhalten Frauen einen Rechtsanspruch auf kostenfreien Schutz und kostenfreie Beratung. Das ist ein Paradigmenwechsel im Gewaltschutz. Es ist noch keine 50 Jahre her, dass das erste Frauenhaus in Westdeutschland eröffnete. Insbesondere der Frauenbewegung und ihrem Leitsatz: „Das Private ist politisch“, ist es zu verdanken, dass Gewalt gegen Frauen und Kinder auch in der Öffentlichkeit diskutiert wird.

Seitdem hat sich viel getan, auch in Nordrhein-Westfalen. Wir haben hier ein ausdifferenziertes Hilfesystem. Jeden Tag finden in Nordrhein-Westfalen Frauen und ihre Kinder Schutz und Beratung in den Frauenhäusern, in den Frauenberatungsstellen. Sie finden Hilfe und Schutz vor geschlechtsspezifischer und häuslicher Gewalt. Die Mitarbeiterinnen in diesen Hilfeeinrichtungen helfen jeden Tag und beraten jeden Tag mit ihrer fachlich hervorragenden Arbeit und begleiten Frauen und ihre Kinder in eine gewaltfreie und selbstbestimmte Zukunft.

Zu oft jedoch finden Frauen keinen Frauenhausplatz. Zu oft ist die Übersichtskarte der Frauenhausplätze in Nordrhein-Westfalen mit roten Symbolen versehen: kein Frauenhausplatz, keine Aufnahme möglich, keine Möglichkeit, ein Kind mitzubringen, keine barrierefreien Frauenhausplätze.

Zu oft trauen sich Betroffene von Gewalt nicht, über diese Gewalt zu sprechen. Zu oft ist die Scham zu groß, sich Hilfe zu holen. Wie viele andere Frauen auch bin ich Gisèle Pelicot dankbar, dass sie in dem Prozess über die beispiellose Gewalt, die ihr angetan wurde, klargestellt hat: Die Scham muss die Seite wechseln.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)

Nicht die Opfer, sondern die Täter müssen sich schämen.

(Beifall von den GRÜNEN, der CDU und der SPD – Vereinzelt Beifall von der FDP)

Dieser nun gesetzlich verankerte Rechtsanspruch ist ein wichtiger, wenn auch ein erster Schritt, um mehr Schutz zu gewährleisten und um die Istanbul-Konvention endlich umzusetzen. In den kommenden Jahren muss der Ausbau der Gewalthilfestruktur folgen.

Wir haben in den vergangenen Jahren auch hier in Nordrhein-Westfalen vieles erreicht. Inzwischen sind 70 Frauenhäuser in der Landesförderung. Wir legen einen Fokus auf die Kinder in den Frauenhäusern, für die wir eine eigene Fachkraftstelle fördern.

Dass sich der Bund in über zehn Jahren mit 2,6 Milliarden Euro beteiligen wird, ist gut, und das ist angesichts der Haushaltslage in den Ländern und in den Kommunen dringend notwendig.

Das Gesetz verankert auch die Präventions- und die Täterarbeit. Damit legt das Gesetz einen Fokus auf diejenigen, von denen die Gewalt ausgeht. Es sind zumeist Männer, von denen diese Gewalt ausgeht. Deshalb braucht es neben der Strafverfolgung auch eine Auseinandersetzung mit einer falsch verstandenen Männlichkeit. Gewalt gegen Frauen hat nichts mit Männlichkeit zu tun. Das sind Straftaten, die verfolgt und geahndet werden müssen.

(Beifall von den GRÜNEN, der CDU und der SPD)

Das Gewalthilfegesetz ist ein wichtiges Signal in einer Zeit, in der die Gewalt gegen Frauen in Deutschland steigt, in einer Zeit, in der Frauenrechte weltweit angegriffen werden, in einer Zeit, in der Frauen das Selbstbestimmungsrecht über ihren Körper immer noch abgesprochen wird.

Der Beschluss über das Gewalthilfegesetz zeigt, dass demokratische Parteien in der Lage sind, gemeinsam zu guten Lösungen zu kommen. Dafür braucht es die Solidarität und den Zusammenhalt unter Frauen. Es braucht auch die Zusammenarbeit mit Männern, die ganz klar sagen, dass sie wollen, dass ihre Mütter und Schwestern, ihre Töchter, ihre Arbeitskolleginnen, Nachbarinnen und Freundinnen ein selbstbestimmtes und gewaltfreies Leben haben können, und dass Gleichberechtigung eine Selbstverständlichkeit sein muss.

Das war vor drei Wochen so, als im Bundestag über den Mutterschutz nach Fehlgeburten entschieden wurde. Das war 1997 so, als der Straftatbestand der Vergewaltigung in der Ehe eingeführt wurde.

Also, liebe Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie uns gemeinsam, Frauen und Männer im Parlament und in der Gesellschaft, weiter für die Rechte von Frauen und Mädchen streiten, damit Frauen und Mädchen eine gleichberechtigte Teilhabe in unserer Gesellschaft haben. – Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN, der CDU und der SPD)

Verena Schäffer: „Mehr denn je geht es in diesen Tagen um die Verantwortung für den Zusammenhalt in unserer Gesellschaft und um die Verantwortung für eine stabile Demokratie“

Zur Aktuellen Stunde auf Antrag der Fraktionen von „AfD“ und FDP nach dem Anschlag in Aschaffenburg

Verena Schäffer (GRÜNE): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Der kleine Yannis liebte sein Polizeiauto. Er war ein kleiner Junge, der morgens in die Kita gebracht wurde und nicht zu seinem Polizeiauto zurückkehrte, sondern gewaltsam aus dem Leben gerissen wurde. Der Schmerz der Angehörigen muss unermesslich sein.

Das gilt ebenso für den Schmerz der Angehörigen des mutigen Mannes, selbst Vater, der einschritt, um wehrlose Kinder zu schützen, und dabei getötet wurde. Er hat eine Selbstlosigkeit und Menschlichkeit gezeigt, vor der ich persönlich sehr großen Respekt habe.

(Beifall von den GRÜNEN, der CDU, der SPD und der FDP)

In den vergangenen Monaten haben schwere Verbrechen unser Land erschüttert. Jede einzelne dieser Taten muss gründlich aufgeklärt werden: die Anschläge von Mannheim, Solingen, Magdeburg und nun diese furchtbare Tat von Aschaffenburg. Die Menschen erwarten zu Recht, dass der Staat für Sicherheit sorgt, damit wir die Freiheit bewahren, Stadtfeste und Weihnachtsmärkte besuchen und unsere Kinder auf einen Ausflug schicken können.

Deshalb haben wir als schwarz-grüne Koalition nach Solingen Schritte für mehr Sicherheit unternommen. Wir arbeiten die Terrortat hier auf. Das erwarte ich auch im Fall von Aschaffenburg. Fragen zu möglichen Behördenfehlern und Fehleinschätzungen müssen beantwortet werden. Denn der Täter von Aschaffenburg war mehrfach auffällig geworden und den Behörden bekannt.

Wir brauchen wirksame Maßnahmen, die Gewalttaten tatsächlich verhindern können und unsere Freiheit erhalten. Dazu gehören die Ausstattung und die Verbesserung des Datenaustausches von Behörden sowie ihre Zusammenarbeit. Ich finde, effektive Sicherheit zu schaffen ist wichtiger als die billige Schlagzeile. Das unterscheidet uns als schwarz-grüne Koalition schon lange von der FDP.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)

Zur Analyse gehört auch die Untersuchung der Motive der Täter. Sie sind bei diesen verschiedenen Anschlägen sehr unterschiedlich. Trotzdem fallen Parallelen auf: Die Täter sind ausnahmslos Männer; es liegen psychische Erkrankungen vor; es gibt Fluchtgeschichten.

Es kommt darauf an, dass die Behörden potenzielle Täter im Vorfeld besser erkennen. Personen, von denen eine hohe Gefahr ausgeht, dürfen nicht durch das Raster fallen.

(Beifall von den GRÜNEN und Peter Blumenrath [CDU])

In Nordrhein-Westfalen nimmt das bundesweit einmalige Projekt „PeRiskoP“ der Polizei Menschen in den Blick, bei denen eine psychische Erkrankung und eine Gewaltaffinität zusammentreffen. Die Vernetzung der verschiedenen Behörden in diesen Fällen ist der richtige Ansatz.

Mir ist dabei aber auch wichtig, zu sagen: Wer an einer psychischen Erkrankung leidet, wird nicht automatisch zum Straftäter. Er gehört in kein Register. Er braucht psychologische Hilfe und Unterstützung.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)

Genauso wenig dürfen Geflüchtete unter Generalverdacht gestellt werden. Trotzdem müssen wir genau hinschauen, denn Gewalterfahrungen und eine unsichere Perspektive sind Faktoren, die psychische Erkrankungen verschärfen können. Deshalb war es richtig, dass wir trotz der sehr angespannten Haushaltslage in Nordrhein-Westfalen die psychosoziale Erstberatung für Geflüchtete und die Psychosozialen Zentren stärken – auch als Beitrag für die innere Sicherheit.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)

Wichtig sind schnellere Verfahren, damit die Menschen schnell Klarheit bekommen. Die Verfahren dauern insbesondere bei den Dublin-Rücküberstellungen zu lange und enden oft erfolglos. Das war auch bei dem Täter von Aschaffenburg der Fall.

In Nordrhein-Westfalen machen wir unsere Hausaufgaben. Wir haben –übrigens schon vor Solingen, lieber Herr Höne – das Rückführungsmanagement verbessert und die Zentralen Ausländerbehörden gestärkt.

Zur Wahrheit gehört aber auch: Die Dublin-Regelung ist insgesamt gescheitert. Das GEAS ist nur ein Einstieg in ein europäisches Verteilsystem.

Die Antwort darauf, auch von Friedrich Merz, kann aber doch nicht sein – dafür steht die CDU aus meiner Sicht auch nicht –, dass europäische Zusammenarbeit, Solidarität, Rechtsstaatlichkeit und Freizügigkeit in Europa aufgegeben werden. Die Antwort auf die erschütternden Anschläge, Behördenfehler und grundsätzlichen systemischen Fehler muss doch sein, dass man unter den Demokraten miteinander spricht und gemeinsam mit unseren Nachbarn an europäischen Lösungen arbeitet.

Ich bin überzeugt davon: Wir brauchen in diesen Zeiten nicht weniger, sondern wir brauchen mehr Europa.

(Beifall von den GRÜNEN, der CDU und der SPD)

Die Tat von Aschaffenburg ist auch deshalb so erdrückend, weil Kinder angegriffen wurden. Es sind unsere Kinder. Der kleine Yannis hat marokkanische Wurzeln. Das verletzte Mädchen ist Tochter von Kurden aus Syrien. Dass die AfD ausgerechnet diese Kinder für ihre rassistische und menschenverachtende Hetze instrumentalisiert, ist an Perversion nicht zu überbieten.

(Beifall von den GRÜNEN, der CDU, der SPD und der FDP – Zuruf von Carlo Clemens [AfD] – Andreas Keith [AfD]: Ekelhaft! – Markus Wagner [AfD]: Sie machen nahtlos bei Ihren Selfies weiter! – Enxhi Seli-Zacharias [AfD]: Ekelhaft!)

Dass ein zwölfjähriges Mädchen, ein Kind mit afghanischer Herkunft, am Samstag auf der Demo gegen Rechtsextremismus in Aschaffenburg an das Mikrofon getreten ist,

(Unruhe bei der AfD – Carlo Clemens [AfD]: Unfassbar!)

gesagt haben soll, sie sei nicht böse, und das Gefühl haben muss, sie müsse das klarstellen, finde ich einfach nur erschütternd.

(Beifall von den GRÜNEN, der CDU, der SPD und der FDP)

Wir als Demokratinnen und Demokraten dürfen den Rechtsextremen niemals auch nur einen Millimeter Raum geben. Denn wer den Rechtsextremen Raum gibt, der gibt ihnen Macht, und das darf in Deutschland nie wieder passieren.

(Beifall von den GRÜNEN, der CDU und der SPD)

Wir als Abgeordnete sind unserem Gewissen verpflichtet.

(Enxhi Seli-Zacharias [AfD]: Welches Gewissen?)

Das gilt hier im Landtag, und das gilt im Deutschen Bundestag.

(Vereinzelt Beifall von den GRÜNEN)

Wenn in den deutschen Parlamenten Beschlüsse durch die Stimmen der AfD zustande kommen, dann stärkt das einzig und allein die Rechtsextremen, und es schwächt unsere Demokratie.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, mehr denn je geht es in diesen Tagen um die Verantwortung für den Zusammenhalt in unserer Gesellschaft und um die Verantwortung für eine stabile Demokratie. Ich bin mir sicher, dass die Demokratie immer stärker sein wird als der Hass. – Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN, der CDU und der SPD)

Verena Schäffer: „Wir schaffen heute die Voraussetzungen für eine gute Zukunft, in der es unsere Kinder einmal besser haben werden“

Zum Entwurf der Landesregierung für den Landeshaushalt 2025 – dritte Lösung

Verena Schäffer (GRÜNE): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Schon immer werden Menschen von dem Wunsch angetrieben, dass es der nächsten Generation einmal besser gehen soll. Das ist auch unser Antrieb als schwarz-grüne Koalition.

Mit diesem Haushalt stellen wir dafür die richtigen Weichen. Wir investieren in Kitas und Schulen. Wir unterstützen die Kommunen. Wir stärken ein demokratisches und sicheres Land für alle. Wir treiben die Energiewende voran. Wir schützen das Klima. Wir sichern natürliche Lebensgrundlagen.

Ja, die Haushaltslage ist außergewöhnlich schlecht. Der Haushaltsplan, über den wir heute entscheiden, hat dennoch die langen Linien im Blick. Wir schaffen heute die Voraussetzungen für eine gute Zukunft, in der es unsere Kinder einmal besser haben werden.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)

Wir sehen und teilen die Sorgen vieler Menschen angesichts der aktuell schwierigen Nachrichten aus der Wirtschaft. Die Situation ist in erster Linie bitter für die Beschäftigten – egal ob bei Ford, bei Thyssen oder bei den vielen Zulieferbetrieben.

Es ist bitter für die Beschäftigten, die kurz vor Jahresende nicht wissen, wie es für sie konkret weitergeht.

Als Koalition sind wir an dieser Stelle klar: Es gehört auch zur unternehmerischen Verantwortung, gute Übergänge für die Beschäftigten zu finden. Wo Ministerin Neubaur und Minister Laumann unterstützen können, helfen sie gemeinsam mit Arbeitsagentur und Jobcentern. Wir stehen an der Seite der Beschäftigten. Die größte Einzelförderung des Landes in Höhe von 700 Millionen Euro für die klimaneutrale Stahlproduktion ist richtig. Die vielen Demonstrationen in Duisburg haben doch gezeigt: Die Beschäftigten wollen grünen Stahl. Es führt kein Weg an der Veränderung der Wirtschaft zur Klimaneutralität vorbei. Nur so sichern wir unseren Wohlstand ab.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)

Am Freitag war ich zusammen mit den grünen Kölner Abgeordneten beim Betriebsrat von Ford. Dabei wurde deutlich: Der Stellenabbau in der Verwaltung wurde doch bereits vor langer Zeit in Amerika beschlossen. Dass das Management auf große, hochpreisige Elektroautos gesetzt hat, die auf dem europäischen Markt überhaupt nicht nachgefragt werden, überhaupt nicht funktionieren, führt nun zu Kurzarbeit.

Das bedeutet auch: Die Entscheidungen, die bei Ford getroffen wurden, wurden unabhängig von der wirtschaftlichen Lage in Nordrhein-Westfalen getroffen. Ja, es bestreitet niemand, dass die aktuelle wirtschaftliche Situation schwierig ist. Ich will an dieser Stelle aber auch sagen: NRW steht beim Wachstum übrigens besser da als der Bund.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)

Wir packen die Versäumnisse der Vergangenheit an. Wir handeln, und wir haben auch schon viel geschafft. Im Rekordtempo räumen wir mit den Fehlern vergangener Bundesregierungen in der Energiepolitik auf, die uns in Abhängigkeit von russischem Öl, von russischem Gas,

(Beifall von der SPD – Vereinzelt Beifall von der CDU)

von Despoten gebracht haben, was uns aktuell teuer zu stehen kommt.

Wir in Nordrhein-Westfalen haben mehr als 900 neu genehmigte Windenergieanlagen in den letzten zweieinhalb Jahren. Wir sind bundesweiter Spitzenreiter, und wir gehen auch bei der Solarenergie voran. Der Kohleausstieg 2030 ist und bleibt ein wichtiger Meilenstein auf unserem Weg zur ersten klimaneutralen Industrieregion Europas. Ja, das stimmt, die Zeit bis dahin ist knapp für neue Gaskraftwerke. Aber wir lassen uns dieses Vorhaben nicht kaputt machen von einem Ex-Bundesfinanzminister, von einer FDP, die das im Bund geschreddert hat, einer FDP, die vor der Verantwortung geflohen ist,

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)

einem geschäftsführenden Bundeskanzler, der nicht bereit war, dieses Thema voranzutreiben.

Wir stärken mit dem Weg zur Klimaneutralität unseren Industrie- und Wirtschaftsstandort. Wir stärken die Wettbewerbsfähigkeit unserer Unternehmen, und wir schützen damit auch unser Klima.

Wir wollen nicht, dass immer neue Hitzerekorde und Extremwetterereignisse zur Normalität werden, in der unsere Kinder aufwachsen. Wir wollen, dass es eine Zukunft auf diesem Planeten gibt.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)

Wir stellen uns dem Fachkräftemangel entgegen, denn auch der Fachkräftemangel ist eines der Probleme für unsere Unternehmen, für Handwerksbetriebe, für Krankenhäuser, für Kitas, für den Zugverkehr, für fast jeden Bereich unseres alltäglichen Lebens. Wir gehen deshalb den Fachkräftemangel an, damit unser Land einfach funktioniert. Wir halten an der Meisterprämie und der Meistergründungsprämie fest, denn das Handwerk ist das Rückgrat des Mittelstandes.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)

Ohne Handwerk wäre niemand da, der die Solaranlage und die Wärmepumpe installiert; ohne Handwerk keine Klimaneutralität. Wir sorgen dafür, dass schnell mehr Lokführerinnen und Lokführer ausgebildet werden, damit die Züge pünktlich fahren oder zumindest nicht mehr wegen Personalmangel ausfallen.

Mit mehr als 10 Milliarden Euro finanzieren wir die Wissenschaft und bilden damit Fachkräfte von morgen aus, vom Erzieher bis zur Ärztin. Die Wissenschaft ist Grundlage für Innovation und wirtschaftliche Entwicklung, für Wohlstand, Gesundheit und Lebensqualität.

Wir wollen, dass wirklich alle ihre Potenziale entfalten können. Deshalb legen wir einen Schwerpunkt explizit auf Frauen als Gründerinnen. Wir setzen uns für den Mutterschutz von Selbstständigen ein. Arbeitsmarktforscher sagen schon lange, dass Frauen eine zentrale Rolle spielen, um den Fachkräftemangel abzumildern.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Das wird aber nur funktionieren, wenn die Rahmenbedingungen stimmen, wenn es gleichen Lohn für gleiche Arbeit gibt, wenn Vereinbarkeit nicht als private, sondern als politische Frage anerkannt wird. Deshalb stellen wir als schwarz-grüne Koalition im kommenden Jahr Rekordsummen in Höhe von 5,7 Milliarden Euro für die Kitas und mehr als 880 Millionen Euro für die OGS bereit.

(Vereinzelt Beifall von den GRÜNEN)

Wir verbessern damit die Vereinbarkeit und in erster Linie vor allem die Bildungschancen unserer Kitas. Wir stabilisieren das Kita-System, weil Verlässlichkeit für die Vereinbarkeit elementar und auch für die Kinder wichtig ist.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)

Die Kritik der Opposition an der Kita-Personalverordnung kann man doch nicht wirklich ernst nehmen.

(Zuruf von der SPD)

Sie können doch nicht auf der einen Seite kritisieren, dass es wegen kurzfristiger Personalausfälle, wegen Krankheit zu Gruppenschließungen kommt, und auf der anderen Seite jegliche Lösungen, jegliche Flexibilität ablehnen,

(Zuruf von der SPD: Das ist doch keine Lösung! – Christian Dahm [SPD]: Wir haben doch im Laufe des Jahres genug Vorschläge gemacht!)

um verlässliche Betreuung zu gewährleisten, und dann auch noch Fake-News verbreiten. Wie unglaubwürdig kann man denn sein, bitte schön?

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)

Wie unglaubwürdig kann man sein? Selbstverständlich lassen wir nicht eine Mitarbeiterin mit 60 Kindern allein. Ich möchte außerdem sagen: Auch Kinderpflegerinnen sind qualifiziertes Personal. Ihnen mal eben die Qualifikation abzusprechen, geht, finde ich, nicht.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)

Ich möchte noch einen wichtigen Punkt zum Thema „Fachkräfte“ nennen. Dass Arbeitgeber die übereilten Rufe nach Abschiebung ihrer gut integrierten syrischen Beschäftigten ablehnen, ist doch vollkommen nachvollziehbar.

Sie sind längst gute Kollegen, Freunde und Nachbarn geworden und als Ärztinnen, als Handwerker, als Pflegepersonal unverzichtbar für unsere Gesellschaft.

Wir brauchen Arbeits- und Fachkräfte aus dem Ausland. Bundesweit brauchen wir mehr als 400.000 Fachkräfte netto pro Jahr, damit keine OPs verschoben werden, keine Straßenbahnen ausfallen, die Gastronomie nicht eingeschränkt werden muss. Um es ganz deutlich zu sagen: Wir brauchen nicht weniger, sondern wir brauchen mehr Zuwanderung. Sie ist nicht nur ein Gewinn für unsere Wirtschaft, sondern auch ein Gewinn für unsere Gesellschaft.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Transformation und Fachkräftemangel beschreiben nur zwei der großen Herausforderungen für unsere Wirtschaft. Hinzu kommt ein gigantischer Investitionsstau in Unternehmen, aber auch in der öffentlichen Infrastruktur. Die maroden Brücken stehen sinnbildlich für die Situation in Deutschland. Die öffentliche Infrastruktur wurde über Jahre und Jahrzehnte auf Verschleiß gefahren.

Deshalb haben wir in NRW eine Sanierungsoffensive gestartet. Allein in den nächsten zehn Jahren werden 400 Brücken erneuert. Mit diesem Haushalt stellen wir 230 Millionen Euro für den Erhalt und die Sanierung von Straßen und Brücken bereit. Es ist gut, dass wir sanieren und erhalten.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Aber der Investitionsstau auf allen Ebenen zeigt auch, dass es eine Reform der Schuldenbremse geben muss. Ich bin mir sicher, dass es sie auch geben wird. Wir als Landespolitiker werden bei der Ausgestaltung einer Reform der Schuldenbremse genau hinschauen müssen, damit wir als Land sowie unsere Kommunen wieder ausreichend investieren können. Wenn wir jetzt nicht handeln und investieren, dann wird dies kommende Generationen sehr teuer zu stehen kommen.

Damit unsere Kommunen endlich wieder handlungsfähiger werden, stellen wir ab diesem Haushalt 250 Millionen Euro jährlich und damit 7,5 Milliarden Euro über die nächsten 30 Jahre für eine Altschuldenregelung bereit.

Wir hätten schon längst eine größere Lösung gemeinsam mit dem Bund haben können. Dass Christian Lindner nichts für unsere Kommunen übrig hat, wundert mich nicht. Dass aber auch Olaf Scholz nicht für eine Altschuldenlösung der Kommunen auf Bundesebene gesorgt hat

(Christian Dahm [SPD]: Von euch gibt es doch keine Zustimmung diese Woche!)

und Sie, lieber Herr Ott, lieber Herr Dahm, Ihren Einfluss in Berlin nicht genutzt haben – immerhin sind wir hier in der sogenannten Herzkammer der Sozialdemokratie –,

(Christian Dahm [SPD]: Eure Zustimmung fehlte diese Woche! – Heiterkeit von der CDU)

spricht doch für sich. Die nächste Bundesregierung muss eine Altschuldenlösung finden.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU – Christian Dahm [SPD]: Ihr hättet nur dem Gesetzentwurf heute zustimmen brauchen!)

Ich sagte es eingangs bereits: Die Haushaltslage ist nicht einfach. Deshalb müssen wir in diesem Haushalt sehr klare Prioritäten setzen. Wir müssen Einsparungen in Höhe von 3,6 Milliarden Euro vornehmen. Das sind wirklich schmerzhafte Einsparungen, die uns alles andere als leicht fallen.

Die Oppositionsfraktionen erzählen immer gerne von geheimnisvollen Goldschätzen in den Ministerien, die man nur bergen müsse. Sie meinen damit die Selbstbewirtschaftungsmittel. Dieser angebliche Goldschatz, von dem Sie hier träumen, der existiert aber nicht. Da muss ich Sie leider enttäuschen. Diese Gelder sind in den Ministerien für konkrete Maßnahmen gebunden. Sie lassen sich nicht einfach verschieben.

(Stefan Zimkeit [SPD]: Sie haben keine Ahnung! – Christian Dahm [SPD]: Das tut ihr doch genau so schon!)

Diese angeblichen Schatztruhen sind nichts weiter als eine Luftnummer.

Aber ich würde Ihnen gerne von einem wirklichen Goldschatz erzählen; von geschätzt 100 Milliarden Euro, die in Deutschland tatsächlich Jahr für Jahr verschwinden, und zwar durch Steuerhinterziehung.

(Stefan Zimkeit [SPD]: Verstehen Sie das nicht, oder sagen Sie bewusst die Unwahrheit? – Frank Jablonski [GRÜNE]: Das ist aber dünnes Eis hier!)

– Vielleicht können Sie das gleich bilateral klären. Das würde es ein bisschen einfacher machen. Vielen Dank. Es kommt hier vorne gar nicht an, was Sie sagen, außer dass Sie reinbrüllen.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Ich möchte Ihnen von etwas anderem erzählen. 100 Milliarden Euro verschwinden in Deutschland Jahr für Jahr durch Steuerhinterziehung. Wir bauen in Nordrhein-Westfalen das Landesamt zur Bekämpfung der Finanzkriminalität weiter auf; denn Steuerhinterziehung ist schlichtweg ungerecht. Uns fehlt das Geld für Schulen, für Soziales, für vieles mehr. Diese Ungerechtigkeit werden wir nicht hinnehmen.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Auch ohne Goldschätze finanzieren wir hier in Nordrhein-Westfalen mit dem nächsten Haushalt weiterhin Großes, auch in einer angespannten Haushaltslage. Wir stehen für Generationengerechtigkeit. Wir setzen einen klaren Fokus auf Kinder und Jugendliche, und wir nehmen sie auch von Einsparungen aus.

Ich beginne mit einer vergleichsweise geringen Summe: Der Kinder- und Jugendförderplan wächst im nächsten Jahr auf 152 Millionen Euro auf. Das bewirkt viel, um Kinder und Jugendliche zu stärken. Die Bildungsausgaben betragen im kommenden Haushaltsjahr 42 Milliarden Euro. Mehr als 7.000 neue Lehrkräfte, Sozialarbeiter, Schulpsychologinnen und Alltagshelfer werden unsere Schulen noch besser machen.

Wir beteiligen uns im Jahr 2025 mit knapp 130 Millionen Euro am Startchancen-Programm des Bundes. In diesem Schuljahr profitieren bereits 400 Schulen davon. Im nächsten Schuljahr werden weitere 520 Schulen hinzukommen. Denn wir wollen, können und werden nicht hinnehmen, dass die soziale Herkunft über den Bildungserfolg unserer Kinder und Jugendlichen entscheidet. Wir wollen echte Bildungs- und Chancengerechtigkeit für alle Kinder und Jugendlichen, und deshalb ist das gut angelegtes Geld.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)

Die innere Sicherheit bleibt ein Schwerpunkt dieser Koalition. Wir stellen erneut 3.000 neue Polizeibeamtinnen und -beamte ein. Der furchtbare Terroranschlag von Solingen hat gezeigt, dass die Gefahr des islamistischen Terrorismus wieder zunimmt. Deshalb gehen wir verstärkt mit Prävention und Repression vor. Wir nehmen allein durch die Ergänzungsvorlage mehr als 50 Millionen Euro zusätzlich für die innere Sicherheit in die Hand.

Gleichzeitig werden wir mit dem Unabhängigen Polizeibeauftragten das Vertrauen in die Polizei weiter erhöhen. Ich bin mir wirklich sicher, dass diese Stelle – sie oder er – ein Gewinn für alle Bürgerinnen und Bürger mit und ohne Uniform ist. Wir wollen, dass Kinder, ältere Menschen, Menschen aller Religionen und Herkünfte, einfach alle Menschen in Nordrhein-Westfalen sicher sind. Daran arbeiten unsere Sicherheitsbehörden jeden Tag.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)

Kriminalität bekämpfen wir auch mit der Zentralstelle für die Verfolgung der Umweltkriminalität, die bereits nach einem Jahr eine wirklich gute Erfolgsbilanz vorweisen kann: 99 Ermittlungsverfahren eingeleitet, mehrere große Umweltstraftaten ermittelt, mehr als 2 Millionen Euro Vermögen gesichert. Illegale Abfallentsorgung, Gewässerverunreinigung und Verstöße gegen das Tierschutzgesetz – das alles sind keine Kavaliersdelikte.

Die Zentralstelle sorgt dafür, dass die Taten aufgedeckt werden. Kröten, Flüsse, Wälder können keine Strafanzeige stellen. Das übernehmen wir für sie und bekämpfen damit die organisierte Kriminalität in Nordrhein-Westfalen.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)

Um die Artenvielfalt in Nordrhein-Westfalen zu erhalten und unsere natürlichen Lebensgrundlagen zu sichern, brauchen wir noch mehr. Auch das ist ein Schwerpunkt dieser Koalition. Ich will an dieser Stelle offen sagen: Ja, ich bin enttäuscht, dass der Bürgerentscheid gegen einen Nationalpark Reichswald ausgegangen ist. Aus meiner Sicht wurde damit eine wichtige Chance für die Natur, für die Menschen, für die regionale Wirtschaft verpasst. Ich will an dieser Stelle allen danken, die sich mit Herzblut für einen Nationalpark Reichswald eingesetzt haben.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Besonders bitter finde ich, dass die Gegner des Nationalparks immer wieder mit Falschbehauptungen gearbeitet haben. Direkte Demokratie ist wichtig, aber sie kann nur funktionieren, wenn es einen fairen und sachlichen Wettstreit um die besten Argumente gibt.

(Zuruf: Aha! – Beifall von den GRÜNEN)

Erhalt und Pflege unserer Schutzgebiete, die Wiederherstellung geschädigter Natur, die Wiedervernässung von Mooren, die Schaffung eines Biotopverbundes – all das gehen wir an. Denn klar ist, dass wir der Natur mehr Raum geben müssen, um sich zu entwickeln, einen Lebensraum, damit sich Pflanzen und Tierarten entfalten können. Der Artenschwund ist schon heute dramatisch und findet direkt vor unserer Haustür statt, wo Vögel und Insekten bereits verloren gegangen sind. Sogar der Igel steht inzwischen auf der Roten Liste.

Kaum ein anderes Thema ist so eng mit der Frage der Generationengerechtigkeit verbunden wie der Natur- und Artenschutz. Es geht schlicht um die Frage, was von unserem Artenreichtum übrig sein wird, wenn unsere Enkel einmal erwachsen sind. Für uns ist klar: Es führt kein Weg daran vorbei, dass es mehr Schutz für die natürlichen Lebensgrundlagen geben muss.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Auch wenn das inhaltlich ein harter Cut ist, möchte ich gerne noch ein weiteres Thema ansprechen, das aktuell viele Menschen bewegt und für das wir im Haushalt viel Geld aufwenden: die Krankenhausplanung. Wir gewährleisten in Nordrhein-Westfalen eine gute Gesundheitsversorgung für die Menschen. Die Krankenhausplanung wird verlässliche Qualität und Sicherheit für die Patientinnen und Patienten bringen. Im Rahmen der Krankenhausplanung stellen wir in den nächsten Jahren insgesamt 2,5 Milliarden Euro zusätzlich zur Verfügung, davon allein 150 Millionen Euro in diesem Haushalt.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)

– Ich finde auch, dass man angesichts dieser Zahlen ruhig applaudieren kann.

Ein Drittel investieren wir in Maßnahmen zum Klimaschutz. Das ist ein wichtiger Beitrag zum Klimaschutz und auch zum Schutz der Patientinnen und Patienten, denn wir wissen: Klimaschutz ist Gesundheitsschutz.

Mit dem Aktionsplan gegen Einsamkeit gehen wir ein Thema in unserer Gesellschaft an, das zu lange tabuisiert wurde. Mit über 100 konkreten Maßnahmen bekämpfen wir Einsamkeit und ihre Folgen in jedem Lebensalter. Besonders an Weihnachten, an Chanukka, im Ramadan, aber auch an jedem anderen Tag im Jahr sollte niemand in unserer Gesellschaft allein sein.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Wir sorgen dafür, dass der Lebensalltag der Menschen konkret und spürbar besser wird. Er soll auch für die Menschen besser werden, deren Lebensalltag alles andere als leicht ist; für Menschen, die aus unterschiedlichen Gründen keine eigene Wohnung, keinen Schutzraum mehr haben. Deshalb finanzieren wir Housing First, Kältebusse, Projekte gegen Wohnungslosigkeit und die Arbeit der Tafeln.

Zur Wahrheit gehört aber auch, dass wir im sozialen Bereich Kürzungen vornehmen mussten. Eines ist doch klar: Es ist absurd, wenn ausgerechnet in finanziell schwierigen Zeiten – dann, wenn die Belastungen für die Menschen besonders hoch sind – soziale Angebote als vermeintlich freiwillige Leistungen eingeschränkt werden müssen. Wir stehen vor dem absoluten Dilemma, dass in schwierigen Zeiten ausgerechnet bei denjenigen, die Hilfe und Unterstützung brauchen, gespart werden muss. Ich sehe es als gemeinsame politische Aufgabe, dieses Dilemma zu brechen und die Solidarität unserer Gesellschaft auch im Haushalt abzubilden.

(Beifall von den GRÜNEN und Dr. Ralf Nolten [CDU])

Deshalb bin ich froh, dass wir es geschafft haben, mit einer gemeinsamen Kraftanstrengung in der Koalition, zusätzlich große Beträge in Höhe von 43 Millionen Euro für den sozialen Bereich einzuplanen und drohende Kürzungen abzuwenden.

(Zuruf von Kirsten Stich [SPD]: Auch aus dem sozialen Bereich wieder rauszunehmen!)

Schuldnerberatung, Aidshilfe, Projekte im Quartier zur Armutsbekämpfung, die Teilhabe älterer Menschen, die Familienberatung, Gewaltschutz für Frauen und ihre Kinder, die Energieberatung, ehrenamtliche Flüchtlingsinitiativen und soziale Beratung für Geflüchtete – das alles sind Projekte und Angebote, die der Orientierung dienen, die akut in schwierigen Lebenslagen helfen, aber auch langfristig und nachhaltig Armut bekämpfen und uns auf eine älter werdende Gesellschaft einstellen. Kurzum: Das alles sind Projekte und Maßnahmen, die für den Zusammenhalt in unserer Gesellschaft sorgen.

Ich bin schon erstaunt, wie die SPD agiert. So, wie Sie sich hier aufführen,

(Zuruf von Kirsten Stich [SPD]: Haltlos!)

wird deutlich, dass es Ihnen eigentlich am liebsten gewesen wäre, wenn wir überhaupt keine Kürzungen zurückgenommen hätten.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)

Dann hätten Sie Ihre Kampagne hochfahren können.

(Zuruf von André Stinka [SPD]: Unsinn! Das ist Heuchelei!)

Uns geht es um die Menschen in Nordrhein-Westfalen.

(Zuruf von Kirsten Stich [SPD]: Heuchlerisch!)

Deshalb bin ich froh, dass wir es geschafft haben, in einer wirklich schwierigen Haushaltslage 43 Millionen Euro zu mobilisieren.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU – Zuruf von Jochen Ott [SPD]: Uns wäre lieber gewesen, Sie hätten gar nicht erst gekürzt!)

Weil der respektvolle Umgang mit Menschen, die weniger Geld zur Verfügung haben, und das Ziel „selbstbestimmtes Lebens in Würde“ für alle Querschnittsthemen wichtig sind, bin ich stolz darauf, dass wir mit dem Deutschlandticket nicht nur bezahlbare Mobilität für alle Menschen finanzieren, sondern mit dem Sozialticket auch ein wichtiges Angebot machen, damit Menschen mit dem Bus zu Freunden fahren können und mit der Bahn zu ihrer Familie in die nächste Stadt kommen; denn Mobilität bedeutet gesellschaftliche Teilhabe.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Eine der wichtigsten sozialen Fragen dieser Zeit ist das bezahlbare Wohnen. Durch das neue Wohngeld-Plus erhalten deutlich mehr Menschen Unterstützung. Über 1 Milliarde Euro sind dafür im Haushalt eingeplant.

Ziel muss es aber sein, zusätzlich mehr bezahlbaren Wohnraum zu schaffen. Wir haben in diesem Jahr zusätzlich 1 Milliarde Euro über die NRW.BANK in die Hand genommen und die Wohnraumförderung aufgestockt. Wir unterstützen junge Familien im Rahmen von „Jung kauft Alt“. Wir werden im kommenden Jahr außerdem die Mieterschutzverordnung fortschreiben und mehr Kommunen einen verbesserten Mieterschutz ermöglichen. Mit all diesen Maßnahmen sichern wir den Zusammenhalt in unserer Gesellschaft. Nordrhein-Westfalen ist ein soziales, ein solidarisches Land und wird es auch weiterhin bleiben.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)

Ich bin davon überzeugt, dass sich eine Demokratie daran messen lassen muss, wie sie mit den Schwächsten in ihrer Gesellschaft umgeht. Das gilt auch für diejenigen, die bei uns Schutz vor Krieg und Gewalt suchen.

Ich bin wirklich dankbar für das große Engagement der Kommunen, die alles dafür tun, um geflüchtete Menschen gut unterzubringen, um sie in unsere Gesellschaft zu integrieren. Ich bin dankbar für Erzieherinnen und Erzieher und Lehrkräfte, die geflüchteten Kindern und Jugendlichen ermöglichen, einfach wieder Kind sein zu dürfen. Ich bin dankbar für die Flüchtlingsinitiativen, die Menschen hier willkommen heißen und ihnen durch den Behördendschungel und das Amtsdeutsch helfen.

Wir wissen, vor welchen Herausforderungen die Kommunen mit der Aufnahme, Unterbringung und Integration von Geflüchteten stehen. Deshalb unterstützen wir die Kommunen durch eine Anpassung der Pauschalen mit insgesamt rund 660 Millionen Euro.

(Beifall von den GRÜNEN und Anke Fuchs-Dreisbach [CDU])

Wir alle wissen doch, dass die Lage weltweit nicht einfacher wird. Die Menschen in der Ukraine sind mitten im dritten Kriegswinter. Wie sich die Situation in Syrien weiterentwickelt, ist noch völlig offen. Hoffentlich entwickelt sie sich in Richtung Demokratie und Freiheit.

(Zuruf von Enxhi Seli-Zacharias [AfD])

Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, aber die Bilder aus Syrien wecken bei mir Erinnerungen an einen kleinen kurdischen Jungen, der ertrunken an die türkische Küste gespült wurde. Vielleicht hat sich mir das Bild des kleinen Alan Kurdi auch deshalb so sehr eingebrannt, weil ich in diesen Tagen, Anfang September 2015, meine gerade geborene Tochter in den Armen gehalten habe. In Gedanken war und bin ich immer noch bei dem Vater, der seine Familie auf der Flucht vor den Islamisten verlor und der seine Söhne Alan und Ghalib und seine Frau nie wieder in die Arme wird schließen können.

Ich wünsche mir, dass wir wieder mehr über Menschen und ihre Schicksale sprechen, dass nicht die Abschottung, sondern die Humanität im Vordergrund steht.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)

Am Ende des Jahres ist auch die Zeit, noch einmal auf das Jahr zurückzublicken. Zu den am meisten gestellten Fragen von Kindern gehörte am Anfang des Jahres wahrscheinlich diese: Warum will die AfD, dass meine Kita-Freundin oder mein Klassenkamerad Deutschland verlassen soll, nur weil die Eltern aus der Türkei oder aus Spanien kommen oder die Familie muslimisch ist?

(Dr. Martin Vincentz [AfD]: So ein Unsinn!)

Ich bin wirklich dankbar, dass Kinder so selbstverständlich in dieser vielfältigen und demokratischen Gesellschaft aufwachsen. Ich bin dankbar für eine engagierte Zivilgesellschaft, die so viele Menschen auf die Straße gebracht hat und immer noch bringt und die sich unmissverständlich gegen rechtsextreme und rassistische Hetze stellt.

Wir sehen, dass die Entwicklungen weltweit die Demokratien unter Druck setzen, dass sich antisemitische Verschwörungsmythen in allen gesellschaftlichen Schichten verbreiten und dass das Recht von Frauen auf Selbstbestimmung über ihren Körper zunehmend infrage gestellt wird. Das führt dazu, dass unsere demokratischen Grundwerte insgesamt infrage gestellt werden.

Wir Demokratinnen und Demokraten werden einen wirklich langen Atem brauchen, um diesen Entwicklungen zu begegnen. Ich bin mir aber sicher, dass wir als Gesellschaft die Kraft aufbringen und Angriffe auf unsere Demokratie abwehren werden.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU – Sven Werner Tritschler [AfD]: Mir kommen die Tränen, Frau Schäffer! – Sven Werner Tritschler [AfD] hält ein Papiertaschentuch hoch.)

Wir wollen hier in Nordrhein-Westfalen eine lebendige und aktive Demokratie stärken. Wir werden das Wahlalter 16 Jahre einführen. Wir werden einen Bürgerrat einrichten.

Es geht auch um die gleichberechtigte Teilhabe in unserer Gesellschaft. Mit der geplanten Hochschulgesetznovelle stärken wir den Schutz vor Diskriminierung, Machtmissbrauch und sexueller Gewalt. Hochschulen sollen Orte des freiheitlichen, gemeinsamen und lebenslangen Lernens und Forschens sein.

(Beifall von den GRÜNEN)

Der Schutz vor Diskriminierung soll an Hochschulen, aber auch an jedem anderen Ort in Nordrhein-Westfalen gewährleistet sein. Deshalb ist das Landesantidiskriminierungsgesetz, das wir auf den Weg bringen werden, nichts weniger als die Verwirklichung unserer demokratischen Grundsätze.

Ich möchte nicht irgendwann von meinen Enkeln die Frage zu hören bekommen, wo wir denn waren, als die Demokratie abgeschafft wurde.

Denn so weit darf es nie wieder kommen!

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Der Antrieb, dass es unseren Kindern einmal besser gehen soll, bedeutet auch, wir werden weiterhin mit aller Entschiedenheit für unsere Demokratie und für unsere Menschenrechte einstehen. – Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU – Zuruf von Christian Loose [AfD]

Rede uum Haushaltsgesetzentwurf 2025 – Staatskanzlei – zweite Lesung

Verena Schäffer (GRÜNE): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Wenn wir von Demokratie sprechen und davon, Demokratie zu verteidigen, Demokratie zu schützen, klingt das oft abstrakt, aber eigentlich ist es sehr konkret. Es geht um freie und geheime Wahlen. Es geht um Meinungs- und Versammlungsfreiheit. Es geht um Rechtsstaatlichkeit und um den Schutz von Grundrechten. Es geht vor allem um den Schutz der Menschenwürde und den Schutz vor Diskriminierung.

Ich finde das Grundgesetz wirklich ziemlich gut.

(Beifall von den GRÜNEN)

Ich finde, es lohnt sich, jeden Tag für das Grundgesetz und für unsere Demokratie zu streiten.

Im Hauptausschuss sind wir nicht für alle dieser Themen, aber für einige zuständig. Wir haben mit den demokratischen Fraktionen im vergangenen Jahr fraktionsübergreifend – auch wenn es gerade in der Debatte nicht danach klang – einige Themen bewegt.

Letzten Freitag wurde die Rahmenvereinbarung zwischen der Landesregierung und dem Landesverband der Sinti und Roma unterzeichnet. Ich finde, das ist ein Meilenstein.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Es war und ist historisch, dass wir unsere Wertschätzung gegenüber den Sinti und Roma ausdrücken und deutlich machen, dass wir die gesellschaftliche Teilhabe gewährleisten wollen. Wir sagen auch zu, dass wir die NS-Verbrechen an den Sinti und Roma weiter aufarbeiten werden. Das ist wichtig.

Wir sind auch zuständig für das Thema „Erinnerungskultur“. Wir sind in diesem Jahr wichtige weitere Schritte gegangen, um den Gedenkort Stalag 326 in Schloß Holte-Stukenbrock weiter voranzubringen, auch das fraktionsübergreifend. Es ist wichtig für den Bereich der Erinnerungskultur, dass wir diesen Weg beschreiten.

(Beifall von den GRÜNEN, Dirk Wedel [FDP] und Dr. Werner Pfeil [FDP] – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Wir sind im Hauptausschuss zuständig für die Förderung des jüdischen Lebens. Wir sind auch zuständig für die Bekämpfung des Antisemitismus. Ich will ausdrücklich sagen: Das gilt nicht nur für unseren Ausschuss, sondern eigentlich für alle Ausschüsse, weil es eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe ist, Antisemitismus zu bekämpfen.

Ich will an dieser Stelle Frau Leutheusser-Schnarrenberger meinen Dank für ihre Arbeit als Antisemitismusbeauftragte aussprechen. Ich freue mich auf die Zusammenarbeit mit Sylvia Löhrmann als neue Antisemitismusbeauftragte. Es gibt viel zu tun in diesem Themenfeld.

Deshalb ist es wichtig, dass die Mittel für die Antisemitismusbeauftragte trotz der schwierigen Haushaltslage gleichbleibend sind. Wir erhöhen die Mittel im Einzelplan 06, MKW, für die Bekämpfung von Antisemitismus. Wir sorgen weiterhin für den Schutz von jüdischen Einrichtungen. Für uns ist klar: Jüdisches Leben, Jüdinnen und Juden müssen in Nordrhein-Westfalen sicher sein.

(Beifall von den GRÜNEN, Dirk Wedel [FDP] und Dr. Werner Pfeil [FDP] – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Ich hatte in den vergangenen Wochen einige Begegnungen mit Ehrenamtlichen, die über jüdische Geschichte in Nordrhein-Westfalen informieren, die Stadtrundgänge anbieten, zum Beispiel in Herdecke, in meinem Wahlkreis, oder in Kerpen.

Das ist nur ein Beispiel von ehrenamtlicher Arbeit, die täglich in unserem Land geleistet wird. Ehrenamt ist ein so wichtiger Bestandteil unserer Gesellschaft, ob im Geschichtsverein vor Ort, im Naturschutz, im Sport, im Katastrophenschutz. Ich könnte noch so viele Bereiche aufzählen. Deshalb ist es gut, dass wir im Einzelplan 02 bei dem Thema „Ehrenamt“ einen Schwerpunkt setzen, weil es eine wichtige Säule unserer Zivilgesellschaft ist.

Ich habe vor einigen Tagen mit Schrecken festgestellt, dass das Jahr schon fast zu Ende ist. Es ist der richtige Zeitpunkt, sich wieder gute Vorhaben und Pläne für das kommende Jahr zu überlegen. Wir haben viel vor; es ist noch viel zu tun.

Wir werden im kommenden Jahr sehr intensiv über eine Änderung unserer Landesverfassung diskutieren: Wahlalter 16; ich freue mich darauf.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der CDU – Sven Werner Tritschler [AfD]: Und wir erst!)

Wir werden über einen Bürgerrat und das Einsetzen von Bürgerräten diskutieren. Auch hier freue ich mich auf die Diskussion und auf die Zusammenarbeit hier im Haus.

Wir müssen selbstverständlich darüber diskutieren, wie wir die Landeszentrale für politische Bildung stärken und weiterentwickeln können. Das ist ein ganz zentrales Anliegen, das wir haben.

Ich möchte auch dem Kollegen Sven Wolf recht geben: Der Kampf gegen rechts darf keine Projektarbeit bleiben. Wir brauchen ein Demokratiefördergesetz. Das ist im Deutschen Bundestag leider gescheitert, – man muss es so sagen – auch am Koalitionspartner FDP.

(Sven Wolf [SPD]: An uns nicht!)

Es lohnt sich, auch hier weiterzukämpfen. Insofern werden uns diese Themen auch im nächsten Jahr beschäftigen. Der Einzelplan 02 bietet dafür eine gute Grundlage, ebenso der Einzelplan 06 für die Landeszentrale.

Lassen Sie uns weiter an diesen Themen arbeiten – gerne fraktionsübergreifend unter den demokratischen Fraktionen. Das ist ein wichtiger Wert an sich.

Ich kann an dieser Stelle nur um Zustimmung für den Einzelplan 02 bitten. – Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)

Rede zur Gedenkstätte Stalag 326

Zum Antrag der Fraktionen von CDU, SPD, FDP und Grünen im Landtag

Verena Schäffer (GRÜNE): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren der demokratischen Fraktionen! Wie viele andere von Ihnen war ich in den letzten Jahren immer wieder einmal auf dem Gelände des ehemaligen Kriegsgefangenenlagers Stalag 326. Insbesondere im Winter, draußen in der Kälte, auch wenn man einen noch so dicken Wintermantel an hat, aber man trotzdem friert, oder wenn man in dem Gebäude der damaligen Entlausungsstation steht – Sie kennen vielleicht die Fotos mit der riesigen Laus außendran –, dann bekommt man so etwas wie den Hauch einer Ahnung davon, wie grausam und menschenunwürdig mit den Kriegsgefangenen umgegangen wurde.

In den Augen der Nationalsozialisten waren die Kriegsgefangenen, insbesondere die sowjetischen Kriegsgefangenen, minderwertig. Sie wurden wie Tiere behandelt.

Ich habe in einem Onlinebericht des WDR aus dem Jahr 2015 nachlesen können, wie das „Westfälische Volksblatt“ über das Eintreffen der ersten Gefangenen damals am 10. Juli 1941 berichtete. In dem Artikel über – Zitat – „bolschewistisches Untermenschentum in deutscher Gefangenschaft“ werden die Gefangenen – Zitat – als „das Primitivste und Niedrigste, das zur weißen Rasse zählt“ bezeichnet. Ich glaube, dass das schon sehr eindrücklich zeigt, wie das Menschenbild der Nationalsozialisten war, wie menschenverachtend, wie hasserfüllt diesen Personen gegenüber.

In den Anfangsjahren mussten die Kriegsgefangenen auf freier Fläche ohne jeglichen Schutz leben. Sie hatten wirklich nur die Sachen, die sie noch am Körper trugen. Sie haben sich Löcher in die Erde gegraben, um angesichts der eisigen Kälte irgendwie Schutz zu bekommen. Das war nicht ungefährlich, weil der Sandboden so instabil war, dass die Löcher einstürzten. Nicht wenige sind unter der Erde begraben worden und erstickt.

Viele der Gefangenen sind verhungert, erfroren, an Krankheiten gestorben, an Schwäche gestorben, und die Nationalsozialisten haben das billigend in Kauf genommen.

Was mich besonders vor Ort, in den Berichten, in den Gesprächen mit den Ehrenamtlichen, die sich vor Ort engagieren, erschüttert hat, was bei mir besonders hängen geblieben ist, das waren vor allem die Berichte darüber – mich hat sehr viel erschüttert, eigentlich alles an diesem Ort –, dass Menschen aus der Region, Anwohnerinnen und Anwohner, tatsächlich so etwas – man will eigentlich das Wort gar nicht sagen – wie Sonntagsausflüge gemacht haben, um sich diese Kriegsgefangenen anzuschauen.

Die schlimme Situation, in der sich die Gefangenen befanden, dass sie in Mulden schliefen, dass sie das Wenige aßen, das sie auf dem Feld fanden, Baumrinden zum Beispiel, mehrte in der Bevölkerung noch die Erzählung von angeblich minderwertigen Menschen, die sich so verhielten, weil ihnen in dieser Landschaft gar nichts anderes übrig blieb, weil sie überhaupt nichts hatten, nicht genügend zu essen bekommen haben, nichts zum Anziehen hatten und sich diese Löcher graben mussten.

Was ich daran wichtig finde, ist, dass das Lager in der Region bekannt war. Es war bekannt, es war in den Anfangsjahren einsehbar, und die Gefangenen wurden zur Zwangsarbeit in der Region eingesetzt, in der Landwirtschaft, in handwerklichen Betrieben, in der Forstverwaltung.

Vom Stalag 326 wurden die Kriegsgefangenen weiter verteilt im Gebiet des heutigen Landes Nordrhein-Westfalen. Sie wurden unter anderem im Ruhrgebiet im Bergbau eingesetzt. Nur wenige überlebten diese sehr, sehr harte Arbeit unter den unmenschlichen Bedingungen.

Seit Jahren engagieren sich Ehrenamtliche vor Ort in Schloß Holte-Stukenbrock, um das Gedenken an die Opfer des NS-Regimes aufrechtzuerhalten. Ich will ihnen meine größte Hochachtung und meinen Dank dafür aussprechen, dass sie in all diesen Jahren genau diese Arbeit geleistet haben, eine so wertvolle Arbeit für die Erinnerungskultur.

(Beifall von den GRÜNEN, der CDU, der SPD und der FDP)

Ich finde, das zeigt auch – ich glaube, dass wir das alle in der Erinnerungsarbeit unserer Städte vor Ort erleben –, dass wir in diesem Themenfeld, in der Erinnerung an die Zwangsarbeit in der NS-Zeit, noch sehr viel Arbeit vor uns haben, dass diese Erinnerungsarbeit weiterentwickelt und das Wissen über das menschenverachtende System der Zwangsarbeit und die Situation der Kriegsgefangenen in der NS-Zeit vermittelt werden muss.

Mir geht es hier vor allem um zwei Sachen: Ich finde, es geht in allererster Linie darum, ein würdiges Erinnern und Gedenken an die Opfer der Zwangsarbeit im Nationalsozialismus zu schaffen und diese Erinnerung zum Teil unseres kollektiven Erinnerns zu machen.

Das zweite wichtige Ziel ist, dass durch die Weiterentwicklung der Gedenkstätte wichtige Bildungsarbeit und auch die Auseinandersetzung mit der NS-Gewaltherrschaft geleistet werden kann. Es ist so wichtig, sich mit dieser Geschichte auseinanderzusetzen. Deshalb bin ich froh, dass es jetzt die Einigung über den Ausbau und die Finanzierung der Gedenkstätte gibt; denn die Erinnerung an die Opfer und die Auseinandersetzung mit dem NS-Terrorregime ist Teil unserer Verantwortung. Wir leisten heute einen Beitrag dazu. Deshalb finde ich, ist das ein sehr, sehr wichtiger Antrag, über den wir heute gemeinsam abstimmen. – Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN, der CDU, der SPD und der FDP)

Verena Schäffer: „Die Demokratie ist stärker als der Terrorismus“

Rede zum Antrag der Fraktionen von CDU, SPD, FDP und Grünen im Landtag zum Jahrestag des Überfalls der Hamas auf Israel

Verena Schäffer (GRÜNE): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Mit dem jüdischen Feiertag Rosch ha-Schana ist kürzlich ein neues Jahr angebrochen. Der Kalender läuft chronologisch weiter. Doch es gibt seit dem 7. Oktober 2023 eine neue Zeitrechnung. Es gibt ein Davor und ein Danach; denn der 7. Oktober, der Tag des Angriffs der terroristischen Hamas auf den Staat Israel und auf die Menschen in Israel, ist eine Zäsur.

Ein Jahr ist viel zu kurz, um die Trauer über die 1.200 grausam ermordeten Menschen auch nur ansatzweise zu verarbeiten – 1.200 Einzelschicksale, vom Baby bis zum Überlebenden der Schoah, von der Beduinenfamilie bis zum ausländischen Erntehelfer. Wir werden sie nicht vergessen.

Zugleich ist ein Jahr so unendlich lang – unendlich lang für all diejenigen, die immer noch in Gefangenschaft sind; unendlich lang für die beiden Jungen Kfir und Ariel Bibas, die in Gefangenschaft ein Jahr und fünf Jahre alt wurden; unendlich lang für die Menschen in Israel, die darauf warten, ihre Liebsten wieder in die Arme zu schließen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir stehen fest an der Seite der Menschen in Israel, und wir fordern die Hamas sehr deutlich auf: Die Geiseln müssen endlich freigelassen werden.

(Beifall von den GRÜNEN, der CDU, der SPD, der FDP und Markus Wagner [AfD])

Ein langes Jahr war es auch für die Zivilbevölkerung in Gaza. Die Hamas missbraucht die Zivilbevölkerung weiterhin als menschliche Schutzschilde, und so spitzt sich die humanitäre Lage in Gaza zu. Das Leid der Menschen in Israel zu sehen, steht nicht im Widerspruch dazu, das Leid der Menschen in Gaza zu sehen. Das Selbstverteidigungsrecht Israels steht nicht im Widerspruch zum humanitären Völkerrecht. Beides gehört zusammen. Dass Krankenhäuser zerstört sind und es kaum Zugang zu sauberem Wasser gibt, zeigt, wie wichtig mehr humanitäre Hilfe für die Menschen in Gaza wäre.

Zugleich wird Israel durch die Hamas, ebenso durch die anderen Proxys des Iran – die Hisbollah im Libanon sowie die Huthi-Rebellen im Jemen –und auch durch den Iran selbst unablässig aus dem Gazastreifen beschossen. Die Führung des Iran fürchtet und bekämpft die Werte von Jin, Jiyan, Azadi. Das iranische Regime ist zutiefst antidemokratisch, demokratiefeindlich und antisemitisch. Der Iran und seine Verbündeten wollen Israel von der Landkarte auslöschen.

Doch für uns ist klar: Wir werden das nicht zulassen. Das Existenzrecht Israels ist nicht verhandelbar. Die Demokratie ist stärker als der Terrorismus.

(Beifall von den GRÜNEN, der CDU, der SPD und der FDP)

Auf das Neujahrsfest Rosch ha-Schana folgt der höchste jüdische Feiertag, Jom Kippur. An Jom Kippur vor fünf Jahren war es eine Tür, die noch Schlimmeres verhinderte. Der rechtsterroristische Anschlag galt der Jüdischen Gemeinde Halle. Die Tat war eindeutig antisemitisch, rassistisch und antifeministisch motiviert sowie in rechtsextremistische Verschwörungsmythen eingebettet. Zwei Menschen wurden außerhalb der Synagoge getötet. Wir sind in Gedanken heute, am Jahrestag, bei ihnen und ihren Familien und bei den Mitgliedern der Jüdischen Gemeinde Halle.

Der Anschlag von Halle zeigt, dass Antisemitismus in Deutschland nach 1945 nie verschwunden war. Antisemitismus war immer ausgrenzend, verletzend und sogar tödlich. Dennoch erschüttert mich das Ausmaß des offenen Antisemitismus in Deutschland nach dem 7. Oktober. Es beschämt mich zutiefst.

Antisemitismus ist ein Kernelement des Rechtsextremismus und des Islamismus. Wir sehen ihn in migrantischen Milieus, im linken Spektrum, bei vermeintlich Intellektuellen, in Kunst und Kultur, auf dem Schulhof und an Kirchenfassaden. Das zeigt: Wir alle sind gefordert, Antisemitismus zu widersprechen und zu bekämpfen, nicht nachzulassen bei Lehrerfortbildung, bei Gedenkstättenfahrten, in der politischen Bildung, bei der Antidiskriminierungsarbeit, bei der Unterstützung für Betroffene und bei strafrechtlichen Ermittlungen. Wir alle sind zudem gefordert, nicht nachzulassen, Antisemitismus auch in unserem Alltag zu widersprechen und solidarisch mit den Betroffenen zu sein.

Wir müssen alles dafür tun, damit Jüdinnen und Juden in Deutschland und weltweit frei und sicher leben können. Wir müssen alles dafür tun, dass es ein gutes neues jüdisches Jahr wird. Das hoffe ich sehr. Schana Tova.

(Beifall von den GRÜNEN, der CDU, der SPD und der FDP)

Rede zur Unterrichtung der Landesregierung zu den Konsequenzen des Anschlags von Solingen

Verena Schäffer (GRÜNE): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Die verübten und vereitelten Anschläge von Solingen, Mannheim und München sowie eine Vielzahl weiterer Anschläge machen eines sehr deutlich: Wir stehen offenbar am Beginn einer neuen islamistischen Terrorwelle in Europa. – Die gute Nachricht ist: Wir können diese Welle brechen, wenn wir jetzt besonnen und zugleich entschlossen handeln.

Ich muss wirklich sagen: Ich bin schon sehr irritiert, dass die SPD offenbar jeglichen Gestaltungsanspruch hinsichtlich der inneren Sicherheit, immerhin eine Landeszuständigkeit, aufgegeben hat.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU – Widerspruch von der SPD)

Wir als schwarz-grüne Koalition sind selbstverständlich untereinander abgestimmt, und wir handeln. Wir handeln mit sehr konkreten Maßnahmen auf Landesebene. Wir handeln für die Sicherheit aller Menschen in Nordrhein-Westfalen und zur Verteidigung unserer Freiheit.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)

Nicht zuletzt das heutige Datum zeigt: Die Bedrohung durch den Islamismus ist nicht neu. – Sie wächst aktuell wieder deutlich. Der IS ruft wieder verstärkt, insbesondere nach dem 7. Oktober, zu Anschlägen in Europa auf. Der IS will uns gesellschaftspolitisch in die Steinzeit zurückkatapultieren.

Dafür bedient er sich der neuesten Technik von TikTok bis Telegram. Deshalb müssen wir die Sicherheitsbehörden auf die Höhe der Zeit bringen. Die Möglichkeiten verschlüsselter Kommunikation, die rasante Verbreitung von menschenverachtenden Inhalten in sozialen Medien stellen unsere Sicherheitsbehörden und unsere gesamte Gesellschaft vor neue Herausforderungen. Wir werden den digitalen Raum deshalb zukünftig stärker mit virtuellen Ermittlern bestreifen und KI nutzen, um bei islamistischem Terrorismus schneller eingreifen zu können. Der digitale Raum ist kein rechtsfreier Raum. Islamisten werden das zukünftig noch stärker zu spüren bekommen.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)

Verschlüsselte Kommunikation ist wichtig. Sie ist wichtig, damit unser aller Kommunikation nicht wie eine Postkarte offen durch das Internet flattert. Unsere Freiheit und das Recht darauf, selbstbestimmt über die Verwendung der persönlichen Daten entscheiden zu können, haben Verfassungsrang.

Aber kein Terrorist würde heute eine Anschlagsplanung über den Festnetzanschluss durchgeben. Auch Terroristen nutzen verschlüsselte Kommunikation. Deshalb werden wir zum Schutz unserer freiheitlichen Gesellschaft den Verfassungsschutz Nordrhein-Westfalen analog zum Bund in die Lage versetzen, anlassbezogen, im Einzelfall und unter engen Voraussetzungen laufende Kommunikation mitlesen zu können. Ich halte das in der heutigen Zeit für angemessen.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)

Ich finde das auch angemessen angesichts der aktuellen Bedrohungslage, in der wir uns gerade befinden, und nach einer neuen Rechtsprechung. Man muss ja zur Kenntnis nehmen, dass Gerichte neu urteilen. Wir haben eine neue Rechtsprechung. Ich finde es richtig, auch neue Schlüsse daraus zu ziehen. Die neue Rechtsprechung bezieht sich auf die jüngste EuGH-Rechtsprechung zum anlassbezogenen Zugriff auf die IP-Adressen, die von Ermittlungsbehörden im konkreten Einzelfall zur Aufdeckung von Netzwerken benötigt werden.

Klar ist auch: Es gibt nicht die eine Wunderwaffe gegen den islamistischen Terrorismus. Aber – das ist mir sehr wichtig – wir setzen eben nicht auf Symbolpolitik in der Innenpolitik, sondern auf Lösungen, die echte Sicherheit für die Menschen in Nordrhein-Westfalen bringen. Wir machen unseren Rechtsstaat noch wehrhafter.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)

Sicherheitsbehörden brauchen für ihre Arbeit Wissen über Radikalisierungsprozesse, über Kommunikationswege und Strategien des Islamismus. Deshalb ist es wichtig, dass die Sicherheitsbehörden wissenschaftliche Erkenntnisse noch stärker in ihre Analysen einbeziehen sollen. Die Wissenschaft kann nicht alle Probleme für uns lösen, aber sie ist ein wichtiger Baustein im Kampf gegen den demokratiefeindlichen Islamismus.

Ich will deutlich sagen: Wir werden unsere freiheitliche Art, zu leben, verteidigen. Wir stehen für die Errungenschaften einer freiheitlichen Europäischen Union, die auf Kooperation und Zusammenarbeit statt auf nationale Abschottung setzt. Wir werden unsere humanitären Werte auch und gerade in der Asylpolitik gegen den Islamismus verteidigen.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)

Das individuelle Grundrecht auf Asyl und die Genfer Flüchtlingskonvention gelten zu Recht. Die Genfer Flüchtlingskonvention als internationales Abkommen über den Schutz und die Rechte und Pflichten von Flüchtlingen war die Antwort auf die großen Fluchtbewegungen nach dem Zweiten Weltkrieg. Sie ist eine der großen humanitären Errungenschaften in Europa.

Niemals dürfen wir den Islamisten die Macht geben, unsere Werte „Humanität“ und „Verantwortung gegenüber Menschen, die auf unseren Schutz angewiesen sind“, aufzugeben. Das gilt insbesondere gegenüber denjenigen, die Opfer des mörderischen Islamismus geworden sind. Wir bleiben humanitär und solidarisch mit denjenigen, die unseren Schutz dringend brauchen.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)

Gleichzeitig wissen wir, dass nicht alle, die nach Deutschland kommen, hier werden bleiben können. Wir haben Regeln im Asylverfahren. Zu einem Rechtsstaat gehört für uns Grüne auch, dass Verfahren funktionieren und Gesetze gelten.

Die Landesregierung hat bereits vor dem furchtbaren Anschlag von Solingen Schritte unternommen, um die Verfahren bei Rückführungen zu verbessern. Es ist nur konsequent, diesen Weg weiterzugehen. Dazu gehört die weitere Stärkung der Zentralen Ausländerbehörden, aber auch die Verbesserung des Datenaustausches zwischen den unterschiedlichen Behörden. Wir gehen diesen Weg konsequent weiter.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)

Von schnellen Verfahren und schneller Klarheit profitieren schließlich alle Beteiligten. Das sind auch die Kommunen. Wir wissen, dass die Herausforderungen für unsere Kommunen enorm sind. Es ist oftmals vor Ort ein Kraftakt, die große Zahl an Geflüchteten menschenwürdig unterzubringen, Kita und Schulplätze vorzuhalten und von Anfang an für die Integration derjenigen zu sorgen, die langfristig hierbleiben werden.

Wir brauchen deren Integration, wir brauchen deren Potenziale für unsere Gesellschaft.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)

Deshalb will ich an dieser Stelle auch einmal denjenigen Danke sagen, die dies jeden Tag leisten – in der Flüchtlingsarbeit, in den Kommunen, in der Integrationsarbeit.

Von schnellen Verfahren profitieren auch die betroffenen Menschen. Denn es ist einfach nur fair und ehrlich und richtig, ihnen Klarheit über ihre Perspektive zu geben.

Schnelle Verfahren haben auch etwas mit Sicherheit zu tun. Die Zeit, in der Menschen nicht wissen, ob sie in Deutschland bleiben können und, in der sie nicht wissen, wie es für sie weitergeht, dieses In-der-Luft-Hängen, diese Zeit ohne Perspektive: Das ist ein Einfallstor für Radikalisierung. – All jene, die unsere freiheitliche Gesellschaft attackieren wollen, kennen dieses Tor und marschieren hindurch.

Natürlich gibt es keine Rechtfertigung für Terrorismus, denn Terrortaten lassen sich niemals rechtfertigen. Wir dürfen aber doch nicht zulassen, dass diejenigen, die radikalisieren wollen, es zu einfach haben.

(Beifall von Gönül Eğlence [GRÜNE])

Auch deshalb sind schnelle Verfahren wichtig, und wir brauchen sie.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)

Ich muss schon sagen: Mit Blick nach Berlin und auf so manche Debatte dort erstaunt es mich, wie unterkomplex über die Tat von Solingen gesprochen wird. Selbstverständlich müssen wir Humanität und Ordnung in der Asylpolitik zusammenbringen. Doch wir alle wissen, dass der IS auch hier in Deutschland unabhängig von Staatsangehörigkeit und Herkunft anwirbt und radikalisiert. Deshalb wäre es sicherheitspolitisch absolut fahrlässig, die Terrorgefahr allein auf Geflüchtete zu beschränken. Genau das machen wir als schwarz-grüne Koalition nicht. Wir gehen mit einem breiten Ansatz gegen Islamismus vor.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)

Wir brauchen starke Sicherheitsbehörden und starke Strukturen in der Prävention und in der Intervention. Das Ziel muss doch sein, dass wir die Befugnisse und die Maßnahmen der Sicherheitsbehörden nicht brauchen, weil sich Menschen gar nicht erst radikalisieren oder wir es schaffen, frühzeitig zu intervenieren.

Wir haben hier in Nordrhein-Westfalen eine breite Präventionslandschaft und viele Angebote. Ich glaube, es muss jetzt darum gehen, diese auf neue Phänomene auszurichten, dorthin zu gehen, wo junge Menschen sich aufhalten, nicht zuzulassen, dass TikTok ein Ort der unverhohlenen Radikalisierung ist, nicht zuzulassen, dass junge Menschen auf den Pfad des radikalen Islamismus und damit ins Verderben geführt werden.

Genauso wenig dürfen wir zulassen, dass bestimmten Gruppen in unserer Gesellschaft mit einem Generalverdacht begegnet wird. Wenn eine junge Frau mit Kopftuch dreimal überlegt, ob sie wirklich zum öffentlichen Gedenken für die Opfer von Solingen gehen soll, weil sie Angst hat, angefeindet zu werden, dann stimmt doch etwas nicht in unserer Gesellschaft. Rechtsextreme versuchen längst, die Tat von Solingen für ihre Zwecke zu instrumentalisieren; auch das haben wir erlebt.

Wir dürfen diesen Hass nicht zulassen.

(Beifall von Josef Hovenjürgen, Parlamentarischer Staatssekretär im Geschäftsbereich der Ministerin für Heimat, Kommunales, Bau und Digitalisierung, aus den Reihen der Abgeordneten, und Klaus Kaiser [CDU])

Wir wollen, dass alle Menschen unabhängig von Herkunft, von Religion, von sexueller Identität frei und sicher hier leben können. Dafür setzen wir uns jeden Tag ein. – Danke schön.

(Anhaltender Beifall von den GRÜNEN und der CDU)

Zum Haushaltsplan 2024 – dritte Lesung

„Unser Kompass sind unsere demokratischen Werte“

Verena Schäffer (GRÜNE): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Der Kinderchor der Yitzhak-Rabin-Grundschule in Düsseldorf hat uns beim Chanukkafest am Montagabend im Landtag alle sehr berührt – dieses Leuchten in den Augen der Kinder, dieser Stolz und dieses Selbstbewusstsein, mit dem sie uns auf das Entzünden der Chanukkakerzen eingestimmt haben. Liebe Kolleginnen und Kollegen, genau für sie machen wir doch Politik: für Kinder und Jugendliche, für eine gute Zukunft in Demokratie und Freiheit für sie.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)

Ich spreche gerne mit jungen Menschen und bin immer wieder beeindruckt von ihren Plänen für ihre Zukunft. Sie wollen eine Zukunft in Frieden, eine lebenswerte Zukunft auf einem gesunden Planeten, in einer gerechten und diskriminierungsfreien Gesellschaft, und sie wollen diese Zukunft mitgestalten.

Wir alle wissen: Die Zeiten sind schwierig und von Krisen geprägt. Aber trotzdem tun wir alles dafür, dass diese Zukunftspläne wahr werden können. Noch mehr: Gerade weil die Zeiten schwierig sind, tun wir alles dafür, damit diese Zukunftspläne wahr werden können. Als schwarz-grüne Koalition arbeiten wir an einer gerechten, gesunden und friedlichen Zukunft für alle Menschen in Nordrhein-Westfalen.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)

Es ist unsere Verantwortung als Politikerinnen und Politiker, die Herausforderungen unserer Zeit anzunehmen und an Lösungen zu arbeiten. In dieser schwierigen Haushaltslage sind die Kleinsten unsere größte Priorität. Deshalb erhöhen wir die Mittel für Schulen und Kitas. Wir investieren weiterhin in den Klimaschutz, um unsere Lebensgrundlagen und die unserer Kinder zu erhalten. Wir sorgen mit den höchsten Einstellungszahlen bei der Polizei für Sicherheit. Wir kämpfen für mehr Gerechtigkeit und für bezahlbare Mobilität.

Wir werden auch das Wahlalter auf 16 Jahre senken, denn junge Menschen wollen sich politisch einbringen, und wir wollen ihnen die Möglichkeiten dafür geben. Junge Menschen haben eine überdurchschnittlich positive Einstellung zur Demokratie. Mir macht das Mut –

(Beifall von Matthias Kerkhoff [CDU] und Thorsten Schick [CDU])

Mut in einer Zeit, in der demokratische Staaten brutal überfallen werden, in der rechtsextreme und antidemokratische Kräfte Hass und Hetze verbreiten und weltweit an Zustimmung gewinnen.

„Wehret den Anfängen!“, haben wir immer gesagt. Doch die Anfänge liegen bereits hinter uns. Unsere Demokratie und unseren Rechtsstaat zu verteidigen, die Menschenwürde als Leitbild jedes politischen Handelns, die Freiheit auch für zukünftige Generationen zu erhalten – darum geht es in diesen Zeiten.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)

Deshalb bin ich auch dankbar dafür, dass wir heute über diesen Haushalt streiten dürfen. Denn das macht Demokratie und Freiheit aus. Deshalb muss ich auch gar nicht alles teilen, was Herr Ott oder Herr Höne hier sagen. Das Ringen um Lösungen – darum geht es in einer Demokratie. Dieser Haushalt stellt in schwierigen Zeiten eine stabile Grundlage für Lösungen dar.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)

Die Menschenwürde zu schützen, bedeutet, dass wir Hass gegen Minderheiten niemals zulassen dürfen. Wir wissen aber: Dieser Hass ist da. Er macht sich in Form von verletzenden Worten, von Diskriminierung und Benachteiligung bis hin zu Gewalt breit. Dass Jüdinnen und Juden in Deutschland Angst haben müssen, ist zutiefst beschämend. Wir erhöhen deshalb die Mittel für Sicherheitsmaßnahmen an jüdischen Einrichtungen.

Bauliche Maßnahmen und Sicherheitspersonal sind wichtig, unser Ziel ist es aber, dass Jüdinnen und Juden an jedem Tag und an jedem Ort in Nordrhein-Westfalen sicher sind. Deshalb stärken wir die Maßnahmen zur Antisemitismusprävention.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)

Mich bedrückt es sehr, wenn mir jüdische Gemeinden berichten, dass Eltern in den Tagen nach dem terroristischen Angriff der Hamas auf Israel Sorge hatten, ihre Kinder zur Schule zu schicken. Die Kinder der Yitzhak-Rabin-Grundschule sollen ohne Diskriminierung und Anfeindungen in Deutschland aufwachsen können. Muslimische Kinder und alle Kinder in Deutschland sollen ohne Diskriminierung und Anfeindungen aufwachsen können. Auch deshalb bereitet mir die deutliche Zunahme von antimuslimischem Rassismus große Sorgen. Wir verstärken die Mittel für die Beratungsstelle SABRA und für die schulische Bildung. Wir legen ein neues Programm der politischen Bildungsarbeit für die Auseinandersetzung mit Antisemitismus und Rassismus auf.

Auch wenn wir hier den Fokus auf junge Menschen legen, wissen wir alle, dass menschenfeindliche Einstellungen in der gesamten Gesellschaft, aller Milieus und aller Altersgruppen ein Problem sind. Ein Angriff auf Angehörige einer Minderheit ist immer auch ein Angriff auf unsere Demokratie, auf unsere gesamte Gesellschaft. Deshalb sind wir alle immer gefordert, uns Antisemitismus, Rassismus, Hass und Hetze entgegenzustellen.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU – Vereinzelt Beifall von SPD und FDP)

Kitas und Schulen sind wichtige Orte unserer Demokratie – Orte, an denen jedes Kind, jede und jeder Jugendliche sich sicher fühlen, gehört und gesehen werden sollte; Orte, an denen Werte von Freiheit und Demokratie vermittelt werden; Orte, an denen Demokratie und Mitbestimmung gelebt werden.

Damit diese Orte für unsere Kinder und Jugendlichen gestärkt werden, haben wir, die schwarz-grüne Koalition, schon bei der Haushaltsaufstellung eine wichtige Grundsatzentscheidung getroffen. Alle Ressorts müssen aufgrund der schwierigen Haushaltslage sparen. Den Schuletat haben wir bewusst ausgenommen, außerdem wird der Bereich der frühkindlichen Bildung um 550 Millionen Euro aufwachsen.

(Marcel Hafke [FDP]: Keine eigene Leistung!)

Ich bin überzeugt davon, dass das die richtige Entscheidung war, auch – das gehört zur Wahrheit dazu – wenn es zulasten aller anderen Etats geht.

(Zuruf von Marcel Hafke [FDP] – Gegenruf von Tim Achtermeyer [GRÜNE])

Denn Investitionen in Bildung sind Investitionen in die Zukunft, in die Bildungschancen der künftigen Generationen, in die Chancen unserer Kinder und Jugendlichen, ihr Leben und die Welt selbstbestimmt nach ihren Vorstellungen gestalten zu können.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)

Dabei kommt es auf den Anfang an. Die gute Arbeit der Fachkräfte in den Kitas ist entscheidend dafür, dass Kinder gerechte Bildungschancen bekommen und ihren Weg in unserer Gesellschaft gehen können. Ich bin deshalb froh, dass wir die Sprach-Kitas in die Landesförderung übernehmen und absichern konnten, dass wir das Programm der Kita-Alltagshelferinnen und -helfer verstetigen konnten.

Mir ist aber auch bewusst, wie schwierig die finanzielle Situation für die Kita-Träger ist. Deshalb ist es gut, dass über die Dynamisierung zum neuen Kita-Jahr die Pauschalen um rund 10 % ansteigen werden. Um bis dahin die finanziellen Auswirkungen des Tarifabschlusses abzufedern, haben wir in einem Kraftakt für die freien Träger eine Überbrückungshilfe von 100 Millionen Euro auf den Weg gebracht.

Trotzdem bleiben die Herausforderungen im Bereich der Kitas groß. Wir brauchen starke Kitas. Die Kitas entlasten nicht nur berufstätige Eltern und leisten damit einen entscheidenden Beitrag zur Gleichberechtigung, vor allem sind sie eine wichtige Bildungsinstitution, die den Grundstein für gelingende Bildungsbiografien legt. Die frühkindliche Bildung ist für unsere schwarz-grüne Koalition ein zentrales Anliegen. Wir wollen den Kleinsten die größten Startmöglichkeiten geben.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)

Den Schuletat haben wir nicht nur von Kürzungen ausgenommen, wir haben auch noch draufgelegt. Insgesamt wächst der Etat des Schulministeriums um über 400 Millionen Euro an. Wir stellen zusätzliche Mittel für 38.000 neue Plätze im Offenen Ganztag zur Verfügung. Die Landesregierung arbeitet an dem Rahmen zur Umsetzung des Rechtsanspruchs. Wir holen den Ganztag endlich aus dem Projektcharakter heraus, weil wir ihn als echte Chance für ganzheitliche Bildung sehen.

Wir erkennen die großen Herausforderungen im Offenen Ganztag an – Herausforderungen, die für die Träger aufgrund der hohen Tarifabschlüsse entstehen; Herausforderungen für Land und Kommunen, mehr OGS-Plätze schaffen zu müssen. Wir sehen vor allen Dingen auch die Eltern, die aktuell um einen OGS-Platz bangen. So wie bei den Kitas geht es nämlich auch hier um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, zumindest um eine vielleicht bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Aus Sicht der Wirtschaft geht es auch um Fachkräfte; es geht auch darum, dass Eltern arbeiten gehen können. Wir sehen aber vor allem – und das ist wichtig – die große Chance für unsere Kinder, denn die OGS bietet Bildung, Erziehung und Betreuung.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Als Land sind wir verlässlicher Partner für die Kommunen. Wir werden die Kommunen selbstverständlich auch weiterhin bei der Umsetzung der Inklusion unterstützen und stellen deshalb 77 Millionen Euro für die Inklusionspauschale zur Verfügung. Schulische Inklusion ist kein Nice-to-have; es ist ein Recht, es ist ein Menschenrecht, das Kinder mit einer Behinderung haben. Sie müssen die Freiheit haben, in der Regelschule mit ihren Nachbarskindern zu lernen. Inklusion ist ein Menschenrecht, und sie ist eine Bereicherung an unseren Schulen und in unserer gesamten Gesellschaft.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Uns allen ist klar – und das habe ich in meiner Rede ja auch schon gesagt –: Die Herausforderungen an unseren Schulen und in den Kitas sind groß. Deshalb klingt die Forderung der SPD-Fraktion nach einem Landessondervermögen „Schule“ und nach Investitionspaketen im ersten Moment sehr verlockend. In die Zukunft unserer Kinder investieren – dieses Ziel teilen wir.

Wer könnte etwas dagegen haben? Na ja, das Verfassungsgericht könnte etwas dagegen haben, wenn das Sondervermögen schuldenfinanziert wäre, denn die Schuldenbremse des Bundes im Grundgesetz gilt auch in Nordrhein-Westfalen. Trotz aller Diskussionen über eine Reform, für die ich große Sympathien habe: Bislang ist die Schuldenbremse nicht geändert, sie gilt – und das weiß auch Herr Ott, das weiß auch die SPD-Fraktion.

(Zuruf von der CDU: Die vergessen es aber immer!)

Deshalb schlagen Sie jetzt andere Finanzierungswege vor.

(Christian Dahm [SPD]: War nicht schlecht, oder?)

Zuerst haben Sie ein Landessondervermögen „Schule“ vorgeschlagen, finanziert über Steuermehreinnahmen bei der Erbschaftsteuer. Das ist wohlgemerkt eine Steuer, über deren Höhe auf Bundesebene entschieden wird und nicht hier im Landtag von Nordrhein-Westfalen.

Auch wenn Sie uns Grüne bei einer Reform durchaus an Ihrer Seite hätten – Fakt ist: Auf Bundesebene, im Deutschen Bundestag gibt es aktuell keine Mehrheit. Das wissen Sie auch. Das ist also eine Sackgasse. Mit Ihrer ersten Forderung kommen Sie nicht weiter.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der CDU – Jochen Ott [SPD]: Das ist nur nicht Bestandteil der Haushaltsdebatte!)

Deshalb hat die SPD-Fraktion am Montag einen anderen Weg eingeschlagen – um damit direkt wieder in einer Sackgasse zu landen. Sie wollen jetzt Investitionspakete, finanziert über die Konjunkturkomponente der Schuldenbremse. Das klingt auf den ersten Blick gut, auf den zweiten Blick entpuppt sich aber leider auch das als haushaltspolitischer Rohrkrepierer. Sie stecken in der nächsten Sackgasse fest, denn anders als bei einem krisenbedingten Sondervermögen müssten diese Kredite in einem relativ kurzen Zeitraum wieder ausgeglichen werden.

(Christian Dahm [SPD]: Das stimmt! Da hat sie recht!)

– Da habe ich recht. Vielen Dank für die Bestätigung, Christian Dahm. – Mit dieser Forderung lässt es sich also für den kurzen Moment sehr gut leben, aber eben nur kurz,

(Zurufe von Jochen Ott [SPD] und Christian Dahm [SPD])

denn danach sind die Handlungsspielräume noch viel, viel enger.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)

Dann können Sie keine Investitionen mehr in Kitas und in Schulen machen – und das ist genau das Problem.

(Zuruf von Jochen Ott [SPD])

Das ist nicht die Art, wie wir Haushaltspolitik machen. Wir setzen Prioritäten in einer schwierigen Haushaltslage. Das bedeutet Einsparungen an anderen Stellen, die schmerzhaft sind.

(Jochen Ott [SPD]: Das bedeutet, dass die Träger pleitegehen, genau!)

Ja, das sind und das waren schmerzhafte und schwierige Diskussionen, die uns Abgeordnete in den Regierungsfraktionen viel abverlangt haben. Aber wir agieren vorausschauend. Wir versprechen den Menschen eben nicht das Blaue vom Himmel. Als Oppositionsführer mag man sich die Dinge vielleicht einfach machen, getreu nach dem Motto: Ich mache mir die Welt, wie sie mir gefällt. – Aber das ist nicht unsere Art von Haushaltspolitik.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU – Zuruf von Stefan Zimkeit [SPD])

In diesen Tagen diskutieren wir alle viel über die Auswirkungen der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum Klima- und Transformationsfonds.

(Zuruf von Stefan Zimkeit [SPD])

Ich will aber zunächst an eine andere Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts aus dem März 2021 erinnern. Das Bundesverfassungsgericht hat uns aufgegeben, das Klima zu schützen und natürliche Lebensgrundlagen zu erhalten, um die Freiheit für zukünftige Generationen zu sichern. Jede heute verpasste Maßnahme zur Eindämmung der Klimakrise bedeutet einen radikaleren Eingriff in die Freiheit künftiger Generationen. Klimaschutz ist kein Trend und kein Lifestyle. Wir investieren in den Klimaschutz, um die Lebensgrundlagen und die Freiheit unserer Kinder und Enkel zu schützen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Schon heute spüren wir die Auswirkungen der Klimakrise sehr deutlich: Hochwasser, Hitze, Waldbrände. Deshalb treiben wir als schwarz-grüne Koalition Klimaschutz und Energiewende voran. Deshalb machen wir Nordrhein-Westfalen zur ersten klimaneutralen Industrieregion Europas; denn die Transformation der Wirtschaft ist ein wesentlicher Baustein des Klimaschutzes.

Dazu arbeitet unsere Koalition am Energiesystem der Zukunft: Wir steigen 2030 aus der Kohle aus. Wir haben den pauschalen 1.000-m-Abstand abgeschafft. Wir beschleunigen den Ausbau der Windenergie, wir bauen die Solarenergie aus, und wir nehmen die Menschen dabei mit. Mit unserem Bürgerenergiegesetz beteiligen wir Menschen und Kommunen unmittelbar finanziell am Ausbau der erneuerbaren Energien. So schaffen wir Akzeptanz, und so sorgen wir für eine sichere, bezahlbare und zukünftig klimaneutrale Energieversorgung.

Durch die größte Einzelförderung in der Geschichte des Landes Nordrhein-Westfalen in Höhe von bis zu 700 Millionen Euro sorgen wir dafür, dass CO2-armer Stahl ab 2026 aus Duisburg kommt. Es ist gut, dass diese Investition trotz des Urteils zum Klima- und Transformationsfonds gesichert ist.

Auch wenn es jetzt eine Lösung zum Bundeshaushalt gibt, befürchte ich weiterhin Auswirkungen auf wichtige Investitionen in die Zukunft unserer Wirtschaft aufgrund des Urteils zum Klima- und Transformationsfonds, gerade hier in unserem Industrieland Nordrhein-Westfalen. Deshalb gehört zu der Debatte in Berlin auch die Frage, woher der Staat in Zukunft die finanziellen Spielräume für Investitionen nehmen soll; denn wenn wir nicht investieren, dann wächst der Schuldenberg trotzdem.

Was könnten wir nachfolgenden Generationen Schlechteres hinterlassen als ein kaputtes Klima, als bröckelnde Brücken und eine marode Infrastruktur, als eine abgehängte Wirtschaft? Es braucht eine Lösung im Grundgesetz, um Investitionen in den Klimaschutz gerade in Krisenzeiten zu ermöglichen, um die Zukunft und Freiheit zukünftiger Generationen zu sichern.

(Beifall von den GRÜNEN)

Unsere schwarz-grüne Koalition sorgt dafür, dass Nordrhein-Westfalen Industrieland bleibt. Wir sichern Arbeitsplätze von Industrie bis Handwerk. Wir sichern Wohlstand für unsere Kinder und ihre Kinder. Dieser neue Wohlstand ist aus meiner Sicht ein anderer als der früherer Generationen; denn es kann nicht immer so weitergehen wie bisher, also: immer noch schneller, höher, weiter. Das hat uns erst dorthin gebracht, wo wir gerade stehen. Der neue Wohlstand darf nicht auf Kosten anderer Regionen dieser Welt oder zukünftiger Generationen gehen.

Der neue Wohlstand bedeutet für mich soziale Gerechtigkeit und gesellschaftlichen Zusammenhalt, öffentliche Daseinsvorsorge und den Schutz unserer natürlichen Ressourcen, eine starke und lebendige Demokratie und vor allem ein Leben in Freiheit und Frieden. Ich finde, dafür lohnt es sich zu kämpfen.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)

Neben der Klimakrise bedroht der hohe Verlust an Artenvielfalt unsere Lebensgrundlagen auf diesem Planeten. Wir von der schwarz-grünen Koalition werden beide ökologischen Krisen entschieden bekämpfen. Wir erhöhen daher im Haushalt 2024 die Mittel für den Naturschutz.

Wir sichern die Biologischen Stationen ab, die vor Ort einen unverzichtbaren Beitrag zum Artenschutz leisten. Die Biologischen Stationen stehen exemplarisch für das großartige ehrenamtliche Engagement, das viele, viele Menschen in unserem Land täglich leisten. Bei den Biologischen Stationen kommen ehren- und hauptamtliche Kräfte zusammen, um sich für unser Gemeinwohl und für den Natur- und Artenschutz einzusetzen. Sie tun das auch durch ihren wichtigen Beitrag zur Naturschutzbildung, bei der große und kleine Menschen für den Naturschutz begeistert werden.

(Beifall von den GRÜNEN)

Vor einigen Wochen waren wir mit einigen Abgeordneten von CDU und Grünen gemeinsam im Nationalpark Eifel wandern. Ich finde ja, dass der Nationalpark Eifel eines der schönsten Fleckchen Erde in Nordrhein-Westfalen ist.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)

Ich sehe schon, der Nationalpark Eifel hat noch mehr Fans. Ich kann nur sehr empfehlen, dort wandern zu gehen. Es ist einfach faszinierend, wie sich die Natur entwickelt, wenn wir Menschen sie einfach mal in Ruhe lassen. Dieser Ort zeigt, dass wir der Natur wieder mehr Raum geben müssen: Raum, sich zu entfalten, Raum wie im Nationalpark Eifel, der nicht nur für die Artenvielfalt, sondern auch für den Tourismus vor Ort eine Erfolgsgeschichte ist. Deshalb haben wir uns auf den Weg gemacht, diese Erfolgsgeschichte weiterzuschreiben und die Kommunen und die Menschen vor Ort für einen zweiten Nationalpark zu gewinnen.

(Christian Dahm [SPD]: Jetzt bin ich gespannt!)

Wir treten dem Verlust an Biodiversität entschlossen entgegen. Wir kämpfen entschlossen gegen das Artensterben an. Wir tragen nicht nur Verantwortung für unsere Mitmenschen und für zukünftige Generationen. Wir tragen auch Verantwortung für unsere Natur.

(Beifall von den GRÜNEN)

Unsere Natur wird auch durch kriminelles Handeln bedroht. Umweltkriminalität ist weltweit gesehen das drittgrößte Kriminalitätsfeld. Nur wenige Straftaten der Umweltkriminalität werden überhaupt aufgedeckt. Verschmutzte Flüsse oder illegal gehandelte Tiere können selbst keine Anzeige stellen. Es ist unsere Aufgabe, ihre Anwälte zu sein.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Deshalb haben wir die Zentralstelle für die Verfolgung der Umweltkriminalität eingerichtet. Selbstverständlich werden wir dafür auch zukünftig die Mittel zur Verfügung stellen. Uns ist die Bekämpfung der Umweltkriminalität wichtig, denn ein starker Rechtsstaat zeichnet sich dadurch aus, dass er diejenigen schützt, die sich selbst nicht schützen können. Die schwarz-grüne Koalition in Nordrhein-Westfalen steht genau für diesen starken Rechtsstaat.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)

Wir investieren in die Justiz, und wir investieren in die Polizei. Das sind gute Investitionen in die Sicherheit unserer Bürgerinnen und Bürger. Lieber Henning Höne, diesen plumpen Populismus zum Thema „Sicherheit“ – ganz ehrlich – nimmt Ihnen doch hier in Nordrhein-Westfalen wirklich niemand ab.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU – Widerspruch von der FDP)

Wir haben im Jahr 2023 so viele Kommissaranwärterinnen und Kommissaranwärter eingestellt wie noch nie,

(Henning Höne [FDP]: Ohne Ausstattung!)

und wir werden die hohen Einstellungszahlen auch im nächsten Jahr fortsetzen. Die Anzahl der Polizeibeamtinnen und ‑beamten wächst im nächsten Jahr weiter auf, und zwar trotz der hohen Pensionierungswelle, die wir bei der Polizei haben.

(Henning Höne [FDP]: Was ist mit der Ausstattung?)

Der Personalkörper der Polizei wächst an, eben weil wir so viel einstellen.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)

Wir sorgen gleichzeitig dafür, dass die Qualität der Aus‑ und Fortbildung hoch bleibt.

(Zuruf: Nein!)

– Doch, wir sorgen dafür, dass die Qualität der Aus‑ und Fortbildung bei der Polizei hoch bleibt, denn insbesondere unsere gut ausgebildete, bürgerorientierte, rechtsstaatliche und professionelle Polizei ist ein Garant für den Schutz unseres demokratischen Rechtsstaats.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)

Sehr viele Menschen vertrauen unserer Polizei, und auch ich habe ein sehr tiefes Vertrauen in das rechtsstaatliche Handeln unserer Polizei. Doch wir alle wissen: Wo Menschen arbeiten, wo oft in Sekundenschnelle folgenreiche Entscheidungen getroffen werden müssen, können auch Fehler passieren. Eine gesunde Fehlerkultur ist wichtig, um die Arbeit der Polizei weiter zu verbessern.

Die Bürgerinnen und Bürger müssen die Möglichkeit haben, sich bei Anliegen zur Arbeit der Polizei an eine unabhängige Stelle wenden zu können. Polizeibeamtinnen und ‑beamte sollen zugleich weiterhin die Möglichkeit haben, sich vertrauensvoll an die oder den Polizeibeauftragten zu wenden. Deshalb schaffen wir in diesem Haushalt die Voraussetzungen für die Einrichtung der Stelle eines oder einer Polizeibeauftragten, damit diese Person möglichst schnell loslegen kann, sobald das Gesetz beschlossen ist.

Ich bin überzeugt davon, dass die Polizei von dieser Stelle, von dieser oder diesem unabhängigen Polizeibeauftragten profitieren wird. Ich bin überzeugt davon, dass diese Stelle dazu beitragen wird, dass das Vertrauen in polizeiliches Handeln weiter gestärkt wird. Damit steigern wir auch das Vertrauen in staatliche Institutionen insgesamt, und das sollte unser gemeinsames Interesse als Demokratinnen und Demokraten sein.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)

Die Bekämpfung der Kriminalität ist immer auch eine Frage der Gerechtigkeit. Es ist nämlich die Frage, ob Straftaten aufgedeckt und verfolgt werden. Es ist insbesondere eine Frage der Gerechtigkeit, wenn Bürgerinnen und Bürger sowie Unternehmen ihre Steuern zahlen und sich damit an der Finanzierung öffentlicher Leistungen beteiligen und andere vorsätzlich Steuern hinterziehen. Jedes Jahr entgehen dem Staat bundesweit durch organisierten Steuerbetrug rund 100 Milliarden Euro. Die Menschen müssen sich darauf verlassen können, dass der Staat alles dafür tut, Steuergerechtigkeit herzustellen, und das tun wir.

Im März dieses Jahres hat die schwarz-grüne Koalition eine neue Behörde im Kampf gegen Steuerkriminalität auf den Weg gebracht: das Landesamt zur Bekämpfung der Finanzkriminalität. Diese Behörde nimmt zum 01.01.2024 ihre Arbeit hier in Düsseldorf auf. Wir stärken mit diesem Landesamt den Kampf gegen das organisierte Verbrechen. Wir bauen die bundesweite Vorreiterrolle Nordrhein-Westfalens im Kampf gegen Finanzkriminalität weiter aus und sorgen auch damit für mehr Gerechtigkeit.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)

Insbesondere unsere Kinder und Jugendlichen haben ein sehr gutes Gespür für Gerechtigkeit und auch dafür, wenn es nicht gerecht zugeht: wenn der Weihnachtsmann oder das Christkind unter den einen Weihnachtsbaum mehr Geschenke legt als unter den anderen Weihnachtsbaum. Viele Mütter und Väter verzweifeln gerade, weil sie ihren Töchtern und Söhnen auch nicht nur einen Wunsch auf dem Wunschzettel erfüllen können, weil das Geld gerade so für die Miete reicht, weil ihnen schon die kalten Füße Sorgen machen, weil neue Winterstiefel gerade einfach nicht drin sind.

Deshalb brauchen wir in der aktuellen Zeit mehr Solidarität, um gemeinsam gut durch diese schwierige Lage zu kommen. Deshalb haben wir in diesem Jahr beim Sondervermögen zur Krisenbewältigung einen Schwerpunkt auf die Unterstützung der sozialen Infrastruktur gelegt. Wir haben die Kitas, die Tafeln, die Beratungsstellen und Frauenhäuser unterstützt, weil wir sehen, dass diese Einrichtungen gerade jetzt viel auffangen.

(Zuruf von Elisabeth Müller-Witt [SPD])

Wir wissen, dass das für die Träger nicht ausreichend ist, um alle gestiegenen Kosten abzufedern, insbesondere die Personalkosten. Wir alle hier wissen aber auch, wie angespannt die Haushaltslage des Landes aktuell ist und dass Umschichtungen bedeuten, dass wir an anderen Stellen kürzen müssen. Wer mehr fordert, muss auch sagen, wo dieses Mehr herkommen soll. Diese Ehrlichkeit habe ich in den letzten Wochen, ehrlich gesagt, bei den Debatten hier im Landtag oft vermisst.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)

Wir unterstützen auch in dieser schwierigen Haushaltslage dort, wo die Not besonders groß ist. Wir unterstützen Menschen, die keine eigene Wohnung haben und auf der Straße leben. In diesem Winter stellen wir insgesamt 900.000 Euro zum Schutz vor Kälte zur Verfügung.

(Zuruf von Lena Teschlade [SPD])

Wir schließen uns dem Ziel der Europäischen Union an, Wohnungslosigkeit bis spätestens 2030 zu beseitigen, und wir gehen deshalb mit Konzepten wie Housing First voran.

Doch Wohnen ist nicht nur für Menschen, die ihre Wohnung verloren haben, ein zentrales Problem; die Sorge vor hohen Mieten, die Befürchtung, bei einer Kündigung nicht mehr in der eigenen Nachbarschaft wohnen bleiben zu können, ist längst zu einer der sozialen Fragen unserer Zeit geworden. Wir brauchen mehr preisgebundenen, preiswerten Wohnraum. Deswegen investieren wir 1,7 Milliarden Euro in die Wohnraumförderung, und wir kaufen Belegungsrechte.

Auch Mobilität ist eine Frage der Teilhabe in unserer Gesellschaft. Das Deutschlandticket ist aus Klimagründen, aber auch aus sozialen Gründen ein Erfolgsmodell. Trotz der schwierigen Haushaltslage haben wir den Landesanteil im Haushalt 2024 gesichert.

Mit dem DeutschlandTicket Sozial in NRW, dem Ticket für Schülerinnen und Schüler, und dem neuen Semesterticket schaffen wir kostengünstige Varianten gezielt für Menschen mit einem geringen oder mit gar keinem Einkommen.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Damit stärken wir auch den sozialen Zusammenhalt in Nordrhein-Westfalen. Denn eine starke demokratische Gesellschaft muss insbesondere diejenigen im Blick haben, die nicht die größte Lobby und nicht die Kraft und die Ressourcen haben, um auf ihre Situation aufmerksam zu machen.

Ein Leben in Selbstbestimmung und Würde muss für alle Menschen möglich sein. Das ist der Anspruch in einer Demokratie, und für die schwarz-grüne Koalition ist und bleibt das ein wichtiges Anliegen.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)

Wie unschätzbar wertvoll Demokratie, Frieden und Freiheit sind, können uns viele Menschen berichten, die bei uns Schutz vor Krieg, Gewalt und Verfolgung suchen; Menschen aus der Ukraine, aus Syrien oder aus Afghanistan. Die Menschen begeben sich nicht leichtfertig auf zum Teil lebensgefährliche Fluchtwege. Niemand verlässt sein Zuhause ohne Grund. Wir können uns die Grausamkeiten und die Gefahren kaum vorstellen, denen diese Menschen zu entfliehen versuchen.

Wir können uns glücklich schätzen, dass wir in einem demokratischen Rechtsstaat und in Sicherheit leben dürfen. Das individuelle Grundrecht auf Asyl ist Teil unserer historischen Verantwortung aus den Verbrechen des Nationalsozialismus. Das Grundrecht auf Asyl ist deshalb unzertrennlich mit den im Grundgesetz verankerten demokratischen Werten verbunden, und wir werden dieses Grundrecht weiterhin verteidigen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Wir wissen um die großen Herausforderungen in den Kommunen. Die Kommunen leisten aktuell wieder Großartiges bei der Unterbringung und der Integration von Geflüchteten, und deshalb unterstützen wir sie. Wir bauen die Unterbringungskapazitäten des Landes weiter aus, und wir unterstützen die Kommunen allein in diesem Jahr mit rund 1 Milliarde Euro für den Aufbau kommunaler Unterbringungskapazitäten.

Mehr als die Hälfte der Geflüchteten, die zu uns kommen, haben eine gute Bleibeperspektive, und die Kompetenzen, die Geflüchtete mitbringen, brauchen wir dringend für unsere Gesellschaft. Deshalb bedarf es von Anfang der Integration und Teilhabe. Mit dem Haushalt 2024 unterstützen wir die Integrationsinfrastruktur in Nordrhein-Westfalen. Wir stehen für eine humanitäre Flüchtlingspolitik ein und leisten unseren Beitrag in der Verantwortungsgemeinschaft von Bund, Ländern und Kommunen.

Historisch gesehen ist die Geschichte der Migration in Deutschland und in Nordrhein-Westfalen eine Erfolgsgeschichte. Polnische Arbeitskräfte haben einen großen Anteil an der Industrialisierung und an dem Aufstieg des Ruhrgebiets, und sie sind geblieben. Die sogenannten Gastarbeiter aus Südeuropa und der Türkei haben nach dem Zweiten Weltkrieg das Wirtschaftswunder mit ermöglicht, und sie sind geblieben.

Wir alle wissen um den Fachkräftemangel; wir erleben ihn vormittags im Gespräch mit Unternehmerinnen und abends im Restaurant. Lassen Sie uns gemeinsam daran arbeiten, die aktuelle Situation auch als Chance für unsere Gesellschaft zu begreifen und daraus eine weitere Erfolgsgeschichte zu machen.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Das Vertrauen in staatliche Institutionen hängt insbesondere auch mit der Handlungsfähigkeit des Staates zusammen. Unser Staat ist nur deshalb handlungsfähig, weil seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter engagiert sind. Das gilt für den Grundschullehrer ebenso wie für die Justizvollzugbeamtin, für den Polizisten genauso wie für die Sekretärin im Ministerium. Die Tariferhöhungen sind deshalb eine echte Anerkennung für ihre wichtige Arbeit.

Liebe SPD-Fraktion, ich kann daher nicht nachvollziehen, dass Sie Ihre Haushaltsänderungsanträge über den Personalverstärkungstitel im Landeshaushalt finanzieren wollen. Wir von der schwarz-grünen Koalition wollen, dass genug Personal da ist, und wir wollen eine angemessene Bezahlung. Die Eins-zu-eins-Übertragung des Tarifabschlusses auf die Beamtinnen und Beamten ist deshalb genau richtig.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU – Christian Dahm [SPD]: Das ist auch gut so!)

Wir wollen einen starken öffentlichen Dienst als wichtige Säule unseres Rechtsstaats.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben in Krisenzeiten einen soliden Landeshaushalt 2024 aufgestellt.

(Zuruf von der CDU – Christian Dahm [SPD]: Dem stimmen wir zu!)

Ja, wir hätten uns an vielen Stellen mehr gewünscht. Wir haben auch intensive Wochen hinter uns, in denen wir diskutiert haben, wie das wenige Geld verteilt wird, um die richtigen Prioritäten zu setzen.

Als Regierungsfraktion Politik zu machen, wenn man aus dem Vollen schöpfen kann, ist einfach. Als Oppositionsfraktion Politik zu machen, wenn man so tut, als könnte man aus dem Vollen schöpfen, ist auch einfach.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU – Hendrik Wüst, Ministerpräsident: Ja!)

Aber Verantwortung zu übernehmen, wenn die Haushaltslage schwierig ist, ist anstrengend; aber ich finde, dass sich das lohnt. Wir tun das mit einem klaren Kompass und mit klaren Prioritäten. Unser Kompass sind unsere demokratischen Werte. „Wehret den Anfängen“ – das wurde uns beigebracht. Die Anfänge liegen bereits hinter uns. Wir können den Kampf aber noch gewinnen. Davon bin ich überzeugt, denn wir Demokratinnen und Demokraten sind mehr.

Wir werden unsere Demokratie, unseren Rechtsstaat, die Menschenwürde und die Freiheit für uns und für künftige Generationen verteidigen, damit die Kinder der Yitzhak-Rabin-Grundschule und alle anderen Kinder und Jugendlichen ihre Träume verwirklichen können. – Danke.

(Anhaltender und lebhafter Beifall von den GRÜNEN und der CDU)

Der zweite Redebeitrag zu diesem Tagesordnungspunkt von

Verena Schäffer (GRÜNE): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bin froh, dass wir bei dem Thema „Antisemitismus“ eng zusammenarbeiten und das Anliegen teilen; es ist ein wichtiger Wert dieses Parlaments, dass man sich darauf immer verlassen kann. Ich will auch gerne betonen, dass wir diese gute Zusammenarbeit in der Vergangenheit hatten und in der Zukunft haben werden.

Noch einmal zur Erinnerung: Wir haben im letzten Jahr diskutiert, und die Mitglieder des Hauptausschusses haben gemeinsam einen Antrag zur Unterstützung, zur Instandhaltung der verwaisten jüdischen Friedhöfe erarbeitet. Dieses Thema findet sich eins zu eins im Haushaltsplan 2024 wieder.

Das heißt, wir arbeiten zusammen und finden gemeinsam gute Lösungen. Wir gehen voran und sorgen gemeinsam dafür, dass wir Antisemitismus bekämpfen und jüdisches Leben in Nordrhein-Westfalen stärken. Ich bin mir sehr sicher, Herr Höne, liebe FDP-Fraktion und liebe SPD-Fraktion, dass wir diese gute Zusammenarbeit in diesem wichtigen Themenfeld in Zukunft fortsetzen werden.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Ich möchte ebenfalls betonen, dass uns die gute Zusammenarbeit selbstverständlich auch dann wichtig ist, wenn es um gemeinsame Anliegen des Parlamentes geht; wenn es etwa um den Einzelplan 01 des Landtags geht.

(Marcel Hafke [FDP]: Das haben wir ja gesehen!)

Zu einer guten Zusammenarbeit gehören aber alle; das will ich hier auch sagen.

(Rainer Schmeltzer [SPD]: Eben! – Zuruf von Marcel Hafke [FDP])

Wir alle haben sicherlich allen Grund, das noch einmal zu reflektieren. Dabei nehme ich uns als Regierungsfraktion überhaupt nicht aus; reflektieren ist immer gut. Ich sage das aber nicht nur in unsere Richtung, sondern ich finde, dass dazu auch andere Fraktionen gehören.

(Rainer Schmeltzer [SPD]: Die CDU!)

Ich denke, dass wir alle gut daran tun, noch einmal darüber zu diskutieren und dafür zu sorgen, dass die Zusammenarbeit in den nächsten Jahren unter den demokratischen Fraktionen weiterhin gut ist.

(Beifall von den GRÜNEN)

Zur SPD möchte ich gerne sagen, dass Sie – das ist heute in den Reden noch einmal sehr deutlich geworden – Probleme und Herausforderungen aufzeigen. Das ist richtig, und viele dieser Probleme und Herausforderungen sehen auch wir. Allerdings zeigen Sie keine Lösungen auf. Sie bestaunen das Problem, ohne Lösungen zu benennen.

(Stefan Zimkeit [SPD]: Haben Sie die Haushaltsanträge gelesen? – Rainer Schmeltzer [SPD]: Lesen bildet!)

Zu den Lösungen gehört, dass man auch benennen muss, wie man die Finanzierung sichert. Das tun Sie aber nicht. Ihre Vorschläge zur Gegenfinanzierung fallen alle wie ein Kartenhaus in sich zusammen. Das haben wir hier gesehen.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU – Zuruf von Stefan Zimkeit [SPD])

Lieber Herr Ott, Sie haben die Situation der Kommunen angesprochen. Diese Landesregierung, diese Koalition versteht sich als Anwalt der Kommunen. Deshalb verhandeln wir sehr hart, wenn es im Bund zum Beispiel um die Flüchtlingsfinanzierung geht. Deshalb wollen wir auch den Kommunen helfen, wenn wir über die Altschulden sprechen. Wir wollen eine Lösung finden. Dafür brauchen wir aber den Bund.

Wir warten allerdings immer noch darauf,

(Zuruf von Stefan Zimkeit [SPD])

dass eine Unterstützung vonseiten der SPD kommt. Ich vermisse diese Unterstützung, ehrlich gesagt, in der ganzen Debatte um die Altschulden gerade sehr. Denn auch da geht es um eine Priorisierung und Prioritäten. Leider ist die SPD da aber nicht mit dabei.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)

Ich will es noch einmal deutlich sagen: Wir priorisieren. Wir priorisieren aufgrund von Fakten. Wir priorisieren aufgrund der Haushaltsituation, die schwierig ist.

Es muss in den letzten Wochen und Monaten jedem hier im Hause deutlich geworden sein, dass die Haushaltsituation schwierig ist. Sie treten hier aber auf wie ein kleines Kind, das auf den Boden stampft und Wünsche auf einen Wunschzettel schreibt.

(Marcel Hafke [FDP]: Unverschämt!)

Aber nur, weil man es sich wünscht, haben wir ja nicht mehr Geld zur Verfügung. Ja, das ist hart, und es war auch für uns hart in den vergangenen Wochen.

(Henning Höne [FDP]: Mein Gott, habt ihr es schwer!)

Ich habe das vorhin gesagt, und ich kann es auch noch einmal sagen. Ich sage das nicht, weil ich uns bemitleiden will. Darum geht es überhaupt nicht. Wir machen Politik, weil wir gestalten wollen, weil wir den Anspruch haben, zu gestalten; gerade dann, wenn die Haushaltsituation schwierig ist.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU – Marcel Hafke [FDP]: Dann macht doch mal! – André Stinka [SPD]: Wo?)

Wir gestalten, weil wir Verantwortung übernehmen. Deshalb priorisieren wir. Wir haben gesagt: Mit diesem Haushalt sind die Kleinsten in unserem Land unsere größte Priorität. Ich finde nach wie vor, dass das die richtige Entscheidung war.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)

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