Zum Entwurf der Landesregierung zum Polizeigesetz – erste Lesung

Verena Schäffer (GRÜNE): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich finde, dass das Gesetz und auch die Debatte hier noch einmal sehr deutlich zeigen, wie sehr CDU und FDP doch zu Getriebenen ihrer eigenen Wahlkampfversprechen und der von ihnen ge­schürten Ängste geworden sind.

Jetzt legen Sie hier ein Gesetz vor, das unter dem Strich gesehen gar nicht mehr für mehr Sicherheit sorgt. Denn es strotzt zwar vor Symbolpolitik – die man natürlich, Herr Reul, sehr gut verkaufen kann; das ist überhaupt keine Frage. Nur: Es bringt eben nicht mehr Sicherheit, aber dafür massive Einschränkungen unserer Bürgerrechte.

(Beifall von den GRÜNEN)

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Frau Kollegin Schäffer, Entschuldigung, dass ich Sie di­rekt unterbreche. Herr Kollege Lürbke würde Ihnen gern eine Zwischenfrage stellen.

Verena Schäffer (GRÜNE): Klar, sehr gerne.

Marc Lürbke (FDP): Vielen Dank, Frau Kollegin, dass Sie Zwischenfrage zulassen. – Ich bin beim Stichwort „Symbolpolitik“ hellhörig geworden, weil das für mich nicht recht zusammenpasst. Wenn es denn so wäre, müssten Sie vielleicht auch einmal ein ernstes Gespräch mit Ihrer von den Grünen geführten Landesregierung in Baden-Württemberg führen, die ja ähnliche Maßnahmen wie die elektronische Fußfessel oder die Quellen-TKÜ längst eingeführt hat.

(Dietmar Bell [SPD]: Frage! Keine Intervention!)

In Baden-Württemberg geht man ja sogar noch weiter und ermöglicht dort eine Online-Durch­suchung.

Vor diesem Hintergrund frage ich Sie: Wie passt das denn zusammen? Ist das dann grüne Doppelmoral? Oder wie habe ich das zu verstehen?

(Beifall von der FDP und der CDU)

Verena Schäffer (GRÜNE): Herr Lübke, vielen Dank für diese Frage. Soweit ich weiß, disku­tieren wir heute über die Einbringung des Polizeigesetzes in erster Lesung in Nordrhein-West­falen. Ich kann Ihnen sehr gerne darstellen, weil Sie es ja offenbar nicht wissen, wo ich hier Symbolpolitik sehe. Das erspart mir noch ein bisschen Redezeit. Insofern bedanke ich mich für die Frage.

Symbolpolitik gibt es in diesem Gesetzentwurf an sehr vielen Stellen. Man kann zum Beispiel die Quellen-TKÜ anführen. Hier muss man sagen: Bereits nach § 100a Strafprozessordnung besteht nach der letzten Reform die Möglichkeit für die Polizei, präventiv TKÜ- und auch Quellen-TKÜ-Maßnahmen durchzuführen.

Zu nennen ist auch das Thema „Videobeobachtung“. Sie wollen, dass der Ausschluss von Verdrängungseffekten jetzt Gesetz wird. Sie haben gerade argumentiert – das fand ich sehr interessant –, Sie wollten den Terroristen auf den Füßen stehen. Dann frage ich mich doch allen Ernstes: Wo laufen denn auf dem Ebertplatz oder auf dem Neumarkt oder am Wiener Platz in Köln permanent Terroristen herum, die man jetzt per Videobeobachtung beobachten sollte? Auch das ist für mich Symbolpolitik.

Auch die von Ihnen ebenfalls angesprochene Fußfessel ist Symbolpolitik. Offenbar meinen Sie, dass Sie mit der Fußfessel Anschläge verhindern können. Sie werden mit der Fußfessel aber keinen einzigen Anschlag verhindern. Im Gegenteil: Der furchtbare Anschlag auf die Kirche in Nordfrankreich vor zwei Jahren – wir erinnern uns alle daran – hat das doch gezeigt.

Er hat sehr deutlich gemacht – dort hat ja ein Terrorist eine Fußfessel getragen –: Man wird mit der Fußfessel keinen Anschlag verhindern.

Deshalb sage ich, dass Sie hier Symbolpolitik betreiben. Sie verkaufen das groß mit viel Tam­tam. Aber es ist letztendlich Symbolpolitik. Sie versprechen den Bürgerinnen und Bürgern mehr Sicherheit, die Sie aber im Endeffekt nicht liefern können. Das ist genau meine Kritik, die ich an diesem Gesetzentwurf habe, Herr Lürbke.

(Beifall von den GRÜNEN)

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Frau Kollegin Schäffer, darf ich Sie noch einmal unterbre­chen? – Herr Kollege Katzidis, Sie hatten sich eben für eine weitere Zwischenfrage eingeloggt und haben sich jetzt wieder ausgeloggt. Soll ich Frau Schäffer fragen, ob sie eine zweite Zwi­schenfrage beantworten möchte?

Verena Schäffer (GRÜNE): Ja, sehr gerne.

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Dann schalte ich Ihnen jetzt das Mikrofon frei.

Dr. Christos Georg Katzidis (CDU): Sie haben gerade dargestellt, dass auf der Grundlage von § 100a Strafprozessordnung Telekommunikationsüberwachung möglich sei – präventiv, haben Sie gesagt. Nach Ihrer Rechtsauffassung ist TKÜ dann also ohne Vorliegen einer Straftat möglich. Ist das so korrekt?

Verena Schäffer (GRÜNE): Es ist so. Dazu gibt es Rechtsprechung vom Bundesverfas­sungsgericht. Die letzte war, glaube ich, 2005 zu dem Niedersächsischen Polizeigesetz. Dort hat das Bundesverfassungsgericht noch einmal sehr deutlich gemacht, dass die Anwen­dungsbereiche für den Landesgesetzgeber – also für uns – im Polizeigesetz sehr, sehr gering sind, weil es diese Möglichkeit im § 100a Strafprozessordnung schon gibt und dieser Paragraf in der Regel auch zuerst anzuwenden ist.

Insofern wird es in Nordrhein-Westfalen aufgrund dieser Rechtsprechung und aufgrund der Strafprozessordnung kaum Anwendungsfälle geben, die nach dem Landespolizeigesetz möglich sind.

Auch deshalb sage ich: Das ist Symbolpolitik. Wir brauchen diese Regelung in diesem Gesetz nicht, weil wir hier den § 100a Strafprozessordnung haben. Ja, das ist unsere Rechtsauffas­sung, die auch durch das Bundesverfassungsgericht gestärkt wurde. Vielen Dank für die Nachfrage, Herr Katzidis.

(Beifall von den GRÜNEN)

Ich glaube, das waren alle Zwischenfragen, die möglich waren. Das ist ein bisschen schade. Ich hätte gern noch mehr entgegengenommen. Aber dann komme ich zurück zu meiner Rede.

Ich hatte mit dem Punkt „Symbolpolitik“ aufgehört. Ich finde, das ist genau das Gefährliche an diesem Gesetzentwurf, Herr Reul: Wenn Sie diese Maßnahmen umsetzen, nehmen Sie damit auch in Kauf, dass Sie gegen die Verfassung verstoßen. Ich finde, Sie setzen dem Ganzen noch eine Krone auf, indem Sie gegenüber dem WDR erklärt haben, dass es Ihnen egal sei, ob Unschuldige in Gewahrsam sitzen.

(Gregor Golland [CDU]: Was für ein Quatsch! – Zuruf von der CDU: So ein Quatsch!)

Herr Reul, wissen Sie was? Genau weil Sie diese Gefahren auf sich nehmen und wegen dieser Äußerung sind Sie ein Risiko für unsere Freiheit und ein Risiko für unsere verbrieften Rechte.

(Zuruf von Gregor Golland [CDU])

Das Schlimme ist, Herr Lürbke, dass die FDP all das mitmacht. Die FDP ist keine Bürger­rechtspartei. Was Sie hier vorgelegt haben, ist ein Armutszeugnis für Sie.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Ich möchte nur einige Punkte herausgreifen, weil ich nur noch drei Minuten Zeit habe, und komme auf die Quellen-TKÜ zurück. – Die technischen Voraussetzungen für die Quellen-TKÜ sind derzeit noch gar nicht gegeben. Es stellen sich Fragen wie: Kann der Trojaner tatsächlich nur auf laufende Kommunikation zugreifen, oder liest er gleich das ganze Handy aus? – Wenn das so wäre, wäre das ein massiver Eingriff in das IT-Grundrecht.

(Minister Herbert Reul: Das machen wir nicht!)

– Sie sagen, das machen Sie nicht. In der Presseerklärung haben Sie selbst gesagt, dass die technischen Voraussetzungen noch gar nicht geklärt seien. Insofern haben wir hier ein Prob­lem. Auch Experten sagen, dass wir diesen Trojaner so noch gar nicht haben.

Das andere ist: Der Staat macht sich zum Hacker. Der Staat nutzt Sicherheitslücken aus. Deshalb gibt es eben auch scharfe Kritik aus der IT-Branche, zum Beispiel von dem größten Verband Bitkom, der die Quellen-TKÜ sehr scharf kritisiert. Dem schließen wir uns als Grüne an.

(Vereinzelt Beifall von den GRÜNEN)

Zum Thema „Unterbindungsgewahrsam“: Sie wollen die Dauer des Unterbindungsgewahrsams massiv ausweiten. Das ist ein schwerwiegender Grundrechtseingriff, weil er in die Frei­heit der Personen eingreift. Auch hier muss ich Ihnen widersprechen, Herr Reul. Sie haben gesagt, Sie hätten sich an das BKA-Urteil angelehnt. Das stimmt aber nicht ganz. Das BKA-Urteil besagt, der Staat darf auch im Vorfeld Maßnahmen zur Informationsgewinnung durch­führen. Es wurde aber noch nicht geurteilt, ob es auch Maßnahmen zur Gefahrenabwehr ge­ben darf. Insofern betreten Sie rechtliches Neuland. Wir haben hier ein verfassungsrechtli­ches Risiko. Ich bin gespannt, wie sich die Rechtsprechung dazu entwickelt.

Auch das ist im Übrigen ein gutes Beispiel für Symbolpolitik. Glauben Sie allen Ernstes, dass ein Gefährder nach einem Monat in einer Ausnüchterungszelle im Polizeipräsidium tatsäch­lich geläutert ist?

(Daniel Sieveke [CDU]: Es geht um was ganz anderes!)

Es ist doch wirklich an Naivität nicht zu überbieten, Herr Reul, wenn Sie das wirklich meinen.

Der dritte Punkt, den ich hier ansprechen will, ist die Identitätsfeststellung. Derzeit ist es so, dass die Polizei jemanden für zwölf Stunden zur Identitätsfeststellung mit auf die Wache neh­men darf. Das wollen Sie auf bis zu sieben Tage ausweiten,(Beifall von den GRÜNEN – Zuruf)

(Beifall von der CDU)

und das, obwohl es keine Straftat ist, sich nicht ausweisen zu können, und es in Deutschland auch nicht die Pflicht gibt, an der Klärung der eigenen Identität mitzuwirken.

(Zurufe von der CDU)

Daran ändert auch Ihr Applaus nichts. Wir reden hier von Personen, die keine Straftaten be­gangen haben und die auch nicht im Verdacht stehen, Straftaten zu begehen.

(Zurufe von der CDU)

Wir reden von der Identitätsfeststellung und von nichts anderem. Diese Personen wollen Sie für eine Woche einsperren.

Da kommen Sie nicht nur an die Grenzen des Rechtsstaats, wie es gestern Herr Laschet auf der Veranstaltung der GdP gesagt hat; CDU und FDP waren ja leider nicht da.

(Angela Freimuth [FDP]: Wir waren im Plenum!)

Man kommt hier nicht nur an die Grenzen des Rechtsstaats.

– Ja, Sie waren im Plenum, das ist schön. Herr Laschet war als Abgeordneter und Minister­präsident ebenso wie Herr Reul und andere nicht im Plenum. Insofern haben wir es uns her­ausgenommen, auch einmal die Gewerkschaft zu besuchen.

Der Punkt ist, dass hier nicht nur an die Grenzen des Rechtsstaats gegangen wird. An dieser Stelle werden die Grenzen des Rechtsstaats ganz klar überschritten. Aus meiner Sicht ist diese Regelung zur Identitätsfeststellung rechtswidrig. Sie ist verfassungswidrig. Das werden wir als Grüne nicht hinnehmen.

Es ist viel Aktionismus. Das hatte ich gerade schon ausgeführt. Es ist viel Symbolpolitik, aber kein Mehr an Sicherheit. Dafür gibt es insgesamt massive Eingriffe in die Grundrechte. Ich sage auch – das Lob von Herrn Katzidis in Richtung FDP war ja gerade sehr vergiftet –:

(Gregor Golland [CDU]: Was machen Sie sich denn Sorgen um die gute FDP?)

Für denjenigen, der wirklich einmal wegen der Bürgerrechte in diese FDP eingetreten ist, ist es jetzt aus meiner Sicht der Zeitpunkt, aus dieser Partei auszutreten. – Herzlichen Dank.

Zum Gesetzesentwurf der Landesregierung zum Verfassungsschutzgesetz

Verena Schäffer (GRÜNE): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Es geht bei diesem Gesetzentwurf im Wesentlichen um die Änderung der Befristung von drei Befugnissen im Verfassungsschutzgesetz.

Zum einen geht es um die Beobachtung der zugangsgesicherten Internetkommunikation. Da reden wir zum Beispiel über Chats, über Foren, von denen wir wissen, dass Terroristen oder andere Verfassungsfeinde diese nutzen, um zu kommunizieren. Sie tun das zum Beispiel nicht übers Telefon. Diese Chats werden auch genutzt, um etwa zu radikalisieren. Es ist immer die Frage: Kann der Verfassungsschutz sich da mit einschalten oder nicht?

Die andere Befugnis betrifft den Zahlungsverkehr und die Geldbewegungen – ebenfalls eine wichtige Befugnis des Verfassungsschutzes.

Bei der dritten Befugnis geht es um Auskünfte über Telekommunikationsverbindungs- und Nutzungsdaten.

Es geht um diese drei Befugnisse im Verfassungsschutzgesetz, die bis zum 1. Juni dieses Jahres befristet sind. Der Gesetzentwurf sieht jetzt vor, alle komplett zu entfristen.

Dazu will ich im Einzelnen sagen, dass die beiden letztgenannten Befugnisse, also die Geldbewegungen und die Telekommunikationsverbindungs- und Nutzungsdaten, schon mit dem Gesetz in 2002 eingeführt wurden. Herr Lürbke hat es richtig dargestellt, diese wurden bereits evaluiert. Es gibt sie also schon länger. Aus meiner Sicht ist die Entfristung hier unproblematisch, weil wohl allen klar ist, dass wir diese Befugnisse für den Verfassungsschutz weiter brauchen.

Auch bei der dritten Befugnis – Chats und Internetforen – kommen wir Grüne ebenfalls zu der Bewertung, diese Befugnis weiter zu brauchen. Auch dagegen stellen wir uns nicht. Ich will daran erinnern, wann diese Befugnis eingeführt worden ist. 2013 haben wir, SPD und Grüne, nach dem Versagen der Sicherheitsbehörden beim Fall NSU eine sehr umfassende Reform des Verfassungsschutzgesetzes vorgenommen. Wir haben also eine Komplettreform und Überarbeitung des Verfassungsschutzgesetzes vorgenommen und diese Befugnis damals richtigerweise eingeführt.

Ich halte diese Befugnis nach wie vor für richtig. Aber man muss auch feststellen: Sie ist bisher kein einziges Mal angewandt worden. Ich persönlich finde es falsch zu sagen: Okay, sie ist nie angewandt worden, wir brauchen sie weiterhin, also entfristen wir komplett. Man hätte hier eine weitere Befristung von fünf Jahren einführen und sagen können: In fünf Jahren schauen wir noch mal: Wie sieht die Evaluation aus? Wie oft ist das angewandt worden? Brauchen wir diese Befugnis – ja oder nein? Ist sie problematisch?

Auch der Evaluationsbericht kommt zu dem Ergebnis, dass wir hier über eine Maßnahme sprechen, die einen tiefen Grundrechtseingriff nach Art. 10 des Grundgesetzes beinhaltet.

Insofern fände ich es richtig, sich in fünf Jahren noch einmal anzuschauen, ob wir diese Befugnis brauchen oder nicht.

(Beifall von den GRÜNEN)

Ich möchte noch einen anderen Punkt ansprechen, der mich ein Stück weit irritiert. In der Begründung des Gesetzentwurfs steht, dass durch eine Entfristung der Befugnisse der Verfassungsschutz insgesamt gestärkt würde. Das finde ich ehrlich gesagt nicht nur übertrieben. Vielmehr finde ich, dass Befristung und Evaluation keine Schwächung der Sicherheitsbehörden darstellen. Befristungen sind auch keine Bürokratiemonster. Ganz im Gegenteil: Gerade da, wo es um Grundrechtseingriffe geht, müssen wir als Abgeordnete doch immer wieder hinschauen, ob die Behörden diese Befugnisse noch brauchen oder nicht, ob das das gerechtfertigt ist oder nicht. Daher finde ich es nicht richtig, die Befristung in diesem Punkt komplett zu streichen, und deshalb werden wir Grüne uns bei diesem Punkt enthalten.

Ich möchte noch einen weiteren Punkt ansprechen, nämlich die uns allen vorliegende Evaluation. Ich meine, dass sich ein Blick in diese Evaluation wirklich lohnt. Mit dieser Evaluation hat sich gezeigt, dass es gut ist, wenn Befugnisse der Behörde nicht nur von der Sicherheitsbehörde selbst evaluiert werden, wie es hier häufig der Fall ist, sondern wenn man externen unabhängigen Sachverstand wie Herrn Professor Wolff hinzuzieht, der sich das mit einer anderen Brille und unter einem anderen Blickwinkel anschaut. Das finde ich richtig, und das ist auch im Polizeigesetz zum Beispiel bei der Videoüberwachung so vorgesehen, dass unabhängige Sachverständige evaluieren sollen. Genau das ist der richtige Weg. Also, es lohnt sich, die Evaluation noch mal anzuschauen und es noch mal nachzulesen.

Das ist meiner Meinung nach der Weg, den wir gehen sollten, also nicht nur eine Evaluierung durch Sicherheitsbehörden, sondern auch durch Externe.

Zum Abstimmungsverhalten der Grünen habe ich bereits gesagt, dass wir uns in dieser Frage enthalten werden. – Herzlichen Dank.

Zum Gesetzentwurf der Fraktion der AfD/ Gefährdergesetz

Verena Schäffer (GRÜNE): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Sieveke und Herr Lürbke, dann bin ich einmal gespannt auf Ihren Gesetzentwurf. Ich freue mich jedenfalls schon auf die Diskussion, die wir dazu führen werden.

Jetzt aber erst einmal zum Gesetzentwurf der AfD-Fraktion: Zum einen ist schon die Beschreibung der Ausgangslage in Ihrem Gesetzentwurf schlichtweg falsch. Sie schreiben, dass es einen „unkontrollierten Zuzug von (islamischen) Gefährdern“ geben würde – ganz abgesehen davon, dass Sie mal wieder die Rhetorik bedienen, mit der Sie Stimmung gegen Flüchtlinge machen.

Zum anderen verkennen Sie völlig, dass die allermeisten Salafisten, die wir in Nordrhein-Westfalen haben, entweder deutsche Staatsangehörige sind

(Zuruf von der AfD)

oder Personen mit Migrationshintergrund, die zum Teil in Deutschland und in Nordrhein-Westfalen aufgewachsen sind.

Das Interessante ist doch Folgendes – das stellt man fest, wenn man sich einmal die Zahlen dazu anguckt –: Je stärker die Radikalisierung ist, je stärker die Gewaltbereitschaft ist, desto mehr steigt der Anteil derjenigen mit deutscher Staatsangehörigkeit. Bei den Salafisten insgesamt liegt der Anteil der Deutschen bei 44 %. Bei den gewaltorientierten Personen haben 59 % die deutsche Staatsangehörigkeit. Unter den Gefährdern sind sogar 64 % Deutsche.

Alles das kann man in den Antworten der Landesregierung auf meine Kleinen Anfragen vom August dieses Jahres nachlesen.

Damit will ich sagen, dass man sich viel stärker damit beschäftigen muss, warum sich denn bestimmte Personen, die in Deutschland leben und hier aufgewachsen sind, radikalisieren und diesen Weg einschlagen.

(Beifall von den GRÜNEN – Markus Wagner [AfD]: Warum denn?)

Wir müssen uns viel stärker mit Prävention auseinandersetzen. Es reicht nicht, das immer nur auf das Ausländerrecht zu schieben oder so, wie Sie es tun, gegen Ausländer zu hetzen.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Vizepräsident Oliver Keymis: Frau Schäffer, gestatten Sie eine Zwischenfrage von Herrn Wagner?

Verena Schäffer (GRÜNE): Nein, ich möchte keine Zwischenfrage … Ich vermute, von der AfD?

(Markus Wagner [AfD]: Das könnte gefährlich werden, oder?)

Vizepräsident Oliver Keymis: Ja, von Herrn Wagner.

Verena Schäffer (GRÜNE): Von der AfD möchte ich keine Zwischenfrage zulassen.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Aber auch die Annahme, die Sie hier aufführen, dass die Sicherheitskräfte nur auf Straftaten reagieren würden, ist falsch.

(Markus Wagner [AfD]: Was hat denn der Gefährderstatus mit der Nationalität zu tun?)

Wenn Sie das glauben, würde ich Ihnen empfehlen, einmal einen Blick in das Verfassungsschutzgesetz zu werfen. Sie sind ja sogar Mitglied im Parlamentarischen Kontrollgremium. Da können Sie ja noch einmal nachlesen, was die Aufgaben und Befugnisse des Verfassungsschutzes als einer der Sicherheitsbehörden in Deutschland sind.

Aber nun zum eigentlichen Gesetzentwurf: Wie schon gesagt worden ist, haben Sie hier abgeschrieben und mal wieder keine eigenen Gedanken darauf verwendet. Das kennen wir von Ihnen ja. In diesem Fall haben Sie aus dem bayerischen Gesetz abgeschrieben.

Zum bayerischen Gesetz ist vielleicht noch zu sagen, dass dieses Gesetz vehement und sehr scharf von Verfassungsrechtlern

(Zuruf von Dr. Christian Blex [AfD])

und vielen anderen Personen – wie ich finde, zu Recht – kritisiert wurde, weil es an vielen Stellen wirklich unverhältnismäßig ist und tief in die Grundrechte eingreift. Das nehmen Sie hier so auf.

(Markus Wagner [AfD]: Was ist denn mit den Grundrechten der Opfer?)

Sie nennen Ihr Gesetz „Gefährdergesetz“. Sie liefern aber keine Definition des Gefährders. Ich fände es richtig, eine rechtliche Definition des Gefährders zu schaffen und das zu normieren. Auch das haben wir Grüne in der letzten Legislaturperiode gefordert, weil es nicht sein kann, dass von den Sicherheitsbehörden hier ein Begriff geschaffen wird, der überhaupt nicht rechtlich definiert und normiert ist.

(Markus Wagner [AfD]: Warum haben Sie das denn dann nicht gemacht? Sie waren doch in der Regierung!)

Insofern wäre es sogar richtig, das zu tun. Das bleiben Sie schuldig. Das machen Sie nicht.

Sie schlagen einen § 8 Abs. 4 vor, der aus meiner Sicht aber nicht nur ungeeignet, sondern auch völlig unbestimmt ist. Sie schreiben, dass die drohende Gefahr eine Voraussetzung für entsprechende Befugnisse der Polizei sein sollte. Unseres Erachtens erfüllt das in keiner Weise die strengen Voraussetzungen, die sich aus dem im letzten Jahr ergangenen Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum BKA-Gesetz ergeben. Sie bleiben weit dahinter zurück. Aus meiner Sicht ist das verfassungsrechtlich so nicht machbar.

Sie schaffen hier auch Kriterien, die ich für fraglich halte. Sie schreiben, die Polizei solle Befugnisse bekommen, wenn Sachen, deren Erhalt in einem besonderen öffentlichen Interesse stehen, oder erhebliche Eigentumspositionen oder die sexuelle Selbstbestimmung gefährdet sind. Ich muss ganz ehrlich sagen: Das ist so etwas von unbestimmt! Nach Ihrem Gesetzentwurf würde das im Endeffekt bedeuten, dass die Polizei jedem, der in absehbarer Zeit wo-möglich vorhat – wir befinden uns also weit im Vorfeld –, eine sexistische Beleidigung auszusprechen, eine Fußfessel anlegen und ihn in Präventivhaft nehmen könnte.

(Thomas Röckemann [AfD]: Sie müssen aber schon lesen! – Markus Wagner [AfD]: Ein bisschen lesen schadet nicht! Haben Sie sich den Gesetzentwurf überhaupt einmal durchgelesen?)

– Ja, ich habe ihn gelesen.

(Markus Wagner [AfD]: Das ist ja völlig lächerlich!)

– Vielleicht hören Sie mir einmal zu. – Sie instrumentalisieren hier wieder einmal die Rechte von Frauen für Ihre völlig unverhältnismäßigen Forderungen.

(Markus Wagner [AfD]: Sie haben überhaupt keine Ahnung, wovon Sie da reden! Das ist beschämend!)

Sie spielen sich hier als Retter der Frauenrechte auf. Das nimmt Ihnen nach Ihren vielen antifeministischen Ausfällen, die wir hier erlebt haben, wirklich keiner ab.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD – Markus Wagner [AfD]: Typisch Grüne: Nix wissen, aber viel reden!)

Ich möchte noch zum Thema „Präventivhaft“ oder „Präventivgewahrsam“ kommen. Eine Erweiterung des Präventivgewahrsams auf drei Monate halte ich für verfassungsrechtlich unzulässig. Sie können doch nicht ernsthaft fordern, dass Personen, die noch nicht einmal eine Straftat begangen haben – wir haben keine Verurteilung und nichts; wir haben nur eine Annahme, dass gegebenenfalls irgendwann einmal etwas passieren könnte –, weggesperrt werden. Nach Ihrem Gesetzentwurf könnte man diese Menschen theoretisch sogar jahrelang wegsperren. Dieser Polizeigewahrsam ist so ein tiefer Grundrechtseingriff, dass man doch nicht ernsthaft davon ausgehen kann, dass das dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit genügt.

Zur Fußfessel: Ja, die Fußfessel kann im Einzelfall ein polizeiliches Instrument sein. Aber in der Regel ist es so, dass die Fußfessel völlig ungeeignet ist. Niemand glaubt doch ernsthaft, dass eine Fußfessel einen Terroristen davon abhält, eine terroristische Tat zu begehen – genauso wenig wie eine Videokamera.

(Thomas Röckemann [AfD]: Deshalb wollen wir sie ja auch einsperren!)

Es gibt ja sogar ein furchtbares Beispiel von einem Terroristen, der mit Fußfessel einen Anschlag begangen hat. Im Juli 2016 wurde der Anschlag in einer Kirche in Nordfrankreich von zwei Attentätern begangen. Ein Täter trug dabei eine Fußfessel.

(Zuruf von Markus Wagner [AfD])

Die Fußfessel hat ihn in keiner Weise davon abgehalten, diesen furchtbaren Anschlag zu begehen. Insofern ist auch das ziemlich viel Placebo, ziemlich viel Aktionismus und Scheinpolitik.

(Dr. Christian Blex [AfD]: Sie machen gar nichts!)

Die aktuellen Berichte im Zusammenhang mit der Einführung der Fußfessel im BKA-Gesetz zeigen auch, dass sie dort überhaupt nicht angewandt wird und insofern auch nicht geeignet ist.

Wenn Sie jetzt zu Recht fragen: „Was wollen Sie denn eigentlich?“, sage ich Ihnen: Wir Grüne haben viele Vorschläge gemacht.

(Zuruf von Dr. Christian Blex [AfD])

Wir haben das in der letzten Legislaturperiode getan. Wir haben das im Wahlprogramm gemacht. Ich habe einen aktuellen Antrag dazu eingebracht.

Was gegen salafistischen Terrorismus aus meiner Sicht wirklich hilft, sind

(Thomas Röckemann [AfD]: Weniger Salafisten!)

gut ausgestattete Behörden, der gute Austausch zwischen den Sicherheitsbehörden in Europa und eine bessere Risikoanalyse – Stichwort „Allgemeinkriminalität“, über die wir immer noch viel zu wenig wissen und bei der wir immer noch zu wenig hingucken –, aber auch die Präventionsarbeit.

Die Prävention muss aus meiner Sicht verstärkt, verbessert und ausgebaut werden. Die hier im Gesetzentwurf der AfD …

(Beifall von den GRÜNEN – Markus Wagner [AfD]: Wir reden hier nicht über Prävention! Wir sprechen hier von Gefährdern!)

– Jetzt hören Sie mir doch einmal zu. Es nervt wirklich, dass Sie überhaupt nicht zuhören können, sondern immer nur reinrufen.

(Markus Wagner [AfD]: Weil Sie nicht bereit sind, Zwischenfragen zuzulassen!)

– Wenn Sie Abgeordnete sind, nehmen Sie Ihre Aufgabe doch auch einmal ernst, hören zu und setzen sich mit den Argumenten auseinander, Herr Wagner,

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

anstatt hier immer reinzubrüllen, und zwar völlig am Thema vorbei.

(Markus Wagner [AfD]: Sie haben Angst vor Argumenten! Sie können mit Argumenten nicht umgehen! – Weitere Zurufe von der AfD)

– Es nervt wirklich. Es sind keine ständigen Beschimpfungen. Es ist eine Auseinandersetzung mit dem Thema. Wenn ich mich damit auseinandersetze, erwarte ich auch, dass die antragstellende Fraktion sich die Argumente anhört, darauf eingeht und diskutiert.

(Zuruf von Sven Werner Tritschler [AfD])

Sie brüllen hier immer dumm rein. Das nervt einfach nur noch.

(Beifall von den GRÜNEN, der CDU und der SPD)

Um es abschließend noch einmal zu sagen: Die Forderungen, die Sie in Ihrem Gesetzentwurf aufführen, sind aus meiner Sicht weder geeignet noch verhältnismäßig. Deshalb werden wir diesem Gesetzentwurf nicht zustimmen; wir werden ihn ablehnen. – Der Überweisung in den Ausschuss stimmen wir selbstverständlich zu.

(Beifall von den GRÜNEN)

Newsletter: Aktivitäten gegen Rechtsextremismus Oktober 2017

Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Freundinnen und Freunde,

wie im letzten Newsletter versprochen, möchte ich hiermit kurz über die Ergebnisse meiner Kleinen Anfrage zu antimuslimischen Straftaten berichten sowie die gemeinsame Pressemitteilung mit meiner Kollegin Berivan Aymaz zur heutigen Vorstellung des Verfassungsschutzberichts weiterleiten.

Kleine Anfrage zu antimuslimischen Straftaten

Seit dem 1.1.2017 werden in der Statistik zur politisch motivierten Kriminalität (PMK) auch antimuslimische Straftaten unter dem Unterthema „islamfeindlich“ erfasst. Nachdem Zivilgesellschaft, Wissenschaft und Teile der Politik über viele Jahre diese gesonderte Erfassung analog zu antisemitischen oder homophoben Straftaten gefordert haben, liegen nun erstmals Zahlen zu antimuslimischen Straftaten in Nordrhein-Westfalen vor.

Im ersten Halbjahr 2017 wurden bereits 93 Straftaten dem Unterthema „islamfeindlich“ zugeordnet. 88 dieser Straftaten hatten einen rechtsextremen Hintergrund, zwei sind der PMK Religiöse Ideologie, eine der PMK Ausländische Ideologie und weitere zwei der Kategorie PMK Sonstige zugeordnet worden. Die vier aufgeführten Gewalttaten sind alles Straftaten der PMK Rechts. Unter den Gewalttaten ist auch ein Brandanschlag auf eine Moschee in Bielefeld erfasst. Daneben wurden drei Körperverletzungen gezählt. Den größten Teil der Straftaten machen Volksverhetzungen (48) aus. Beleidigungen (17) und Sachbeschädigungen (14) fanden ebenfalls häufig statt. In Duisburg (12), Köln (11), Herne (8), Remscheid (8) und Essen (7) wurden die meisten Straftaten verzeichnet. Bisher sind nur zwei Tatverdächtige zu diesen Straftaten festgenommen worden, beide waren weiblich.

Zu Ermittlungsverfahren wegen islamfeindlicher Straftaten konnte die Landesregierung keine Angaben machen. Hierzu müsse das EDV-System der Staatsanwaltschaften angepasst werden, was eine bundesweite Abstimmung erfordere. Hierzu werden wir im nächsten Rechtsausschuss am 8. November noch einmal nachhaken.

Ein Vergleich der Zahlen ist noch nicht möglich, da die Statistik erst mit Beginn des Jahres geführt wird. Doch seit einigen Jahren liegen Zahlen zu Angriffen auf Moscheen vor. Für das Jahr 2016 wurden in NRW 21 Straftaten gegen Moscheen gezählt. Angesichts der großen Diskrepanz zu den 93 Straftaten allein für das erste Halbjahr 2017, die eben auch Angriffe gegen Personen und Volksverhetzungen abbilden, wird deutlich, wie notwendig die Einführung des Unterthemas war. Dabei müssen wir davon ausgehen, dass auch es hier noch eine Dunkelziffer gibt, da nicht jede Straftat zur Anzeige gebracht wird.

Im Anhang füge ich die Antwort auf meine Kleine Anfrage bei, sie ist gleichlautend auch hier zu finden: https://www.landtag.nrw.de/portal/WWW/dokumentenarchiv/Dokument/MMD17-697.pdf

Pressemitteilung zum Verfassungsschutzbericht 2016

Der Innenminister hat heute den Verfassungsschutzbericht 2016 vorgestellt. Meine Kollegin Berivan Aymaz und ich haben dazu und den Ankündigungen von Herrn Reul heute folgende Pressemitteilung veröffentlicht: http://gruene-fraktion-nrw.de/detail/nachricht/schaefferaymaz-landesregierung-muss-eine-zentrale-anlaufstelle-fuer-alle-bespitzelten-buerger-scha.html

Für Nachfragen stehen unsere wissenschaftliche Mitarbeiterin für Strategien gegen Rechtsextremismus, Hasret Karacuban (Hasret.Karacuban@landtag.nrw.de, 0211 884 4321), und ich gerne zur Verfügung.

Herzliche Grüße aus dem Landtag

Verena Schäffer

Pressemitteilung: Schäffer/Aymaz: Landesregierung muss Gesamtstrategie gegen Gewaltbereitschaft und eine zentrale Anlaufstelle für alle bespitzelten Bürger schaffen

Zur Vorstellung des Verfassungsschutzberichts und den Ankündigungen des Innenministers erklären Verena Schäffer, Parlamentarische Geschäftsführerin und innenpolitische Sprecherin, sowie Berivan Aymaz, Sprecherin für Internationales und Integration der GRÜNEN Fraktion im Landtag NRW:

Verena Schäffer: „Der massive und sprunghafte Anstieg der Straftaten der „Politisch motivierten Kriminalität – Rechts“ in den Jahren 2015 und 2016 ist besorgniserregend. Obwohl die Straftaten im ersten Halbjahr 2017 etwas zurückgegangen sind, geht selbst der Verfassungsschutz davon aus, dass es im zweiten Halbjahr keinen weiteren Rückgang geben wird. Zum rechtsextremen Spektrum hinzugekommen sind die Reichsbürger und die Identitäre Bewegung, die stark ideologisiert, offensiv und auch gewaltbereit auftreten. Die Sicherheitsbehörden müssen weiter für eine Aufhellung des Dunkelfeldes sorgen.

Auch im Bereich des Neosalafismus besteht weiterhin eine große Gefahr. Trotz der militärischen Zurückdrängung des IS in Syrien und im Irak wächst die Szene in Deutschland weiterhin. Dabei ist auffällig, dass immer jüngere Personen und immer mehr Frauen und Mädchen sich der neosalafistischen Szene anschließen. Der Ausbau der von Rot-Grün eingerichteten Wegweiser-Beratungsstellen ist richtig. Doch die Präventionsarbeit in diesem Bereich muss deutlich ausgebaut und dabei stärker auf junge Frauen ausgerichtet werden.

Dass es Handlungsbedarf in Bezug auf linke Gewalt gibt, ist unbestritten. Doch selbst Herr Reul ist der Auffassung, dass ein Aussteigerprogramm Linksextremismus große Schwierigkeiten haben wird, mögliche Teilnehmer anzusprechen. Dazu hat er auch allen Grund: Das Aussteigerprogramm Linksextremismus des Bundes hatte im letzten Jahr lediglich sieben Anrufe. Die CDU lässt sich hier von der AfD treiben und verharmlost rechtsextreme Gewalt, indem sie Links- und Rechtsextremismus gleichsetzt. Sie sollte sich stattdessen differenziert mit den einzelnen Phänomenen auseinandersetzen und darüber wirksame Strategien entwickeln.

Innenminister Reul fehlt die Gesamtstrategie, wie er der Gewaltbereitschaft in allen Phänomenbereichen wirksam begegnen will. Das ist angesichts der hohen Zahl politischer Straftaten unverantwortlich.“

Berivan Aymaz: „Auf unsere Nachfrage hat das Innenministerium im August bekannt gemacht, dass allein der türkische Geheimdienst mindestens 173 Menschen in NRW im Visier hat. Es ist gut, dass die Landesregierung nun reagiert und gefährdeten Mitarbeitern Verhaltenshinweise vor Türkei- und Russlandreisen an die Hand gibt. Ein Erlass allein reicht aber nicht aus.

Bekanntlich bespitzeln die türkischen Sicherheitsbehörden nicht nur Landesbeschäftigte, sondern auch andere Menschen mit Türkeibezug in Nordrhein-Westfalen. Die Landesregierung hat eine Informationspflicht gegenüber allen Bürgern. Der Innenminister muss eine zentrale Anlaufstelle für alle Nordrhein-Westfalen einrichten, die sich Verfolgung ausgesetzt sehen und Informationsbedarf haben. Das Auswärtige Amt muss zudem endlich offiziell eine Reisewarnung für die Türkei aussprechen.“