Zur Änderung des Landeswahlgesetzes
Rede zum Entwurf der Landesregierung zur Änderung des Landeswahlgesetzes – zweite Lesung
Verena Schäffer (GRÜNE): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Die allgemeine, unmittelbare, freie, gleiche und geheime Wahl der Abgeordneten ist ein absolut wichtiger Grundpfeiler unserer Demokratie. Deshalb ist das Landeswahlgesetz auch eines der herausragenden Gesetze, die wir hier im Parlament diskutieren und über die wir beschließen. Deshalb ist es zu Recht eine Tradition – es sollte zumindest eine Tradition sein –, dass das Landeswahlgesetz möglichst interfraktionell beraten und auch gemeinsam hier beschlossen wird.
(Beifall von den GRÜNEN)
Änderungen an den Zuschnitten der Landtagswahlkreise wurden in der Vergangenheit oftmals im breiten Konsens oder mit einer breiten Mehrheit der demokratischen Fraktionen vorgenommen. Ich glaube auch, dass es für die Akzeptanz vor Ort besonders wichtig ist, wie Wahlkreise zugeschnitten werden.
Auch ich muss hier noch einmal eine Verfahrenskritik üben. In diesem Verfahren ist wirklich so ziemlich alles schiefgelaufen, finde ich. Der Entwurf der Landesregierung kam viel zu spät, um in einem geordneten Prozess über Änderungsbedarfe an den Wahlkreiszuschnitten zu diskutieren und Einigungen zu finden, und auch viel zu spät, um über die Frage zu diskutieren: Wie gehen wir mit den Aufstellungsversammlungen in einer Pandemiesituation um?
Die sehr gute Anhörung, die wir im Hautpausschuss hatten, fand in einer Sondersitzung statt. Eigentlich sollte sie erst am kommenden Donnerstag stattfinden – bis dann aufgefallen ist, dass das alles viel zu spät ist, dass wir die Sondersitzung brauchen und dass wir in dieser Plenarsitzung beschließen müssen.
(Sven Wolf [SPD]: Ein Dankeschön an die Opposition war nicht zu hören!)
Auch hier sieht man, dass das Innenministerium den Fahrplan offenbar nicht richtig auf dem Schirm hatte. Warum das so passiert ist, ist mir, ehrlich gesagt, völlig unverständlich.
Frau Freimuth, Sie haben gerade erklärt, Sie hätten sich nicht mit dem Änderungsantrag der Grünen auseinandersetzen können. Ja, okay. Aber dann muss ich ehrlich sagen: Es gehört auch nicht gerade zum guten Stil, wenn man eine Stunde vor Beginn einer Anhörung einen Änderungsantrag seitens der Regierungsfraktionen vorlegt und wir als Opposition überhaupt keine Zeit hatten, uns diese Dinge einmal ordentlich anzuschauen.
Insofern finde ich diese Kritik, ehrlich gesagt, verfehlt. Wir hätten insgesamt hier viel mehr Zeit gebraucht. Es ist schade, dass wir sie bei diesem wichtigen Gesetz nicht hatten.
(Beifall von den GRÜNEN)
Ich möchte gerne noch einmal inhaltlich auf einige Punkte in diesem Gesetzentwurf hinweisen. Ich finde es nachvollziehbar und auch richtig, über das Thema „Aufstellungsversammlung in der Situation einer Pandemie“ zu diskutieren. Wir wissen zwar, dass uns die Pandemie in den nächsten Wochen und Monaten begleiten wird. Wir wissen aber nicht, welche Auswirkungen diese Pandemie in Bezug auf physische Versammlungen haben wird, inwiefern wir sie durchführen können oder wie erschwert sie nur durchführen können.
Die Regelungen, die jetzt hier im Gesetzentwurf stehen, sind aus dem Bundesgesetz übernommen. Sie sind aus meiner Sicht allerdings unbestimmt in den Begrifflichkeiten. Das beginnt mit der Begrifflichkeit der Naturkatastrophe. Da haben wir, Herr Reul, immer wieder den Streit: Wie definieren Sie rechtlich und juristisch eigentlich die aktuelle Katastrophe, die aktuelle Pandemie?
Ich finde die Regelungen aber auch nicht sonderlich durchdacht. Sie wollen ja, dass die Landesregierung die Regelungen in einer Verordnung trifft. Wir haben den Versuch unternommen, mit einem Änderungsantrag einen Vorschlag vorzulegen, wie man es gesetzlich regeln könnte. Denn diese Regelungen gehören ins Gesetz, finde ich. Ich weiß, dass es vielleicht nicht perfekt ist, Frau Freimuth. Aber es ist der Versuch, eine gesetzliche Regelung zu schaffen. Schade, dass Sie das nicht versucht haben! Denn so, wie es jetzt vorgesehen ist, ist es aus meiner Sicht einfach ungenügend.
(Beifall von Josefine Paul [GRÜNE] – Vereinzelt Beifall von der SPD)
Der zweite inhaltliche Punkt, den ich hier benennen will, sind die Wahlkreise. Der Kern des Gesetzes ist natürlich der Zuschnitt der Landtagswahlkreise. Deren Zuschnitt steht immer unter besonderer Beobachtung – schon allein deshalb, weil der Vorwurf leicht und schnell im Raum steht, dass Regierungsfraktionen ihre Wahlkreise so zusammenschneiden, dass sie selbst die besten Chancen haben, in den Wahlkreisen direkt gewählt zu werden.
Um solchen Vorwürfen vorzubeugen, wäre es doch wichtig gewesen, die Gespräche zu führen.
(Zuruf von Ralf Witzel [FDP])
– Das ist gar nicht der Vorwurf, den ich hier erhoben habe. Ich habe gesagt: Solche Vorwürfe stehen schnell im Raum.
(Zuruf von Ralf Witzel [FDP])
Deshalb wäre es wichtig gewesen – Herr Witzel, ich kann Sie leider nicht verstehen; das ist vielleicht auch besser so –, darüber zu sprechen.
Aber in einem Punkt – das betrifft Münster – scheint mir dieser Vorwurf zumindest nicht ganz abwegig zu sein, wenn man sich anschaut, wie hier in Münster die Wahlkreise zugeschnitten wurden. Deshalb stellen wir auch zu Münster – und auch zu Wuppertal und zu Hennef – noch einmal eigene Änderungsanträge.
Ich will aber auch noch einmal einen Ausblick machen. Wenn wir hier gleich über das Landeswahlgesetz abstimmen – wir werden uns als Grüne übrigens enthalten –, dann wird das nicht die letzte Debatte über das Landeswahlgesetz gewesen sein. Denn wir werden uns weiter damit beschäftigen müssen.
Aufgrund der aktuellen Wahlprognosen und auf Grundlage des Kommunalwahlergebnisses im letzten Jahr ist relativ klar, dass der nächste Landtag anwachsen wird. Wir haben es ausrechnen lassen; wir haben es auch noch einmal extern ausrechnen lassen. Der nächste Landtag wird nach den aktuellen Prognosen wahrscheinlich auf 225 bis 315 Abgeordnete anwachsen.
Das heißt: Wir werden über das Thema „Wahlrechtsreform“ hier noch einmal sprechen müssen. Wir werden darüber sprechen müssen, ob wir nicht zum Beispiel zu einer maßvollen Reduzierung von Landtagswahlkreisen oder zu einer Veränderung des Verhältnisses zwischen Direktwahlkreisen und Listenplätzen kommen müssen.
Deshalb als Ausblick: Nach dem Landeswahlgesetz ist vor dem Landeswahlgesetz.
Ich freue mich auf die weiteren Diskussionen zu diesem Thema. – Vielen Dank.
(Beifall von den GRÜNEN)