„Es geht darum, den Menschen zu helfen“

Meine Rede zu den Entwürfen der Landesregierung für das NRW Krisenbewältigungsgesetz und das NRW Rettungsschirmgesetz – dritte Lesung

Verena Schäffer (GRÜNE): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Seit inzwischen 300 Tagen führt Russland Krieg gegen die gesamte Ukraine. Das sind 300 Tage voller Leid und Angst, Vergewaltigungen, Folter und Tod.

Ich bin dankbar dafür, dass unsere Wirtschaft geschlossen hinter den Sanktionen steht, obwohl sie davon selbst hart getroffen ist.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)

Ich bin dankbar für alle ehrenamtlich Engagierten und die Menschen in den Kommunen, in den Bezirksregierungen und im Land, die jeden Tag Geflüchtete mit offenen Armen empfangen. Wir lassen uns von Putin nicht spalten. Wir stehen weiterhin fest an der Seite der Ukraine.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)

Schon als die ersten Sanktionspakete auf den Weg gebracht wurden, war klar, dass Putin mit seinen Androhungen ernst machen und die Gaslieferungen nach Westeuropa stoppen würde. Für eine Wirtschaft, deren Wachstum auf billigem Öl und Gas sowie billiger Kohle gründete, hat das fatale Auswirkungen, denn diese Abhängigkeit und die Versäumnisse der vergangenen Jahre kommen uns nun teuer zu stehen.

Das hat auch Folgen für die Unternehmen hier in Nordrhein-Westfalen, denn unser Land ist geprägt von energieintensiver Industrie. Deshalb trifft die Energiekrise unsere Unternehmen stärker als in anderen Bundesländern. Die Aussichten für das neue Jahr sind aufgrund von Rezession und Inflation alles andere als gut.

Eines ist klar: Es geht nicht nur um diesen Winter. Es geht auch um den nächsten Winter. Die Gasspeicher sind jetzt gerade gut gefüllt, aber die kalten Monate dieses Winters kommen erst noch. Es wird ein Kraftakt werden, die Gasspeicher für den darauffolgenden Winter wieder zu befüllen. Das nächste Jahr ist deshalb von einer hohen wirtschaftlichen Unsicherheit geprägt.

Wenn Sie uns nicht glauben, liebe Kolleginnen und Kollegen von SPD und FDP, kann ich damit leben. Aber nehmen Sie doch bitte die Prognosen von Wirtschaftsexpertinnen und -experten ernst.

(Stefan Zimkeit [SPD]: Nehmen wir!)

Die denken sich das doch nicht einfach aus.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU – Zuruf von Dietmar Brockes [FDP])

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Armut war bereits vor der Krise ein Problem hier in Nordrhein-Westfalen. Die gestiegenen Lebensmittel- und Energiepreise treffen von Armut betroffene und bedrohte Menschen besonders schwer. Deshalb sind Maßnahmen zur Krisenbewältigung dringend notwendig für die soziale Infrastruktur, für kleine und mittlere Unternehmen, für Kultureinrichtungen und Sportvereine. Kitas und Jugendzentren müssen warm und geöffnet bleiben. Frauen müssen auch weiterhin in einem Frauenhaus Zuflucht finden können.

Ja, wir treffen auch Vorsorge für den Worst Case. Ein Blackout ist sehr unwahrscheinlich, aber wenn er eintreten würde, dann wäre das eine ziemlich große Katastrophe. Deshalb ist es richtig, die kritische Infrastruktur vorzubereiten.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU – Zuruf von Christian Loose [AfD])

Unterschiedliche Meinungen, der Wettbewerb um die besten Ideen und Argumente, die Kontrolle der Regierung: All das macht unseren Parlamentarismus aus. Das gehört zu Demokratie, und das gehört auch ein Stück weit zur Rollenverteilung zwischen der Opposition und den Regierungsfraktionen. Wer jedoch seit Monaten das Aufheben der Schuldenbremse fordert, aber nun die Notsituation nicht anerkennen will, wer ein NRW-Entlastungspaket fordert und gleichzeitig all unsere Vorschläge, die wir gestern gemacht haben, einfach pauschal ablehnt, der muss sich die Frage gefallen lassen, wie glaubwürdig das ist.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)

Ich war in den letzten Tagen etwas erstaunt darüber, wie von SPD und FDP mal eben so behauptet wird, was verfassungswidrig ist und was nicht. Das Prinzip der Gewaltenteilung sollte in diesem Parlament keine Wissenslücke sein.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU – Lachen von Christian Dahm [SPD] – Zuruf von Henning Höne [FDP])

Ich würde gerne noch auf eine andere Wissenslücke hinweisen und sie schließen. Steuermehreinnahmen, die wider Erwarten in 2022 anfallen werden, können wir nicht für das Hilfspaket ausgeben, das in 2023 startet.

(Zuruf von Stefan Zimkeit [SPD] – Jochen Ott [SPD]: Aber doch in 2022!)

Wir haben in 2022 noch die Coronanotsituation. Deshalb müssen wir alle Mehreinahmen am Ende des Jahres in die Schuldentilgung stecken.

(Zuruf von Ralf Witzel [FDP])

Sie haben selbst noch vor ein paar Wochen die Auffassung vertreten, dass wir keine kreditfinanzierten Rücklagen ins nächste Haushaltsjahr übertragen dürfen. Man könnte den Eindruck gewinnen, die Vorschläge von SPD und FDP sind getreu dem Motto: „Was interessiert mich eigentlich das Geschwätz von gestern?“

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU – Ralf Witzel [FDP]: Unvorstellbar! – Henning Höne [FDP]: Das sagt die Regierung nach dem Beratungsverfahren? Wahnsinn!)

Wenn ich mir eines für das neue Jahr wünschen darf, dann, dass wir vom Streit über Verfahren wegkommen und wieder darüber diskutieren, welche Unterstützung die Menschen in dieser schwierigen Zeit brauchen. Ich weiß, Herr Zimkeit, Sie haben gerade etwas komplett anderes gesagt. Trotzdem möchte ich es noch einmal betonen: Es geht darum, den Menschen zu helfen.

(Zuruf von der SPD: Er hat nicht komplett etwas anderes gesagt! Was soll das denn?)

Wir haben eine gemeinsame Verantwortung, und ich fände es gut, wenn wir wieder dahin zurückkommen würden.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)

Präsident André Kuper: Frau Kollegin, es gibt den Wunsch nach einer Zwischenfrage vom Abgeordneten Dr. Maelzer. Lassen Sie die zu?

Verena Schäffer (GRÜNE): Nein, das möchte ich nicht. Danke.

(Zuruf von der SPD: Bloß nicht verwirren lassen!)

Präsident André Kuper: Okay.

Verena Schäffer (GRÜNE): Zurück zum Thema „300 Tage Krieg in der Ukraine“. Nach 300 Tagen tritt gewissermaßen ein Gewöhnungseffekt ein. Aber an Krieg dürfen wir uns niemals gewöhnen. Er darf niemals zur Normalität werden. Ich hoffe und ich glaube – ich bin mir sehr sicher –, dass wir uns darüber als Demokratinnen und Demokraten sehr einig sind.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)