„Mein tiefster Wunsch für Israel und für die Menschen in Israel ist: Frieden, Freiheit und Sicherheit“
Zum Antrag der Fraktionen von CDU, SPD, FDP und GRÜNEN für Solidarität mit Israel
Der Antrag „Solidarität mit Israel: Antisemitismus entschieden bekämpfen“
Verena Schäffer (GRÜNE): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! „haTikwa“ ist Hebräisch und heißt „Hoffnung“. „haTikwa“ ist der Name der israelischen Nationalhymne.
Mit unvorstellbarer Brutalität geht die terroristische Hamas gegen das vor, wofür die haTikwa steht: für einen eigenen Staat, in dem Jüdinnen und Juden in Freiheit und Sicherheit leben können. Die Hamas will Israel vernichten. Die Hamas ist in ihrem ideologischen Kern geprägt von Hass auf Jüdinnen und Juden.
Die Gräueltaten, die Verbrechen gegen israelische Frauen, Männer, Kinder erinnern in ihrer ganzen grenzenlosen Brutalität an die Methoden des Islamischen Staates. Diese Verbrechen gegen die Menschlichkeit sind durch absolut nichts zu rechtfertigen. Unsere Solidarität gilt dem Staat Israel und den Menschen in Israel.
(Beifall von allen Fraktionen und der Regierungsbank)
Ausgerechnet – ausgerechnet! – ein Musikfestival war eines der ersten Angriffsziele, bei dem junge Menschen den Terroristen schutzlos ausgeliefert waren. Ausgerechnet in den Kibbuzim, die für Gemeinschaft stehen, die für Solidarität stehen, wurden Hunderte Menschen gefoltert, ermordet und als Geiseln verschleppt. Ausgerechnet in diesem Land, in Israel, das eigentlich der Zufluchtsort für Jüdinnen und Juden auf der ganzen Welt ist!
Die Berichte aus Israel machen mich fassungslos. Sie machen mich traurig. Traurig macht mich auch der Gedanke, dass manche Jüdinnen und Juden Wurzeln in der Ukraine haben und Angehörige, Verwandte, Freunde in Israel nun mit gleich zwei Kriegen konfrontiert sind. Die Angriffe auf Israel und auch auf die Ukraine sind ja nicht vorbei. Unablässig wird Israel aus dem Gazastreifen, aus dem Libanon beschossen. Die Terrororganisationen Hamas und Hisbollah wollen Israel auslöschen, unterstützt und finanziert vom iranischen Unrechtsregime.
Israel hat das völkerrechtlich verbriefte Recht, sich zu verteidigen, und Israel hat auch – wie jedes andere Land – eine Pflicht, seine eigenen Bürgerinnen und Bürger zu schützen.
Deutschland steht ohne Wenn und Aber zu dem Existenzrecht Israels.
(Beifall von allen Fraktionen und der Regierungsbank)
Das Leid, das die Hamas über die Menschen in Israel bringt, ist unermesslich und eigentlich überhaupt nicht zu beschreiben. Die Hamas richtet sich dabei nicht nur gegen Israelis, sondern auch gegen die palästinensische Zivilbevölkerung. Dass sich die Terroristen der Hamas in Tunneln unter Gebäuden und in Häusern von Zivilisten verstecken, zeigt, dass die Menschen in Gaza als lebende Schutzschilde missbraucht werden.
So verschärft der Krieg die Situation der Zivilbevölkerung in Gaza. Die humanitäre Hilfe für den Gazastreifen ist notwendig, um eine noch größere humanitäre Katastrophe zu verhindern.
Ich kann sehr gut nachvollziehen, dass sich Menschen aus Israel und Menschen mit palästinensischen Wurzeln in Deutschland aktuell große Sorgen um ihre Angehörigen machen. Aber es gibt keine Rechtfertigung, absolut überhaupt gar keine Rechtfertigung dafür, Antisemitismus und Hass gegen Israel auf unsere Straßen zu tragen und zu relativieren, wer für den Angriff verantwortlich ist. Demonstrationen sind durch das hohe verfassungsrechtliche Gut der Versammlungsfreiheit geschützt. Aber diese endet dort, wo Straftaten begangen werden, wo Volksverhetzung auf die Straßen getragen wird und die öffentliche Sicherheit gefährdet ist.
Erschreckend ist auch die islamistische Gefahr, wie wir gestern Abend mit der Festnahme in Duisburg erfahren haben. Ich vertraue unseren Sicherheitsbehörden, dass sie konsequent gegen antisemitische Straftaten in Deutschland und in Nordrhein-Westfalen vorgehen. Denn unsere Demokratie ist nicht wehrlos, sie ist wehrhaft. Antisemitismus muss bekämpft werden!
(Beifall von allen Fraktionen und der Regierungsbank)
Wir erleben in Deutschland gerade einen massiven israelbezogenen Antisemitismus – aus migrantischen Communities, aus dem linken Milieu, aus dem Rechtsextremismus. Wir erleben einen Antisemitismus in der gesamten Bevölkerung, der mit doppelten Standards misst, sobald es um den Staat Israel geht. Antisemitismus ist in Deutschland tief verankert und ursächlich für Verfolgung, Vertreibung, Pogrome bis hin zur Shoah.
Auch nach 1945 war der Antisemitismus in Deutschland nie weg. Viele Gewalttaten, darunter auch der rechtsterroristische Anschlag von Halle, führen uns das sehr schmerzlich vor Augen. Weil wir um die Verbreitung von Antisemitismus wissen, haben wir in den letzten Jahren die Maßnahmen verstärkt mit der Stelle der Antisemitismusbeauftragten, der Meldestelle RIAS, den Antidiskriminierungsstellen SABRA und ADIRA, den Studien zum Kontext Schule, um diskriminierungsfreie Räume an den Schulen zu schaffen. Aber offenbar – das ist eine absolut bittere Erkenntnis nach so vielen Jahren Arbeit, die wir hier auch gemeinsam als Demokratinnen und Demokraten im Parlament geleistet haben – reichen diese Maßnahmen nicht aus.
Dass in den letzten Tagen Drohungen gegen Schulen eingegangen sind, besorgt mich sehr. Jüdische Schülerinnen und Schüler und Lehrkräfte haben ja schon vor dem 7. Oktober, vor diesem Angriffskrieg, immer wieder von Antisemitismus im Alltag an unseren Schulen berichtet, ausgerechnet an diesem Ort Schule, an dem junge Menschen gemeinsam lernen und sich sicher fühlen sollen.
Wir haben da eine Gesetzeslücke, und zwar im Antidiskriminierungsrecht, sowohl an den Schulen als auch an den Hochschulen hier im Land, denn das ist Ländersache, und das Gesetz des Bundes greift nicht. Deshalb ist es so wichtig, dass wir ein eigenes Landesantidiskriminierungsgesetz planen und umsetzen wollen, damit sich Betroffene von Antisemitismus, von menschenverachtender Diskriminierung dagegen wehren können.
(Beifall von der CDU und den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)
Antisemitismus braucht eine klare Absage, und das erwarte ich auch von allen gesellschaftlichen Akteuren. Doch ich habe die Sorge, dass die aktuelle Debatte über schärfere Forderungen in der Migrationspolitik nicht zu weniger Antisemitismus führen wird, sondern zu mehr Ausgrenzung von gesellschaftlichen und marginalisierten Minderheiten.
Ich fürchte, es schadet denjenigen, die Schutz vor Terror suchen, und das kann wirklich niemand wollen.
(Beifall von der CDU und den GRÜNEN)
Der Schutz jüdischen Lebens ist unsere Verpflichtung als demokratische Gesellschaft. Jüdinnen und Juden sind unsere Nachbarn, unsere Arbeitskolleg*innen und unsere Klassenkamerad*innen seit mehr als 1700 Jahren in Deutschland. Ob Jüdinnen und Juden in Deutschland frei von Angst, frei von Bedrohungen und frei von Gewalt leben können, ist auch ein Gradmesser über die Verfasstheit unserer demokratischen Gesellschaft.
Die Verbreitung des Antisemitismus in Deutschland – das erleben wir aktuell ja sehr stark – bedeutet, dass wir unsere Anstrengungen verstärken müssen, dass wir für mehr Resilienz gegen antisemitische Ressentiments in allen gesellschaftlichen Milieus und Gruppen sorgen müssen. Das ist unsere gemeinsame Aufgabe als Demokratinnen und Demokraten.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, „haTikwa“ heißt Hoffnung. In diesem Augenblick, in dem israelische Geiseln noch in den Händen der Hamas-Terroristen sind, wo Menschen weiterhin getötet werden, fällt es nicht leicht, Worte der Hoffnung zu finden. Aber ich will die Hoffnung nicht aufgeben, dass nach diesem furchtbaren Angriffskrieg der Hamas an die Annäherung der letzten Jahre im Nahen Osten auch wieder angeknüpft und darauf aufgebaut werden kann.
Mein tiefster Wunsch für Israel und für die Menschen in Israel ist: Frieden, Freiheit und Sicherheit.
(Beifall von allen Fraktionen und der Regierungsbank)