Zum Haushaltsplan 2021 – Einzelplan Innen

Rede zum Entwurf der Landesregierung zum Haushaltsplan 2021 – Einzelplan Innen

Verena Schäffer (GRÜNE): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Dieser Einzelplan 03 enthält unbestritten auch einige gute Punkte, die ich durchaus loben möchte, Herr Reul.

Ich komme mal zu den Stellen. Die Erhöhung der Neueinstellungen um 100 Kommissaranwärterinnen und Kommissaranwärter im Vergleich zum Vorjahr finde ich richtig. Ich finde es richtig angesichts der hohen Anzahl von Pensionierungen, die uns bevorstehen, angesichts des Mehrbedarfs aufgrund von neuen Themen und neuen Aufgaben, die die Polizei bewältigen muss, und angesichts einer zunehmenden Spezialisierung von Polizeibeamtinnen und -beamten in einzelnen Themenbereichen.

Klar ist aber auch, dass die Aus- und Fortbildung der Polizei nicht unter einer Erhöhung der Neueinstellungen leiden darf. Wir haben heute eine sehr gut ausgebildete Polizei, auf die wir stolz sein können, und das muss auch so bleiben. Die Ausbildung muss so gut bleiben.

Der Schwerpunkt im Bereich der Bekämpfung von Kindesmissbrauch ist absolut richtig und notwendig. Die schrecklichen Taten von Lügde, Münster und Bergisch Gladbach geben uns einen Einblick in die Dimension der unvorstellbaren Gewalt, die Kindern angetan wird. Diese Fälle haben eine wichtige öffentliche Diskussion ausgelöst, die dringend notwendig war.

Wir alle wissen aber auch, dass diese Fälle nur die Spitze des Eisbergs sind. Natürlich kann man angesichts dieser Dimension von sexueller Gewalt gegen Kinder eine Debatte über Strafrechtsverschärfungen führen. Sie wird gerade auch geführt, und wir Grünen beteiligen uns daran konstruktiv. Klar ist aber auch, dass Strafrechtsverschärfungen allein nicht reichen. Man könnte jetzt viel zum Thema „Prävention“ sagen. Aber wir befinden uns hier beim Einzelplan 03.

(Marc Lürbke [FDP]: Genau!)

Deshalb spare ich mir das Thema auf, will es aber natürlich trotzdem benennen.

Natürlich brauchen wir die Beschäftigten bei der Polizei, um diese riesigen Datenmengen auszuwerten, aber auch, um Tätern auf die Spur zu kommen, sie zu überführen und Kinder aus diesen Situationen zu befreien. Herr Reul, bei diesem Thema haben Sie uns an Ihrer Seite.

Ich finde es im Übrigen auch wichtig und richtig, dass die Bekämpfung von Kindesmissbrauch zum kriminalpolizeilichen Schwerpunkt der nordrhein-westfälischen Polizei erklärt wurde. Ich bin der Meinung, dass es dabei bleiben muss, auch wenn es in Zukunft vielleicht zu Regierungswechseln kommt. Ich finde, wir stehen in der Verantwortung, die Polizei zu stärken und das Thema entsprechend anzugehen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Das Thema „Terrorismus“: Mit Blick auf die heute veröffentlichten Zahlen einer internationalen Studie zur Entwicklung des Terrorismus muss man sagen, dass die Schwerpunktsetzung in der Bekämpfung des islamistischen Terrorismus und des Rechtsextremismus mittels zusätzlicher Stellen für den Staatsschutz und den Verfassungsschutz sehr richtig ist. Die schrecklichen rechtsterroristischen und islamistischen Anschläge der vergangenen Jahre haben uns sehr deutlich vor Augen geführt, wie groß diese Gefahr für unsere demokratische Gesellschaft ist.

Wir beobachten gerade im Bereich des Rechtsextremismus, dass sich immer wieder neue gewaltbereite bzw. gewaltaffine Gruppierungen bilden. Diese Entwicklung ist besorgniserregend. Deshalb ist der Schwerpunkt richtig. Ich will nicht unerwähnt lassen, dass uns natürlich auch die Fälle von rechten Chats und rechten Verdachtsfällen bei der Polizei sehr besorgen. Ich denke, diese Debatte wird uns in den nächsten Wochen und Monaten weiter begleiten. Klar ist, dass Rassismus und Rechtsextremismus bei der Polizei nichts zu suchen haben.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Sie wissen, dass der Haushalt nicht nur ein Werk aus vielen Zahlen ist. Wie pflegt meine Kollegin Monika Düker immer zu sagen? – Der Haushalt ist Politik in Zahlen.

(Beifall von Monika Düker [GRÜNE]: Genau!)

Deshalb reden wir hier nicht nur über einzelne Kapitel und einzelne Titelgruppen in Ihrem Haushaltsplanentwurf, sondern wir müssen auch darüber sprechen, was Sie mit diesem Haushalt verbinden, was Sie vorhaben, was Sie anschaffen wollen und was Sie anstellen wollen. Da sind wir Grüne mit vielen Punkten nicht einverstanden.

Ich nenne mal die Ausweitung der Mittel für die Videobeobachtung von 640.000 auf 2 Millionen Euro.

Ich bin nicht grundsätzlich gegen Videobeobachtung, ganz im Gegenteil. Ich glaube, dass Videobeobachtung ein hilfreiches Mittel sein kann, zum Beispiel in der Düsseldorfer Altstadt. Aber diesen massiven Ausbau von Videobeobachtung, der damit ja verbunden ist und auf der Rechtsgrundlage des geänderten Polizeigesetzes erfolgt, finde ich nicht richtig. Denn mit dieser Änderung ist auch klar, dass Videobeobachtung so eingesetzt werden kann, dass es auch zu Verdrängungseffekten kommen kann. Dann ist das aus meiner Sicht alles andere als eine nachhaltige Kriminalitätsbekämpfungsstrategie. Diese Verdrängungseffekte muss man immer mitdenken.

Deshalb will ich auch noch einmal daran erinnern, dass wir als Grüne hier einen Vorschlag zum Thema „sozialraumorientierte Polizeiarbeit“ vorgelegt haben. Es gab dazu Diskussionen in der Anhörung, und es wurde auch kritisiert, dass damit zu viele Stellen gebunden würden.

Unabhängig von der Frage, wann man wie die Stellen verändern kann, meinen wir Grüne, dass das Thema „Bezirksdienst und sozialraumorientierte Polizeiarbeit“ unheimlich wichtig ist. Das stärkt tatsächlich das Sicherheitsgefühl der Menschen und bekämpft Kriminalität effektiv vor Ort.

Ich finde es sehr schade, dass die Landesregierung keinen Beitrag zum Thema „Kriminalprävention vor Ort in den Vierteln“ leistet. Da hätte ich mir mehr gewünscht.

(Beifall von den GRÜNEN und Regina Kopp-Herr [SPD])

Das nächste Thema, das ich kritisch sehe, ist das Thema „Quellen-TKÜ“. Das Stichwort ist ja gerade auch schon gefallen. Im nächsten Jahr sollen 500.000 Euro für die Anwendung bereitgestellt werden. Auch dieses Instrument wird auf der Rechtsgrundlage des im Dezember 2018 geänderten Polizeigesetzes eingesetzt. Bei der damaligen Anhörung und während der ganzen Diskussion wurde erhebliche Kritik an der Datensicherheit geäußert. Denn das Problem bei der Quellen-TKÜ ist ja, dass der Staat Sicherheitslücken offenlässt, damit der Staat selbst die Quellen-TKÜ nutzen kann.

(Zuruf von Marc Lürbke [FDP])

Aber nicht nur Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte können diese Lücken nutzen, sondern auch Dritte mit weniger guten Absichten. Das macht noch einmal deutlich, welche Gefahr davon ausgehen kann, wenn Sicherheitslücken offenbleiben. Diese Zweifel sind mitnichten ausgeräumt. Deshalb halten wir Grüne an unserer Kritik zur Quellen-Telekommunikationsüberwachung fest.

(Beifall von den GRÜNEN)

Dass bei einem schwarz-gelben Haushaltsplan Vorsicht geboten ist, hat mir auch noch einmal die Diskussion zu der sogenannten Palantir-Software in der letzten Sitzung des Innenausschusses am Donnerstag gezeigt. Diese Software wurde bereits 2019 angeschafft. Mir war bei der Debatte 2019 – ich habe gerade noch einmal in den Erläuterungsband zum Haushaltsplan 2019 geguckt; da steht es auch nicht drin – nicht klar, dass diese Software mit diesem Haushalt angeschafft werden würde.

Man muss zu der Software noch kurz ausführen, dass die hoch umstritten ist. Die Landesdatenschutzbeauftragte wurde erst vor wenigen Monaten darüber informiert. Ich halte das für einen unmöglichen Vorgang angesichts der großen Kritik an dieser Software.

Auch nur auf unsere Nachfrage hin wurde im Ausschuss mitgeteilt, dass Sie Ausgaben für die Lizenz in Höhe von 4 Millionen Euro für das nächste Haushaltsjahr planen. Wir haben das schriftlich nachgefragt, es wurde uns nicht beantwortet. Erst, als wir mündlich noch einmal nachgehakt haben, wurde es dann im Ausschuss gesagt: 4 Millionen Euro. – Das ist nicht wenig Geld. Auch das finde ich schlichtweg falsch.

Dann will ich noch etwas zum Thema „Krisenstab“ sagen. Da kann man jetzt auch wieder sagen: Naja, das sind Peanuts in so einem Haushalt. – Ja, das ist wahrscheinlich auch so. Einen Krisenstab vorzuhalten, ist absolut richtig und notwendig. Im Grundsatz bin ich auch gar nicht dagegen. Aber ich verstehe nicht, wie man einen Krisenstab vorhalten kann – auch mit Haushaltsmitteln finanziert – und ihn dann in dieser pandemischen Lage nicht aktiviert. Das finde ich einfach völlig unsinnig.

(Beifall von den GRÜNEN)

Das kritisieren ja auch nicht nur wir Grüne, sondern auch die Kommunen, die ganz klar sagen, dass die einheitliche Kommunikation seitens der Landesregierung fehlt und Erlasse nicht dort ankommen, wo sie ankommen sollen. Das führt auf der kommunalen Ebene zu Chaos. Das verantwortet auch diese Landesregierung.

Auch die Aktiven bei den Feuerwehren und beim Katastrophenschutz und in den örtlichen Krisenstäben, die ja wirklich alle flächendeckend im Land aktiviert sind, fordern das ein und kritisieren das.

Insofern: Auch die Ausführungen dazu im Ausschuss waren wenig schlüssig. Ich hatte zwischendurch ein bisschen das Gefühl, dass die Geschäftsordnung der Landesregierung zu den Krisenstäben im eigenen Haus irgendwie nicht bekannt ist. Das ärgert mich massiv, und wir werden diese Kritik auch weiter vortragen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Ich könnte jetzt noch ganz viel sagen, auch noch einmal zum Bereich Feuerwehr und Katastrophenschutz im Ehrenamt. Denn man muss wissen: Wir reden hier über eine staatliche Aufgabe, die quasi ausschließlich von Ehrenamtlichen gemacht wird. Das ist absolut anerkennenswert. Ich könnte dazu lange ausholen, aber dafür reichen die letzten 16 Sekunden nicht aus.

Deshalb möchte ich gerne einfach die Gelegenheit nutzen, um mich bei allen Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten, bei den Mitarbeiterinnen insgesamt in den Sicherheitsbehörden, bei den Feuerwehrleuten und bei den Angehörigen des Katastrophenschutzes dafür zu bedanken, dass sie jeden Tag für unsere Sicherheit hier in Nordrhein-Westfalen sorgen.

(Beifall von Josef Hovenjürgen [CDU])

– Vielen Dank.