Interview anlässlich des Jahrestags der Aufdeckung des NSU

Die Pressestelle der Grünen Landtagsfraktion hat meinen Kollegen Arif Ünal und mich anlässlich des Jahrestags der Aufdeckung des rechtsterroristischen NSU zum aktuellen Stand der Arbeit im NSU-Untersuchungsausschuss des Landtags interviewt:

Vor vier Jahren enttarnte sich das rechtsterroristische Netzwerk NSU, das in den dreizehn Jahren zuvor unentdeckt zahlreiche Verbrechen begangen hatte. Gerade die rassistisch motivierten Morde und die beiden Sprengstoffanschläge in Köln haben die Menschen tief erschüttert. Dieses Ausmaß rechter Gewalt und das gezielte Vorgehen konnte sich kaum jemand vorstellen. Aktuell erleben wir, dass die Zahl rechtsextremer und rassistischer Gewalttaten, insbesondere gegen Geflüchtete, wieder massiv steigt.

Ende letzten Jahres hat der Landtag einen Untersuchungsausschuss zur Aufklärung der NSU-Taten in NRW eingesetzt. Welche Erkenntnisse hat der Ausschuss bereits gewonnen?

Arif Ünal:  Wir befinden uns zurzeit mitten in der Phase der Zeugenbefragungen und können noch keine abschließenden Bewertungen abgeben. Aber gerade im Falle des Anschlags in der Probsteigasse im Jahr 2001 stellen wir fest, dass sich mehr neue Fragen ergeben, als wir Antworten finden können. So haben die Ermittlungsbehörden seit der NSU-Aufdeckung noch immer nicht klären können, warum die Rechtsterroristen ausgerechnet diesen kleinen Laden als Ziel aussuchten, der sich in einer für Ortsfremde sicherlich nicht bekannten Straße befindet. Deutlich wurde auch, dass für eine Täterschaft von Böhnhardt oder Mundlos nur Indizien und keine handfesten Beweise vorhanden sind. Wir müssen also weiterhin die Frage nach lokalen Helfern aufwerfen. Unklar bleibt, warum der nordrhein-westfälische Verfassungsschutz sich zu keinem Zeitpunkt vor 2011 mit dem Anschlag befasst hat.

Dass der polizeiliche Staatsschutz im Jahr 2001 nicht in die Ermittlungen einbezogen war und dass die Ermittler damals keine Verbindung zu drei ähnlichen Bombenanschlägen gezogen haben, die in den Jahren 1992 und 1993 in Köln verübt wurden, ist nicht nachvollziehbar. Vor allem ein im Dezember 1992 gegen eine türkische Familie gerichteter Anschlag in Köln-Ehrenfeld weist große Parallelen zum Anschlag in der Probsteigasse auf.

Der Anschlag in der Kölner Keupstraße ist von den Ermittlungsbehörden nicht als möglicher rechtsterroristischer Anschlag eingeordnet worden. Dass man damals in „alle Richtungen“ ermittelt habe, widerspricht unserem Eindruck, dass die Ermittlungen sich schwerpunktmäßig gegen „organisierte Kriminalität“ richteten.

Welche Themenkomplexe wird der NSU-Untersuchungsausschuss als nächstes behandeln?
Verena Schäffer: Die Kölner Bombenanschläge werden uns auch in der kommenden Zeit noch beschäftigen, da uns im September die Spurenakten des Ermittlungsverfahrens Keupstraße noch nicht vorlagen. Außerdem ist bezüglich der Probsteigassen-Ermittlungen nach Enttarnung des NSU noch unklar, welche Rolle der Neonazi Johann H. spielte. Im Januar werden wir uns dann dem Mord an dem Dortmunder Kioskbesitzer Mehmet Kuba??k im Jahr 2006 zuwenden. Hierbei geht es uns vor allem darum, zu untersuchen, ob die zuständigen Sicherheitsbehörden im Bereich der lokalen Neonazistrukturen ermittelten und ihre Erkenntnisse weitergaben. Denn nach wie vor ist nicht geklärt, ob es vor Ort ein Unterstützernetzwerk des NSU gab. Außerdem wollen wir Verbindungen zwischen den Neonazi-Szenen in Dortmund und Kassel herausarbeiten, wo wenige Tage nach der Dortmunder Tat Halit Yozgat in seinem Internetcafé erschossen wurde.

Im Untersuchungsausschuss wurden auch Betroffene des Bombenanschlags in der Kölner Keupstraße als Zeugen gehört. Was nehmt ihr aus diesen Zeugenvernehmungen mit?
Arif Ünal: In erster Linie wurde deutlich, dass die „Kriminalisierung“ der Keupstraße nach dem Anschlag immense Spuren bei den Betroffenen hinterlassen hat. Die Zeugen haben deutlich geschildert, dass sie sich von der Polizei nicht als Opfer sondern vielmehr wie Täter oder Mitwisser behandelt fühlten. Das Vertrauen in die Sicherheitsbehörden und Politik wurde zutiefst erschüttert. Auch wenn sich vereinzelte Akteure im Nachhinein für die Ermittlungsfehler entschuldigt haben, werden warme Worte alleine nicht ausreichen. Die Betroffenen erwarten eine lückenlose Aufklärung und schöpfen auch Hoffnung aus unserer Arbeit als Untersuchungsausschuss. Es ist nach wie vor unerklärlich, warum die Sicherheitsbehörden trotz vieler Indizien und Hinweise seitens der Betroffenen in der Kölner Keupstraße nicht konsequent in Richtung eines rassistischen Tatmotivs ermittelt haben. Hier sind wir als Ausschussmitglieder gefragt, dieser verzerrten Wahrnehmung intensiv nachzugehen, sowie systematische Fehler und rassistische Denkmuster zu identifizieren.

Welche Konsequenzen müssen aus dem Versagen der Sicherheits- und Justizbehörden gezogen werden? Sind davon bereits Maßnahmen umgesetzt worden?


Verena Schäffer:
 Solche Maßnahmen zu erarbeiten, ist neben der Aufklärung Aufgabe des Untersuchungsausschusses. Aus meiner Sicht müssen die Menschenrechtsbildung und interkulturelle Kompetenzen fester Bestandteil der Aus- und Fortbildung sein. Bei den Ermittlungsbehörden müssen wir mehr Menschen mit Migrationshintergrund einstellen, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für die Themen Rassismus und Rechtsextremismus sensibilisieren. Den Austausch der Behörden mit zivilgesellschaftlichen Initiativen gegen Rechtsextremismus wollen wir stärken. Vor drei Jahren haben wir bereits ein Gesetz verabschiedet, dass mehr Kontrolle des Verfassungsschutzes ermöglicht und seine Aufgaben auf gewaltbereite verfassungsfeindliche Gruppierungen fokussiert.

NSU-Untersuchungsausschuss vernimmt im August erste ZeugInnen

Am 19. August wird der NSU-Untersuchungsausschuss des Landtags Nordrhein-Westfalen mit der Beweisaufnahme zum Bombenanschlag in der Kölner Probsteigasse beginnen. Seit seiner Einsetzung hatten sich die Abgeordneten und MitarbeiterInnen in Expertenanhörungen zunächst mit der Entwicklung des Rechtsextremismus in NRW sowie rechtsextremen Gruppierungen und Einzelpersonen auseinandergesetzt.

Dabei hat die GRÜNE Fraktion auch den institutionalisierten Rassismus zum Thema gemacht, der aus unserer Sicht den Umgang mit den Opfern und Angehörigen prägte.

Ziel des NSU-Untersuchungsausschusses ist es, mögliche Versäumnisse bei den Ermittlungen zu den NSU-Verbrechen in NRW aufzuklären. Die Anschläge in der Probsteigasse und der Keupstraße in Köln sowie die Ermordung des Dortmunders Mehmet Kuba??k werden dem NSU zugerechnet. Auch der Anschlag am Düsseldorfer Wehrhahn, der sich kürzlich zum 15. Mal jährte, die Morde des Neonazis Michael Berger am 14. Juni 2000 in Dortmund und Waltrop sowie die Tätigkeit und Todesumstände des V-Manns „Corelli“ sind Teil des Untersuchungsauftrags.

Bis zum Jahresende wird sich der Untersuchungsausschuss schwerpunktmäßig mit den beiden Bombenanschlägen in Köln beschäftigen. Am 19. Januar 2001 explodierte in einem kleinen Lebensmittelgeschäft in der Probsteigasse eine einige Wochen zuvor dort hinterlassende Sprengfalle und verletzte die Tochter des Inhabers schwer. Eine zentrale Frage der GRÜNEN Fraktion ist, warum die TäterInnen ausgerechnet einen Laden als Anschlagsziel wählten, bei dem von außen nicht erkennbar war, dass er von einer iranischen Familie betrieben wird. Außerdem stellt sich die Frage, wer die Bombe im Geschäft ablegte. Denn die Beschreibungen von AugenzeugInnen stimmen nicht mit dem Aussehen von Uwe Böhnhard und Uwe Mundlos überein.

Vielmehr weist ein 2001 erstelltes Phantombild eine gewisse Ähnlichkeit mit H. auf, dem stellvertretenden Kameradschaftsführer der „Kameradschaft Köln“. Diese Ähnlichkeit meldete der nordrhein-westfälische Verfassungsschutz den Ermittlungsbehörden erst im Februar 2012. Die „Welt am Sonntag“ bezeichnete H. kürzlich als „geheimen Mitarbeiter“ des Verfassungsschutzes. Sollte sich herausstellen, dass dieser zum Zeitpunkt des Anschlags in der Probsteigasse tatsächlich ein V-Mann des NRW-Verfassungsschutzes war, drängt sich die Frage auf, warum der Verfassungsschutz der Polizei nicht bereits im Jahr 2001 dessen Ähnlichkeit mit dem Phantombild mitteilte. Dies hätte bei den Ermittlungen 2001 möglicherweise ein entscheidender Hinweis sein können, um einen rassistischen Hintergrund der Tat ebenso in den Blick zu nehmen wie die lokale Neonazi-Szene. H. wurde vom Ausschuss ebenso als Zeuge geladen wie die damalige Leiterin der Verfassungsschutzabteilung, Mathilde Koller, und Innenminister a.D. Fritz Behrens.

Ab September wird sich der Untersuchungsausschuss dann mit dem Nagelbombenanschlag 2004 in der Keupstraße beschäftigen. Wie bei keiner anderen dem NSU zugerechnete Tat drängte sich hier ein möglicher rechtsterroristischer beziehungsweise rassistischer Hintergrund geradezu auf, zumal andere Ermittlungshypothesen, die das Motiv der Tat bei den Opfern und AnwohnerInnen der Keupstraße suchten, ohne Ergebnisse blieben.

Pressemitteilung: Salafismus und Rechtsextremismus bleiben Gefahr für innere Sicherheit

Zum Verfassungsschutzbericht 2014 erklärt Verena Schäffer, stellvertretende Fraktionsvorsitzende und innenpolitische Sprecherin der GRÜNEN Fraktion im Landtag NRW:

„Der Verfassungsschutzbericht zeigt, dass der gewaltbereite Salafismus und der Rechtsextremismus ernstzunehmende Gefahren für die Demokratie in NRW bleiben. In der Auseinandersetzung mit beiden Phänomenen kommt der aktiven Zivilgesellschaft eine zentrale Bedeutung zu.

Nicht zuletzt die Anschläge von Paris und Kopenhagen haben gezeigt, welche Gefahr von der salafistischen Szene auch in Westeuropa ausgeht. Deshalb haben wir die Polizei und den Verfassungsschutz in ihrer Arbeit gegen den gewaltbereiten Salafismus gestärkt. Neben repressiven Mitteln brauchen wir aber auch eine starke Präventionsarbeit. Dazu gehört die Forderung von Grünen und SPD in Richtung der Landesregierung, ein ganzheitliches Handlungskonzept gegen den gewaltbereiten und verfassungsfeindlichen Salafismus aufzulegen. Die gut angelaufenen Wegweiser-Beratungsstellen sind ebenso wie das erst im Oktober 2014 gestartete Aussteigerprogramm Islamismus wichtige Bausteine von Prävention und Deradikalisierung. Die Präventionsarbeit insgesamt muss insbesondere Frauen im Blick haben, deren Anzahl im salafistischen Spektrum immer weiter ansteigt.

Auch im Bereich des Rechtsextremismus bleibt das Gefahrenpotenzial hoch. Die Anzahl rechter Straftaten ist erschreckenderweise erneut gestiegen. Der deutliche Anstieg von Angriffen auf Flüchtlingsunterbringen und Moscheen ist auch das Ergebnis der rassistischen Propaganda von rechtsextremen und rechtspopulistischen Akteuren, wie Die Rechte, Pro NRW und Teilen der AfD sowie der Pegida-Demonstrationen. Vor diesem Hintergrund ist es richtig, mit einem weiteren Rechtsgutachten zu prüfen, ob Die Rechte als Partei anzusehen ist und welche Möglichkeiten für ein Verbot gegeben sind.“

Meine Rede zum Antrag von SPD und GRÜNEN „Salafismusprävention als gesamtgesellschaftliche Aufgabe“

Drucksache 16/8106 sowie dem Entschließungsantrag der Piraten Drucksache 16/8226

Verena Schäffer (GRÜNE): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Zahl der Anhängerinnen und Anhänger des gewaltbereiten, verfassungsfeindlichen Salafismus ist in den letzten Jahren bundesweit, aber auch in Nordrhein-Westfalen sprunghaft angestiegen. Aktuell gehen die Sicherheitsbehörden davon aus, dass es bundesweit etwa 7.000 gewaltbereite Salafisten gibt, davon rund 1.900 Personen in Nordrhein-Westfalen. Dieser Trend, der sich für Deutschland abzeichnet, ist nicht nur ein deutscher Trend, sondern spiegelt sich auch in anderen westeuropäischen Ländern wider.

Aus Nordrhein-Westfalen sind schon über 150 Personen ausgereist, um sich an den grausamen Kampfhandlungen in Syrien und im Irak zu beteiligen. Besonders die Rückkehrerinnen und Rückkehrer stellen für uns eine ganz konkrete Gefahr dar, weil sie häufig traumatisiert, verroht und im Umgang mit Waffen geschult sind.

In dieser Plenarwoche diskutieren wir sehr viel über das Thema: über den Nachtragshaushalt nach der veränderten Sicherheitslage, über mehr Stellen bei Polizei und Verfassungsschutz. Die personelle Verstärkung bei den Sicherheitsbehörden ist aus grüner Sicht notwendig, reicht aber nicht aus, um die gesellschaftspolitische Dimension, die eigentlich hinter dem Thema steckt, anzugehen und ihr gerecht zu werden.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)

Für uns stellt sich ganz konkret die Frage: Warum fühlen sich junge Menschen in dieser Demokratie, in dieser demokratischen Gesellschaft nicht aufgehoben? Warum wenden sie sich davon ab? Unser Ziel muss es sein, den Zulauf zur salafistischen Szene zu stoppen. Deshalb sind die verschiedenen Ministerien der Landesregierung aufgefordert, ihre bereits vorhandenen Maßnahmen sowie neue Maßnahmen zusammenzubinden, eine abgestimmte ganzheitliche Strategie zu entwickeln und koordiniert vorzugehen.

Deshalb sagen wir: Wir brauchen ein ganzheitliches Handlungskonzept zur Prävention gegen den gewaltbereiten Salafismus.

(Beifall von den GRÜNEN)

Ich hatte bereits gesagt, dass es schon Aktivitäten gibt. Das hat auch die schriftliche Unterrichtung der Landesregierung von Oktober 2014 deutlich gemacht. Es gibt Maßnahmen wie zum Beispiel das Projekt „Wegweiser“ mit Beratungsstellen, die in Bonn, Bochum und Düsseldorf schon laufen. Ihre Aufgabe ist es, Eltern, Lehrkräfte und andere Personen zu beraten und sich radikalisierende junge Menschen aufzufangen und zu betreuen.

Uns ist hierbei die Zusammenarbeit mit den muslimischen Gemeinden vor Ort wichtig. Und es wird eine Ausweitung dieser Beratungsstellen auf weitere Städte geben: auf Köln, Dortmund, Duisburg, Dinslaken und auch in das Bergische Land.

Man kann sicherlich darüber diskutieren, wo dieses Projekt am besten zugehörig ist. Ob der Verfassungsschutz der richtige Ort ist, darüber diskutieren wir Grüne auch immer gern. Nichtsdestotrotz bin ich erst mal froh, dass es das Projekt gibt und dass der Verfassungsschutz die Initiative ergriffen und angefangen hat, solche Beratungsstellen zur Verfügung zu stellen.

(Vereinzelt Beifall von den GRÜNEN)

Damit sind wir auch bundesweit einen wichtigen Schritt vorangegangen. Nicht umsonst übernehmen auch andere Bundesländer, wie zum Beispiel das Land Niedersachsen, diesen Gedanken.

Eine weitere wichtige Maßnahme im Bereich der tertiären Prävention, ebenfalls vom Verfassungsschutz durchgeführt, ist das Aussteigerprogramm, das im letzten Jahr gestartet wurde. Auch das halte ich für notwendig und richtig.

Aber aus unserer Sicht gibt es auch in weiteren Bereichen noch Handlungsbedarf, zum Beispiel bei den Justizvollzugsanstalten, wo es darum gehen muss, Radikalisierungen von Inhaftierten zu vermeiden oder radikalisierte inhaftierte Salafisten zu resozialisieren. Wir brauchen etwa die Sensibilisierung durch Fortbildung bei JVA-Bediensteten, wir brauchen Anti-Gewalt-Trainings, wir brauchen die proaktive Ansprache bezüglich des Aussteigerprogramms.

Uns Grünen ist auch wichtig, die muslimische Seelsorge in den JVAs auszubauen – nicht nur als Deradikalisierungsmaßnahme, sondern auch, weil wir der Meinung sind, dass muslimische Inhaftierte eine Betreuung von Angehörigen ihrer Glaubensgemeinschaft bekommen sollten. Insofern legen wir auch hierauf einen Schwerpunkt.

Außerdem brauchen wir – das halte ich für wesentlich – die Forschung zum gewaltbereiten Salafismus: zu Radikalisierungsverläufen, zur Motivation, zur Rolle von Frauen und Mädchen im gewaltbereiten Salafismus. Denn wir haben derzeit in Deutschland quasi keine eigenständige Forschung zu diesem Phänomen. Wir stützen uns immer auf die Annahmen der Sicherheitsbehörden. Das reicht uns aber nicht. Wir brauchen die eigenständige Forschung und wollen diese anstoßen.

Bei all diesen Maßnahmen, die ich genannt habe – das ist nur ein Bruchteil der Maßnahmen, die im Antrag stehen –, ist uns wichtig, nie den Blick auf die Frauen und Mädchen zu verlieren. Denn Frauen und Mädchen stellen im Salafismus mindestens 10 % der Anhängerinnen und Anhänger. Das ist viel. Bei den Ausgereisten sind es noch mal mehr.

Es darf uns hier nicht das passieren, was uns im Rechtsextremismus passiert ist, dass nämlich die Rolle von Frauen im Rechtsextremismus lange Zeit verharmlost wurde. Das darf nicht im Salafismus geschehen. Hierauf müssen wir einen Blick werfen und auch die Rolle von Frauen im Auge behalten.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)

Wir stehen für einen Mix aus Prävention, Intervention und Repression. Ich würde mich freuen, wenn sowohl der Nachtragshaushalt als auch dieser Antrag eine breite Mehrheit in diesem Hause finden würden. – Danke schön.

(Beifall von den GRÜNEN)

 

Newsletter: Kommunalinfo über Aktivitäten der Landtagsfraktion gegen gewaltbereiten Salafismus

Liebe Freundinnen und Freunde,

wir möchten Euch in diesem Newsletter über die Aktivitäten der GRÜNEN Landtagsfraktion im Bereich des verfassungsfeindlichen gewaltbereiten Salafismus informieren. In der kommenden Woche bringen wir gemeinsam mit der SPD-Fraktion einen Antrag zur Prävention in den Landtag ein. Zudem werden wir im nächsten Plenum einen Nachtragshaushalt der Landesregierung zur Einstellung von zusätzlichen Polizeikräften und Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern beim Verfassungsschutz als Reaktion auf die veränderte Sicherheitslage nach den Anschlägen von Paris und Kopenhagen beschließen.
Bereits seit einigen Jahren beobachten wir einen verstärkten Zulauf zu salafistischen Netzwerken. Der grausame Krieg der Terrormiliz IS in Syrien und im Irak ist ein Katalysator für diese Entwicklung. Die Behörden gehen bundesweit von etwa 7.000 Anhängerinnen und Anhängern des gewaltbereiten verfassungsfeindlichen Salafismus aus, davon etwa 1.900 Personen in Nordrhein-Westfalen. Dass von diesem Personenkreis eine ernstzunehmende Gefahr ausgeht, haben nicht zuletzt die menschenverachtenden Attentate von Paris und Kopenhagen gezeigt. Es ist unbegreiflich, wie junge Menschen, die in europäischen Gesellschaften aufgewachsen sind, sich fast unbemerkt von der Öffentlichkeit radikalisieren und zu solchen Taten fähig sein können. Aus NRW sind bereits über 150 junge Menschen freiwillig in Kriegsgebiete ausgereist, um sich dort an Kampfhandlungen zu beteiligen. Nicht zuletzt das stellt uns vor die Herausforderung, uns mit dem Problem der Radikalisierung auseinanderzusetzen.
Antrag: Salafismusprävention als gesamtgesellschaftliche Aufgabe
In dem gemeinsamen Antrag mit der SPD-Fraktion fordern wir die Landesregierung auf, ein ganzheitliches Handlungskonzept zur Bekämpfung des gewaltbereiten verfassungsfeindlichen Salafismus aufzulegen. Der Antrag wird in der kommenden Woche in den Landtag eingebracht, der direkt darüber abstimmt. Ihr findet ihn hier.
Im Oktober letzten Jahres hatte die Landesregierung bereits mit einer Bestandsaufnahme über die schon angeschobenen präventiven Maßnahmen unterrichtet. Mit dem vorliegenden Antrag sollen die einzelnen Maßnahmen nun zu einem koordinierten Vorgehen weiterentwickelt werden. Dazu gehören unter anderem die Weiterentwicklung der interreligiösen und interkulturellen Bildung in der Jugendarbeit und in der Schule, Aufklärungs- und Präventionsprojekte zum gewaltbereiten Salafismus in der Jugendarbeit sowie die Weiterentwicklung der Informationsangebote durch die Landeszentrale für politische Bildung. Daneben soll aber auch die Situation in den Justizvollzugsanstalten stärker als bisher in den Blick genommen werden – wir brauchen sowohl Maßnahmen zur Deradikalisierung als auch den Ausbau der muslimischen Seelsorge in den Justizvollzugsanstalten. Letzteres ist nicht nur als Maßnahme gegen den gewaltbereiten Salafismus zu verstehen, sondern auch um muslimischen Inhaftierten ganz grundsätzlich eine religiöse Betreuung durch eine Person ihrer Glaubensgemeinschaft zu gewährleisten. Darüber hinaus wollen wir Forschungsarbeiten zum Themenbereich Salafismus anstoßen, denn bisher gibt es in Deutschland keine Forschung zu dem Phänomen und wir müssen uns auf die Aussagen der Sicherheitsbehörden verlassen. Bei allen Maßnahmen muss die Geschlechterperspektive Eingang finden, da der Anteil an Salafistinnen bei etwa zehn Prozent liegt. Bei den ausgereisten Personen ist der Frauenanteil sogar noch höher.
Das Handlungskonzept soll von der Landesregierung unter Einbezug von Expertinnen und Experten erarbeitet werden. Erste Ergebnisse erwarten wir für Ende des Jahres. Die bisherigen Maßnahmen sollen parallel weitergeführt und ausgebaut werden. Dazu gehören die Wegweiser-Beratungsstellen in Bonn, Bochum und Düsseldorf, wo Personen aus dem Umfeld sich radikalisierender junger Menschen oder Betroffene selbst Unterstützung bekommen. Weitere Wegweiser-Standorte werden in diesem Jahr in Köln, Dortmund, Duisburg, Dinslaken und im Bergischen Land eingerichtet. Zudem gibt es seit Oktober 2014 ein Aussteigerprogramm beim Verfassungsschutz für Personen, die die salafistische Szene verlassen wollen.
Nachtragshaushalt: Personelle Ausstattung von Sicherheitsbehörden stärken statt Bürgerrechte einzuschränken
Die Sicherheitslage hat sich in Deutschland und in NRW nach den Anschlägen von Paris verändert. Die Ereignisse in Paris belegen eine neue Qualität der Gewalt, der Anschlag in Kopenhagen hat die Gefahr durch potentielle Nachahmungstäter verdeutlicht. Anstatt die Sicherheitsgesetze zu verschärfen und unsere Bürgerrechte einzuschränken, wie es die Große Koalition mit den Ersatzausweispapieren und der neuen Debatte über die Vorratsdatenspeicherung plant, haben wir uns als GRÜNE Landtagsfraktion dafür eingesetzt, Polizei und Verfassungsschutz personell so auszustatten, dass bereits vorhandene Instrumente auch bei einer steigenden Anzahl gewaltbereiter Salafistinnen und Salafisten angewandt werden können. Innerhalb der Polizei werden die Bereiche Staatsschutz, Fahndung und Observation sowie Objekt- und Personenschutz durch Umschichtungen personell gestärkt. Um die Umschichtungen aufzufangen, werden wir in den Jahren 2015 bis 2017 jährlich zusätzliche 120 Polizistinnen und Polizisten einstellen. Zudem bekommt der Verfassungsschutz einmalig in diesem Jahr zusätzliche 25 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Mit dem Nachtragshaushalt, der in der kommenden Woche im Plenum beraten wird, werden wir diese Stellenzuwächse ermöglichen.
Debatte vor Ort
Als GRÜNE Fraktion arbeiten wir selbstverständlich weiter an diesem Thema. Gerne kommen wir auch zu Euch in die Kreisverbände, um Euch nähere Informationen über dieses Themenfeld vorzustellen und mit Euch zu diskutieren. Für Rückfragen und Terminabsprachen für Veranstaltungen vor Ort stehen Euch Verena Schäffer und Ali Ba? gerne zur Verfügung.
Mit Grünen Grüßen
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Verena Schäffer MdL
 
Stellv. Fraktionsvorsitzende
Sprecherin für Innenpolitik und Strategien gegen Rechtsextremismus
 
Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 
im Landtag NRW
Platz des Landtags 1, 40221 Düsseldorf
Tel.:      0211 – 884 4305  
Mobil:   0177 – 2475977
Fax:      0211 – 884 3334
 
 
Ali Ba? MdL
 
Sprecher für berufliche Bildung 
und interreligiösen Dialog
 
Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 
im Landtag NRW
Platz des Landtags 1, 40221 Düsseldorf
Tel.:      0211 – 884 2963  
Fax:      0211 – 884 3502