Verbot der Reichskriegsflagge

Meine Rede zum Antrag der Fraktionen CDU, SPD, FDP und GRÜNEN zum Verbot der Reichskriegsflagge

Einleitung

Verena Schäffer (GRÜNE): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der versuchte Sturm auf das Reichstagsgebäude am 29. August dieses Jahres wurde hier schon angesprochen. Ich muss sagen, dass auch mich diese Bilder zutiefst erschrocken haben, aber weniger wegen der mitgeführten Reichskriegsflaggen, sondern vor allem wegen des gewaltsamen Aktes: der Bedrohung des heutigen Bundestagsgebäudes. Und dass diese Drohgebärde einherging mit dem Zeigen genau dieser Symbole, hat sein Übriges noch dazugetan.

Es ist gut und richtig, dass wir heute das Verbot der verschiedenen Varianten der sogenannten Reichskriegsflagge beschließen. Ich will aber auch sagen, dass schon vor dem 29. August 2020 diese Symbole ein Problem für unsere vielfältige und demokratische Gesellschaft waren. Wenn man sich Bilder von rechtsextremen Kundgebungen und Neonazi-Aufmärschen vor Augen führt, dann muss man sagen, dass diese Flaggen schon seit vielen Jahren von Neonazis als Erkennungszeichen genutzt werden. Es findet kaum eine rechtsextreme Versammlung statt, bei der diese Symbole fehlen.

Das ist auch eigentlich klar; denn die Flaggen des Nationalsozialismus dürfen sie nicht zeigen, weil sie längst verboten sind. Deshalb haben sie auf andere Flaggen zurückgegriffen. Es ist klar, welche Gesinnung diejenigen, die mit Reichskriegsflaggen aus der Zeit von vor 1935 herumlaufen, vertreten.

Man muss eines ganz klar sagen: Das Zeigen solcher Symbolik ist auch Teil einer sogenannten Raumergreifungsstrategie von Neonazis. Das formulieren Rechtsextreme ja auch selbst. Das dürfen wir auf gar keinen Fall dulden. Deshalb finde ich diese Debatte und diesen Antrag sehr wichtig. Denn damit sendet der Landtag eine klare Botschaft aus, dass wir aktiv gegen Rechtsextremismus vorgehen.

Im wahrsten Sinne des Wortes betreiben wir heute Symbolpolitik. Es geht um Symbole im wahrsten Sinne des Wortes. Manchmal hat der Begriff „Symbolpolitik“ so einen negativen Touch. Aber hier ist das genau richtig; denn es geht um Symbole. Wir wollen diese Symbole von Neonazis nicht im öffentlichen Raum sehen. Deshalb ist der Antrag auch richtig.

Es gibt aber noch ein weiteres gutes Argument für das Verbot. Das hat Herr Lürbke gerade schon angesprochen. Die Reichskriegsflaggen stehen auch für eine Zeit des deutschen Kolonialismus, die aus meiner Sicht in unserer Gesellschaft bis heute eigentlich nicht richtig aufgearbeitet wurde. Deutschland hat zwar im Vergleich zu anderen Staaten eine recht kurze Kolonialgeschichte, aber sie war nicht weniger gewaltsam als die anderer Kolonialmächte.

Wir müssen uns auch immer fragen, was Symbole und rechtsextreme Aufmärsche, bei denen diese Symbole gezeigt werden, mit den Menschen machen, die gesellschaftlichen Minderheiten angehören, also Menschen mit Migrationsgeschichte, schwarzen Menschen.

Diese Symbole erinnern vielleicht auch an eine Zeit, die für massive Menschenrechtsverletzungen steht und auch für Genozide, die von Deutschland ausgingen. Auch deshalb ist es wichtig, ein Signal in unsere vielfältige Einwanderungsgesellschaft zu senden, dass wir genau diese Symbole eben nicht tolerieren und dass sie in unserer Gesellschaft nichts zu suchen haben.

Ich möchte mich noch einmal bei der SPD-Fraktion ganz herzlich dafür bedanken, dass sie diese Debatte angestoßen hat. Wir sind ja nicht das einzige Bundesland, das darüber debattiert, sondern auch Bremen und Niedersachsen haben das schon entsprechend aufgegriffen. Aber ich freue mich sehr, dass wir das heute hier im Landtag diskutieren und den gemeinsamen Beschluss treffen, weil ich wirklich meine, dass das ein wichtiges Signal ist.

Eines ist klar – ich glaube, dessen sind wir uns auch alle bewusst –: Mit dem Verbot von Flaggen oder bestimmten Symbolen verschwindet natürlich die Ideologie nicht. Das wissen wir. Das wissen wir auch, wenn wir rechtsextreme Organisationen verbieten. Aber trotzdem ist es wichtig, das zu tun. Es ist richtig, das zu tun, weil es eben auch ein Signal in die Gesellschaft aussendet, und das wollen wir ja auch – das Signal, dass wir als demokratische Fraktionen im Landtag gemeinsam gegen Rechtsextremismus einstehen. – Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN, der SPD und der FDP)