Zur Unterrichtung der Landesregierung zur MPK

Rede zur Unterrichtung der Landesregierung zur MPK am 25.11.2020

Verena Schäffer (GRÜNE): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Als Grüne haben wir den Ministerpräsidenten angeschrieben, weil wir ein Interesse daran haben, eine ernsthafte Parlamentsdebatte zu führen. Deshalb haben wir auch den Entschließungsantrag vorgelegt.

Angesichts der Reichweite der Maßnahmen, die wahrscheinlich heute bei der MPK beschlossen werden, halte ich es für eine Selbstverständlichkeit, dass man auch hier intensiv darüber diskutiert. Ich finde es sehr schade, Herr Löttgen, dass Sie an dieser Debatte offenbar überhaupt kein Interesse haben.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, angesichts der weiterhin hohen Anzahl an Neuinfektionen führt kein Weg daran vorbei, die Maßnahmen fortzusetzen. Die Bürgerinnen und Bürger erwarten aus meiner Sicht zu Recht klare Botschaften. Sie erwarten eine verlässliche Kommunikation. Dafür hat Herr Laschet nach den letzten Beschlüssen leider nicht gesorgt. Mit seiner widersprüchlichen Kommunikation zur Beendigung der Maßnahmen – entweder Ende November oder bei einem Sinken der Inzidenzzahlen – hat Herr Laschet ein kommunikatives Chaos gestiftet.

Jetzt tritt doch genau das ein, was wir Grüne hier bereits vor vier Wochen thematisiert haben.

(Daniel Sieveke [CDU]: Ja, ja! – Josefine Paul [GRÜNE]: Hör doch erst mal zu!)

Ich habe hier vor vier Wochen die Frage gestellt: Was ist denn, wenn die Maßnahmen, die ab November eingeleitet werden, nicht den gewünschten Effekt haben?

Mit dieser Kurzsichtigkeit Ihres Regierungshandelns verspielen Sie das Vertrauen in der Bevölkerung. Dabei ist es doch genau dieses Vertrauen in Regierungshandeln, was wir so dringend brauchen, um Akzeptanz für diese belastenden Einschränkungen zu schaffen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Die MPK und auch die Landesregierung hätten dafür sorgen müssen, dass mit den Maßnahmen ab November direkt konkrete Inzidenzwerte als Zielvorgabe für Lockerungen definiert werden; denn die Bürgerinnen und Bürger erwarten Planbarkeit und Verlässlichkeit.

Deshalb fordern wir Grüne auch in unserem Entschließungsantrag, dass die MPK heute einen nachvollziehbaren Plan für die nächsten Monate festlegt. Dieser Plan muss erklären, wie wir auf steigende bzw. fallende Inzidenzzahlen reagieren müssen und können. Wir brauchen ein klares Stufenmodell, anhand dessen die Maßnahmen angezogen oder auch gelockert werden. Das erwarten im Übrigen auch die Gastronomen, die Solo-Selbstständigen und die Kulturschaffenden. Dieses Stufenmodell muss aus meiner Sicht auch die Frage nach Wechselmodellen an Schulen und nach hybriden Unterrichtsformen je nach Inzidenzwert vor Ort beantworten.

(Josef Hovenjürgen [CDU]: Muss es!)

Was wir jetzt auf jeden Fall nicht brauchen, ist ein Beschluss, der wieder nur eine kurze Laufzeit – dieses Mal bis zum 20. Dezember – hat. Vielmehr brauchen wir einen Plan, wie wir durch die nächsten Wochen und Monate kommen, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)

Auch viele Solo-Selbständige, Kulturschaffende und Studierende wissen derzeit auf ihre private Situation bezogen nicht, wie sie durch die nächsten Wochen und Monate kommen sollen. Sie gehören zu den Verlierern dieser Krise und haben echte Existenzängste.

Wenn die Einschränkungen verlängert werden, müssen selbstverständlich auch die Hilfen verlängert werden. Deshalb erwarte ich von Herrn Laschet, der bereits gegangen ist, dass seinen Ankündigungen von heute auch Taten folgen werden, damit Solo-Selbstständige, Kulturschaffende und Studierende schnell und unbürokratisch Unterstützung erhalten; denn Solidarität in dieser Krise heißt für mich auch, diese Menschen nicht im Stich zu lassen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Klarheit und Verständlichkeit fehlen derzeit auch in Bezug auf Quarantäneregeln für Kinder und Familien. Die Infektionsschutzregelungen sind ganz offenbar nur für Erwachsene gemacht. Kinder sind aber keine kleinen Erwachsenen. Wer meint, man könne Kinder in der Familie separieren und ihnen das Mittagessen durch den Türschlitz reichen, der ist aus meiner Sicht völlig lebensfremd.

(Beifall von den GRÜNEN)

Das geht weder mit kleinen Kindern, noch geht es in beengten Wohnverhältnissen.

Ich erwarte, dass es von der Bund-Länder-Ebene endlich Regelungen und Empfehlungen an die Gesundheitsämter gibt, die die Lebensrealität der Familien in diesem Land in den Blick nehmen und ihnen gerecht werden.

Als lebensfremd empfinde ich im Übrigen auch den Aufruf zur Selbstquarantäne vor Weihnachten. Für diejenigen, die Homeoffice machen können, mag dies ja möglich sein. Aber für die Inhaberin eines Geschäfts oder für den Kassierer an der Supermarktkasse geht das doch völlig an der Lebensrealität vorbei.

Wenn dann das Bundeskanzleramt vorschlägt, dass die Weihnachtsferien am 16. Dezember beginnen sollen, frage ich mich ernsthaft: Wie sollen berufstätige Eltern eigentlich die entsprechende Kinderbetreuung ermöglichen? Auch das ist mir völlig schleierhaft.

(Beifall von den GRÜNEN)

Ja, ich verstehe den Wunsch, das Weihnachtsfest mit der Familie unter dem Weihnachtsbaum zu verbringen. Es geht mir ja nicht anders. Ich denke, es geht uns allen nicht anders. Deshalb finde ich es auch richtig, dass jetzt Weihnachtsfeiern im kleinen Rahmen erlaubt werden sollen. Aber diese Regelung darf nicht dazu führen, dass man sich jeden Tag mit anderen zehn Leuten trifft.

Ich empfinde auch den Zeitraum für die Lockerungen der Kontaktbeschränkungen – die Rede ist ja vom 21. oder 23. Dezember bis zum 1. Januar – als zu lang. Wenn wir nicht wollen, dass die Infektionen ab Mitte Januar wieder sprunghaft ansteigen, müssen wir uns aus meiner Sicht auf Lockerungen zu Weihnachten konzentrieren.

Denn klar ist uns doch allen, dass es kein Weihnachtsfest wie in jedem Jahr geben wird. Deshalb müssen auch die Kommunikation und der Appell an die Bürgerinnen und Bürger klar und nachvollziehbar sein.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir werden nur dann gut in das neue Jahr kommen, wenn die Zahl der Neuinfektionen deutlich sinkt. Ich muss ganz ehrlich sagen: An diesem wichtigen Punkt der Pandemiebekämpfung finde ich es deshalb umso irritierender, wie sich die FDP in den letzten Wochen aus der Verantwortung gestohlen hat.

Ich bin sehr gespannt, Herr Rasche, auf Ihre Positionierung zur MPK.

(Henning Höne [FDP]: Wir freuen uns immer über Ihr Interesse!)

Vor vier Wochen haben Sie uns hier noch erzählt, Sie hätten die Gastronomie in Nordrhein-Westfalen nicht geschlossen. Die FDP hätte die Gastronomie in Nordrhein-Westfalen nicht geschlossen.

(Henning Höne [FDP]: Stimmt!)

Gleichzeitig hat diese FDP hier am Kabinettstisch in Nordrhein-Westfalen der Coronaschutzverordnung des Landes aber zugestimmt. Das nenne ich doppelzüngig.

(Beifall von den GRÜNEN und Eva-Maria Voigt-Küppers [SPD])

Ich finde, Sie müssen sich entscheiden. Entweder machen Sie Opposition, oder Sie sind Regierungsfraktion. Aber beides gleichzeitig funktioniert nun einmal nicht.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die ganz große Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger zeigt verantwortliches Handeln in dieser Pandemie, um sich und andere zu schützen. Dann können die Bürgerinnen und Bürger aber auch von dieser Regierung erwarten, dass sie hier gemeinsam verantwortlich handelt. – Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN und Sven Wolf [SPD])